NaturheilkundeGESUNDHEITfand Emma Kunz das entsprechende Mittelin einer Gesteinsschicht des dortigenRömersteinbruchs. Die Heilerin verordnetefeuchte Umschläge mit dem feingemahlenenHeilgestein, und nach einigenMonaten konnte der Junge wieder gehen.So geschehen im Jahre 1942. Anton C.Meier, der damals auf so wundersameWeise geheilt wurde, ist heute Mitte 60und verwaltet den Nachlass der SchweizerHeilpraktikerin, Naturforscherin undKünstlerin. Er hat sich dafür eingesetzt,dass auf dem stillgelegten Steinbruchareal– laut Experten einem der stärkstenEnergieplätze der <strong>Erde</strong> – das «Emma-Kunz-Zentrum» entstehen konnte unddas energetische Heilgestein der Allgemeinheitzugänglich wurde. So hatte essich Emma Kunz gewünscht. Sie nanntedas Steinpulver «Aion A» – abgeleitetvom griechischen Wort für «grenzenlos».Es wird heute oft als «Königin unterden Heilerden» bezeichnet, während dieWürenloser allerdings Wert darauf legen,dass es sich nicht um eine Heilerde, sondernum ein Heilgestein handelt.Aion A besteht zu über 70 Prozent ausCalciumoxyd und enthält die meistenFoto: Matthias Tunger, Südwest VerlagMineralsalze in ihrer ursprünglichenForm. Heilpraktiker und Physiotherapeutenverwenden es äusserlich zur Behandlungvon Sportverletzungen undRheuma, denn es wirkt entzündungshemmendund schmerzlindernd. Im Badewasserwirkt das Mittel entgiftend undausgleichend. Eingenommen beugt esKalzium-, Mineralstoff- und Kieselsäuremangelvor.Dass Heilerde auch innerlich angewendetwird, mag auf den ersten Blick befremden,hat aber eine jahrtausendealteTradition. <strong>Heilende</strong> <strong>Erde</strong>n gehören zuden ältesten Arzneimitteln der Welt. «SeitMenschengedenken werden sie zur Vorbeugungund Behandlung von Krankheiten,als Nahrungsergänzung, für Schönheitund Wohlbefinden sowie zur Körperpflegegenutzt», schreiben Margot Hellmissund Falk Scheithauer in ihrem Buch«Natürlich behandeln mit Heilerde». DieAutoren vermuten, dass unsere steinzeitlichenVorfahren die «Geophagie», das<strong>Erde</strong>-Essen, von ihren tierischen Mitgeschöpfenabgeschaut haben, denn vieleTierarten ergänzen ihren normalen Speiseplandurch <strong>Erde</strong> und versorgen sich somit heilkräftigen Substanzen und lebensnotwendigenMineralien. Bei vielen Naturvölkernhat sich diese Gewohnheit bisheute erhalten; Körperbemalungen mitErdfarben zu rituellen Anlässen zeugenvon der tiefen Verbundenheit dieser Menschenmit «Mutter <strong>Erde</strong>». Auf Borneo essenFrauen <strong>Erde</strong>, um die Fruchtbarkeit zufördern und Fehlgeburten zu verhindern.Zudem soll <strong>Erde</strong>essen die Entbindung erleichternund helfen, kräftige Kinder mitgesunder Haut zur Welt zu bringen. «Wasauf den ersten Blick wie der Aberglaubevon Eingeborenenstämmen aussehenmag, enthält Wahrheit», geben Hellmiss/Scheithauerzu bedenken. «Der Verzehrvon <strong>Erde</strong> kann Mineralstoffmängelausgleichen, was gerade für werdendeMütter und das noch ungeborene Lebenvon grosser Bedeutung ist.» Sagte nichtmeine Mutter beschwichtigend «Sand reinigtden Magen», wenn wir als Kinder mit<strong>Erde</strong> in den Mundwinkeln vom Spielenheimkamen?<strong>Erde</strong> war Gold wertGanz bestimmte Erdarten wurden in denalten Hochkulturen Indiens, Chinas undBabyloniens gegen viele Leiden eingesetztNatürlich | 8-2003 47
