30.11.2015 Aufrufe

Störungen visueller binokularer Fern- und Nahfunktionen bei Schulkindern mit und ohne Lese- Schreibstörung in Österreich

Lesen ist eine spezialisierte Form der Kommunikation. Dem visuellen System kommt bei dieser Kommunikationsform eine sehr wichtige Aufgabe zu. Speziell bei Kindern die den Leseprozess erlernen, spielt ein exakt funktionierendes Visualsystem eine besonders große Rolle. Deutliches und bequemes erkennen der zu lesenden Symbole, also der angebotenen Buchstaben, spielt beim Erlernen des Lesens deshalb so eine große Rolle, weil letztendlich diese vorab unbekannten Symbole identifiziert werden müssen, bevor durch zielgerichtetes Üben ein effizientes Lesen erarbeitet werden kann. Unter effizientem Lesen versteht man, dass aus einem dargebotenen Text Wissen erarbeitet werden kann 1, 2. Eine adäquate Sehschärfe ist eine Notwendigkeit um Buchstaben zu erkennen und identifizieren. Der Begriff der Sehschärfe muss allerdings etwas erweitert werden. Nicht nur die monokulare (einäugige) Sehschärfe spielt eine Rolle sondern auch die binokulare (beidäugige) Sehschärfe und die binokulare Nahfunktion. Zur binokularen Nahfunktion zählt eine gut und exakt funktionierende Naheinstellfähigkeit beider Augen (Akkommodation) sowie eine ausreichende und schnell funktionierende Einwärtsbewegung der Sehachsen (Konvergenzfähigkeit) des Augenpaares. Sowohl die Scharfstellung beider Augen als auch die Ein- und Auswärtsbewegung beider Augen muss harmonisch, rasch und ausdauernd funktionieren um Lesen erlernen zu können. Es herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass die frühe Erkennung und Korrektion oder Behandlung signifikanter refraktiver Sehstörungen, nicht kompensierbare Störungen des binokularen Sehens sowie Amblyopien das Risiko bleibender Sehstörungen reduziert. Weiters zeigen neuere Studien, dass Kinder mit visuellen Störungen in ihrer Bildungskarriere benachteiligt sind 3, 4. Zusätzlich zeigen Kinder mit visueller Beeinträchtigung ein größeres Risiko einer Entwicklungsstörung der Nonverbalen und Verbalen Verständigung sowie der schriftlichen Ausdrucksvielfalt, der Sozialkompetenz und des Verhaltens 5. Kinder mit Dyslexie und reduzierten intellektuellen Fähigkeiten zeigen häufiger Störungen der visuellen Funktionen als Kinder ohne diesen Einschränkungen 6.

Lesen ist eine spezialisierte Form der Kommunikation. Dem visuellen System kommt bei dieser Kommunikationsform eine sehr wichtige Aufgabe zu. Speziell bei Kindern die den Leseprozess erlernen, spielt ein exakt funktionierendes Visualsystem eine besonders große Rolle. Deutliches und bequemes erkennen der zu lesenden Symbole, also der angebotenen Buchstaben, spielt beim Erlernen des Lesens deshalb so eine große Rolle, weil letztendlich diese vorab unbekannten Symbole identifiziert werden müssen, bevor durch zielgerichtetes Üben ein effizientes Lesen erarbeitet werden kann. Unter effizientem Lesen versteht man, dass aus einem dargebotenen Text Wissen erarbeitet werden kann 1, 2. Eine adäquate Sehschärfe ist eine Notwendigkeit um Buchstaben zu erkennen und identifizieren. Der Begriff der Sehschärfe muss allerdings etwas erweitert werden. Nicht nur die monokulare (einäugige) Sehschärfe spielt eine Rolle sondern auch die binokulare (beidäugige) Sehschärfe und die binokulare Nahfunktion. Zur binokularen Nahfunktion zählt eine gut und exakt funktionierende Naheinstellfähigkeit beider Augen (Akkommodation) sowie eine ausreichende und schnell funktionierende Einwärtsbewegung der Sehachsen (Konvergenzfähigkeit) des Augenpaares. Sowohl die Scharfstellung beider Augen als auch die Ein- und Auswärtsbewegung beider Augen muss harmonisch, rasch und ausdauernd funktionieren um Lesen erlernen zu können.

