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PlusMinus 3-4/13 - Die Aidshilfen Österreichs

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3-4/20<strong>13</strong>PLUS MINUSInformationsmagazin der AIDS-Hilfen <strong>Österreichs</strong>RUSSLAND UND DIE HOMOPHOBIE |3PRÄVENTION FÜR MIGRANTINNEN |6TERMINE RUND UM DEN WELT-AIDS-TAG |7MEDIKAMENTE UND IHRE ZULASSUNG |10PAAARC-PROJEKT |12ZAHNÄRZTLICHE VERSORGUNG |14HIV POSITIVER IN KÄRNTENREZENSIONEN |16


<strong>PlusMinus</strong> 4/20<strong>13</strong><strong>PlusMinus</strong> 4/20<strong>13</strong><strong>Die</strong> AIDS-Hilfen <strong>Österreichs</strong>www.aidshilfen.atBei aller Vielfalt einem gemeinsamen Ziel verpflichtet. Verhinderung vonNeuinfektionen, Reduzierung der Neuerkrankungen, Weiterbau einesvon Solidarität und Toleranz geprägten Klimas für die Betroffenen.Aids Hilfe Wien · Aids Hilfe Haus · Mariahilfer Gürtel 4 · A-1060 WienTel.: 01/ 59937 · Fax: 01/ 59937-16 · E-Mail: wien@aids.atSpendenkonto: 240 115 606 00 · (Bank Austria 12 000)Aidshilfe Salzburg · Linzer Bundesstraße 10 · A-5020 SalzburgTel.: 0662 / 88 14 88 · Fax: 0662 / 88 14 88-3E-Mail: salzburg@aidshilfen.at · Spendenkonto: 02 025 666 (Raika 35 200)aidsHilfe Kärnten · Bahnhofstr. 22/ 1 · A-9020 KlagenfurtTel.: 0463 / 55 128 · Fax: 0463 / 51 64 92E-Mail: kaernten@hiv.at · Spendenkonto: 92 011 911 (PSK 60 000)AIDSHILFE OBERÖSTERREICH · Blütenstraße 15/2 · A-4040 LinzTel.: 0732 / 21 70 · Fax: 0732 / 21 70-20E-Mail: office@aidshilfe-ooe.at · Spendenkonto: 01 002 161 83(Hypobank 54 000)AIDS-Hilfe Steiermark · Schmiedgasse 38/ 1 · A-8010 GrazTel.: 0316 / 81 50 50 · Fax: 0316 / 81 50 506E-Mail: steirische@aids-hilfe.at · Spendenkonto: 92 011 856 (PSK 60 000)AIDS-Hilfe Tirol · Kaiser-Josef-Straße <strong>13</strong> · A-6020 InnsbruckTel.: 0512 / 56 36 21 · Fax: 0512 / 56 36 219E-Mail: tirol@aidshilfen.at · Spendenkonto: 03 893 060 800 (BA 12000)AIDS-Hilfe Vorarlberg: · Kaspar-Hagen-Straße 5/1 · A-6900 BregenzTel.: 05574 / 46526 · Fax: 05574 / 46 526-20E-Mail: contact@aidshilfe-vorarlberg.at · Spendenkonto: 10 193 263 114(Hypobank 58 000)Servicestellen der AIDS-Hilfen <strong>Österreichs</strong>Redaktionsbüro Aidshilfe Salzburg:Linzer Bundesstraße 10 · A-5020 SalzburgTel.: 0662 / 88 14 88 · Fax: 0662 / 88 14 88-3E-Mail: plusminus@aidshilfen.atMedienservice Aids Hilfe Wien:Aids Hilfe Haus, Mariahilfer Gürtel 4A-1060 Wien · Tel.: 01 / 595 37 11-81Fax: 01 / 595 37 11-17E-Mail: wien@aids.atImpressum:Medieninhaber und Herausgeber:<strong>Die</strong> AIDS-Hilfen <strong>Österreichs</strong>Redaktion: Willi Maier, Aidshilfe Salzburg,Linzer Bundesstr. 10, A-5020 Salzburg,Tel.: 0662/ 88 14 88, Fax: 0662/ 88 14 88-3,E-Mail: plusminus@aidshilfen.atRedaktionsbeirat (verantwortlich für den Inhalt):Dr. Lydia Domoradzki, AIDS-Hilfe TirolDr. Lola Fleck, AIDS-Hilfe SteiermarkDr. Renate Fleisch, AIDS-Hilfe VorarlbergDDr. Elisabeth Müllner, AIDSHILFE OBER-ÖSTERREICHDr. Günther Nagele, aidsHilfe KärntenPhilipp Dirnberger, MSc., Aids Hilfe WienDSA Maritta Teufl-Bruckbauer, MAS, AidshilfeSalzburgBeiträge von: Mag a . Birgit Leichsenring, Mag.Florian Friedrich, Gerd Picher, Willi Maier,Dipl.