<strong>Atmung</strong> und Schrittfrequenz OriginaliaAbbildung 3: Verlauf der Sauerstoffaufnahme relativ zum Körpergewicht(V˙ O 2, oben), der Blutlaktatkonzentration (Mitte) und des Atemminutenvolumens(V˙ E, unten) im Laufbandmehrstufentest (Die Laufgeschwindigkeit istüber der x-Achse angegeben).Gang einen fast doppelt höheren relativen Energieaufwand<strong>mit</strong> entsprechenden Anforderungen an die Sauerstoffversorgungrespektive die Ventilation (5,10,14).Trotz der Möglichkeit, per Motorcortex in die Rhythmizitätder <strong>Atmung</strong> einzugreifen, ist auch <strong>beim</strong> Menschen eineenge Verbindung der Locomotorik <strong>mit</strong> dem Atemzentrum imStammhirn und vegetativen Steuereinheiten im Mittelhirnverblieben (16,17). Offensichtlich ist hierbei die Neigung <strong>zur</strong>Koppelung der Atem- an die Schrittfrequenz <strong>beim</strong> <strong>Laufen</strong> jenach Dominanz des jeweiligen Zentrums individuell unterschiedlichstark ausgeprägt und den Betreffenden dann auchnicht zwangsläufig bewusst (1,2,15,19). Übrigens wird auchfür Radfahren von Fällen einer derartigen Koppelung berichtet,die jedoch im Vergleich seltener und schwächer ausgeprägtauftritt als <strong>beim</strong> <strong>Laufen</strong> (1,3). Im Gegensatz hierzuist die <strong>Atmung</strong> bei Sportdisziplinen wie Schwimmen und Rudern(18) naturgemäß eng und <strong>mit</strong> geringer Variationsmöglichkeitan den Bewegungsablauf gekoppelt.Auch wenn in der Populärliteratur häufig Empfehlungenfür eine feste Schritt-Atem-Koppelung zu finden sind, konnteein Zusammenhang zwischen Koppelung und Ausdauerleistungsfähigkeitoder Trainingserfahrung im <strong>Laufen</strong> nichtgezeigt werden (1,15). Allenfalls von Bernasconi et al. wirdvon einer gering, aber signifikant niedrigeren Sauerstoffaufnahmebei identischer Belastungsintensität unter starkerKoppelung berichtet (1).Eine Neigung zu <strong>gekoppelter</strong> <strong>Atmung</strong> <strong>beim</strong> <strong>Laufen</strong>scheint in der Bevölkerung zufällig gestreut zu sein (1). Auchder hier vorliegende Einzelbefund bestätigt, dass es den Betroffenentrotz einer möglicherweise ungünstigen Atemmechanikschwer fällt, diese rudimentären Bewegungsmusterüber eine entsprechende Einflussnahme ihres Motorcortex zudominieren. Auch unser Proband konnte interessanterweiseeine bewusste Anpassung der Atemfrequenz an die Schrittfrequenznicht bestätigen. Ein zusätzlicher Versuch <strong>mit</strong> einmaligerBelastung auf jeweils 16 km/h und 18 km/h erbrachtetrotz vorheriger Unterrichtung des Sportlers denselbenBefund einer gekoppelten <strong>Atmung</strong>, was die unbewussteEinstellung dieser Koppelung noch unterstreicht.Eine Messung der Schrittfrequenz war im vorgestelltenFall aus methodischen Gründen nicht erfolgt. Der prägnante,sprunghafte Verlauf der Atemfrequenz <strong>mit</strong> den separatenHäufigkeitsmaxima bei ca. 40, 60 und 90/min lässt jedochkeinen anderen Schluss als den einer festen Koppelung <strong>zur</strong>Schrittfrequenz zu. Die Steigerung in Intervallen von jeweils50% entspräche exakt einem Verhältnis von 4:1, 3:1 unddann 2:1 zwischen Schritten und Atemzügen. Mithin ist ander Atemfrequenz des Sportlers auch eine dezente allmählicheErhöhung des "Taktgebers" Schrittfrequenz erkennbar.Diese fällt jedoch weit geringer aus, als es der Steigerung derLaufgeschwindigkeit entspräche. Der Sportler erzielt dieSteigerung der Laufgeschwindigkeit also am ehesten über eineVerlängerung der Schrittlänge als durch eine Erhöhungder Schrittfrequenz. Diese Beobachtung steht durchaus inÜbereinstimmung zu gängigen Beobachtungen in der Biomechanikdes <strong>Laufen</strong>s (7,8).Bis 12 km/h bleibt die VT weitgehend konstant. Diegleichzeitig deutliche Steigerung der V . E wird hier also durcheine entsprechende Steigerung der Atemfrequenz erzielt. Bis16 km/h stagniert die Atemfrequenz dann allerdings auf etwa60/min. Um auch hier die V . E den metabolischen Anforderungenentsprechend zu erhöhen, wird nun — anders alszuvor — die VT bis auf ein Maximum von etwa 2 Litern stetiggesteigert. Auch die alveolare Belüftung pro Atemzug VAsteigt entsprechend an, jedoch geringer als der physiologischeTotraum VD. Dies führt bereits auf den Belastungsstufenzwischen 12 und 16 km/h zu einer fortlaufenden, leich-Jahrgang 55, Nr. 1 (2004) DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN 9
