HGZ 2/2016
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Auch Rathmann betonte, dass der Erwerb der<br />
Gebärdensprache keine Gefahr für den Lautoder<br />
Schriftspracherwerb darstelle, sondern nur<br />
Vorteile hätte, selbst für hörende<br />
Kinder: In Vergleichsgruppen habe man feststellen<br />
können, dass hörende Kinder, die ebenfalls<br />
Gebärdensprache lernten, nach 2 Jahren<br />
bessere Testergebnisse erzielten, insbesondere<br />
was das räumliche Denken anbelangte, als die<br />
Gruppe ohne gebärdensprachlichen Input. Die<br />
kognitiven Leistungen der hörenden Kinder<br />
mit gebärdensprachlichem Input hätten sich<br />
verbessert, sodass nicht nur gehörlose oder<br />
schwerhörige Kinder vom Gebärdenspracherwerb<br />
profitieren würden, sondern auch hörende. Die<br />
Gebärdensprache sei daher auch als Potential für<br />
die Inklusion zu sehen.<br />
Bettina Herrmann (DGB, wiss. Referentin,<br />
sh) bezeichnete die Gebärdensprache als<br />
Schlüssel zur Bildung und erwähnte, dass es<br />
in erster Linie um das Wohl des Kindes gehe<br />
und die UN-Behindertenrechtskonvention in<br />
Art. 2 die Gebärdensprache ausdrücklich mit<br />
einschließe („... schließt „Sprache“ gesprochene<br />
Sprachen sowie Gebärdensprachen und<br />
andere nicht gesprochene Sprachen ein“). Die<br />
Gebärdensprache sei wichtig für die Förderung<br />
des Kindes und seine sprachliche Identität.<br />
In diesem Zusammenhang stellte Herrmann<br />
auch das Projekt vor „Sprachen machen mich<br />
gesund“, was zum Ziel habe, Förderkonzepte für<br />
eine bilinguale Frühförderung in Gebärden- und<br />
Lautsprache zu erstellen, sodass Kinder mit einer<br />
Hörbehinderung von Anbeginn zweisprachig<br />
aufwachsen könnten. Diese Möglichkeit gäbe es<br />
in Deutschland bisher nur vereinzelt, da fundierte<br />
Förderkonzepte nicht hinreichend bestünden. Mit<br />
dem frühen Zugang zu beiden Sprachen, solle<br />
Sprachentwicklungsstörungen und den damit<br />
einhergehenden Folgeerscheinungen vorgebeugt<br />
werden.<br />
Herrmann betonte auch, dass ein<br />
Bewusstseinswandel für den Einsatz von<br />
Gebärdensprache langsam erkennbar sei.<br />
Es sei erfreulich, dass z.B. in dem gelben<br />
Untersuchungsheft (Kinder-Früherkennungsuntersuchungen<br />
U1-U9) in Zusammenhang mit<br />
der Sprachberatung für hörbehinderte Kinder,<br />
neben der Lautsprache ausdrücklich auch die<br />
Gebärdensprache (U4-U9) genannt würde.<br />
Nach wie vor, so Herrmann, gäbe es immer noch<br />
einige Hindernisse, die dieser Umsetzung im<br />
Wege stünden, angefangen von einem derzeit<br />
noch fehlenden Konzept, fehlenden qualifizierten<br />
DGS-Muttersprachlern und hörbehinderten<br />
Fachkräften, die Finanzierungsmöglichkeiten<br />
zur Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf<br />
gebärdensprachliche Förderung, noch zu wenig<br />
Interesse seitens der Eltern und schließlich<br />
zeitaufwändige Fortbildungen/Ausbildungen für<br />
diesen Bereich. Entgegen aller wissenschaftlicher<br />
und praktischer Erkenntnisse, kritisierte Herrmann,<br />
glaubten nach wie vor noch viele Pädagogen<br />
und Mediziner, dass die Gebärdensprache<br />
beispielsweise die Sprachentwicklung bei Kindern<br />
mit CI hemme und verträten diese Meinung<br />
auch deutlich nach außen, insbesondere in<br />
Beratungssituationen mit betroffenen Eltern.<br />
Karin Lang, Kindergarten Wien/Österreich<br />
Den Abschluss dieser Themenreihe bildete Karin<br />
Lang (Kindergartenpädagogin aus Wien, gl) mit<br />
einem Vortrag aus der Praxis - gelebtes bilinguales<br />
Konzept in einem Wiener Kindergarten. In<br />
diesem Kindergarten befinden sich taube und<br />
schwerhörige Kinder, mit und ohne Hörhilfen<br />
sowie Codas (hörende Kinder gehörloser Eltern).<br />
Die Betreuerinnen und Assistentinnen beherrschen<br />
die (österreichische) Gebärdensprache, sodass<br />
es nicht zu Kommunikationsschwierigkeiten<br />
Hier wird Bilingualität spielerisch gelebt<br />
innerhalb des Teams und im Austausch mit den<br />
Kindern und den z.T. gehörlosen Eltern kommt.<br />
Wie auch in anderen bilingualen Kindergärten,<br />
wird von den hörenden Kindern mal die eine,<br />
mal die andere Sprache bevorzugt, was völlig<br />
normal sei, so Lang. Es gäbe daher keinen<br />
Zwang, die österreichische Gebärdensprache<br />
ständig zu verwenden. Sie sei einfach täglicher<br />
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