-Soz. Nataša Sekulovska, MMag a . MichaelaWilhelmer, Mag a . (FH) Sabine Lex, Dr. GüntherNagele.Grafik: Jetzt neu! · Druck: Klampfer DruckAuflage: 8.000 · gedruckt auf RecyclingpapierErscheinungsweise: vierteljährlich<strong>PlusMinus</strong> ist das Informationsmagazinder AIDS-Hilfen <strong>Österreichs</strong>. Es richtet sichan alle, die das Thema HIV und AIDSinteressiert oder berührt, an Krankenhäuser,ÄrztInnen, Pflegeeinrichtungen,soziale Institutionen, engagierte Privat -personen – vor allem aber an diejenigenFrauen und Männer, die unmittelbardavon betroffen sind. Praktische undwissenschaftliche Aspekte der HIV/AIDS-Prävention, Neues aus Wissenschaft undForschung, Aktuelles zur Kombinations -therapie, politische, soziale und gesellschaftlicheFragestellungen zu HIV, AIDSund anderen sexuell übertragbarenKrank heiten, rechtliche und psychosozialeAspekte in der Betreuung von Betroffe -nen, Aktuelles aus den einzelnen AIDS-Hilfen und von internationaler Ebene,Rezension, Daten, Zahlen und Terminesind Inhalt des Magazins.Unsere LeserInnen sind herzlich dazu eingeladen,uns ihre Meinungen, Anregun genund Wünsche in Form von Leser briefenmitzuteilen. <strong>Die</strong> Redaktion ist be müht, soviele und so vielfältige Stimmen wie möglichzu Wort kommen zu lassen, musssich jedoch im Einzelfall die Ent scheidungüber den Abdruck vorbehalten.<strong>PlusMinus</strong> wird unterstützt vonEditorial■ Bis einschließlich 2015 wird derWelt-AIDS-Tag unter dem Motto„Getting to Zero“ gefeiert. Bis da -hin will UNAIDS die hochgestecktenZiele, keine Neuinfektionen, keineDiskriminierung und Stigmatisierungvon Menschen mit HIV/AIDS undkeine aidsbezogenen Todesfälle, er -reicht haben. Der 1. Dezember ist einTag der Erinnerung und des Auf bruchs,an dem auch die AIDS-Hilfen Öster-reichs die Chance ergreifen und HIV/AIDS verstärkt thematisieren.In dieser Ausgabe des <strong>PlusMinus</strong> findensich, wie gewohnt, alle Veran -stal tungen, die die AIDS-Hilfen rundum den Welt-AIDS-Tag organisieren.Dem Themenbereich Präventions -arbeit mit und für MigrantInnenwidmen sich zwei Artikel, welche ausWien und Salzburg stammen. Eben -Russland und die HomophobieVon Florian Friedrich, Gerd Picher und Willi Maier*■ In den vergangenen Monaten fandensich in den Medien zahlreicheBerichterstattungen über das homophobeVorgehen der russischen Re -gierung und Bevölkerung gegen dieinsgesamt marginale LGBT (Lesbian,Gay, Bisexual und Trans)-Bewegung.Schwule, lesbische, bisexuelle undtransidente DemonstrantInnen wurdennicht nur durch die von der volksverhetzendenRegierung angestacheltenrechtsradikalen Gegen demon strantenzum Teil schwer körperverletzt, sondernauch von der Exekutive.<strong>Die</strong>s wirft im Westen bedeutsame undunangenehme Fragen auf, denn, strukturellgesehen, gibt es auch bei unsnoch immer viel Homophobie undunreflektierten Heterosexismus.Der Begriff Homophobie leitet sichvom griechischen ὁµόςhomós: gleichund φόβοςphóbos: Angst ab. In diesemSinne meint Homophobie dieirrationale Angst vor gleichgeschlechtlichenLebensweisen. <strong>Die</strong>se Angst istein soziales, soziologisches und psychologischesPhänomen und wird nurselten als Angst, viel eher als Ekel,Hass sowie Scham, wahrgenommen.