Es herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass die frühe Erkennung und Korrektion oder Behandlung signifikanter refraktiver Sehstörungen, nicht kompensierbare Störungen des binokularen Sehens sowie Amblyopien das Risiko bleibender Sehstörungen reduziert. Weiters zeigen neuere Studien, dass Kinder mit visuellen Störungen in ihrer Bildungskarriere benachteiligt sind 3, 4. Zusätzlich zeigen Kinder mit visueller Beeinträchtigung ein größeres Risiko einer Entwicklungsstörung der Nonverbalen und Verbalen Verständigung sowie der schriftlichen Ausdrucksvielfalt, der Sozialkompetenz und des Verhaltens 5. Kinder mit Dyslexie und reduzierten intellektuellen Fähigkeiten zeigen häufiger Störungen der visuellen Funktionen als Kinder ohne diesen Einschränkungen 6.

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F A C H B E I T R A G<br />

gemessen. Da<strong>bei</strong> fixierte der Proband<br />

e<strong>in</strong> Wort der »Rock-Chart«, es wurde der<br />

Flipper <strong>mit</strong> +2,00 b<strong>in</strong>okular vorgehalten.<br />

Un<strong>mit</strong>telbar nach Vorhalten des<br />

Flipper +2,00 wurde das vorher gelesene<br />

Wort nicht mehr deutlich oder sogar<br />

doppelt wahrgenommen. Der Proband<br />

verbalisierte <strong>mit</strong> »Halt« wenn das Wort<br />

wieder deutlich <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>esfalls doppelt<br />

gesehen wurde. Dann drehte der Prüfer<br />

den Flipper zügig auf –2,00, auch hier<br />

wurde das Wort <strong>und</strong>eutlich oder doppelt<br />

gesehen <strong>und</strong> der Proband verbalisierte,<br />

wenn das Wort wieder deutlich gesehen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>fach gesehen wurde. Dieser Vorgang<br />

wurde e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute lang wiederholt,<br />

die Zyklen per M<strong>in</strong>ute (1 cycle/<br />

m<strong>in</strong>ute = 1x +2,00/1x –2,00) <strong>und</strong> das vorgehalteneGlas,welcheslängerzurKompensation<br />

benötigte (fail by +/ or –), wurden<br />

notiert. Der gleiche Vorgang wurde<br />

monokular vollzogen 30 .<br />

Mittels der »Monocular Estimation<br />

Method«(MEM)-Skiaskopie wurde der<br />

»lag of accommodation« – also jener Betrag<br />

an Akkommodation er<strong>mit</strong>telt, um<br />

den der Proband auf e<strong>in</strong>e bestimmte<br />

Nahentfernung weniger Akkommodation<br />

aufwendete, als er für diese Entfernung<br />

aufwenden sollte. Da<strong>bei</strong> fixierte<br />

das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> möglichst kle<strong>in</strong>es Sehzeichen<br />

am Skiaskop, der Skiaskopierabstand<br />

wurde nicht kompensiert <strong>und</strong> bef<strong>in</strong>det<br />

sich <strong>in</strong> der <strong>Lese</strong>distanz des K<strong>in</strong>des.<br />

Wurde, natürlich <strong>mit</strong> eventueller<br />

<strong>Fern</strong>korrektion, Mitläufigkeit <strong>in</strong> divergenter<br />

