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MALEREI-COLLAGEN · DIGITAL-COLLAGEN ... - ursula zepter

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Wäre es zu eifrig interpretiert, darin einen Hinweis lesen zu wollen auf die Ungreifbarkeit der hinter dem Phänomen Großstadt waltenden<br />

und zweifellos in ihr exemplarisch sich verkörpernden gesellschaftlichen Realitäten? Besteht doch das Janusköpfige des – vorerst im Internet<br />

kulminierenden – Informationszeitalters darin, dass zwar quantitatives Wissen jederzeit im Übermaß abrufbar ist. Während jedoch die qualitativen<br />

Zusammenhänge von Macht und Abhängigkeit sich verschleierter, gesichtsloser darbieten als in den Tagen des Manchester-Kapitalismus<br />

und der dynastischen Monarchien. Wie immer dem sei – Ursula Zepter ist vor ca. zehn Jahren in die neue Technik eingetreten ohne weitere<br />

Hintergedanken als der Neugier, wie sie wohl den Computer an dem sie grafisch-gestalterische Aufträge erledigt, nutzbar machen könne<br />

für ihre Kunst. „Man kann nicht immer im selben Saft schmoren. Das führt irgendwann zu Langeweile“, zieht sie das Fazit. „Es ist besser, sich<br />

weiterzuentwickeln, neue Medien sind dazu da, dass man sie nutzt.“ Zunächst langsam, entstehen die Digitalcollagen jetzt in immer rascherer<br />

Folge. „Endlich kann ich mit gutem Gewissen sagen, ich habe darin Fuß gefaßt, habe mich richtig darauf eingelassen.“ Die Lernprozesse, die<br />

dabei zu absolvieren waren, bezogen sich nicht allein auf die zweckgerechte Anfertigung der Digitaldateien. Nötig war ein Erfahrungssammeln<br />

mit deren Umsetzung im – von einer Spezialfirma besorgten – Druck auf Leinwand, sodann ein immer mutigeres Herantasten an das heutige<br />

Maß von Farbsättigung. Bis sich das Motto herausschälte: weg vom Matten! hin zum Brillanten! auf dass den Betrachter das Gefühl überkommt,<br />

die Bilder sprängen ihn an! Die schon immer für poppig-punkige Effekte selbst im vermeintlich harmlosen Stilleben- und Interieur-Genre<br />

bekannte Künstlerin kann sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Ich bin, was Farben anbelangt, noch weniger zimperlich geworden.“ Von den<br />

Eindrücken eines Guangzhou-Aufenthalts (im Rahmen eines Ausstellungsaustauschs) fühlte sie sich bestärkt, weniger freilich von der Kunst der<br />

dortigen Kollegen oder des musealen Pflichtprogramms als vom Anblick der binnen weniger Jahre aus dem Boden gestampften chinesischen<br />

Metropolen mit der visuellen Tsunamiwelle vulgär-lauter, aber auch vital-fröhlicher Leuchtreklamen, dem Mix aus vertrauten Logos und fremdartigen<br />

Zeichen. Denen Ursula Zepter im westöstlichen Motivmix ohne Skrupel den Bartholomäus-Dom und einen treudeutschen Hirsch beigesellt.<br />

Nun ist es kennzeichnend für die aktuelle Zepter’sche Digitalcollagen-Produktion, dass die sich nicht in luftig-unbekümmerten Spielereien mit<br />

Scanner, Mouse und einschlägigen Programmen erschöpft. Sie ist Schritt für Schritt erarbeitet, handwerklich solide fundiert. Das motivische<br />

Material, das die Künstlerin zusammenträgt, erfährt vorbereitend oder parallel Gestaltung in Malerei, multimedialer Collage und/oder<br />

Zeichnung. Etwas Versatzstückartiges, nach Belieben Disponibles ist Teil des Prinzips. Am Beispiel „Wo ist Lili?“ läßt sich das erhellend vergleichen.<br />

Bereits die Bleistiftzeichnung schiebt das Ensemble historisch-stilistisch heterogener, hier funktionaler, dort repräsentativer Gebäude,<br />

