RHEINLANDweit - das LVR-Magazin
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Das <strong>LVR</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong><br />
1 | 2016<br />
10<br />
Frühe Demenz<br />
Plötzlich alt<br />
Minderjährige Flüchtlinge<br />
Mitmän-Post<br />
Inklusives Leben<br />
Eine vorläufige<br />
Zwischen bilanz<br />
28<br />
Die <strong>LVR</strong>-<br />
Kinderseite<br />
34<br />
Das Projekt<br />
„Wohnen im Pott“<br />
36
Inhalt<br />
04 EDITORIAL<br />
von Chefredakteurin Christine Bayer<br />
05 KURZ VORGESTELLT<br />
Unser neues <strong>LVR</strong>-<strong>Magazin</strong> auf<br />
einen Blick<br />
06 LEICHT GESAGT<br />
Infos zum Heft in Leichter Sprache<br />
08 WAS MACHT DER <strong>LVR</strong>?<br />
Im Interview: Ulrike Lubek und<br />
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm<br />
JUNG & ALT<br />
10 MIT 48 – DIAGNOSE ALZHEIMER<br />
Ein Vater erzählt von seinen ganz<br />
persönlichen Erfahrungen<br />
13 FRÜHE DEMENZ<br />
Ein Interview mit Dr. Peter Häussermann<br />
14 WIE RIECHT ALTSEIN?<br />
In der neuen Ausstellung des <strong>LVR</strong>-<br />
Freilichtmuseums Kommern dreht<br />
sich alles um „Alt und Jung“<br />
Foto: Heike Fischer/<strong>LVR</strong><br />
10<br />
PLÖTZLICH ALT<br />
DEMENZ IM<br />
MITTLEREN ALTER<br />
16 FORENSIK<br />
Alt werden im Maßregelvollzug<br />
18 DEMOGRAFISCHER WANDEL<br />
<strong>LVR</strong>-Personaldezernent<br />
Reiner Limbach im Gespräch<br />
19 NACHGEFRAGT<br />
<strong>LVR</strong>-Expertinnen und -Experten<br />
stehen Rede und Antwort<br />
20 TOUR DER BEGEGNUNG<br />
Auf die Plätze, fertig, los! Beim diesjährigen<br />
Event war für alle etwas dabei<br />
23 POLITIK IM FOKUS<br />
Beiträge der Fraktionen und der<br />
Gruppe der Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
2<br />
Foto: Thomas Hax-Schoppenhorst/<strong>LVR</strong><br />
16<br />
FORENSIK<br />
LEBENSABEND IM<br />
MASSREGELVOLLZUG<br />
Foto: Heike Fischer/<strong>LVR</strong><br />
8<br />
IM GESPRÄCH<br />
ÜBER DAS NEUE MAGAZIN<br />
UND DIE ARBEIT DES <strong>LVR</strong>
Foto: <strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
40<br />
KULTUR ERLEBEN<br />
DIE BESTEN TIPPS AUS<br />
DER REGION!<br />
28 FLÜCHTLINGE<br />
So kümmert sich der<br />
<strong>LVR</strong> um unbegleitete<br />
minderjährige Flüchtlinge –<br />
eine Zwischenbilanz<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong><br />
Das neue<br />
<strong>LVR</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
Alles dazu auf<br />
Seite 5 und<br />
Seite 39!<br />
Foto: Uwe Weiser/<strong>LVR</strong><br />
36<br />
INKLUSIVES LEBEN<br />
WOHNEN IM POTT<br />
20<br />
TOUR DER BEGEGNUNG<br />
MIT MITMÄN UNTER-<br />
WEGS IM RHEINLAND<br />
31 WAS MACHT EIGENTLICH?<br />
<strong>LVR</strong>-Mitarbeitende stellen sich vor.<br />
Diesmal: Helmut Neugebauer,<br />
Sicherheitsfachkraft in der forensischen<br />
Psychiatrie der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln<br />
32 WECHSEL IM <strong>LVR</strong>-INTEGRATIONSAMT<br />
Karin Fankhaenel, die ehemalige<br />
Leiterin, und ihr Nachfolger<br />
Christoph Beyer schauen zurück<br />
und nach vorn<br />
34 MITMÄN-POST<br />
Zwei Seiten voller Infos, Rätsel<br />
und Basteltipps für die jüngeren<br />
Leserinnen und Leser<br />
36 INKLUSIVES LEBEN<br />
In Oberhausen hilft ein Team<br />
Menschen mit Behinderung oder<br />
Krankheit beim Einzug in die erste<br />
eigene Wohnung<br />
38 WELTWEIT<br />
Nachrichten aus der <strong>LVR</strong>-Welt<br />
39 ABONNEMENT<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> ganz bequem<br />
nach Hause bekommen: online<br />
oder gedruckt<br />
40 KULTUR ERLEBEN<br />
Veranstaltungstipps aus der Region<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Foto: Christoph Göttert/<strong>LVR</strong><br />
Foto Titel: Lluís Real/avenueimages<br />
42 IMPRESSUM<br />
43 DE SCHNÜSS JESCHWAAD<br />
Dr. Georg Cornelissen erklärt rheinische<br />
Wörter und Bräuche<br />
3
EDITORIAL<br />
„Lang leben will halt<br />
alles, aber alt werden<br />
will kein Mensch.“<br />
Christine Bayer<br />
Foto: Uwe Weiser/<strong>LVR</strong><br />
Der Dichter Johann Nepomuk Nestroy hat treffend den Widerspruch unserer heutigen<br />
Gesellschaft auf den Punkt gebracht: Ein langes Leben, um sich selbst möglichst viele<br />
Wünsche und Träume zu erfüllen, wollen wir fast alle. Die lästigen Begleiterscheinungen<br />
jedoch wollen nur wenige in Kauf nehmen. Da kann man noch so gesund leben,<br />
Sport machen und sich ausgewogen ernähren: Die berühmten „Zipperlein“ – eine sich<br />
verändernde Sinneswahrnehmung, schwere Knochen oder auch Gedächtnislücken –<br />
machen sich bei allen Menschen früher oder später bemerkbar.<br />
Was jedoch, wenn dieser natürliche Alterungsprozess statt im späten Lebensabschnitt<br />
plötzlich viel früher einsetzt? Wenn Sie mit gerade mal 30 oder 40 Jahren<br />
merken, wie Sie die Lebensenergie verlässt? In unserer ersten Ausgabe von<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> widmen wir uns dem Thema „Frühe Demenz“. Das <strong>Magazin</strong><br />
steht unter dem Schwerpunkt „Jung & Alt“ und stellt besonders Facetten des<br />
Älterwerdens in den Fokus, die bislang nur wenig Beachtung gefunden haben.<br />
Dazu zählt die frühe Demenz, an der nach Angaben des Bundesfamilienministeriums<br />
rund 1,4 Millionen Menschen in Deutschland leiden – Tendenz steigend. Dennoch gibt<br />
es bislang wenige Hilfen für Betroffene und Angehörige. Gemeinsam mit der Stadt<br />
Köln haben die Gerontopsychiatrischen Beratungsstellen der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln in<br />
Mülheim und Chorweiler ein Beratungsangebot ins Leben gerufen.<br />
Wer wissen will, wie es sich anfühlt, alt zu sein, sollte die Ausstellung „Alt und Jung“<br />
im <strong>LVR</strong>-Freilichtmuseum Kommern besuchen. Mithilfe eines Simulationsanzuges<br />
