ExpertenroundtableDr. Korbinian PieperOberarzt der Anästhesie der Chirurgischenund Gynäkologischen <strong>Kleintierklinik</strong>der <strong>LMU</strong> <strong>München</strong>Prof. Dr. Andrea Meyer-LindenbergLehrstuhl der Chirurgischen undGynäkologischen <strong>Kleintierklinik</strong> der <strong>LMU</strong><strong>München</strong>Tina KunzeHundetrainerin in Martin Rütter´sD.O.G.S. Team <strong>München</strong>Ein Großteil aller Hunde kleiner Rassen in höherem Alter leidet an einer Mitralklappenendokardiose, einer degenerativbedingten Verdickung der Herzklappe, die eine Undichtigkeit und damit einen Blutrückfluss innerhalb des Herzenszur Folge hat. Bei großen Hunderassen ist es die dilatative Cardiomyopathie, die den Hunden und dabei insbesondereDobermännern zu schaffen macht. Die Pumpleistung des Herzmuskels ist zu schwach um ausreichend Blut in den Körper zupumpen. Die Hunde sind leistungsschwach und schlapp.Nina Ruge hat sich auch diesmal wieder schlau gemacht und sich im Rahmen unserer Roundtable-Diskussion mit Expertenüber dieses interessante Thema unterhalten.Foto: ©agency animal pictureNina RugeZunächst herzlich willkommen und vielenDank für Ihre Teilnahme an unseremExpertenroundtable. Beginnen möchteich mit der Frage, wie viele Hunde überhauptbetroffen sind? Wie viele Prozentder 5,4 Millionen Hunde in Deutschlandwerden irgendwann einmal herzkrank?PD Dr. Gerhard WessDas hängt von der Rasse ab. KleineRassen unter 15 Kilogramm bekommenvor allem Klappendegenerationen undje nach Rasse und Alter liegt die Prävalenzder Krankheit zwischen 5 und fast100 Prozent. Die Klappe wird dick undschließt nicht mehr richtig, sodass Blutzurück in den Vorhof strömt.Nina RugeIst das im Fachjargon eine Mitralklappenendokardiose?PD Dr. Gerhard WessJa. Betroffen sind vor allem Hundekleiner Rassen, wie Dackel, Chihuahuas,Pudel, Shi Tzu, Yorkshire Terrier undCavalier King Charles Terrier. Betrachtetman zum Beispiel ältere Cavalier KingCharles Terrier, so haben fast alle altenCavliere eine im Ultraschall feststellbareUndichtigkeit an der Klappe, die abernicht zu klinischen Symptomen führenmuss. Aber bei 10 bis 30 Prozent allerCavaliere entwickeln sich klinischeSymptome, wie Husten oder Wasser inder Lunge, wenn sie etwa fünf Jahre altsind. Und das sind relativ Viele. Auchbeim Dackel gibt es sicher mehr als 20Prozent herzkranke Hunde. Betrachtetman aber generell alle Hunde, dannkann man sagen, dass im Durchschnitt10 - 20 Prozent betroffen sind.Nina RugeBei den großen Rassen ist es doch vorallem die dilatative Cardiomyopathie(DCM), die vorkommt?Welche Rassen sind davon besondersbetroffen?PD Dr. Gerhard WessDie häufigste Rasse ist der Dobermann.Dobermänner bekommen eine spezielleForm der dilatativen Cardiomyopathie.▶
ExpertenroundtableEs treten zunächst nur Herzrhythmusstörungenauf, die der Besitzer abernicht erkennt. Er denkt, er hätte einenganz normalen Hund. Deshalb nenntman dieses Stadium der Erkrankungauch das „okkulte Stadium“. Ein Drittelder betroffenen Dobermänner falleneinfach tot um. Sie sterben am Sekundentod.Die Krankheit beginnt etwamit zwei bis drei Jahren, die Symptometreten aber erst mit vier bis sechsJahren auf. Die Herzrhythmusstörungennehmen zu, ebenso wie die Häufigkeitdes Sekundentodes. Fallen die Hundenicht tot um, entwickeln die meisteneine Herzpump- bzw. Herzmuskelschwäche.Der Besitzer geht zum Tierarzt,weil der Hund schweratmig undleistungsschwach ist, Husten, Atemnotund manchmal auch Wasser im BauchProf. Dr. Gerhard WessNina Rugehat. In diesem Stadium ist die Krankheitfür den Tierarzt relativ einfach zudiagnostizieren. Das okkulte, also verborgeneStadium, ist aus der Sicht desBesitzers zu betrachten, denn der denktja, er hätte einen ganz normalen Hund.Wir forschen seit über zehn Jahren aufdiesem Gebiet und haben festgestellt,dass