De:Bug 159
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Daphne Oram<br />
queen of tapes<br />
Jede Woche die gleiche Qual der Wahl. Kaum<br />
ein Genre produziert so viele Releases wie die<br />
elektronische Musik. Da ist es kein Wunder,<br />
dass man die Pioniere gerne aus dem Blick<br />
verliert. Diejenigen, die das heutige 12"-Business<br />
mit ihren grundlegenden Forschungen,<br />
Wagnissen und futuristischen Kompositionen<br />
überhaupt erst möglich gemacht und den Oszillator<br />
als Musikinstrument etabliert haben, gegen<br />
Neid, Missgunst und Skepsis bis aufs Blut<br />
verteidigten. Daphne Oram ist eine dieser Vordenkerinnen.<br />
1958 konzipierte und leitete sie<br />
für die BBC den Radiophonic Workshop, ihre<br />
eigenen Kompositionen reichten von Musique-<br />
Concrète-beeinflussten Werken bis zu Auftragsarbeiten<br />
für Stanley Kubricks "2001". Mit<br />
der "Oramics Machine" kreierte sie zudem eine<br />
völlig neue Art der Klangerzeugung: Musiker<br />
malen bei dieser Technik auf 35mm-Film, diese<br />
Zeichnungen werden dann von der Maschine<br />
in Sound übersetzt. 1965 war der Apparat fertig,<br />
zu einer Zeit also, als der Interface-Kampf<br />
in der elektronischen Musik zwischen traditioneller<br />
Klaviatur und neu zu bestimmenden<br />
Standards noch in vollem Gange war.<br />
2003 starb Oram und hinterließ über 400<br />
Tonbänder mit Kompositionen. Werkschauen<br />
ihrer Musik sind rar und in der Regel vergriffen.<br />
Gemeinsam mit dem Londoner Goldsmiths<br />
College - dort sind die Bänder eingelagert und<br />
werden Schritt für Schritt restauriert und katalogisiert<br />
- hat das Label "Young Americans"<br />
jetzt eine fulminante 4-LP-Box mit unveröffentlichtem<br />
Material kuratiert, zwei Jahre<br />
hat es gedauert, die Tracks zu sichten und ihnen<br />
eine nachvollziehbare Ordnung zu geben.<br />
"The Oram Tapes Volume One" ist erfrischend<br />
schockierend, randvoll mit brillanten Ideen<br />
und einzigartigen Techniken. Und der Beginn<br />
einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen.<br />
Die Auseinandersetzung mit dem Archiv hätte<br />
eine "lebensverändernde Wirkung" gehabt,<br />
lässt das Label wissen, bei der Recherche seien<br />
Aufnahmen aufgetaucht, von deren Existenz<br />
niemand etwas geahnt hätte, zum Beispiel<br />
Field Recordings, die Oram in Afrika gemacht<br />
hätte. Bis die veröffentlicht werden, bringen<br />
die 46 Stücke der ersten Compilation den Kopf<br />
zur Explosion. Eine fundamentale Erfahrung.<br />
Daphne Oram, The Oram Tapes Volume One,<br />
ist als 4LP-Box auf Young Americans/Boomkat erschienen,<br />
die Doppel-CD folgt im Februar.<br />
www.modern-love.co.uk<br />
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