wird nicht zuletzt <strong>das</strong> Treppensteigen zu einer echten Herausforderung.<br />
Ob jung oder alt – entscheidend ist, ob man gesund und zufrieden ist. Wir hoffen, Sie<br />
sind mit unserer ersten Ausgabe im neuen Gewand zufrieden, und bleiben Sie gesund!<br />
4<br />
Chefredakteurin<br />
Leiterin des <strong>LVR</strong>-Fachbereichs<br />
Kommunikation<br />
Ihre Meinung zählt!<br />
Wie gefällt Ihnen die erste Ausgabe<br />
von <strong>RHEINLANDweit</strong>?<br />
Was können wir besser machen?<br />
Wünschen Sie sich spezielle<br />
Themen, die wir aufgreifen sollen?<br />
Wir freuen uns über Ihr Feedback:<br />
rheinlandweit@lvr.de<br />
Landschaftsverband Rheinland<br />
Fachbereich Kommunikation<br />
Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln
KURZ VORGESTELLT<br />
Vom <strong>LVR</strong>-Report<br />
zu <strong>RHEINLANDweit</strong><br />
331 Ausgaben – so lange gab es den <strong>LVR</strong>-Report.<br />
Das <strong>Magazin</strong> im Zeitungsformat informierte über<br />
Veranstaltungen, Leistungen sowie Personalien des<br />
<strong>LVR</strong>. Die Themen waren vor allem für Menschen<br />
interessant, die bereits Kontakt mit dem <strong>LVR</strong> hatten.<br />
Wie erfahren möglichst viele Menschen, was der <strong>LVR</strong><br />
für sie tun kann?<br />
Diese Frage stand im Fokus des Relaunchs. Wir<br />
wollten ein <strong>Magazin</strong> schaffen, <strong>das</strong> auch Menschen<br />
erreicht, die vom <strong>LVR</strong> noch nie<br />
etwas gehört haben. Wir<br />
wollen die Leserinnen und<br />
Leser mit auf eine Reise durch<br />
<strong>das</strong> ganze Rheinland nehmen<br />
und dabei Menschen vorstellen,<br />
die für den <strong>LVR</strong> arbeiten<br />
oder seine Leistungen in<br />
Anspruch nehmen.<br />
Herausgekommen ist <strong>das</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>RHEINLANDweit</strong>.<br />
In jeder Ausgabe erwarten Sie unsere festen Rubriken :<br />
Leicht gesagt Hier erklären wir<br />
die Themen des aktuellen Hefts in<br />
Leichter Sprache.<br />
Was macht eigentlich? An dieser Stelle lernen<br />
Sie einen Mitarbeitenden des <strong>LVR</strong> im Arbeitsalltag<br />
kennen. Von der Schulleiterin über den Krankenpfleger<br />
bis hin zum Dezernenten.<br />
Mitmän-Post Der fröhliche<br />
Inklusionsbotschafter des <strong>LVR</strong> hat<br />
spannende Rätsel und Geschichten<br />
für Kinder im Gepäck.<br />
Inhalt<br />
04 EDITORIAL<br />
von Chefredakteurin Christine Bayer<br />
05 KURZ VORGESTELLT<br />
Unser neues <strong>LVR</strong>-<strong>Magazin</strong> auf einen Blick<br />
06 LEICHT GESAGT<br />
Infos zum Heft in Leichter Sprache<br />
08 WAS MACHT DER <strong>LVR</strong>?<br />
Im Interview: Ulrike Lubek und<br />
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm<br />
JUNG & ALT<br />
10 MIT 48 – DIAGNOSE ALZHEIMER<br />
Ein Vater erzählt von seinen ganz<br />
persönlichen Erfahrungen<br />
13 FRÜHE DEMENZ<br />
Ein Interview mit Dr. Peter Häussermann<br />
14 WIE RIECHT ALTSEIN?<br />
In der neuen Ausstellung des <strong>LVR</strong>-<br />
Freilichtmuseums Kommern dreht<br />
sich alles um „Alt und Jung“<br />
16 FORENSIK<br />
Alt werden im Maßregelvollzug<br />
18 DEMOGRAFISCHER WANDEL<br />
<strong>LVR</strong>-Personaldezernent<br />
Reiner Limbach im Gespräch<br />
19 NACHGEFRAGT<br />
<strong>LVR</strong>-Expertinnen und -Experten stehen<br />
Rede und Antwort<br />
20 TOUR DER BEGEGNUNG<br />
Auf die Plätze, fertig, los! Beim diesjährigen<br />
Event war für alle etwas dabei<br />
23 POLITIK IM FOKUS<br />
Beiträge der Fraktionen und der Gruppe<br />
der Landschaftsversammlung Rheinland<br />
2<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong><br />
Foto: Heike Fischer/<strong>LVR</strong><br />
Foto: Thomas Hax-Schoppenhorst/<strong>LVR</strong><br />
10<br />
PLÖTZLICH ALT<br />
DEMENZ IM<br />
MITTLEREN ALTER<br />
16<br />
FORENSIK<br />
LEBENSABEND IM<br />
MASSREGELVOLLZUG<br />
Foto: Heike Fischer/<strong>LVR</strong><br />
8<br />
IM GESPRÄCH<br />
ÜBER DAS NEUE MAGAZIN<br />
UND DIE ARBEIT DES <strong>LVR</strong><br />
Foto: <strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
Foto: Uwe Weiser/<strong>LVR</strong><br />
36<br />
INKLUSIVES LEBEN<br />
WOHNEN IM POTT<br />
1 | 2016<br />
20<br />
TOUR DER BEGEGNUNG<br />
MIT MITMÄN UNTER-<br />
WEGS IM RHEINLAND<br />
40<br />
KULTUR ERLEBEN<br />
DIE BESTEN TIPPS AUS<br />
DER REGION!<br />
Foto: Christoph Göttert/<strong>LVR</strong><br />
Foto Titel: Lluís Real/avenueimages<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong><br />
Das neue<br />
<strong>LVR</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
A lle s dazu auf<br />
Seite 5 und<br />
Seite 39!<br />
28 FLÜCHTLINGE<br />
So kümmert sich der <strong>LVR</strong> um<br />
unbegleitete minderjährige<br />
Flüchtlinge – eine Zwischenbilanz<br />
31 WAS MACHT EIGENTLICH?<br />
<strong>LVR</strong>-Mitarbeitende stellen sich vor.<br />
Diesmal: Helmut Neugebauer,<br />
Sicherheitsfachkraft in der forensischen<br />
Psychiatrie der <strong>LVR</strong>-KlinikKöln<br />
32 WECHSEL IM <strong>LVR</strong>-INTEGRATIONSAMT<br />
Karin Fankhaenel, die ehemalige Leiterin,<br />
und ihr Nachfolger Christoph Beyer schauen<br />
zurück und nach vorn<br />
34 MITMÄN-POST<br />
Zwei Seiten voller Infos, Rätsel und Basteltipps<br />
für die jüngeren Leserinnen und Leser<br />
36 INKLUSIVES LEBEN<br />
In Oberhausen hilft ein Team Menschen<br />
mit Behinderung oder Krankheit beim<br />
Einzug in die erste eigene Wohnung<br />
38 WELTWEIT<br />
Nachrichten aus der <strong>LVR</strong>-Welt<br />
39 ABONNEMENT<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> ganz bequem nach Hause<br />
bekommen: online oder gedruckt<br />
40 KULTUR ERLEBEN<br />
Veranstaltungstipps aus der Region<br />
42 IMPRESSUM<br />
43 DE SCHNÜSS JESCHWAAD<br />
Dr. Georg Cornelissen erklärt<br />
rheinische Wörter und Bräuche<br />