Beleuchtung beobachtet, dann<br />

wurde <strong>in</strong> +0,25 D-Stufen durch kurzes<br />

Vorhalten geprüft, ob »Flackerpunkt«<br />

erkannt wird. Das stärkste Plusglas, <strong>mit</strong><br />

dem Flackerpunkt erkannt wurde, ist<br />

der »lag of accommodation« 31 .<br />

Der AC/A-Quotient er<strong>mit</strong>telt sich<br />

<strong>mit</strong>tels durchgeführtem »Alternat<strong>in</strong>g<br />

Cover Test« <strong>in</strong> 40 cm <strong>und</strong> der Wiederholung<br />

des »Alternat<strong>in</strong>g Cover Testes« <strong>mit</strong><br />

den vorgehaltenen –2,00D des Flippers.<br />

Die Differenz <strong>bei</strong>der evaluierten Cover-<br />

Werte dividiert durch 2 entspricht dem<br />

AC/A-Quotienten.<br />

Konvergenz<br />

Die Durchführung des »Near po<strong>in</strong>t of<br />

convergence« (NPC) er<strong>mit</strong>telt die maximale<br />

Konvergenz. Die Evaluierung des<br />

NPC wurde zur Durchführung an K<strong>in</strong>dern<br />

etwas modifiziert. Das K<strong>in</strong>d fixiert<br />

die Stablampe <strong>in</strong> 40 cm Entfernung, diese<br />

wird langsam angenähert. Der Prüfl<strong>in</strong>g<br />

soll <strong>mit</strong>teilen, wenn die Lampe doppelt<br />

gesehen wird (subjektiv), <strong>und</strong> der<br />

Prüfer beobachtet den Lichtreflex <strong>in</strong> der<br />

Pupillen<strong>mit</strong>te <strong>bei</strong>der Augen <strong>und</strong> kann<br />

sofort die Aufgabe der Fixierung beobachten<br />

(objektiv). Mittels an der Stirn<br />

des K<strong>in</strong>des angehaltenem Messband<br />

wird der Abstand gemessen, <strong>bei</strong> welchem<br />

der »Break Po<strong>in</strong>t« erreicht wurde.<br />

Danach wird die Stablampe wieder langsam<br />

vom Probanden entfernt, bis der<br />

»Recovery Po<strong>in</strong>t« erreicht wird. Dieser<br />

Vorgang wird 5- bis 10-mal wiederholt<br />

<strong>und</strong> der durchschnittliche Abstand der<br />

letzten 3 bis 5 Messungen des »Break<br />

Po<strong>in</strong>t« <strong>und</strong> »Recovery Po<strong>in</strong>t« wurde notiert<br />

32, 33 .<br />

Die E<strong>in</strong>stellgeschw<strong>in</strong>digkeit oder<br />

Kompensationsgeschw<strong>in</strong>digkeit der<br />

Konvergenz (Vergence Facility) wurde<br />

<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em speziellen Prisma 3BI/<br />

12BO (3cm/m <strong>in</strong>nen; 12 cm/m außen)<br />

er<strong>mit</strong>telt. Der Proband fixiert e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />

Sehzeichen (oder Sehzeichenreihe) <strong>und</strong><br />

wurde angewiesen, das Sehzeichen<br />

deutlich <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fach zu halten. Beim<br />

Vorhalten von 3 B <strong>in</strong>nen wird e<strong>in</strong>e Exophorie<br />

<strong>in</strong>duziert, es wird kurz doppelt<br />

gesehen, der Proband verbalisiert, wenn<br />

das Sehzeichen wieder deutlich <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fach<br />

gesehen wird. Danach wird prompt<br />

12 B außen vorgehalten, es entsteht<br />

kurz e<strong>in</strong> Doppelbild <strong>und</strong> der Proband<br />

verbalisiert, wenn er das Sehzeichen<br />

wieder deutlich <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fach sieht. Dieser<br />

Vorgang wird e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute lang wiederholt,<br />

die Zyklen pro M<strong>in</strong>ute (1 cycle/<br />

m<strong>in</strong>ute = 1 x 3B <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 1 x 12B<br />

außen) <strong>und</strong> das Prisma, welches längere<br />

Zeit zur Kompensation benötigt (fail by<br />

In oder fail by Out), werden notiert 34 .<br />

Akkommodative Konvergenz System<br />

Der AC/A-Quotient er<strong>mit</strong>telt sich <strong>mit</strong>telsdurchgeführtem»Alternat<strong>in</strong>gCover<br />

