03.12.2012 Aufrufe

Festschrift - Christliche Versammlung Manderbach

Festschrift - Christliche Versammlung Manderbach

Festschrift - Christliche Versammlung Manderbach

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

36<br />

Säuglingskurs im <strong>Versammlung</strong>ssaal<br />

In der Kirchenchronik Frohnhausen muss Pfarrer Spieß<br />

zwei Jahre später, 1876, 12 Austritte in <strong>Manderbach</strong><br />

verzeichnen und schreibt: »Das kirchliche Leben in dem<br />

hiesigen Kirchspiel, das früher ein sehr reges war, hat durch<br />

die Umtriebe der Darbysten und Independenten des s.g.<br />

Brüdervereins stark gelitten. Es sind zur Zeit (1876) als<br />

ausgetreten aus der evangelischen Kirche angemeldet und<br />

zur Gemeinschaft der s. g. Christen (Darbysten) übergetreten:<br />

Johannes Heinrich Blicker, Heinrich Wilhelm Blicker, Johannes<br />

Heinrich Lückhof der 2., Johannes Heinrich Lückhof der 3.,<br />

Wilhelm Friedrich Lückhof, Johannes Jost Ebert der 2. (Wwr.),<br />

Elise Ebert (jetzt verehl. Held), Heinrich Wilhelm Gustav Kloft<br />

und Katharina., geb. Lückhof, Johannes Wilhelm Braas,<br />

August Daniel, Friedrich August Lückhof, Johannes Heinrich<br />

Karl Braas. Das Kirchspiel wird fortwährend von Sendboten<br />

der Darbysten und Independenten bereist..., die ersteren sind<br />

namentlich bei Kranken sehr eifrig zur Hand, um sie noch vor<br />

ihrem Ende zu ihrer Gemeinschaft zu bekehren«.<br />

Die vorab genannten »Independenten« waren die so<br />

genannten »Brüdervereinler«, wie Lehrer Menges sie in der<br />

<strong>Manderbach</strong>er Schulchronik nennt. Sie waren etwa ebenso<br />

zahlreich wie die Brüderversammlung. Aber sie traten,<br />

anders als die »Brüder«, nicht aus der Kirche aus; sie feierten<br />

lediglich das Abendmahl unter sich. Übrigens waren die<br />

<strong>Manderbach</strong>er »Brüdervereinler« mit den »Gemeinschaften<br />

im Kreis Dillenburg (Nanzenbach, Eibach, Wissenbach,<br />

<strong>Manderbach</strong>, Rothenbach, Steinbach, Donsbach, Allendorf,<br />

Breitscheid, Dresselndorf)« zur Gründung des Bundes Freier<br />

evangelischen Gemeinden 1874 mit in Elberfeld vertreten;<br />

sie blieben jedoch weiterhin der Kirche verbunden, wenn<br />

auch mitunter in kritischer Distanz und entwickelten<br />

sich so nach und nach zum kirchlichen »Vereinshaus«,<br />

während die meisten anderen Gemeinschaften zu Freien<br />

evangelischen Gemeinden wurden. Die Kirche sah in dem<br />

Aufkommen der »Brüdervereinler« und »Darbysten« in dem<br />

kleinen Dorf <strong>Manderbach</strong> mit seinen ca. 530 Einwohnern<br />

im Jahre 1876 eine ernsthafte Konkurrenz. So klagt Pfarrer<br />

Spieß im Jahr 1878: »Am Anfang des Jahres nahmen die<br />

sektirerischen Bewegungen in den hiesigen Orten einen neuen<br />

Anlauf; darbystische Reiseprediger erschienen Woche für<br />

Woche, machten Hausbesuche und hielten <strong>Versammlung</strong>en...<br />

Auch von Seiten des Brüdervereins wurden erneute Versuche<br />

gemacht, sich hier festzusetzen«.<br />

Lehrer Menges (1878-1883), der als mittlerweile<br />

preußischer Staatsbeamter natürlich der Staatskirche<br />

verpfl ichtet war, schreibt sodann 1879 in der Schulchronik<br />

<strong>Manderbach</strong>: »Gegenwärtig gibt es 40 Darbysten hier, ihre<br />

Kinder sind ohne Taufe, deren 9 eben die Schule besuchen. Die<br />

Trauung wird nur civilrechtlich vollzogen, und die Beerdigung<br />

ganz nach jüdischer Weise. Sie tragen ihre Todten hinaus und<br />

scharren sie zu... Von dem Lehrer verlangen sie, ihre Kinder mit<br />

der Lehre von den Sakramenten zu verschonen«.<br />

Besonders Johann Heinrich Lückhof, der Schuhmacher aus<br />

der Kirchstraße 6 (heute: Neustraße 18), dem sogenannten<br />

Hucks-Haus, verlangte solches. Schließlich fühlte Pfarrer<br />

Spieß sich so bedrängt, dass er 1881 eine sehr lesenswerte<br />

Schrift herausbrachte »Die Irrthümer des Darbysmus«.<br />

1881 hatte <strong>Manderbach</strong> 550 Einwohner, von denen Pfarrer<br />

Spieß sagt, dass über 1/12 aus der Kirche ausgetreten sind<br />

und fährt fort:<br />

»Die sektirerische Bewegung hat in der letzten Zeit wieder<br />

Fortschritte gemacht; es sind aus Frohnhausen 13 Personen<br />

aus der Kirche ausgetreten, und in <strong>Manderbach</strong> halten sich<br />

2 Familien, 2 Weiber und 3 junge Leute zur darbystischen<br />

<strong>Versammlung</strong>«.<br />

Und Lehrer Menges hält in der Schulchronik 1881 fest:<br />

»Gegenwärtig sind in hiesiger Schule 13 Darbystenkinder,<br />

wovon viele ungetauft sind. Selbstverständlich lassen sich<br />

die jungen Ehepaare dieser Vereinigung nur civilrechtlich<br />

trauen. Der erste in hiesiger Gemeinde civil-rechtlich Getraute<br />

ist Johann Heinrich Schlemper, gebürtig in Oberroßbach mit<br />

Lina Heimann gebürtig – und beide wohnhaft dahier«.<br />

Und in demselben Jahr 1881 ist die Brüderversammlung<br />

in <strong>Manderbach</strong> international schon so bekannt, dass<br />

sie in einem englischen »Wegweiser« folgendermaßen<br />

aufgelistet ist: »<strong>Manderbach</strong>, near Dillenburg, Joh. Heinr.<br />

Lückhof«.<br />

Noch ein knappes Schlusswort: Es bedurfte eines langen,<br />

mühsamen Weges, wo alle Freikirchler als Sektierer gelten<br />

mussten – die Brüderversammlung, die Methodisten, die<br />

Freigemeindler –, ehe die Kirche uns zugestand, dass man<br />

auch außerhalb der verfassten Kirche »Kirche Jesu Christi«<br />

sein kann.<br />

August Jung<br />

Über den Autor:<br />

August Jung wurde 1927 in <strong>Manderbach</strong><br />

geboren. Von 1951 an war er Pastor im Bund<br />

Freier evangelischer Gemeinden.<br />

Heute ist er im Ruhestand.<br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!