3<br />
Inklusives Leben Wie kann man<br />
als Frau oder Mann mit Behinderung<br />
ein selbstbestimmtes und<br />
unabhängiges Leben führen?<br />
Diesen Fragen gehen wir in dieser<br />
Rubrik nach.<br />
Kultur erleben Wohin am<br />
Wochenende? Werfen Sie einen<br />
Blick in unseren Veranstaltungskalender.<br />
Hier präsentieren wir<br />
aktuelle Ausstellungen der<br />
<strong>LVR</strong>-Museen.<br />
Jede Ausgabe steht zusätzlich<br />
unter einem Schwerpunktthema :<br />
Diese Ausgabe widmet sich dem<br />
Thema „Jung & Alt“.<br />
Nachgefragt Sie stellen uns<br />
Fragen und unsere Expertinnen<br />
und Experten finden die passenden<br />
Antworten.<br />
De Schnüss Jeschwaad Sprachwissenschaftler<br />
Dr. Georg Cornelissen<br />
erklärt die vielfältigen Phänomene<br />
und Besonderheiten rund um<br />
die rheinische Kommunikation.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016 5
Infos zum Heft in<br />
Leichter Sprache<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> ist ein neues Heft.<br />
Es soll nun 2 Mal im Jahr erscheinen.<br />
Das Heft ist vom <strong>LVR</strong>. <strong>LVR</strong> ist eine Abkürzung<br />
für Landschafts-Verband Rheinland.<br />
Die Angebote vom <strong>LVR</strong> sind für alle<br />
Menschen im Rheinland.<br />
Für Menschen mit Behinderung und<br />
für Menschen ohne Behinderung.<br />
Das Heft <strong>RHEINLANDweit</strong> will Sie über<br />
die Themen vom <strong>LVR</strong> informieren.<br />
Und <strong>das</strong> Heft will Ihnen Neues berichten.<br />
Im Heft stehen Themen, die Menschen<br />
im Rheinland interessieren.<br />
In dieser Ausgabe von <strong>RHEINLANDweit</strong> steht viel<br />
über <strong>das</strong> Thema Alt-Sein und Älter werden.<br />
An jedem Geburtstag wird man ein Jahr älter.<br />
Alte Menschen hatten schon viele Geburtstage.<br />
Sie haben schon viel erlebt in ihrem Leben.<br />
Viele alte Menschen fühlen sich nicht mehr fit.<br />
Manche Menschen bekommen die Krankheit Demenz.<br />
Das ist eine Krankheit, bei der man vergesslich wird.<br />
In diesem Heft steht zum Beispiel:<br />
• Es gibt Hilfen für Menschen, die Demenz haben.<br />
Zum Beispiel an der <strong>LVR</strong>-Klinik in Köln.<br />
• Es gibt eine interessante Ausstellung.<br />
Die Ausstellung heißt „Alt und Jung“.<br />
Sie ist gerade im <strong>LVR</strong>-Freilichtmuseum<br />
in Kommern zu erleben.<br />
Illustrationen: Piktogramm oben: Quelle: „Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland“. Piktogramm: © Inclusion Europe; übrige: Reinhild Kassing<br />
6
LEICHT GESAGT<br />
Im Heft stehen aber auch Berichte zu vielen anderen Themen:<br />
• Berichte über einzelne Menschen<br />
• Berichte über Politik<br />
• Kurznachrichten<br />
• Es gibt eine extra Kinder-Seite<br />
• Tipps zu Veranstaltungen<br />
Der <strong>LVR</strong> erledigt viele unterschiedliche<br />
Aufgaben für die Menschen im Rheinland.<br />
Er unterstützt die Städte und Land-Kreise<br />
bei ihren Aufgaben. Er übernimmt besondere Aufgaben.<br />
Diese macht man besser gemeinsam:<br />
• Menschen mit Behinderung unterstützen.<br />
• Für Kinder und Jugendliche sorgen.<br />
• Schüler und Schülerinnen mit<br />
Behinderung unterstützen.<br />
• Krankenhäuser anbieten.<br />
• Kultur-Angebote machen.<br />
• Und vieles mehr<br />
Viele weitere Infos vom <strong>LVR</strong> finden Sie im Internet:<br />
www.leichtesprache.lvr.de<br />
Unter dem Wort Service stehen Begriffe.<br />
Dort finden Sie zum Beispiel:<br />
• Was es vom <strong>LVR</strong> noch in Leichter Sprache gibt.<br />
• Wie man eine E-Mail an den <strong>LVR</strong> schreiben kann.<br />
• Wie man beim <strong>LVR</strong> anrufen kann.<br />
Das ist die Telefon-Nummer von der <strong>LVR</strong>-Zentrale in Köln:<br />
0221 809-0<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
7
BLINDTEXT<br />
Menschen in den<br />
Mittelpunkt stellen<br />
Was macht eigentlich der Landschaftsverband Rheinland (<strong>LVR</strong>)?<br />
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm (Vorsitzender der Landschaftsversammlung)<br />
und <strong>LVR</strong>-Direktorin Ulrike Lubek berichten im<br />
Interview mit dem Kölner Journalisten Prof. Dr. Frank Überall<br />
über die Arbeit des Kommunalverbands sowie über die Idee<br />
des neuen <strong>LVR</strong>-<strong>Magazin</strong>s <strong>RHEINLANDweit</strong>. Von Prof. Dr. Frank Überall<br />
8
WAS MACHT BLINDTEXT DER <strong>LVR</strong><br />
Prof. Dr. Frank Überall: Manche flüchten mit ihren Publikationen<br />
aus Kostengründen komplett ins Internet.<br />
Der Landschaftsverband Rheinland setzt mit einem<br />
Relaunch weiter auf Print – warum?<br />
Ulrike Lubek: Wir setzen auf Print und Online gleichzeitig,<br />
weil wir unsere Leistungen möglichst vielen<br />
Menschen präsentieren wollen.<br />
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm: Wir veröffentlichen auch<br />
Fachartikel, die viele lieber gedruckt als in digitalen<br />
Medien lesen. Wir wollen künftig bei der Darstellung<br />
von Sachverhalten auch einzelne Menschen in den Mittelpunkt<br />
stellen. Das kann ein Interview mit einem Patienten<br />
oder mit einem jugendlichen Asylbewerber<br />
sein. Auf dem sozialpolitischen Gebiet kümmern wir<br />
uns ja um Lebenssituationen, mit denen die große<br />
Mehrheit der Bevölkerung nicht konfrontiert ist. Dafür<br />
wollen wir Interesse wecken.<br />
Sie werden finanziert durch Umlagen, die die Kommunen<br />
im Rheinland bezahlen. Da wird immer wieder<br />
gefordert, zu sparen. Können Sie sich denn ein Printmagazin<br />
noch leisten?<br />
Wilhelm: Der Landschaftsverband hat einen Haushalt<br />
von vier Milliarden Euro im Jahr. Das <strong>Magazin</strong> kostet<br />
einen geringen Bruchteil davon. Wir machen auch mit<br />
dem Relaunch nichts außergewöhnlich Teures. Es wird<br />
eher neuer Wein in neue Schläuche gegossen.<br />