<strong>Die</strong> soziale Komponente besteht imÜbernehmen homophober Normenin der eigenen Familie und im Milieu,die soziologische durch die Verinner -lichung homophober Normen derunterschiedlichen Teilsysteme bzw.Sozialisationsinstanzen, in denen Men -schen leben (Familie, Schule, Arbeits -platz, Peer-Group, Kommune, Staat).Psychologisch betrachtet hat Homo -phobie vielfältige und komplexe Ur -sachen, wie etwa die Angst vor• der eigenen sexuellen Identität undSexualität• den eigenen homosexuellen Zügen• sozialer Unsicherheit• der Infragestellung zentraler(heteronormativer, patriarchaler)Normen• dem „Angriff“ auf die traditionelleFamiliefalls aus Salzburg und Wien kommtein Beitrag, der die Homophobie näherbeleuchtet, ausgehend von jüngstenMedienberichten über homophobeTendenzen in Putins Russland.Und die aidsHilfe Kärnten präsentiertdie interessanten bis ernüchterndenEr gebnisse einer Umfrage überdie zahn ärztliche Behandlung vonMenschen mit HIV/AIDS.• der Infragestellung des gängigenMännlichkeitsideals und der traditionellenGenderrollen• dem „Abweichenden“ und Fremden 1Homophobie ist aber auch ein historischesPhänomen. 2 Erst in der zweitenHälfte des 20. Jahrhunderts kames zu bedeutsamen Fortschritten undzur teilweisen Akzeptanz von Homo -sexualität.<strong>Die</strong>s impliziert, dass homo- und bisexuelleIdentität stets auch den Kampfum die eigenen Rechte, um gesellschaftlicheAnerkennung, Kampf widerHomophobie und faschistoide Gewalt,aber auch den Einsatz für Men schen -* Mag. Florian Friedrich,Präventionsmitarbeiterder Aidshilfe Salzburg,Gerd Picher, seit 1999Mitarbeiter der Aids HilfeWien und Willi Maier,Redakteur der AidshilfeSalzburg.3


<strong>PlusMinus</strong> 4/20<strong>13</strong><strong>PlusMinus</strong> 4/20<strong>13</strong>rechte, soziale Gerechtigkeit undDemokratie bedeutet.In Russland sind homosexuelle Hand -lungen seit 1993 legal, jedoch werdenseit 2006 homophobe Gesetze formuliert,welche es LGBTs verbieten,öffentlich Werbung für ihre Anliegenzu machen. Seit Juni 20<strong>13</strong> bestehtein Gesetz, das jede positive Äußerungüber Homosexualität in An -wesenheit von Minderjährigen oderüber die Medien unter Strafe stellt.Wer gegen das Gesetz verstößt mussmit Geld- oder Haftstrafen rechnen,ausländische Menschen werden ausgewiesenund erhalten Einreise ver -bot. <strong>Die</strong> russische Journalistin JelenaKostjuchenko, die bereits mehrmalsfestgenommen wurde, schildert ineinem Interview, dass es furchtbarsei, in Russland homosexuell zu sein:„Du kannst deine Arbeit verlierenoder aus dem Institut geworfen werden,du kannst geschlagen und sogargetötet werden“.Unter diese Kriminalisierung und dasWerbeverbot fallen selbstredend Gay-Paraden und CSDs (Christopher StreetDay). Bei Kundgebungen von LGBTskommt es nicht nur zu gewalttätigenverbalen und körperlichen Übergriffenund Verletzungen durch die Allge -meinbevölkerung oder durch rechtsradikaleGruppierungen, sondern zuMenschenrechtsverletzungen vonSeiten der Polizei – passiv, durch dasNichteinschreiten und Schützen, wennLGBTs attackiert werden, aktiv durchGewalttätigkeiten und z.T. schwereKörperverletzung bei den Festnah men.