M A I N - T O W N - F E E L I N G<br />

anstatt es in breiter panoramischer Abfolge wiederzugeben, brüsk, geradezu teleskopisch zusammen. Von vornherein wird so die zeitrafferisch<br />

zu nennende Zusammenschau betont, aber auch die Komposition – wie schwarze Blitze verklammern die von oben ins Bild zackenden Äste<br />

des winterlich kahlen Baumes den Zusammenprall von steril-glatten Glasfassaden und ornamental rankendem Schmiedeeisen. Alles hat Linie,<br />

Stil, Klang, alles vibriert, schwirrt, singt. Verschlingt die Gegenwart die Vergangenheit, oder umgekehrt? „Dort, wo vor 250 Jahren am<br />

Mainufer Goethe seine Freundin Lili traf, bin ich als Kind oft gewesen. Der Zaun um den Park sah damals schon so aus ...“, sinniert Ursula<br />

Zepter. Wo die im Großen der Zeichnung folgende, jedoch in manchem Details zusammenfassende, gleichbetitelte Collage mit mehr<br />

Stofflichkeit aufwartet, ziehen sich die Überlagerungen der Digitalcollagen-Version wieder zurück ins Ungewisse: was von den Zutaten ist<br />

gemalt, was fotografiert? Ja, beginnend mit dem prominenter, doch auch transparenter gewordenen Parktor streben sie in Richtung<br />

Immaterialität. Der Blick des Betrach ters betritt ein durchgerütteltes Spiegelkabinett von Architekturepochen.<br />

Was überhaupt die Essenz von Ursula Zepters „Main-Town-Feeling“ auszumachen scheint. Eine, zugegeben, etwas neudeutsche Begriffs -<br />

schöpfung, darin umso mehr Unerwartetes nachhallt, je öfter man es vor sich hinsagt. Natürlich geht es um die am Fluß Main gelegenen<br />

Nachbarstädte Frankfurt und Offenbach – an entgegengesetzten Ufern: topographischer Ausdruck einer traditionellen Haßliebe. Über die<br />

unsere Künstlerin, mit inneren Bindungen an beide, sich achselzuckend hinwegsetzt. Mit souveräner Selbstverständlichkeit verquirlt sie nicht<br />

immer, aber immer öfter Offenbacher und Frankfurter Ecken, Situationen, Wahrzeichen zu einem Bild. Als füge sie sich damit ins Unvermeidliche<br />

– daß nämlich in der Rhein-Main-Region ohnehin alle Kommunen sich in puncto Architektur-Cocktail nicht nur immer ähnlicher werden,<br />

sondern aus Platzmangel einander auch immer näher auf den Pelz rücken. Kurz davor, zu verschmelzen zu einer übergeordneten „Main-Town“<br />

im Sinne von, wenn nicht politisch, so doch ökonomisch, „Haupt-Stadt“. Zu guter letzt kann, wer das Ohr dafür hat, aus „Main-Town-<br />

Feeling“ auch das deutsche Possessivpronom „mein“ heraushören: Ursula Zepter erklärt die Städte am Main – Hanau großherzig inklusive –<br />

zu den ihren. Mag sein, daß da wirklich ein Maß Zeit- und Kulturkritik im Spektrum ihrer Werke angelegt ist, im Zweifelsfall entzündet an<br />

der rabiaten Veränderungswut der Hoch- und Tiefbau-Mogule. Öfters verläuft sich ein röhrender Hirsch dorthin, wo sonst der Autoverkehr<br />

röhrt. Gleichwohl spricht aus der Beherztheit, mit der Ursula Zepter ihr Thema anpackt, auch eine zähe, alte Liebe. Deswegen besetzen ihre<br />

Bilder von Lili-Park und Stadtautobahnen, von Bankhaustürmen und hochgotischem Dom an den Wänden unseres Lebens einen festen Platz,<br />

machen es, wenn man so will, „so wonderful“. Anstelle von Schlaftabletten freilich sind sie nicht zu empfehlen.<br />

Dr. Roland Held, Kunstkritiker, Darmstadt 2010<br />

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