Lubek: Dieses Unternehmen <strong>LVR</strong> gehört den Menschen<br />
im Rheinland. Wir wollen denjenigen, denen<br />
diese öffentliche Struktur gehört, die Entscheidungsfindung<br />
bei uns im Verband sichtbar machen. Uns geht<br />
es um die qualitative Versorgung von Menschen, die<br />
sich in den meisten Lebenssituationen nicht mehr<br />
selbst helfen können. Das sind im Rheinland viele<br />
Zehntausend.<br />
An der HMKW Hochschule in Köln erkläre ich jungen<br />
Menschen Kommunalpolitik. Helfen Sie mir: Wie soll<br />
ich die Arbeit des <strong>LVR</strong> erläutern?<br />
Wilhelm: Gewisse Aufgaben müssen über Stadt und<br />
Landkreis hinaus gelöst werden. Das machen bei uns in<br />
NRW nicht Ministerien, sondern kommunale Verbände.<br />
Durch die politische Mitwirkung in der Landschaftsversammlung<br />
– einer Art Parlament – ist <strong>das</strong> etwas mehr<br />
Demokratie als in anderen Bundesländern.<br />
Lubek: In der kommunalen Selbstverwaltung ist es<br />
nicht sinnvoll, <strong>das</strong>s jeder alles selbst macht. Kompetenz<br />
und Geld müssen bestmöglich eingesetzt werden.<br />
Der Landschaftsverband koordiniert diese Aufgaben<br />
für <strong>das</strong> Rheinland.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Aus welchen Säulen besteht der <strong>LVR</strong>?<br />
Lubek: Als großer Dienstleister, vor allem für Menschen<br />
mit verschiedenen Beeinträchtigungen und Behinderungen,<br />
kümmern wir uns von der „Wiege bis zur<br />
Bahre“, also von der Frühförderung sinnesbeeinträchtigter<br />
Kinder bis zur Hospizförderung. Und um Kultur,<br />
zum Beispiel als Träger von Museen.<br />
Wilhelm: Von der historischen Struktur her hat <strong>das</strong><br />
Land NRW kein eigenes Opernhaus oder Theater. Mit<br />
Ausnahme der Kunstsammlung K 20 hat es auch kein<br />
eigenes Museum. Auch deshalb gibt es die gemeinsamen<br />
Angebote der Landschaftsverbände.<br />
Sie verstehen sich auch als Lobby für die Menschen,<br />
denen Sie helfen. Wie beurteilen Sie den Entwurf für<br />
<strong>das</strong> neue Bundesteilhabegesetz?<br />
Lubek: Da gibt es schon Verbesserungen zum bisher<br />
sehr fürsorgelastigen System. Bei der Anrechnung von<br />
Einkommen und Vermögen sind Verbesserungen vorgeschlagen.<br />
Aber der Anspruch, Teilhabe zu ermöglichen,<br />
wird nicht wirklich erfüllt. Gerade bei der Hilfe zur Pflege<br />
muss nachgebessert werden. Jetzt müssen Interessen<br />
zum Ausgleich gebracht und die Finanzierung ausgehandelt<br />
werden. Das sind manchmal Zielkonflikte.<br />
Ein weiteres wichtiges Thema für den <strong>LVR</strong> ist die Inklusion.<br />
Wilhelm: Wir wissen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> eine Generationenaufgabe<br />
ist: kostenmäßig, von den Strukturen her, die verändert<br />
werden müssen, und auch von der Akzeptanz her, die <strong>das</strong><br />
bei Bevölkerung und Mitarbeitern finden muss. Wir sind da<br />
schon sehr aktiv und wollen weiter Vorreiter sein. Inklusion<br />
ist deshalb auch erklärtes Leitziel der Politik des <strong>LVR</strong>.<br />
Von Sozialverbänden hört man <strong>das</strong> Wort der Sozialkonkurrenz.<br />
Besteht die Gefahr, <strong>das</strong>s Interessen von<br />
Flüchtlingen, Obdachlosen und Behinderten gegeneinander<br />
ausgespielt werden?<br />
Wilhelm: Da wird viel mit<br />
Ängsten gearbeitet. Das wird<br />
na türlich eine große finanzielle<br />
Herausforderung – vor allem<br />
für die Kommunen, die<br />
die Sozialversorgung bezahlen<br />
müssen. Wir kämpfen dafür,<br />
<strong>das</strong>s aus dem Gefühl der Sozialkonkurrenz<br />
keine Wirklichkeit<br />
wird.<br />
Was ist die größte Herausforderung<br />
für den <strong>LVR</strong>?<br />
Lubek: Private Unternehmen<br />
haben als primäres Ziel Gewinnmaximierung.<br />
Unser primäres<br />
Ziel als kommunaler<br />
Dienstleister ist es, die Bedürfnisse<br />
von Menschen zu befriedigen.<br />
Dafür gibt man uns<br />
Steuergelder, mit denen wir<br />
natürlich auch effizient arbeiten<br />
müssen.<br />
Interviewer Prof.<br />
Dr. Frank Überall<br />
• Freier Text-, Radio- und Fernsehjournalist<br />
für unter anderem<br />
WDR, taz, Welt am Sonntag und<br />
die Süddeutsche Zeitung.<br />
• Seit Oktober 2012 Professor<br />
an der Hochschule für Medien,<br />
Kommunikation und Wirtschaft<br />
(HMKW) in Köln.<br />
• Seit November 2015 Bundesvorsitzender<br />
des Deutschen<br />
Journalisten-Verbandes (DJV).<br />
9<br />
Fotos: Heike Fischer/<strong>LVR</strong>
MIT 48 – DIAGNOSE ALZHEIMER<br />
Wenn die gelebten<br />
Jahre fehlen<br />
Erinnerungslücken, Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit im<br />
mittleren Alter? Alzheimer und Demenz trifft längst nicht nur alte<br />
Menschen. Ein Erfahrungsbericht. <br />
Von Katharina Landorff<br />
Florian W.* hatte sich gerade selbstständig gemacht,<br />
als seine Ehefrau bemerkte, <strong>das</strong>s ihm immer wieder<br />
Fehler bei den kleinen Dingen des Alltags unterliefen.<br />
Auch bei selbstverständlichen Abläufen. Mal war es<br />
der Rückruf eines Klienten, der ausblieb, obwohl er<br />
versprochen war. Mal war es eine Zahlungsaufforderung,<br />
die nicht zeitgerecht beglichen wurde, bis zur<br />
zweiten Mahnung. Die Häufung von „Unachtsamkeiten“,<br />
wie Florian W. die Vorfälle abschwächend erklärte,<br />
machte die aufmerksame Ehefrau stutzig. Aber <strong>das</strong><br />
verwirrende Verhalten hörte nicht auf und brachte die<br />
44-jährige Ehefrau immer mehr ins Grübeln. Später, in<br />
der Beratungsstelle der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln im rechtsrheinischen<br />
Mülheim, teilte die Mutter einer siebenjährigen<br />
Tochter ihre Gefühle und Gedanken mit: „Man will<br />
es nicht wahrhaben, was da passiert. Unter den eigenen<br />
Augen verändert sich der Mann und wird zu einem<br />
Unbekannten. Das verstört und macht Angst“, so die<br />