<strong>Die</strong> homophobe Gesetzeslage gehtkonform mit der Einstellung der Be -völkerung gegenüber Homosexu ali tätund Transsexualität, wobei hier vordem Hintergrund der volksverhetzendenmedialen Berichterstattungendie Frage, ob zuerst die Henne oderdas Ei war, zu bedenken ist.Immerhin geben 38 Prozent der ineiner 2010 durchgeführten Meinungsumfragebefragten Russen an, dasssie Homosexualität für moralischverwerflich halten. 36 Prozent sehenin ihr eine psychische Erkrankungund nur 15 Prozent stehen dazu, dassHomosexualität eine alternative Formder menschlichen Sexualität sei.Zwar existieren in Russland Grup pi -erungen von LGBTs, die sich für ihreRechte einsetzen, doch werden dieseaufgrund der kriminalisierenden Ge -setzeslage nicht anerkannt. Das Verbotder „homosexuellen Propaganda“weckt Widerstand bei den Akti vis -tinnen und Aktivisten der LGBT-Bewegungen.DEMO IN WIENAnlässlich der „Galanacht der russischenWirtschaft“ und des „Moskauballs“in der Wiener Hofburg, fandam 24.10.20<strong>13</strong> eine Demonstrationdes Netzwerkes „ToRussiaWithLoveAustria“ statt. 150 protestierendeMenschen fanden sich ein, um gegendie homophoben Gesetze ein Zeichenzu setzen. Interessanterweise wurdenscheinbar die BallbesucherInnen überdiesen Protest informiert, und diemeisten zogen es vor, den Hinter ein -gang durch den Burggarten zu be -nutzen. <strong>Die</strong> Demonstranten bekamenso manchen Stinkefinger von den„feinen“ Ballgästen zu sehen. Abereine russische Besucherin des Balls wardie Heldin des Abends: Sie nahm eineRegenbogenfahne mit in die Hofburg!Einen kurzen Film über die Aktion vorder Hofburg können Sie hier sehen:http://www.youtube.com/watch?v=7gLuZTNDvqoWeitere Informationen über das Netzwerkund weitere Aktionen findensich hier: www.facebook.com/torussiawithloveaustriawww.torussiawithlove.atAls AIDS-Hilfen tun wir gut daranFarbe zu bekennen, erkannten dochunsere Gründer in den 1980er Jahren,dass Menschen, die in ihrer Sexuali tätzur Selbstverantwortlichkeit gefördertund bestärkt werden, sich seltener mitHIV und STIs infizieren, als etwa MSM,die unter internalisierter Homopho bieleiden. Menschen, die ihre eigene(Homo-)Sexualität ablehnen, legenhäufiger ein selbstschädigendes Ver -halten an den Tag (Drogenmiss brauch,bewusste oder unbewusste Selbst ver -letzungen, aber auch ungeschützterSexualverkehr, bei dem aufgrund einesStrafbedürfnisses das Risiko einerInfektion mit sexuell übertragbarenKrankheiten eingegangen wird) alssich in ihrer sexuellen Orientierungund Identität akzeptierende LGBTs.Akzeptanz allein reicht somit nie aus.Es bedarf auch der aktiven Förde rungund des Schutzes der Lebenswelten undLebensweisen von LGBTs. Im Sinnedes im Mai 1989 von der Deut schenAids-Hilfe verabschiedeten Positi ons -papiers „Schwule und Aids“ müssenwir Akzeptanz signalisieren, um aufdiese Weise die individuelle und kollektiveEmanzipation zu fördern.