| Längerer_Spruch_oder_Zitat || Kategorie |das Individuum seine impliziten Ordnungen,Vorstellungen, Normen <strong>und</strong> Werthaltungen insubjektiver Weise an die Außenwelt kommuniziert.Hypothetisch können somit zwei Informationsquellenerschlossen werden:a) über die Deutung des Symptoms wird dieWirklichkeitskonstruktion des Betroffenenbzw. Beobachters transparent <strong>und</strong> es wirdgleichzeitig klar, welche Bedeutung das Symptomfür den Betroffenen hat <strong>und</strong>b) über die Deutung wird eine subjektive <strong>und</strong>situationsgestaltende Erwartungswirklichkeitoffen gelegt, die das weitere Handeln des Individuums<strong>und</strong> seine Lernerfahrungen auf neueSituationen festlegt.<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> alsVerständnis von GanzheitNachfolgend wird von einem Gr<strong>und</strong>verständnisvon <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ausgegangen, das von einerbestimmten Vorstellung von Ganzheit beeinflusstist, die dem Individuum die Integrationseiner Symptome in den praktischen Alltagermöglichen soll. Im weiteren Verlauf des Kapitelswird dieses Modell, wie auch die Verwendungdes Begriffs Ganzheit noch genauerzu erläutern sein, weil damit <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> synonymim Sinne von ‘heil sein’ gemeint ist.Heil kommt aus dem Mittelhochdeutsch <strong>und</strong>hat laut Herkunftswörterbuch des Dudens (DudenHerkunftswörterbuch 1963, S. 256) folgendeBedeutung:Glück”; (glücklicher) Zufall; <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>; Heilung,Rettung, Beistand… Unter dem Einflussdes Christentums nahm das Wort Heil auch dieBedeutung „Erlösung von den Sünden <strong>und</strong> Gewährungder ewigen Seligkeit” an...Mit der Verwendung von ‘Ganzheit’ <strong>und</strong> ‘Heilsein’ ist ein Gleichgewicht gemeint, das nichtstatisch, sondern dynamisch zu verstehen ist<strong>und</strong> deren Balance einen Zustand herstellt,der mit <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> übersetzt werden kann.Demzufolge ist Krankheit ein Zustand, der einen‘Verlust’ oder ‘Mangel’ an Ganzheit aufweist(gemäß der Bedeutung: heillos =„ohneGlück, Wohlfahrt oder <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, daher,elend; scheußlich, verrucht; ebenda, S. 257.)Die Bedeutung von Heil finden wir sowohl inder Medizin als auch in der Religion (heilig).Beiden gemeinsam ist das Verständnis voneinem Einheitsbewusstsein als Überwindungeiner Abspaltung oder fragmentierten Sichtweise.Es bedeutet also auch, das integrierenzu lernen, was außerhalb einer subjektivenWirklichkeit existiert oder außerhalb diesersubjektiven Wirklichkeit verdrängt wurde.Krankheit ist der Ausdruck des Bösen im Körper,so wie <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> der des Heiligen ist.Krankheit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> sind nicht einfachkörperliche Zustände, welche die Methodender Wissenschaft früher oder später vollkommenanalysieren <strong>und</strong> verständlich machenwerden. Sie wurzeln in den tiefsten <strong>und</strong> geheimnisvollstenSchichten des Seins… Die Idee,dass man die dunklen Seiten des Daseins,selbst Krankheit <strong>und</strong> Tod, annehmen <strong>und</strong>einbeziehen muss, will man zu Ganzheit <strong>und</strong>Vollkommenheit gelangen, ist ein eindrucksvollerGedankengang, der sich in zahlreichenSystemen praktischer Magie <strong>und</strong> esoterischerPhilosophie findet. (Weil, 1991, S. 72 f)<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> kann somit auch Krankheit integrieren,wenn Krankheit als eine Erscheinungverstanden wird, die sichtbar werden lässt,dass notwendige Aspekte zur Ganzheit fehlen,folglich noch keine <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> erreicht ist.Geht man von diesem Konzept der <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>als Ganzheit aus, bedeutet die Beseitigung einesSymptoms noch keine Heilung, weil nur anden Symptomen kuriert wurde, also Krankheitbehandelt wurde.Heilung wird daher weitgehend als Beseitigungvon Krankheitsursachen, nicht aber als Schaffungvon <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbedingungen konzeptualisiert.