Angehörige eines Mannes mit früher Demenz.<br />
Klärung durch Gedächtnissprechstunde<br />
Alzheimer oder Demenz sind Krankheiten, die normalerweise<br />
mit betagten Menschen in Verbindung gebracht<br />
werden. Mit 90, 85, mit 80 Jahren, aber mit<br />
50 Jahren? Wie kann <strong>das</strong> sein, <strong>das</strong>s diese Alterserkrankungen<br />
Menschen trifft, die noch mitten im Berufs-<br />
und Familienleben stehen?<br />
Die Mediziner unterscheiden im Wesentlichen zwischen<br />
zwei Formen der Demenz im frühen Lebensalter:<br />
Alzheimer in jungen Lebensjahren und die sogenannte<br />
fronto-temporale Demenz, früher als Morbus<br />
Pick bezeichnet.<br />
Auf Drängen der Ehefrau besuchte <strong>das</strong> Paar W. zunächst<br />
zusammen die Hausärztin im Süden von Köln.<br />
Die Medizinerin hörte aufmerksam zu, ließ beide Ratsuchenden<br />
zu Wort kommen und schickte Florian W.<br />
schließlich in die Gedächtnissprechstunde der Kölner<br />
10<br />
Uniklinik. Während der Wartezeit auf einen Termin verschlechterte<br />
sich die Gedächtnisleistung des 48-Jährigen<br />
zusehends. Der gelernte Speditionskaufmann<br />
konnte bereits auf eine lange, meistens erfolgreiche<br />
Berufskarriere zurückblicken, ehe er sich selbstständig<br />
machte. Nun, in der Selbstständigkeit angekommen,<br />
trug er neben der Freiheit, Entscheidungen allein<br />
zu verantworten, auch <strong>das</strong> finanzielle Risiko, den Lebensunterhalt<br />
seiner Familie zu erwirtschaften. Dies<br />
gelang immer schlechter. Der Termin in der Gedächtnissprechstunde<br />
brachte der Familie endlich Klarheit<br />
über den Gesundheitszustand. Die Diagnose lautete:<br />
Alzheimer.<br />
Diagnose: Frühes Vergessen<br />
Erst im Nachhinein wurde dem Ehepaar klar, <strong>das</strong>s sich<br />
bereits Jahre vor der Diagnose erste Zeichen der Erkrankung<br />
gezeigt hatten. In erster Linie ging es um Gedächtnisprobleme:<br />
Der Schlüssel wurde verlegt, <strong>das</strong><br />
Portemonnaie oder der Geburtstag vergessen, der Termin<br />
„verschludert“, die Verpflichtung „verdrängt“. Mit<br />
einfachen Gedächtnistests wie dem sogenannten „Uhrentest“<br />
können die Schwächen des Gehirns im ersten<br />
Schritt schon in der Hausarztpraxis erfasst werden.<br />
Florian W. war nicht mehr in der Lage, eine vorgegebene<br />
Uhrzeit in eine Uhr einzuzeichnen. Weitere Untersuchungen<br />
und zum Schluss eine Analyse von entnommenem<br />
Nervenwasser bestätigten den schockierenden<br />
Verdacht: Alzheimer in einem frühen Stadium, im Alter<br />
von 48 Jahren! Statistisch verbleibende Lebenserwartung:<br />
etwa acht bis zwölf Jahre.<br />
Während der Ehemann mit seinem Gesundheitszustand<br />
beschäftigt war, rückte für die Ehefrau und Mutter<br />
schnell die existenzielle Seite der Erkrankung in den<br />
Mittelpunkt. Der Haupternährer fiel von heute auf morgen<br />
aus, die Kredite konnten nicht abgezahlt werden,<br />
die Zukunft der Familie war ungewiss, denn die Berufs-
Plötzlich ist<br />
nichts mehr<br />
so, wie es war.<br />
Frühe Demenz<br />
beschäftigt<br />
neben den<br />
Betroffenen<br />
vor allem<br />
auch ihre Angehörigen.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
11<br />
Foto: Heike Fischer/<strong>LVR</strong>
BLINDTEXT<br />
12<br />
tätigkeit der Frau reichte nicht aus für die Finanzierung<br />
der gesamten Familie. In absehbarer Zeit würde der<br />
Ehemann auch nicht mehr allein bleiben können, sondern<br />
bräuchte eine Betreuung, genau wie die siebenjährige<br />
Tochter, wenn die Berufstätigkeit der Frau<br />
stundenweise aufgestockt würde. Gleichzeitig würde die<br />
Ehefrau den Partner verlieren und die Tochter den Vater.<br />
Wie gehe ich mit der Diagnose um?<br />
Fronto-temporale Demenz<br />
Fronto-temporale Demenzen treten normalerweise<br />
früher als die Alzheimer-Krankheit auf, meistens<br />
schon zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr oder<br />
noch früher. Die Spanne liegt zwischen 30 und<br />
85 Jahren. Bei der Erkrankung ist <strong>das</strong> Sozialverhalten<br />
und/oder die Sprache zuerst betroffen.<br />
Erschlagen von diesen Perspektiven und der Angst um<br />
den Ehemann, suchte die Ehefrau die Spezialberatung<br />
der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln im Stadtteil Mülheim auf. Dort hörte<br />
die Diplom-Sozialarbeiterin Sigrid Steimel erst einmal<br />
aufmerksam zu. „Ein offenes, neutrales Gehör für den<br />
‚Problemberg‘ zu finden, ist für viele Angehörige oder<br />
auch Zugehörige als Freundinnen und Freunde von Alleinstehenden<br />
eine große Entlastung“, weiß Steimel aus<br />
der Beratungserfahrung. Gerade weil eine Erkrankung<br />
wie Demenz oder Alzheimer in jungen Jahren noch stigmatisierender<br />
als im fortgeschrittenem Alter erlebt<br />
wird, binden Betroffene den Familienkreis, Bekannte<br />
und Freunde erst zu einem späten Zeitpunkt ein, oft erst<br />
nach einigen Terminen in der Spezialberatung „Frühe<br />
Demenz“ des Landschaftsverbandes Rheinland (<strong>LVR</strong>).<br />
Dies ist eine der wenigen Fachberatungen für die Gruppe<br />
der Früherkrankten im Rheinland und in Nordrhein-<br />
Westfalen (NRW).<br />
Dabei sind die Probleme für Menschen, die mitten<br />
im Leben stehen, ganz andere als im hohen Lebensalter.<br />
Zusammen mit den Betroffenen hilft die Diplom-<br />
Sozialarbeiterin der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln in der Dependance<br />
in Mülheim, Struktur in die Fülle von Problemen<br />
zu bringen: Wie geht es mit der Berufstätigkeit weiter?<br />
Wie kann der Familienunterhalt finanziert werden? Ist<br />
die Pflegestufe beantragt worden? Wie oft soll der<br />
Facharzt den jungen Dementen sehen? Im Fragendschungel<br />
des Krankheitsfalls braucht es eine Lotsin<br />
oder einen Lotsen, die oder der den Weitblick behält.<br />
Seit Herbst letzten Jahres finanziert die Stadt Köln die<br />
