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Text-Erneuerung Bischof Wanke

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Ich mache das anschaulich in einem Bild. Ein Mann entdeckt nach einigen Jahren glücklicherEhe, dass es außer seiner Frau noch viele andere liebenswerte Frauen gibt. DieUrsprungserfahrung einer Liebe, die sein Ja und seine anhaltende Treue zu dieser konkretenPartnerin begründet hat, weitet sich zu einer Kontingenzerfahrung: Hier stehe ich – aber ichkönnte auch ganz anders!Was kann man da machen? Die Tatsache einer Anfechtung der in die Jahre gekommenenLiebe ist ja an sich noch nichts Tragisches. Die Frage ist nur, wie einer darauf reagiert. Wirder zum „Schmetterling“, der meint, die andere Blume sei immer noch besser als die vorherige– oder bringt ihn die Verunsicherung dazu, die erste Liebe zu vertiefen? Anfechtungen sind ingewisser Hinsicht Chancen. Sie helfen, in der Qualität einer Überzeugung, einer Werthaltungzu wachsen. Genau in diesem Prozess einer Vertiefung, einer qualitativen Intensivierungunseres Glaubens und auch Kirche-Seins stehen wir heute.Diese geistige Horizonterweiterung der Moderne verunsichert viele. Die einen sagen nun:Festhalten an allem, was die alten Sicherheiten stützen kann! Das sind, im weitesten Sinne,die Traditionalisten. Sie rufen zum Rückzug in ein kirchliches Getto. Sie gehen den Weg derAbschottung, des geistigen Mauerbaus.Diese Option hat auf Dauer gesehen keine Zukunft. Die – oft mit viel Einsatz und Leiderkauften – Freisetzungen des Menschen in der Moderne zu größerenHandlungsmöglichkeiten liegen in der Absicht Gottes. Gott mutet uns aus gutem GrundFreiheit zu. Was nicht in Freiheit gedeiht, gedeiht überhaupt nicht. Oder es bleibt bestenfallsDressur. Das ist eine wichtige Einsicht aus meinen DDR-Jahren, und ich meine das nicht nurpolitisch, sondern auch kirchlich.Andere schütten angesichts der vielgestaltigen Herausforderungen und Ablenkungen, denenwir ausgesetzt sind, das Kind mit dem Bade aus. Sie machen die Freiheit zur Beliebigkeit.Ihnen fehlt auf andere Weise wie den starr Gewordenen die Kraft zu Empathie, zur wirklichenWahrnehmung des anderen, um von ihm her die Kostbarkeit der eigenen Glaubensoption neuzu erfahren.Wir haben unseren Glauben in einer wachen, kritischen, aber vor allem auch selbstkritischenZeitgenossenschaft zu leben. Es gilt die Vielfalt anderer, manchmal durchaus respektablerreligiöser und nichtreligiöser Lebensentwürfe wahrzunehmen. Die Kirche wird in der Lagesein müssen, es zu ertragen, dass sie mit ihrem Evangelium im Gespräch der Religionen undWeltanschauungen keine exklusive Rolle spielen kann. Der einzelne Christ wird mühsamlernen müssen, seine Entschiedenheit für Gott tiefer und besser zu begründen. Er muss seinJawort immer wieder neu sprechen, in eine größere Kontingenz hinein, in eine größereFreiheit hinein.Weniger griesgrämige KatholikenDiese treue Entschiedenheit für Gott (und auch für einen Mitmenschen) ist unter unsMangelware geworden. Ob Gott uns deswegen bewusst durch die heutigen Anfechtungenführen will? Sind wir vielleicht die Avantgarde einer Christenheit, die lernen muss, mitdemütigem Selbstbewusstsein die überkommene Kirchlichkeit neu mit einer persönlichenEntschiedenheit zu verknüpfen? Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich: Angesichts dieser hiergeschilderten geistigen Situation hat der Christ heute seinen Glauben zu leben. Er darf sichnicht an der geistigen und religiösen Freisetzungserfahrung vorbeidrücken. Er muss den

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