Berlin Institute for Medical Systems Biology - Systembiologie
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vorwort<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dieses Vorwort mit dem Titel der berühmten literarischen Werke von Blaise<br />
Pascal aus dem 17. Jahrhundert zu überschreiben: Lettres provinciales. Dieser stark abgekürzte Titel – der Originaltitel<br />
ist ungleich viel länger – mag suggerieren, dass Blaise Pascal Briefe aus der Provinz geschickt hat, jedoch<br />
sind es Briefe in die Provinz, die sein fingierter Briefschreiber Louis de Montalte verfasste. Diese Briefe verursachten<br />
vor 350 Jahren einen Sturm der Entrüstung, griffen sie doch mit scharfer Polemik die jesuitische Theologie an<br />
und gaben sie der Lächerlichkeit preis. Mit diesen Briefen bezog Blaise Pascal einen klaren Standpunkt.<br />
Ich selber habe ich mich aus dem Zentrum der <strong>Systembiologie</strong> auf die andere Seite des Atlantiks aufgemacht, um in meinem Forschungsfreisemester<br />
an der Harvard <strong>Medical</strong> School zu <strong>for</strong>schen. Ob dieser Weg aus der Provinz heraus oder gar in die Provinz hinein führt, ist<br />
eine Frage des Standpunkts. Schon einer der berühmtesten Mathematiker der Neuzeit und Namensgeber des unendlichen euklidischen<br />
Raums, David Hilbert, bemerkte zielsicher vor gut 100 Jahren, dass manche Menschen einen Gesichtskreis vom Radius Null haben und<br />
diesen dann ihren Standpunkt nennen.<br />
Als gelernter Mathematiker kann ich der Frage des Standpunkts mit Gleichmut begegnen. Mitunter hilft die Mathematik nämlich auch<br />
bei so praktischen Dingen des Alltags wie der Standortbestimmung: „Wie fängt ein Mathematiker in der Wüste einen Löwen? Er baut<br />
sich einen Käfig, setzt sich rein und definiert: Hier ist Außen!“ Auch meine neuen Kollegen in Harvard begegnen den praktischen<br />
Fragen der <strong>Systembiologie</strong> mit Humor, der Blog meiner Kollegen ittakes30.org erscheint ganz oben auf der Hitliste, sollte man nach<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Biology</strong> UND Humor googlen. Auch Blaise Pascal bemerkte dazu, dass die Mathematik als Fachgebiet so ernst sei, dass man<br />
keine Gelegenheit versäumen sollte, dieses Fachgebiet unterhaltsamer zu gestalten.<br />
Mathematik ist aber nicht nur dafür da, das Alltagsleben angenehm zu gestalten, sondern bildet die Grundlage für die Lösung funda-<br />
mentaler Aufgaben in der Biologie. So kann es schon mal häufiger vorkommen, dass ein Biologe gespannt einem Vortrag eines System-<br />
biologen lauscht und verwirrt zwei Dinge bemerkt: Erstens spricht der Redner von 8-dimensionalen Räumen, und zweitens scheint der<br />
Mathematiker neben ihm alles zu verstehen. In der Pause fragt er den Mathematiker, wie er das nur verstehen könne, worauf dieser<br />
meint: „Zuerst stelle ich mir einen n-dimensionalen Raum vor. Dann vereinfache ich das Problem auf n=8!“<br />
Lassen sie mich auf die Frage des Standpunkts zurückkommen. In diesem Magazin nehmen wir aus Sicht der deutschen <strong>Systembiologie</strong><br />
einen Standpunkt ein. Eine Verlagerung des Standorts relativiert bekanntlich auch den Standpunkt. Die Definition der Provinz ist –<br />
wie das Beispiel des Mathematikers als Löwenfänger zeigt – letztlich nur eine Frage des Vorzeichenwechsels.<br />
Mit welchem Vorzeichen Sie, liebe Leserin und lieber Leser, auch immer die Lektüre dieses Magazins antreten, wünsche ich Ihnen im<br />
Namen des Redaktionsteams mit dieser 2. Ausgabe von systembiologie.de eine unterhaltsame, spannende und besinnliche Lektüre.<br />
Frohe Weihnachten wünscht Ihnen<br />
Ihr Roland Eils<br />
P.S.: Welche neuen Einsichten eine mathematische Betrachtung eines eigentlich bekannten Phänomens liefern kann, zeigt in<br />
unterhaltsamer Weise der Text auf der folgenden Seite.<br />
www.systembiologie.de Vorwort Prof. Dr. Roland Eils<br />
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