halbe Stelle der Sozialarbeiterin der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln in<br />
der Beratungsstelle „Frühe Demenz“. Dass es ein Spezialangebot<br />
für eine kleine Gruppe von Patientinnen<br />
und Patienten ist, kann nicht über die Dramatik der Diagnose<br />
hinwegtäuschen. Im Kölner Stadtgebiet sind<br />
allein etwa 500 bis 700 Familien betroffen: Ehefrauen,<br />
minderjährige Kinder, Arbeitgeber, Freunde und Bekannte.<br />
Die junge Demenz, die Menschen aus dem<br />
Fluss des Lebens reißt, trifft <strong>das</strong> Leben der Betroffenen<br />
und deren Angehörigen mit einer ganz anderen<br />
Wucht, als wenn die Krankheit erst im Rentenalter auftritt<br />
und <strong>das</strong> Leben in ruhigeren Bahnen verläuft.<br />
Alzheimer ist nicht gleich Alzheimer<br />
Während die Diagnose Alzheimer <strong>das</strong> bekannte Gesicht<br />
des allmählichen Gedächtnisverlustes bedient, zeigt die<br />
fronto-temporale Demenz ein ganz anderes, sehr verstecktes<br />
Gesicht. Durch den Abbau von Nervenzellen<br />
im Stirn- und Schläfenbereich (Frontal- bzw. Temporal-<br />
Lappen) des Gehirns, finden zunächst Veränderungen<br />
im Bereich der Emotionen, der Sprache und des Sozialverhaltens<br />
statt. Die Kontrolle schwindet. Friedliche<br />
Menschen streiten sich plötzlich, beschimpfen Freunde<br />
und Kolleginnen, werden anzüglich und weinerlich. Die<br />
Gefühlswelt fährt Achterbahn. Die Umwelt reagiert zunächst<br />
verstört, später empört oder ebenfalls aggressiv,<br />
bevor Sanktionen wie Abmahnungen und Kündigungen<br />
am Arbeitsplatz bis hin zu Anzeigen wegen Beleidigungen<br />
folgen. Für die Familie bleibt <strong>das</strong> Verhalten unerklärlich.<br />
Erst wenn der große Bruch zu der früheren Persönlichkeit<br />
nicht mehr zu kitten ist und die Existenz auf dem<br />
Spiel steht, werden oftmals Fachleute zu Rate gezogen.<br />
Die durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnose<br />
liegt bei cirka sieben Jahren. Während dieser Zeit<br />
verändert sich die Persönlichkeit der Patientinnen und<br />
Patienten zunehmend, oft zerfällt die Sprache und die<br />
Körperfunktionen können immer schlechter kontrolliert<br />
werden.<br />
* Name geändert<br />
Weitere Informationen<br />
zum Angebot der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln:<br />
www.klinik-koeln.lvr.de<br />
unter › Behandlungsangebote & Fachgebiete<br />
› Gerontopsychiatrie<br />
Workshop zur Frühen Demenz<br />
Das <strong>LVR</strong>-Klinikum Düsseldorf bietet im<br />
Herbst in Kooperation mit der Alzheimer<br />
Gesellschaft Münster e.V. einen Workshop<br />
für Menschen mit Demenz im frühen<br />
Krankheitsstadium an.<br />
www.alzheimer-muenster.de/fruehlink
FRÜHE BLINDTEXT DEMENZ<br />
Foto: <strong>LVR</strong>-Klinik Köln<br />
Diagnose Frühe Demenz,<br />
was nun?<br />
Interview mit PD Dr. Peter Häussermann,<br />
Chefarzt Gerontopsychiatrie der <strong>LVR</strong>-Klinik<br />
Köln und ärztlicher Leiter einer Fachberatungsstelle<br />
für Menschen mit Demenz oder<br />
Alzheimer in frühem Lebensalter.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Wie erkenne ich eine fronto-temporale Demenz?<br />
Dr. Peter Häussermann: Bei der fronto-temporalen Demenz<br />
spielt die Umgebung eine sehr große Rolle, <strong>das</strong><br />
heißt, <strong>das</strong>, was die Angehörigen und die Umgebung bemerken<br />
und feststellen. In der Sprache zeigen sich Auffälligkeiten,<br />
genauso wie im sozialen Leben. Man nennt<br />
PD Dr. Peter Häussermann<br />
• Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und<br />
Neurologie.<br />
• Seit 1. Juli 2010 arbeitet er an der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln.<br />
<strong>das</strong> soziale Reziprozität. In der Interaktion mache ich<br />
Dinge und erkenne beim anderen ein bestimmtes Gefühl<br />
als Reaktion auf mich. Dabei ist es wichtig, <strong>das</strong>s ich angemessen<br />
darauf reagiere. Das ist eine normale Reaktion.<br />
Bei dieser Form der Demenz geht dies nicht mehr. Die<br />
Veränderung des Menschen kann meistens nur der nahe<br />
Angehörige und Zugehörige gut erfassen. Also jemand,<br />
der die Patientin oder den Patienten sehr gut kennt.<br />
Wenn sich Verhalten und Sprache ändern, können dies<br />
auch andere Erkrankungen sein. Welche Möglichkeiten<br />
gibt es, die Demenz abzugrenzen und über wen?<br />
Der erste Ansprechpartner ist sehr oft der Hausarzt.<br />
Wir sehen viele Hausärzte, die uns Patientinnen und<br />
Patienten in die Gedächtnissprechstunde überweisen.<br />
Wir leben im Internetzeitalter, die Angehörigen schauen<br />
im Netz nach, welche Möglichkeiten es wo gibt. Und<br />
wenn sie sehen, <strong>das</strong>s wir als <strong>LVR</strong>-Klinik Köln eine Gedächtnissprechstunde<br />
mit Bildgebung anbieten, kommen<br />
sie zu uns. Das ist zunehmend der Fall, auch bei<br />
der Generation der 50- bis 60-Jährigen.<br />
Können Sie beschreiben, was eine Gedächtnissprechstunde<br />
ist?<br />
Gedächtnissprechstunden sind in der Regel spezialisierte<br />
Sprechstunden an Kliniken, in der Regel an<br />
psychiatrischen oder neurologischen Kliniken, oft in<br />
Kooperation. Dort können sich Menschen vorstellen,<br />
die subjektiv <strong>das</strong> Gefühl haben, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gedächtnis<br />
nachgelassen hat. Auch Angehörige von Menschen,<br />
die <strong>das</strong> Gefühl haben, bei ihrer Ehefrau/ihrem Ehemann,<br />
bei ihrem Vater oder bei ihrer Mutter hat <strong>das</strong><br />
Gedächtnis nachgelassen und sie würden gerne<br />
gucken wollen, woran <strong>das</strong> liegt, sind herzlich willkommen.<br />
Es gibt dann einen mehrstufigen Prozess<br />
mit zwei Vorstellungsterminen. Beim ersten Termin<br />
befragt und untersucht man die Patientin oder den<br />
Patienten, psychiatrisch, neurologisch und auch allgemeinmedizinisch.<br />