Test« <strong>in</strong> 40 cm <strong>und</strong> der Wiederholung<br />

des »Alternat<strong>in</strong>g Cover Testes« <strong>mit</strong> den<br />

vorgehaltenen –2,00D des Flippers. Die<br />

Differenz <strong>bei</strong>der evaluierten Cover-Werte<br />

dividiert durch 2 entspricht dem<br />

AC/A-Quotienten 35 .<br />

<strong>Lese</strong>geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>und</strong> <strong>Lese</strong>fehler<br />

<strong>Lese</strong>geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>und</strong> <strong>Lese</strong>fehler<br />

wurden <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em standardisierten <strong>Lese</strong>test,<br />

dem »Salzburger <strong>Lese</strong>test« evaluiert.<br />

Der <strong>Lese</strong>test wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em separaten,<br />

ruhigen Raum durchgeführt.<br />

Um die optimale <strong>und</strong> normgerechte<br />

Sitzposition zu gewährleisten, wurde<br />

e<strong>in</strong> höhenverstellbarer Sessel <strong>und</strong> e<strong>in</strong><br />

höhenverstellbarer Tisch <strong>mit</strong> <strong>in</strong>kl<strong>in</strong>ierbarer<br />

Ar<strong>bei</strong>tsfläche bereitgestellt. Jedes<br />

K<strong>in</strong>d las 26 häufige Wörter <strong>und</strong> 22 wortunähnliche<br />

Fantasiewörter, die Zeit<br />

wurde <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Stoppuhr gemessen<br />

<strong>und</strong> die <strong>Lese</strong>fehler evaluiert 2 .<br />

Pupillen-Screen<strong>in</strong>g<br />

Zur Sicherheit <strong>und</strong> als möglicher Ausschlussgr<strong>und</strong><br />

von der Teilnahme an<br />

der Studie <strong>und</strong> gegebenenfalls sofortigen<br />

Überweisung zum Ophthalmologen<br />

wurde e<strong>in</strong> Pupillen-Screen<strong>in</strong>g zur<br />

Feststellung eventueller ungleicher<br />

Pupillen, wie zum Beispiel »Marcus<br />

Gunn Pupil«, »Argyll-Robertson Pupil«,<br />

»Adie’s Syndrome« oder e<strong>in</strong>es »Relativen<br />

Afferenten Pupil Disease« (RAPD),<br />

durchgeführt 36-39 .<br />

Resultate<br />

Es wurden von 1153 K<strong>in</strong>dern Daten retrospektiv<br />

ausgewertet.<br />

Erhebung der Symptome<br />

Den Studienteilnehmern <strong>bei</strong>der Gruppen<br />

wurden alle Fragen <strong>in</strong> der gleichen<br />

Weise <strong>und</strong> Reihenfolge gestellt. Die statistische<br />

Analyse zeigt, dass K<strong>in</strong>der der<br />

Untersuchungsgruppe signifikant öfter<br />

folgende Symptome zeigen als K<strong>in</strong>der<br />

der Kontrollgruppe: Augenbrennen<br />

<strong>und</strong>/oder Tränen der Augen, Müdigkeit<br />

nach schulischen Nahaufgaben wie <strong>Lese</strong>n<br />

oder Schreiben, Anstrengungsgefühl<br />

<strong>bei</strong> Blick von der Tafel zur Nahdistanz,<br />

Unschärfe <strong>bei</strong> Blick <strong>in</strong> die <strong>Fern</strong>e,<br />

Doppeltsehen (p < 0.01). Bei den anderen<br />

Fragen zeigte sich ke<strong>in</strong> statistisch<br />

signifikanter Unterschied zwischen den<br />

<strong>bei</strong>den Gruppen (p > 0.05).<br />

Refraktive Abweichungen der Augen<br />

Die statistische Analyse <strong>mit</strong>tels »Independent<br />

t-test« zeigt ke<strong>in</strong>e statistisch<br />

7 Optometrie 4/2011

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