jeder zweite Dobermann dieKrankheit eines Tages bekommen wird.Dobermänner haben hier leider einengenetischen Defekt.Nina RugeWelche großen Rassen sind noch betroffen?PD Dr. Gerhard WessZum Beispiel Boxer. Das ist in Deutschlandallerdings selten und tritt eher beiBoxern in England und Amerika auf.Auch betroffen sind Doggen, Neufundländerund Irische Wolfshunde.Nina RugeGibt es einen Gentest, den zum BeispielZüchter machen können?PD Dr. Gerhard WessEs gibt genetische Tests, die momentanin Amerika angeboten werden, die abernicht wirklich gut funktionieren. Die EUhat vor ein paar Jahren das so genannteLupa-Projekt gestartet, an dem vieleeuropäische Universitäten beteiligtwaren, unter anderem auch wir. Zielist es dabei, diese Gendefekte beimHund zu finden. Die Hoffnung war, diegefundenen Defekte auf den Menschenübertragen zu können, um so das Genzu entschlüsseln, das für Herzerkrankungenbeim Menschen verantwortlichist. Man nimmt dabei das Genom von50 gesunden Hunden und vergleicht esmit dem Genom von 50 kranken Hunden.Dann überprüft man, an welcherStelle es in diesem Genom ein Signalgibt. Man kann das mit einer Autobahnvergleichen. Wenn ich irgendwo auf derAutobahn mein Handy verliere, weiß ichzwar auf welcher Autobahn, aber nichtauf welchem Rastplatz. BeimDobermann haben wir nunauf Chromosom 5 das Signalgefunden, wissen also jetztdie Autobahn, aber nochnicht die Raststätte. Aber wirforschen danach.Nina RugeWelche Symptome könnenmir aber als Hundehalterden Hinweis geben, dassmein Hund eine Herzerkrankung habenkönnte?PD Dr. Gerhard WessDie Mitralklappenendokardiose derkleinen Rassen ist so häufig, dass dieExperten empfehlen, mit dem Hund abvier Jahren, einmal pro Jahrzum Tierarzt zu gehen unddas Herz abhören zu lassen.Ist der Hund krank, ist einHerzgeräusch zu hören. Vomklinischen Bild her ist fürden Besitzer im Frühstadiumnichts zu erkennen. Alarmsignalespäter sind Hustenund Atemnot. Der Besitzerkann die Atemfrequenz ganzeinfach zählen während derHund schläft. Die Atmung sollte inRuhe unter 40 Züge pro Minute sein.Entwickelt der Hund Wasser in der Lunge,steigt die Frequenz über 40 an. Beiherzkranken Hunden, arbeiten wir überein Atemtagebuch mit den Besitzernzusammen. So erkennen wir frühzeitigeine Verschlechterung und könnendie Medikamente besser dosieren. DieAtemtagebücher gibt es beim Tierarztund inzwischen sogar als kostenloseApp.Prof. Dr. Gerhard WessNina RugeUnd bei großen Rassen?PD Dr. Gerhard WessBei großen Hunden mit dilatativerCardiomyopathie wären Schlappheitund Leistungsabfall typische Erkrankungsmerkmale.Allerdings haben dieHunde nicht unbedingt ein Herzgeräusch,sodass die Diagnostik für denTierarzt schwieriger ist. Man muss beimDobermann z. B. ein 24-Stunden-EKG anfertigen,um festzustellen, ob der HundHerzrhythmusstörungen, also Extrasystolenaufweist. Beim reinen Abhörenkann scheinbar alles in Ordnung sein,weil der Hund nicht ständig Extrasystolenhat. Bei den meisten anderen Rassenist der Herzultraschall der bessereScreening-Test.Nina RugeWelche Rolle spielen Entzündungsprozesse?PD Dr. Gerhard WessDiese Herzerkrankungen sind eherdegenerativ bedingt. Entzündungsprozesseals Ursache sind selten.Nina RugeGibt es noch andere Herzerkrankungen?PD Dr. Gerhard WessDie Mitralklappenendokardiose unddie dilatative Cardiomyopathie sind diehäufigsten erworbenen Herzerkrankungen.Es gibt aber natürlich auchangeborene Herzerkrankungen. DieseNina Rugekann der Tierarzt sehr früh erkennen,da betroffene Hunde in den allermeistenFällen ein Herzgeräusch aufweisen.Jedes Herzgeräusch bei einem jungenHund sollte unbedingt weiter abgeklärtwerden. Zu nennen sind zum Beispieldie Aortenstenose,die Pulmonalstenose und derDuctus arteriosus Botalli (PDA). Dasist eine Verbindung zwischen Hauptschlagaderund Lungenschlagader, diesich nach der Geburt nicht verschlossen