Man macht breite Laboruntersuchungen<br />
mit entsprechenden Laborparametern wie<br />
Leber-, Nieren- und Schilddrüsenwerte, manchmal<br />
auch Borrelien (Anmerkung der Redaktion: Bakterien,<br />
bekannt von Zeckenbissen). Danach macht man<br />
einfache Gedächtnistests. Das sind neuro-psychologische<br />
Untersuchungen, in denen festgestellt wird, in<br />
welchen Bereichen des Gehirns es eigentlich Probleme<br />
gibt. Zum Beispiel muss sich jemand drei Wörter<br />
merken, wie Auto, Blume, Kerze. Nach drei Minuten<br />
frage ich diese drei Begriffe ab. Wenn sich derjenige<br />
nicht mehr an diese erinnern kann, geht es weiter<br />
mit neuro-psychologischen Testverfahren. Und zum<br />
Schluss kann eine Computertomografie oder eine<br />
Kernspintomografie (feineres Verfahren zur Sichtbarmachung<br />
von anatomischen Strukturen im Gehirn)<br />
gemacht werden.<br />
Wie würde es dann weitergehen?<br />
Eine Demenz ist eine nicht heilbare Erkrankung des Gehirns,<br />
die in unterschiedlicher Geschwindigkeit voranschreitet<br />
und letztlich geht es um eine Form von therapeutisch-medizinischer<br />
Begleitung des Patienten, aber<br />
auch der Familie. Außerdem geht es um die Frage: Gibt<br />
es begleitend genug sozialdienstliche Beratung in Bezug<br />
auf <strong>das</strong> Einrichten einer Vorsorgevollmacht oder<br />
Betreuungsverfügung oder im Bereich des Testaments.<br />
Es ist gut, wenn man frühzeitig eine Diagnose hat, damit<br />
man diese Dinge auch bewusst besprechen und entscheiden<br />
kann. Das klingt jetzt vielleicht schlimm. Aber<br />
es ist wichtig, <strong>das</strong>s man bewusst und auch im Wunsch<br />
des Patienten regeln und handeln kann. Denn später<br />
wird es vielleicht nicht mehr möglich sein, <strong>das</strong> ist ein<br />
Zeichen der Erkrankung.<br />
<br />
Die Fragen stellte Katharina Landorff.<br />
13
WIE RIECHT ALTSEIN?<br />
Wie riecht Altsein?<br />
<strong>LVR</strong>-Freilichtmu seum Kommern zeigt viele<br />
Aspekte von „Alt und Jung“. Von Birgit Ströter<br />
Weggefährten<br />
eines Lebens:<br />
vom Dreirad bis<br />
zum Rollator.<br />
14
Mit dem<br />
Simulationsanzug<br />
wird<br />
von einem auf<br />
den anderen<br />
Moment alles<br />
beschwerlich,<br />
anstrengend<br />
und mühsam.<br />
Fotos: Ludger Ströter/<strong>LVR</strong><br />
„Im Alter bereut man vor allem die<br />
Dinge, die man nicht getan hat.“<br />
William Somerset Maugham<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Jeder Mensch will es werden, aber keiner sein: alt. Zu<br />
dumm, <strong>das</strong>s beides miteinander verbunden ist. Und<br />
wohl kaum ein Thema verbindet und beschäftigt die<br />
Menschen gleichsam, wenn auch unterschiedlich intensiv<br />
in nahezu allen Lebensbereichen.<br />
Das <strong>LVR</strong>-Freilichtmuseum Kommern präsentiert in<br />
seiner Ausstellung „Alt und Jung“ einige der Facetten<br />
informativ, spielerisch und für alle Sinne. 400 kleine Figuren<br />
begrüßen die Gäste und machen mit der Alterspyramide<br />
die Verschiebung der Altersverteilung von<br />
1910 bis 2060 sichtbar – und somit auch <strong>das</strong> Problem<br />
der Rentenversorgung. Wohnformen, die Menschen<br />
jeglichen Alters zusammenführen, werden mit dem<br />
Mehrgenerationenhaus oder einer Wohngemeinschaft<br />
für Großeltern und Enkel vorgestellt.<br />
Neue Wohnformen führen Menschen<br />
zusammen<br />
Wie riecht alt, wie riecht jung? Die Antwort gibt es an<br />
der Riechstation. Die (Pharma-)Industrie und Werbung<br />
haben nicht nur die bis 65-Jährigen im Blick. Längst<br />
gibt es vielfältige Produkte, die <strong>das</strong> Leben einfacher<br />
machen. Einige davon werden gezeigt und machen<br />
deutlich, <strong>das</strong>s sie auch angenehm für Jüngere sind –<br />
wie der Messbecher, der nach oben bequem und ohne<br />
Anheben deutlich anzeigt, wie viel Gramm oder Milliliter<br />
im Behälter sind.<br />
Der Alterssimulationsanzug, den <strong>das</strong> <strong>LVR</strong>-Dezernat<br />
Schulen und Integration zur Verfügung gestellt hat,<br />
zeigt eindrücklich, wie sich <strong>das</strong> Leben mit Altersbeeinträchtigungen<br />
gestaltet. Der Overall simuliert ein<br />
eingeengtes Sichtfeld, verminderte Hörfähigkeit, versteifte<br />
Gelenke, eingeschränkten Tastsinn und verlangsamte<br />
Bewegungen. Die Erfahrung: Alles ist mühsam,<br />
unsicher und ungelenk der Gang. Alltägliches wie Geld<br />
abzählen dauert quälend lange. Plötzlich erscheint die<br />
Szene vom letzten Einkauf: Das alte Mütterchen an der<br />
Kasse zählt umständlich und endlos lange die Centstücke<br />
zusammen – die Schlange hinter ihr wird immer<br />
ungeduldiger. Stress pur für die ältere Dame. Das Ablegen<br />
des Anzuges wirkt wie eine Befreiung. Fühlt sich<br />
so Altwerden an? Und ist <strong>das</strong> erstrebenswert?<br />
Denkanstöße, die nachwirken<br />
Viele andere Themen wie „Demenz“ haben ihren Platz<br />
genauso wie „Sex im Alter“. Mit dem Film „Meine Oma<br />
und ihre Männer“ greift die Ausstellung ein immer<br />
noch tabuisiertes Thema sehr offen auf, ohne <strong>das</strong>s es<br />
peinlich oder voyeuristisch wirkt.<br />
„Alt und Jung“ gibt Denkanstöße – und entlässt<br />
seine Gäste nachdenklich. Jung wie Alt.<br />
Alt und Jung<br />
Vom Älter werden in Geschichte<br />
und Zukunft, bis 6. November 2016<br />
im <strong>LVR</strong>-Freilichtmu seum Kommern<br />
www.kommern.lvr.de<br />
www.facebook.com/<br />
freilichtmuseumkommern<br />
Museums-<br />
Kulturbeutel<br />
Für Großeltern, Enkelinnen<br />
und Enkel. Die Tasche bietet<br />
Infos zu Stationen im Museumsgelände<br />
und Mitmachaktionen.<br />
Erhältlich an der<br />
Museumskasse.<br />
15
Alt werden im<br />
Maßregelvollzug<br />
Die Station 3 der forensischen<br />
Psychiatrie der <strong>LVR</strong>-Klinik Düren.<br />
Von Thomas Hax-Schoppenhorst<br />
16<br />