<strong>Die</strong>s sollte das Ziel jeglicher MSM-Präventionsarbeit sein, um ausreichendeHandlungs kompe ten zen undeine selbstbestimmte Sexualität zuermöglichen.1) Vgl. diesbezüglich Udo Rauchfleisch, Schwule.Lesben. Bisexuelle. Lebensweisen, Vorur teile, Ein -sichten, Göttingen 200<strong>13</strong>, S. 165–180.2) Vgl. Bernd-Ulrich Hergemöller, Sodom undGomorrha. Zur Alltagswirklichkeit und VerfolgungHomosexueller im Mittelalter, Hamburg 2002, JohnBoswell, Christianity, Social Tolerance, and Homo -sexuality. Gay People in Western Europe from theBeginning of the Christian Era to the FourteenthCentury, London 1980, Günter Grau, Hg., Homo sexu -alität in der NS-Zeit. Dokumente einer Dis krimi nie -rung und Verfolgung, Frankfurt am Main 2004 undSusanne Zur Nieden, Hg., Homosexualität und Staatsräson.Männlichkeit, Homophobie und Politik inDeutschland 1900–1945, Frankfurt a. M. u.a. 2005.45


<strong>PlusMinus</strong> 4/20<strong>13</strong><strong>PlusMinus</strong> 4/20<strong>13</strong>Zahnärztliche Versorgung HIV Positiverin Kärnten Von MMag a . Michaela Wilhelmer und Dr. Günther Nagele**MMag a . MichaelaWilhelmer, seit 1999Präventionsmitarbeiterinder aidsHilfe Kärnten,und Dr. Günther Nagele,Leiter der aidsHilfeKärnten.■ „Gestern machte ich eine traurigeErfahrung. Ich sagte dem Zahnarzt,ich bin HIV positiv. Das auszusprechenbedarf schon einer Überwindung!Daraufhin erklärte mir der Zahn arzt,er würde die Behandlung nicht durchführen,weil es auch für seine Assis -tentinnen eine zu große Gefahr be -deute. Er selbst bedanke sich wohlfür meine Offenheit; wäre ich nichtso ehrlich gewesen, hätte ich die Be -handlung bekommen. Es ist traurig,wie ein Aussätziger behandelt zuwerden.“DIE VORGESCHICHTELaut telefonischer Auskunft der Ordi -nation eines Kieferchirurgen bestehenkeine Vorbehalte gegen die Behand -lung HIV Positiver. <strong>Die</strong> Aidshilfeempfiehlt diesen daraufhin an eineKlientin, die dringend zahnärztlicheHilfe braucht, da sie schon seit Tagenkeine feste Nahrung zu sich nehmenkann, weil ihre Brücke wackelt.Beim ersten Termin wird ihr mitgeteilt,dass die Vorbereitungen auf denkieferchirurgischen Eingriff durch einenanderen Zahnarzt erfolgen müssen.Es wird ihr auch einer empfohlen mitder Versicherung auch dieser habekeine Probleme mit der HIV Infek ti on.Dort macht die Klientin die oben ge -schilderte Erfahrung, worunter siepsychisch sehr leidet. Auch der Lei -densdruck seitens der Zähne nimmtständig zu. Wieder nimmt sie Kon taktmit der Beraterin der Aidshilfe auf.