(Simon, 1995, S. 37)Um Inhalt <strong>und</strong> Form zu verdeutlichen soll dieErklärung von Detlefsen <strong>und</strong> Dahlke (1990, S.22) herangezogen werden, um zwischen Symptom,Krankheit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu differenzieren.Detlefsen <strong>und</strong> Dahlke verwenden einBild, in dem sie den Körper / Organismus desIndividuums mit einer Bühne (Form) vergleichen,auf der eine Tragödie aufgeführt wird.Obwohl die Tragödie auf der Bühne aufgeführtwird, kann die Bühne nicht tragisch sein, eskann nur das Stück (Inhalt) tragisch sein. Aberdas Stück (Inhalt) zeigt sich auf der Bühne(Form), innerhalb der Kulissen, anhand derKostüme, der Musik, der Schauspieler usw.Dies sind aber lediglich die Formaspekte, dieetwas zum Ausdruck bringen, aber nicht denInhalt selbst.Capra (1983, S. 358 ff) versucht <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> annäherndwie folgt zu formulieren.<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist eine subjektive Erfahrung, derenQualität man intuitiv kennen, jedoch niemalserschöpfend beschreiben oder quantifizierenkann. Doch können wir vielleicht unsere Definitionmit der Feststellung beginnen, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sei ein Zustand des Wohlbefindens, derentsteht, wenn der Organismus auf eine gewisseWeise funktioniert. Die Beschreibung dieserArt des Funktionierens wird davon abhängen,wie wir den Organismus <strong>und</strong> seine Wechselwirkungmit seiner Umwelt beschreiben… DerBegriff <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enenBegriffe von Erkrankung, Krankheit <strong>und</strong> Krankheitsanzeichenbeziehen sich daher nicht aufgut definierte Einheiten, sondern sind integraleTeile begrenzter <strong>und</strong> annähernder Modelle, indenen sich die Gewebe von Zusammenhängenzwischen multiplen Aspekten des komplexen<strong>und</strong> fließenden Phänomens Leben spiegeln.Hat man erst einmal die Relativität <strong>und</strong> subjektiveNatur des Begriffes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> erkannt,dann wird auch klar, dass die Erfahrung von<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Erkrankung stark vom kulturellenZusammenhang beeinflusst wird, in demsie sich ergibt… Darüber hinaus beeinflusstauch der kulturelle Zusammenhang die spezifischeArt, wie Menschen sich verhalten, wennsie krank werden.In Capras Verständnis wird <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zumAusdruck eines multiplen Zusammenspielsdes Individuums mit seiner sozialen Realität(Makro- <strong>und</strong> Mesosystem) <strong>und</strong> den darausresultierenden generierenden Mechanismen,sowie seiner subjektiven Anschauung.In diesem Sinne wird <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> mit demBalancemodell nach Peseschkian als eineGanzheit verstanden, in der komplexe <strong>und</strong> heterogeneInhalte <strong>und</strong> Erwartungen in Abhängigkeitender multidimensionalen Realitätenzu integrieren sind, um individuelle befriedigendeAntworten auf die vielfältigen Anforderungen,Zustände <strong>und</strong> Situationen zu geben.Das Balancemodells von Peseschkian ist eineMetapher für Ganzheit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>. Damitwerden so komplexe Zusammenhänge wie <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>bildlich <strong>und</strong> intuitiv zugänglich, wasmit Kommunikation allein nicht befriedigendgenug gelingt. Gleichzeitig bleibt dieses Modellmehrdeutig <strong>und</strong> kann trotzdem unterschiedliche<strong>und</strong> komplexe Bereiche unter dem Gesichtspunktvon Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Ähnlichkeitenzusammenfassen.Lebens(t)räume Ausgabe 09 - 2012 5