GESUNDHEITNaturheilkunde«Lassen Sie die Kerls<strong>Erde</strong> fressen!»Ratschlag des deutschen Leibarztesan den russischen Zar Nikolaus I.,als im Krim-Krieg unter den Soldatendie Cholera auszubrechen drohte.48 Natürlich | 8-2003Foto: Matthias Tunger, Südwest Verlagund demzufolge als «Geschenk der Götter»gepriesen. Die alten Ägypter nutztenNilschlamm als Mittel gegen rheumatischeBeschwerden, Gliederschmerzen,Entzündungen und Schwellungen undsogar für die Einbalsamierung und Mumifizierungvon Toten, da er wirksam daszerstörerische Werk der Fäulnisbakterienunterband. Aus Ägypten stammen auchdie ersten schriftlichen Aufzeichnungenüber die erfolgreiche Anwendung von Heilerde(3000 v. Chr.). Im antiken Griechenlandwar Heilerde von der Insel Lemnosso begehrt, dass sie zeitweise mit Goldaufgewogen wurde. Hippokrates (460–370v. Chr.), Vater aller Ärzte, verabreichtejungen Müttern Heilerde von der InselSamos zur «inneren Reinigung». ClaudiusGalenus (129–201 n. Chr.), Leibarzt desrömischen Kaisers Marc Aurel, vermischte<strong>Erde</strong> mit Wein oder Wasser undverordnete sie bei Vergiftungen, frischenWunden, Hämorrhoiden, Wassersucht,Durchfällen und Hauterkrankungen.Im Mittelalter war es die heilkundigeÄbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179), die in ihren Schriften die therapeutischeAnwendung von so genannten«Wurzelerden» empfahl, die im Wurzelbereichbestimmter Pflanzen zu findensind und die aufgrund des Mineralstoffbedarfsder Pflanzen je nach Jahreszeiteinen unterschiedlichen Charakter undSäuregehalt aufweisen. Hildegard rietunter anderem zu Auflagen mit Apfelbaumerdebei Schulter-, Lenden- undBauchschmerzen und zu heissen Bädernmit Lindenwurzelerde bei Gicht und Lähmungserscheinungen.Paracelsus (1493–1541), einer der bedeutendsten Ärzte undNaturforscher des Mittelalters, stellteArzneien auf der Basis von Heilerde herund behandelte damit nicht zuletzt Pestkranke.Mit dem «Fortschritt» in Chemieund Pharmazie drängten indes synthetischhergestellte Präparate auf denMarkt, während heilkräftige <strong>Erde</strong>n durchQuacksalber in Verruf kamen. Die «aufgeklärte»Ärzteschaft betrachtete Naturheilmittelzunehmend kritischer.Laientherapeuten trugen schliesslichim ausgehenden 19. und beginnenden20. Jahrhundert dazu bei, das alte Wissenum die Heilkraft der <strong>Erde</strong> wieder neu zuentdecken. Pfarrer Sebastian Kneipp(1821–1897) war von ihrer Wirkungebenso überzeugt wie der «Lehmpastor»Emanuel Felke (1856–1926). Kneipp verordneteErdtherapien überall dort, wokühlende, ausleitende Umschläge erforderlichwaren – also bei Wunden, Geschwüren,Venenentzündungen, Hautausschlägen,Halsentzündungen undInsektenstichen. Felke hatte als Kind beobachtet,wie ein im Kampf schwer verwundeterHund sich ausgiebig in einerLehmsuhle wälzte. Als der Junge das Tiernach einigen Tagen wiedersah, stellte ermit Erstaunen fest, dass die tiefen Wundenspurlos verheilt waren. Unter demEindruck dieser beeindruckenden Beobachtungentwickelte er später seine Therapien,bei denen Lehmumschläge und-wickel bei Hautverletzungen, Schwellungen,Blutergüssen und Verrenkungenim Mittelpunkt standen. Hinzu kamendie Heilfaktoren Wasser, Licht und Luftsowie Barfusswanderungen und Vollwertkost.Heute werden «Felke-Kuren» sogarbei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporoseund Arthrosen verordnet.Umfassend erforschtSeitdem man im 20. Jahrhundert mit dermedizinischen Erforschung des «irdischenWundermittels» begonnen hat, gibtes kaum eine Naturarznei, deren gesundheitlicherNutzen so umfangreich dokumentiertist. Pionier auf diesem Gebiet warder Würzburger Arzt Prof. Julius Stumpf(1856–1032). Ihm gebührt wohl das Verdienst,ein wissenschaftliches Fundamentfür die therapeutische Anwendung vonHeilerde geschaffen zu haben. Unter anderemwies er unter Laborbedingungen dieaustrocknende und somit antibakterielleWirkung von Lehm nach: In dem zurückbleibendentrockenen Milieu können Bakteriennicht gedeihen.Nicht zuletzt angesichts der positivenErfahrungsberichte hat es die Heilerde bisin das grundlegende medizinische Wörterbuch,den «Pschyrembel» geschafft.Sie ist dort vertreten als «terrestrischesPeloid in wechselnder Zusammensetzungmit adsorbierender und lokal reizenderWirkung zur innerlichen und äusserli-