<strong>Die</strong> Aidshilfe meldet den Vorfall andie Zahnärztekammer, welche unsnach Sachverhaltsdarstellung durchden betroffenen Zahnarzt mitteilt,„dass sie an der Vorgehensweise wederaus berufs- noch aus standesrechtlicherSicht etwas auszusetzen habe undkeinen Anlass sehe Maßnahmen indieser Richtung einzuleiten. Auch seibisher (5. Juni 20<strong>13</strong>) kein einziger Fallan die Zahnärztekammer herangetragenworden, in dem Menschen mitHIV Probleme mit zahnärztlichen Be -handlungen gehabt hätten. Falls dieKlientin aber tatsächlich Schwie rig -keiten haben sollte, einen Zahn arzt zufinden, verweise die Zahnärzte kam -mer auf die Zahnambulatorien derGebietskrankenkassen, die einen sozi -alen Auftrag haben und deshalb auchsicher gerne neue Patienten aufnehmen“.Spannendes Detail am Rande,sowohl die Sachverhalts dar stellungdurch den Zahnarzt als auch die Ant -wort der Zahnärztekammer Österreichenthalten den Namen der Kli en tin(Verschwiegenheit? Daten schutz?).<strong>Die</strong>s ist der Ausgangspunkt für eineerste telefonische Befragung vonKassen zahnärzten ob ihrer Bereit schaftHIV Positive zu behandeln, um auchallen anderen Betroffenen ähnlicheschlechte Erfahrungen zu ersparen.Das Ergebnis ist ernüchternd. Etwa50% der befragten Zahnarztpraxenlehnen eine Behandlung von HIVPositiven von vornherein ab, da sieangeblich nicht über die nötigen Ste -rilisationsmöglichkeiten verfügen. <strong>Die</strong>Hälfte der behandlungsbereiten Zahn -ärzte führt eine Behandlung HIV Po -sitiver nur als letzte Patienten durch,da eine spezielle, zeitintensive Desin -fektion notwendig sei oder führt grund -sätzlich nur unblutige Behand lungendurch.<strong>Die</strong> Odyssee unserer Klientin gehtweiter. Sie wendet sich, in der Hoff -nung endlich schmerzfrei essen zukönnen, an eine laut telefonischer Aus -kunft behandlungsbereite Ordinati on.Und erleidet wieder eine Abfuhr. <strong>Die</strong>Klientin ist psychisch am Ende. Da ge -schieht wenige Tage später ein Wunder.<strong>Die</strong> Zahnärztin ruft die Klientin anund erklärt sich bereit, sie doch zubehandeln. Was dann auch tatsächlichpassiert.FRAGEN ÜBER FRAGENAufgrund der Ergebnisse der Tele fonrechercheentscheidet sich die aids-Hilfe Kärnten eine online Befragungdurchzuführen, Zielgruppe sind dieKassenzahnärzte/innen in Kärntenwohingegen die telefonische Erhe -bung auf Kassenzahnärzte/innen inden Städten Klagenfurt und Villachbeschränkt war. Trotz der weit angelegtenUntersuchung erhalten wirwenig Beantwortungen.(Telefonbefragung 47 ZA, OnlineBeantwortungen 33 ZA)Zur Realitätsprüfung stellen wir imOnline Survey die Frage: „Dürfenwir Sie als behandelnde Ärztin/alsbehandelnden Arzt an unsere HIVpositiven Klienten empfehlen?“ underhalten eine tatsächliche Ablehnungvon 90,4% der an der Befragung teilnehmendenZahnärzte/innen.Interessante Ergebnisse zeigen sichim Bereich der Hygiene in zahnärztlichenPraxen.78,1 Prozent der Zahnärzte/Innenführen nach der wissentlichenBehandlung von HIV Posi ti ven„spezielle“ Desinfektionsmaß nah mendurch. <strong>Die</strong>se reichen von „Stuhl eineStunde unbenutzt stehen lassen“ biszu „noch genauer und gründlicherreinigen als normal“. Nur knappe22% zeigt sich informiert „behandleja sowieso jeden so als ob er HIV +wäre oder Hepatitis hätte“.Fast ein Viertel der Befragten ist derMeinung, dass ihre Zahnarztpraxisfür die Behandlung HIV Positiver garnicht ausgestattet ist. Und das, wodie Österreichische Zahnärzte kam merin der ÖZZ 4/12 unter dem Titel „DerHIV positive Patient in der Zahn arzt -praxis“ folgendes feststellt: „Bei Ein -haltung der hygienischen Mindest -standards in einer Zahnarztordi na ti on(Mindestempfehlungen zur Aufbe rei -tung von zahnärztlichen Medizin pro -dukten der ÖGHZ) ist eine Übertragungdes HI-Virus von einer Pati en -tin/einem Patienten auf die Nächstebzw. den Nächsten (Cross Infektion)auszuschließen. Darüber hinaus wirdin diesem Artikel festgehalten „<strong>Die</strong>Behandlung infektiöser Patienten isteine (zahn)ärztliche Pflicht. <strong>Die</strong>s darfweder für das Ordinationsteam, nochfür andere Patienten ein Problem dar -stellen.“<strong>Die</strong>se offensichtliche Diskrepanz bietetPlatz für vielseitige Spekulati onen:Sind die Zahnärzte/Innen unzulänglichinformiert? Was ist, wenn derPatient/die Patientin nicht weiß, dasser/sie HIV positiv ist – ist dann dernachfolgende Patient/die nachfolgendePatientin gefährdet, weil ja nichtspeziell desinfiziert wurde? Werdenvielleicht sogar die allgemeinen Hygienevorschriften,die ja ausreichen,nicht eingehalten? Können wir ausden Aussagen der Zahnärzte/Innenschließen, dass es doch Übertragungsrisikendurch zahnärztliche Behan d -lungen gibt?Fragen, die wir alle nicht mit einemJa beantworten wollen, vielleichtkönnen uns ja die Zahnärzte/Innenaus unserer Verwirrung helfen.Bereitschaft HIV positive ja Nein Beschränkung auf als Letze/r wegenPatientInnen zu behandeln unblutige Eingriffe DesinfektionTelefonauskunft 51% 49% 16% 37%Survey 74,2% 25,8% 25% k.A.Eine Kurzfassung desÖZZ Artikels findet sichim <strong>PlusMinus</strong> 02/12.14Foto: Hellfirez / photocase.com15


<strong>PlusMinus</strong> 4/20<strong>13</strong>P.b.b. · Verlagspostamt 5020 Salzburg · GZ 02Z032017 MRezensionenSimone Beck: Und vielleicht begegnenwir uns dort. Frankfurt am Main:August von Goethe Literaturverlag,20<strong>13</strong>, S 61, 10,80 Euro.■ „<strong>Die</strong>s ist meine Lebensgeschichte.Jedes Wort davon ist wahr. Ich bindurch ein tiefes Tal gegangen – meinTal der Tränen. […] Oft hatte ich dasGefühl, durch einen Tunnel zu gehen,der niemals enden würde. Es wardunkel um mich herum, dunkel undfurchtbar kalt – und ich war alleine –so wahnsinnig alleine“, diese lakonischenSätze am Beginn der Nieder -schrift sind programmatisch für dasganze Buch. Im lockeren Ton undohne Schnörkel präsentiert SimoneBeck in „Und vielleicht begegnen wiruns dort“ ihre Erinnerungen an Zeiten,in denen sie kurz vor dem Abgrundstand. Dabei spricht die Autorin dieLeserin/den Leser direkt an und möchtemit ihr/ihm in einen Dialog treten,weil wir es hier mit einer Autorin zutun haben, die etwas zu sagen hat.Mit sechzehn Jahren verlässt SimoneBeck ihr Elternhaus und kehrt niemehr in ihre Brutstätte des Unglückszurück. <strong>Die</strong> Misshandlungen und dieSchikanen des strengen Vaters unddas Wegsehen der sanften Mutterkonnte sie nicht länger ertragen. <strong>Die</strong>Eltern und eine furchtbare Kindheithinter sich gelassen, taumelt die jungeFrau von einer unglücklichen Bezie -hung und Enttäuschung in die nächste.