| Kategorie | | Längerer_Spruch_oder_Zitat |Um ges<strong>und</strong> zu sein, braucht der Mensch Flexibilität<strong>und</strong> die Bereitschaft aktiv dafür waszu tun, d. h. er braucht die Erkenntnis derMitgestaltungs- <strong>und</strong> Entscheidungsmöglichkeit.Je dynamischer ein Mensch gelernt hat,seine Energien innerhalb der vier Bereiche desKonfliktmodells einzusetzen <strong>und</strong> auszugestalten,desto größer ist seine Flexibilität <strong>und</strong> seineAlternativen, um auf Probleme <strong>und</strong> neueHerausforderungen reagieren zu können. AlsErgebnis dieses dynamischen Balanceaktes istfür Peseschkian <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> als ein subjektivesGefühl von Wohlbefinden, der dem Helferdie Möglichkeit eröffnet, seine physischen(Körper), psychischen (Leistung, Kontakt) <strong>und</strong>geistigen (Phantasie/Zukunft) Fähigkeiten zuerfahren, die ein positives Zusammenwirkenmit der natürlichen (Tiere, Pflanzen usw.) <strong>und</strong>gesellschaftlichen Umwelt findet (Kontakt).Damit wäre dieses Individuum in der Lage, Krisenphasenals natürliche Intervalle des Lebenszu akzeptieren - als ein Tal zwischen zweiBergen. Peseschkian (1991) geht davon aus,dass die Fähigkeit der Selbsterneuerung beieinem Individuum eher zu erwarten ist, wennes durch dieses Modell über Wissen verfügt,das seine Selbsthilfepotentiale (Ressourcen)in dem Sinne mobilisiert, dass Balance in denvier Bereichen angestrebt wird.Dr. phil.Gunther Hübnerist als Berater, Personalentwickler<strong>und</strong> Coach u.a. inder Wirtschaft, Kommunen,Institutionen <strong>und</strong> Vereinentätig (z.B. Trainings <strong>und</strong>Coachings von Bereichsleitern der Lufthansa /EA Dubai / EA Tunis / EA Istanbul / EA Johannisburg/ EA Lagos im Rahmen des EFM-Programms(Employe Feedback Management) <strong>und</strong>Teamentwicklung. Voraussetzung war, dass derTrainer <strong>und</strong> Coach über transkulturelle Kompetenzenverfügt.)Seit 1988 wirkt er als Dozent im Rahmen desWiesbadener Weiterbildungskreis zur Erlangungder Zusatzausbildung <strong>Psychotherapie</strong> für Ärztemit. Seit 1997 ist er als Dozent <strong>und</strong> Ausbilder ander Wiesbadener Akademie für <strong>Psychotherapie</strong>tätig (Theorie <strong>und</strong> Methodik; Selbsterfahrung;Supervision; Kinder-; Jugendlichen-; Paar-, Familientherapie;Gutachtenverfahren; Konfliktberatung;Coaching).Herr Dr. phil. Gunther Hübner wurde 2009 zumPräsident der Deutsche Gesellschaft für <strong>Transkulturelle</strong><strong>und</strong> <strong>Positive</strong> <strong>Psychotherapie</strong> gewählt.Literatur:Berger, P. / Luckmann, T. (1969): Die gesellschaftlicheKonstruktion der Wirklichkeit. 20. Aufl. 2004Capra, F. 1983: Wendezeit. Bausteine für ein neuesWeltbild. BernDetlefsen, T. / Dahlke, R. 1990: Krankheit als Weg.MünchenJaspers , K. 1913: Allgemeine Psychopathologie.Berlin. [9. Aufl. 1973]Müller, B. 1991: Die Last der großen Hoffnungen:methodisches Handeln <strong>und</strong> Selbstkontrolle in sozialenBerufen. WeinheimPeseschkian, N. 1979: Der Kaufmann <strong>und</strong> der Papagei.FrankfurtPeseschkian, N. 1982:<strong>Positive</strong> Familientherapie. FrankfurtPeseschkian, N. 1983:Auf der Suche nach Sinn. FrankfurtPeseschkian, N. 1991: Psychosomatik <strong>und</strong> positive<strong>Psychotherapie</strong>. BerlinSimon, F.B. 1995: Die andere Seite der <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>.Ansätze einer systemischen Krankheits- <strong>und</strong> Therapietheorie.HeidelbergWeil, A. 1991:Was uns ges<strong>und</strong> macht. Weinheim6Lebens(t)räume Ausgabe 09 - 2012