Originalia <strong>Atmung</strong> und Schrittfrequenzten Verschiebung der Ventilation zugunsten des Totraums(VD/VT). Dies enspricht jedoch bis zu diesem Zeitpunkt nocheinem durchaus normgerechten Verlauf (21).Mit dem abrupten Heraufsetzen der Atemfrequenz auf etwa90/min bei 18 km/h ist eine un<strong>mit</strong>telbare Abflachung derAtemzugtiefe verknüpft. Dies ist durch die begrenzte Zeit begründbar,welche für jeden Atemzyklus noch <strong>zur</strong> Verfügungsteht. Hinzu kommt, dass auch der maximale exspiratorischeFluss vom Sportler offensichtlich nicht über einen Wert von5 l/s weiter erhöht werden kann (Abb. 5, links). Über denZeitverlauf der VT gegenden maximalen exspiratorischenFlusswird diese sprunghafteÄnderung der Atemmechanikbesonders deutlich(Abb. 5, rechts). Dieresultierende Abflachungder VT bedingt,dass bei konstanter VDdie Alveolen nichtmehr im zuvor erzieltenMaß erreicht werden.Dies führt zu einersprunghaften Verschiebungder VD/VT (markiertin Abb. 4, unten).Möglichweise wirdhierdurch auch das sehrdeutliche "Levellingoff"der V . O 2auf dieserBelastungsstufe <strong>mit</strong>bedingt.Ein "Levellingoff"der V . O 2ist zwarebenso wie ein belastungsinduzierterAbfallder SO 2kein ungewöhnlicherBefund beigesunden Sportlernund wird bisher als Effekt der Diffusionsli<strong>mit</strong>ierung aufgrundeiner kritischen Verkürzung der Transitzeit derErythrozyten durch das alveolare Kapillarnetz begründet(20). Selten sieht man jedoch ein "Levelling-off" in derartdeutlicher Ausprägung.Die mutmaßlich hier vorliegende strenge Koppelung derAtemfrequenz an die Schrittfrequenz würde also eine Einschränkungder Ventilation bedeuten. Der eingesetzte Atemrhythmuserscheint hinsichtlich der alveolaren Ventilationund der Sauerstoffaufnahme uneffektiv und ist daher möglicherweiseauchdie Ursache fürAbbildung 4: Dargestellt ist die exspiratorische Atemzugtiefe (VT, links oben). Über das Verfahren nach Fowler et al. (9)(vgl. Abbildung1) wurde die alveolare (VA, rechts oben) und die physiologische Totraumventilation pro Atemzug (VD) berechnet (linksunten). Das Verhältnis zwischen VD <strong>zur</strong> Gesamtventilation (VD/VT, rechts unten) weist auf der höchsten Belastungsstufe einedeutliche Verschiebung zugunsten der VD auf (Pfeil).die unspezifischen"Atembeschwerden"desSportlers bei Belastung.Mithinzeigt dieses Fallbeispiel,dass eineenge Koppelungzwischen SchrittundAtemfrequenzentgegender häufig gegebenenEmpfeh-Abbildung 5: Der maximale exspiratorische Flow pro Atemzug erreicht Maximalwerte um 5 l/s (links). Rechts ist das Verhältnis zwischender VT und dem maximalen Flow bei jedem Atemzug dargestellt – der zeitliche Ablauf ist durch die durchgehende Linie markiert.Mit steigendem maximalem Flow ergibt sich zunächst eine linear entsprechende Zunahme der VT. Die flache <strong>Atmung</strong> bei 18 km/h bedingteinen sprunghaften Rückgang des maximalen Flow und so<strong>mit</strong> auch der VT. Nach Belastungsende und Übergang in freie <strong>Atmung</strong> tigen Atemtechlungeiner derar-zeigt sich eine Rückbildung beider Größen in wiederum fast linearem Verhältnis (gestrichelte Linie).(bei Belastung: ❏, nach Belastung: ×)nik bei dem10 DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN Jahrgang 55, Nr. 1 (2004)