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bilder einer moderne bilder einer modernen seele - Martin Bruns

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BILDER EINER MODERNEN N SEELEPetrarcas "Canzoniere"in Vertonungen Für Singstimme und HammerflügelWenigen von uns ist der "Canzoniere" von Francesco Petrarca (1304 – 1374) heute noch vertraut, obwohl er eineder bekanntesten und einflussreichsten Gedichtsammlungen der Literaturgeschichte überhaupt darstellt.366 Gedichte, mehrheitlich Sonette, beinhaltet der Band, dessen Entstehung sich über etwa 45 Jahre verteilt.Petrarca hat ihn nicht wie damals üblich auf Lateinisch, sondern im umgangssprachlichen Italienisch verfasst.Übersetzungen und Nachdichtungen, aber auch einfach vom Geist und vom Stil des "Canzoniere" inspirierteneue Werke gibt es in großer Zahl und in vielen Sprachen.Seit der frühen Renaissance haben Komponisten die Gedichte aus dem "Canzoniere" in unzähligen Madrigalenund mehrstimmigen Gesängen vertont. Der sogenannte Petrarkismus als literarische Strömung im 16.Jahrhundert spiegelt sich dabei thematisch sowie hinsichtlich s<strong>einer</strong> das Erleben des Einzelnen in den Mittelpunktstellenden Perspektive direkt in der Musik jener Zeit. Nach etwa 1630 wurde es für fast 150 Jahre einiges stillerum Petrarca und sein Werk, bis der Italiener gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Dichtern (z.B. Übersetzungenvon Bürger und Schlegel) und Komponisten wieder entdeckt wurde. Dies gipfelte in <strong>einer</strong> wahren Petrarca-Renaissance im 19. Jahrhundert.Bis in unsere heutige Zeit wird Petrarca immer wieder in Musik gesetzt, wobei seit dem 20. Jahrhundert häufigkammermusikalische Instrumentalbesetzungen anstelle der Klavierbegleitung die Singstimme ergänzen. Darüberhinaus gibt es rein instrumentale Vertonungen, die den Text nur als inhaltliche Vorlage nehmen (u.a. Liszt,Reichardt, Hahn).Dieses Programm widmet sich Petrarca-Vertonungen für Solostimme und Klavier, die im Vergleich zu den vielenmehrstimmigen Vertonungen für Chor und Ensembles in unserem Konzertleben kaum vorkommen.Die Romantik steht im Zentrum, doch wagen wir auch den Blick nach vorn bis in unsere Zeit: ein eigens für diesesProgramm komponiertes Werk des Münchners Rudi Spring – in <strong>einer</strong> zweisprachigen Textfassung desKomponisten und hier in der Version für Hammerflügel – weist auf die andauernde musikalischeAuseinandersetzung auch der heutigen Generation mit den Texten und Inhalten Petrarcas hin.Die Darstellung von menschlicher Zerrissenheit, von Glück, Sehnsucht und Wut, von Abscheu und Verklärung,insbesondere aber auch der lebendige Charme s<strong>einer</strong> pointierten Sprache machen den "Canzoniere" zu einemtiefsinnig-unterhaltsamen Stück über uns selbst, das mitnichten veraltet oder unzugänglich ist. Intensität derBetrachtung, selbstkritische Distanz, Mitleid und spöttischer Witz sind sowohl bei Petrarca, als auch in denmusikalischen Vertonungen zu finden.Es sind Schilderungen von durchaus bis heute nachzuempfindenden Zuständen <strong>einer</strong> menschlichen Seele -Seelen<strong>bilder</strong>, wie sie Jacob Burckhardt nannte -, die uns ansprechen und an uns selbst erinnern.Nicht alle Kompositionen sind dabei im originalen Italienisch gesetzt, sondern verwenden deutsche, englischeoder französische Übersetzungen, was eine weitere Dimension eröffnet.Durch das direkte Nebeneinander von Werken aus unterschiedlichen Epochen wird <strong>einer</strong>seits dasHauptaugenmerk auf die inhaltliche Seite der Textvorlage gelenkt, andererseits werden Unterschiede undGemeinsamkeiten in der Wahrnehmung der einzelnen Komponisten deutlich.Einem breiteren Publikum sind v.a. die Liszt'schen Petrarca-Sonette bekannt. Nebst den selten zu hörendenSonetten von Schubert birgt dieses Programm u.a. auch Raritäten wie die kleinen Meisterwerke von MoritzHauptmann, Peter Cornelius und Émile Paladilhe. Charmant lächeln uns die Bearbeitungen von drei bekanntenChopin-Préludes für Klavier (aus op. 28) von Mario Castelnuovo-Tedesco entgegen: Chopins Esprit verbindetsich hier auf überraschende Weise mit Petrarcas Eleganz, während Castelnuovo-Tedesco als Arrangeur derBegegnung diskret im Hintergrund bleibt.Dem Programm vorangestellt ist eine Vertonung von Edouard Lalo auf ein Gedicht von Victor Hugo über Petrarcaund Laura. Es lädt ein, Sehnsucht und Traum Realität werden zu lassen – so wie Laura einst Petrarca im Traumerschienen ist. In der Schlussgruppe leuchtet dann fast inbrünstig die romantische und dennoch schlichteVertonung von Peter Cornelius. Auf eine Strophe aus dem allerletzten Gedicht des Canzoniere gesetzt, wird hierLaura, angebetet als heilige Jungfrau, verklärt der irdischen Sphäre enthoben.<strong>Martin</strong> <strong>Bruns</strong>

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