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Eintritt in den Krieg - Wolfgang Fritz Haug

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AUSTRITT AUS DER SOZIALPOLITIK – EINTRITT IN DEN KRIEG (1999) 10<br />

ausgeschaltet und mit ihr das Zusammenwirken mit Russland aufgekündigt. Und nicht nur<br />

die Marg<strong>in</strong>alisierung Russlands, sondern auch die Ch<strong>in</strong>as und Indiens betrieb die NATO hierdurch.<br />

Aber auch <strong>den</strong> Ansätzen e<strong>in</strong>er eigenständigen europäischen I<strong>den</strong>tität und<br />

Konfliktlösungsfähigkeit wird das Rückgrat gebrochen. Jeder dieser Schritte hat die<br />

Weltverhältnisse verändert.<br />

Die Medien bewegen sich seither im Medium der funktionalen Lüge, die nur selten durch e<strong>in</strong>zelne<br />

Stimmen durchdrungen wird. Wie über <strong>den</strong> Wahrheitswert der öffentlich geäußerten Behauptungen,<br />

kann man über die strategische Rationalität >h<strong>in</strong>ter< der politisch-militärischen Vorgehensweise<br />

der NATO-Staaten nur spekulieren. Milosevic saß nach 20 <strong>Krieg</strong>stagen »fester im Sattel <strong>den</strong>n je«<br />

(Adam). Sollten die Strategen h<strong>in</strong>ter ihren verschlossenen Türen diesen Fall erst gar nicht <strong>in</strong> Betracht<br />

gezogen haben? Historikern wird künftig die Klärung der Frage obliegen, »wie e<strong>in</strong>e Regierung <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>Krieg</strong> geschlittert ist. Im Falle des Kosovo-<strong>Krieg</strong>es hat sich <strong>in</strong> der NATO offensichtlich die<br />

amerikanische Form der Außenpolitik durchgesetzt: Ohne <strong>Krieg</strong>serklärung und ohne<br />

Schuldbewusstse<strong>in</strong> wird e<strong>in</strong> Land <strong>in</strong> Grund und Bo<strong>den</strong> gebombt.« (Kunczik) Der zitierte<br />

Beobachter, e<strong>in</strong> Medienwissenschaftler, kommt zu dem Schluss, das Kosovo sei »zum Vorhof der<br />

amerikanischen Außenpolitik gewor<strong>den</strong>; das Kosovo liegt <strong>in</strong> der Karibik. (...) Es fragt sich nur, wie<br />

lange die >Moral< der Bevölkerung der NATO-Staaten die <strong>Krieg</strong>sführung unterstützt.« (Ebd.)<br />

In e<strong>in</strong>em <strong>Krieg</strong>, »von dem niemand zu wissen sche<strong>in</strong>t, wie er beendet wer<strong>den</strong> soll« (Dregger), haben<br />

die Politiker die Kontrolle verloren. Vergleichbar mit <strong>den</strong> Politikern von 1914 haben sie die<br />

Initiative an <strong>den</strong> »Automatismus der Realismus-Falle« (Candeias) verloren. Man muss nicht das<br />

e<strong>in</strong>e Subjekt im H<strong>in</strong>tergrund suchen. Was wie läuft ist auch e<strong>in</strong> Effekt des Getriebes, Wirkung<br />

strukturprozessualer Kausalität, könnte man sagen. Wollten die NATO-Repräsentanten nicht »ihr<br />

Gesicht« verlieren, musste angegriffen und von Etappe zu Etappe weitergebombt wer<strong>den</strong>. Die<br />

<strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> »humanitär« legitimierende Schutzabsicht erschien mit jedem Tag mehr als<br />

Schutzbehauptung, moralisch gefärbter Rauchvorhang, der <strong>den</strong> verselbständigten Mechanismus<br />

kurzsichtiger Politik verdeckte und damit die Tatsache, »dass humanitäre Erwägungen bei der<br />

politischen Legitimierung der NATO-Maßnahme bestenfalls <strong>den</strong> Status des Beiherspielen<strong>den</strong> haben«<br />

(Schweppenhäuser). Das Mittel, mit dem Massenvertreibung verh<strong>in</strong>dert wer<strong>den</strong> sollte, hat diese<br />

erst richtig produziert. Die Alternative Bombardierung oder Vertreibung und Mord hat sich <strong>in</strong> der<br />

Verb<strong>in</strong>dung beider Übel aufgehoben, und diese Verb<strong>in</strong>dung ist von <strong>den</strong>en, die »schweren<br />

Herzens« bombardieren, selbst produziert wor<strong>den</strong> – ob absichtlich oder nur als Effekt politischer<br />

Unfähigkeit oder als Gemengelage aus beidem, sei dah<strong>in</strong>gestellt. E<strong>in</strong>e makabre Dialektik waltete:<br />

Der äußere Gegensatz erzeugte beim Gegner <strong>in</strong>nere E<strong>in</strong>heit. Rest-Elemente von »Sozialismus«

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