<strong>Die</strong> Schrecken ihrer Vergangenheitbestimmen weiterhin ihr Leben undscheinen sich auch auf ihre Kinder zuvererben. Glücklicherweise scheiternalle Beziehungen, aber Simone Beckwird vom Schicksal nicht verschont.Einer ihrer Ex-Partner hat sie mit HIVinfiziert. Und nun erlebt die Kran kenschwesterdie Härte der Gesellschaft.Sie wird diskriminiert und stigmatisiert– am Arbeitsplatz, von Ärzten,vom Pflegepersonal usw. „Ich wurdediskriminiert. Ich merkte es erst, alsich entlassen wurde. <strong>Die</strong> Begründungwar, dass ich geschäftsschädigend sei.Ich begriff in diesem Moment, wasDiskriminierung bedeutet und wie siesich anfühlt. Früher hatte ich dagegendemonstriert – jetzt traf es michselbst.“ Mit der Unterstützung einerengagierten Anwältin fasst sich SimoneBeck ein Herz und geht in die Offen -sive. Sie verklagt ihren Ex-Partner undfindet im Anschluss an den Prozessdie Liebe ihres Lebens.Thomas Pregel: <strong>Die</strong> unsicherste allerTageszeiten. Roman. Frankfurt amMain: Größenwahn Verlag, S 368,23,90 Euro.■ Thomas Pregel beschreibt in seinemgelungenen Debütroman „<strong>Die</strong> unsicherstealler Tageszeiten“ einen homo -sexuellen Barebacker aus Leiden schaft,der von Selbstzweifel zerrissen, sichseiner Anfänge erinnert. Währendeiner Zugfahrt lässt Pregel seinen Pro -tagonisten die wichtigsten Stationenseines Lebens und seiner KarriereRevue passieren. Schicht für Schichtlegt der Autor die Vergangenheit desnamenlosen Malers frei. Der Leser er -fährt von seinem komplizierten Com -ing-out, wird Zeuge seiner erstensexuellen Erfahrungen mit einem verheiratetenTennislehrer und begleitetihn bei seinem Aufstieg auf der Kar ri -ereleiter, bis er ganz oben angekommenist und trotzdem am Boden zerstört.„Heute ist einfach wieder nur so einHasstag, und das sind die schlimmsten.Dass es mal wieder so weit ge -kommen ist, liegt ganz allein an mir,das weiß ich selbst, an meinem sprunghaften,verantwortungslosen Cha rak -ter“, denkt sich der berühmte Malerund Icherzähler, als er Hals über Kopfund voller Selbsthass Berlin denRücken kehrt. Sein einziger Hoff nungsschimmerbesteht darin, dass es wo -anders besser sein könnte. Eine zügelloseNacht mit genügend Alkoholund ungeschütztem, hemmungslosemSex hat zu dieser Flucht geführt. Unddann plagen ihn wieder Gewissens -bisse, denn der Maler weiß ganz ge -nau, welches Risiko er jedesmal eingeht,wenn er loszieht, um anonymenSex in Darkrooms, Cruising Areas,Saunen etc. zu suchen. Und die Schuldgefühlekönnen wiederum nur miterneuten, noch wilderen, ausuferndenSexabenteuern kompensiert werden.Somit schließt sich der Teufelskreisund seine, wie er es nennt, „Ner venundAngstkrise“ ist für kurze Zeitüberwunden.Dabei ist er sich im Klaren darüber,dass er sich und andere gefährdet.Immerhin ist er hochgebildet und ver -kehrt sonst nur in den besten Krei sen.Und es ist ihm bewusst, dass er sichauf HIV und andere sexuell übertragbareKrankheiten testen lassen müsste.Aber er macht es nicht, aus Angst,seinem „eigenen Verantwortungs ge -fühl zu folgen“.

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