Zum Auftakt der neuen SpielzeitEin Theatername steht manchmal für ein Bühnenhaus, ein Ensembleoder eine Institution. So ist die Comédie française mitder Salle Richelieu, dem ehrwürdigen Gebäude an der PlaceColette, verbunden, das wie kein anderes die klassische französischeTheatertradition repräsentiert. Für das <strong>Kasemattentheater</strong>ist das anders, da in den Kasematten längst nicht mehrgespielt wird und sie zur Metapher geworden sind für einenalternativen Spielort. Mitgetragen wird das <strong>Kasemattentheater</strong>,das heute in Bonneweg in der Nachbarschaft des Foyer Ulysseund der Vollékskichen spielt, demnach nicht durch ein Theatergebäude,auch nicht durch eine institutionelle Struktur, sonderndurch ein mehr oder weniger informelles Netzwerk von Personen,das im jeweiligen Kontext entsteht und sich erneuert.Zentrale Referenzfigur bleibt der Gründer Tunn Deutsch undseine Revolte gegen das Theaterestablishment in den 60gerJahren, was einen außergewöhnlichen Modernisierungsschubin der Luxemburger Theaterwelt auslöste.Da die Kasemattler und ihr Engagement die wesentlicheTrägerstruktur darstellen, markieren gewissermaßen Familienereignissedie Geschichte des Theaters. So trauert im Jahre2013 das <strong>Kasemattentheater</strong> um seinen ehemaligen Präsidentenund Mitbegründer Pierre Capesius, der im März 2013im Alter von 82 Jahren verstorben ist. Sein Berufsleben hatte erals Staatsbeamter begonnen, um dann bei der Stadt Luxemburgden Posten des Sekretärs der Commission des Fêteszu übernehmen. In dieser Funktion war er u. a. als Fouermeeschterzuständig für die Organisation der Schobermesse.Im <strong>Kasemattentheater</strong> war er, wie er sich Tun Deutsch verpflichtethatte, über Jahre hinaus der gute Geist im Schatten,die unsichtbare Hand, welche gemeinsam mit Liette Majerusdie Bedingungen der Möglichkeit der Theaterarbeit schaffte.Dabei war die eigentliche Bedeutung der immer präsentenGestalt, die man oft an der Theaterkasse sah, nur Insidern bekannt.Zum letzten Mal war Pierre Capesius bei der Neueröffnungdes renovierten <strong>Kasemattentheater</strong>s in seinem Theater.Er zeigte seine uneingeschränkte Freude über die Zukunftsperspektiven,die sich dem Theater eröffneten, für das er sichüber Jahre hinaus ehrenamtlich bemüht hatte. Keiner ahnte,dass sein Abschied an dem Abend endgültig sein sollte.Pierre Capesius wusste wie kein anderer, dass die zentraleStärke hinter der Bühne das ehrenamtliche Wirken des <strong>Kasemattentheater</strong>teamsausmacht. Als Ganzes stellt es tatsächlichmehr dar als die Summe seiner Teile. Solange dieser Zusammenhaltfunktioniert, wird das <strong>Kasemattentheater</strong> Höhen undTiefen überleben. Auch Umzüge und wechselnde Spielorte,von den Kasematten über die Theaterstuff von Fernand Foxund Jempi Sontag zum Tramsschapp und zur BonnewegerGemüseauslieferungshalle, bzw. Gebrauchtwarengaragewerden ihm nichts anhaben können. Dennoch bleibt die Neueröffnungder mit Unterstützung der Stadt Luxemburg renoviertenTheaterlokalität ein wichtiges Ereignis der Spielzeit2012-2013. Die Stadt Luxemburg hat damit paradoxerweise,150 Jahre nach der Schleifung der Festung, ihre ersten überirdischenKasematten bekommen, und die Beheimatung des<strong>Kasemattentheater</strong>s hat damit an Vorläufigkeit verloren. Dabeiist das Neue <strong>Kasemattentheater</strong> in Bonneweg nicht nur einBühnenhaus. Als offener Spielort ist es einerseits unprätentiös,variabel und fragil, kann aber in der Hand einer Gruppe,die bereit ist, sich gemeinsam der kreativen Herausforderungzu stellen, Power bekommen. Es wird dann zur kulturellenProduktionsstätte, zum Treffpunkt für Literatur- und Theaterinteressierte,zum Begegnungsort, an dem Theatererfahrung,Theatererlebnis, Gespräch und soziales Miteinander ihrenPlatz finden.Das <strong>Kasemattentheater</strong> ist also nicht schlecht für die Zukunftaufgestellt. Für die Menschen hinter dem <strong>Kasemattentheater</strong>aber soll das Erbe einer fast fünfzigjährigen Theatergeschichtein Luxemburg, die hier stellvertretend durch die PersonenTun Deutsch und Pierre Capesius evoziert wurde, sowie derneue Spielort die Verpflichtung darstellen, einer ständig sicherneuernden, lokal verwurzelten und international vernetztenTheaterkreativität einen Ort möglicher Produktivität zu schaffenund zu erhalten. In diesem Sinn: Auf zur neuen Spielzeit2013-2014!Germaine GoetzingerPräsidentin des Verwaltungsrates