Foto: Thomas Hax-Schoppenhorst/<strong>LVR</strong>
FORENSIK<br />
Herbert S., 67 Jahre alt, ist seit zwölf Jahren in der<br />
forensischen Psychiatrie der <strong>LVR</strong>-Klinik Düren untergebracht.<br />
Seine erste Zeit als forensischer Patient war<br />
schwierig, da er sein Fehlverhalten nicht einsehen und<br />
so weiterleben wollte wie bisher. Aber er änderte im<br />
Lauf der Zeit seine Haltung und nahm die therapeutischen<br />
Angebote wahr. Seine behandelnden Pflegerinnen<br />
und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte sowie Therapeutinnen<br />
und Therapeuten waren sich einig: Herr<br />
S. macht Fortschritte! Trotzdem blieb er bis heute im<br />
Maßregelvollzug – seine damals begangene Tat war<br />
so schwer, <strong>das</strong>s es bis heute erforderlich ist, ihn gesichert<br />
unterzubringen.<br />
Als Herbert S. <strong>das</strong> sechste Lebensjahrzehnt vollendet<br />
hatte, häuften sich bei ihm körperliche Probleme:<br />
„Das Gehen fällt mir zunehmend schwer, der<br />
Blutdruck spielt verrückt. Indem ich mich regelmäßig<br />
bewege und der Arzt alles im Blick hält, kann ich<br />
zumindest dafür sorgen, <strong>das</strong>s die Beschwerden nicht<br />
schlimmer werden. Diese belasten mich schon genug.<br />
Hart wird es für mich, wenn ich aus den Tiefs, die<br />
ich zwischendurch habe, nicht so recht herauskomme.<br />
Ich bin nicht mehr der Jüngste, habe im Leben<br />
so manches falsch gemacht und glaube gerade dann,<br />
wenn ich so niedergeschlagen bin, nicht mehr daran,<br />
<strong>das</strong>s ich noch eine Zukunft habe.“ In solchen Lagen ist<br />
es für <strong>das</strong> therapeutische und pflegerische Personal<br />
schwer, ihn so zu motivieren, <strong>das</strong>s er dennoch Perspektiven<br />
entwickelt oder sich in <strong>das</strong> Stationsleben<br />
aktiv einbringt.<br />
Immer mehr ältere Menschen im<br />
Maßregelvollzug<br />
„Stimmungsschwankungen dieser Art“, sagt Stationsarzt<br />
Dr. Georgi Bairaktarski, „kennen alle älteren Menschen:<br />
die Herausforderung, mit der Vergänglichkeit<br />
der körperlichen Leistungsfähigkeit zu leben. Ältere<br />
Patientinnen und Patienten des Maßregelvollzugs trifft<br />
<strong>das</strong> gleich in doppelter Hinsicht: Sie sind bereits psychisch<br />
krank und müssen jetzt noch ihren körperlichen<br />
Abbau akzeptieren und damit umgehen lernen. Zudem<br />
müssen sie sich damit abfinden, sozusagen als gesellschaftliche<br />
Problemfälle zu gelten, als Menschen, denen<br />
man nur noch bedingt traut.“<br />
Alles in allem ist Herbert S. aber vital – vor allem<br />
im Vergleich zu seinen dementen Mitpatienten auf der<br />
Station 3 der forensischen Psychiatrie der <strong>LVR</strong>-Klinik<br />
Düren. Vor zehn Jahren wurde diese Spezialstation für<br />
16 alte und stark pflegebedürftige Patienten eingerichtet,<br />
da in Düren, wie überall in Deutschland, die Zahl<br />
älterer Menschen im Maßregelvollzug gestiegen ist.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Die „Seniorenstation“ ist auf die Bedürfnisse alter und<br />
kranker Menschen zugeschnitten. Die Zimmer sind mit<br />
Betten ausgestattet, die eine umfassende körperliche<br />
Pflege auch bei anhaltender Bettlägerigkeit ermöglichen.<br />
Demente Patienten, die oft unruhig stundenlang<br />
auf und ab gehen, können hier ihren Bewegungsdrang<br />
ausleben. Erkrankt ein Patient körperlich derart<br />
schwer, <strong>das</strong>s es keine Aussicht auf Heilung gibt, steht<br />
die gute Versorgung im Vordergrund. Ziel ist es, dem<br />
Kranken Schmerzen zu nehmen, beziehungsweise diese<br />
zu lindern und den Rahmen so zu gestalten, <strong>das</strong>s<br />
Betroffene in Würde sterben können.<br />
Gute Chancen für Herbert S.<br />
„Die Eröffnung dieser Station stellte auch uns als<br />
erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor neue<br />
Herausforderungen – und <strong>das</strong> nicht nur in der intensiveren<br />
körperlichen Pflege der Patientinnen und Patienten<br />
und bei der Sterbebegleitung.“ Stationsleiter<br />
Siegfried Grundmanns weiß als erfahrene Pflegekraft<br />
in der forensischen Psychiatrie, wovon er redet. „Der<br />
durch die körperlichen Einschränkungen zusätzlich<br />
eingeengte Lebensraum der Patientinnen und Patienten<br />
muss gestaltet werden. Außerdem müssen wir<br />
sie immer wieder dahingehend ermutigen, <strong>das</strong>s auch<br />
ihr Leben einen Sinn hat, <strong>das</strong>s es richtig ist, Ziele in<br />
Angriff zu nehmen – so klein sie auch unter Umständen<br />
sein mögen.“ Zeitlich begrenzte Ausgänge der<br />
Patientinnen und Patienten in <strong>das</strong> Klinikgelände und<br />
begleitete Freizeitaktivitäten wie gemeinsame Ausflüge<br />
gehören zu den Maßnahmen auf der Station,<br />
die als willkommene Abwechslung wahrgenommen<br />
werden.<br />
Zur Freude des multiprofessionellen Teams der<br />
Station 3 gelingt es immer wieder, Patientinnen und<br />
Patienten so weit zu therapieren und zu stabilisieren,<br />
<strong>das</strong>s sie in eine weiterbetreuende Einrichtung entlassen<br />
werden können.<br />
Für Herbert S. stehen die Chancen nicht schlecht:<br />
„Wenn ich weiterhin mitmache, gelingt es mir vielleicht<br />
doch, meine letzten Lebensjahre nicht im Maßregelvollzug<br />
verbringen zu müssen. Die Aussicht, <strong>das</strong>s ich<br />
in zwei bis drei Jahren vielleicht doch noch ganz woanders<br />
leben könnte, verschafft mir Auftrieb. Dann glaube<br />
ich auch wieder mehr an mich.“<br />
Weitere Informationen<br />
zur forensischen Psychiatrie unter<br />
www.klinik-dueren.lvr.de › Behandlungsangebote<br />
& Fachgebiete › Forensische<br />
Psychiatrie<br />
17
DEMOGRAFISCHER WANDEL<br />
„Wir stellen uns der<br />
Herausforderung“<br />
Drei Fragen an Reiner Limbach, Erster Landesrat<br />
und <strong>LVR</strong>-Dezernent Personal und Organisation.<br />
18<br />
1.<br />
Für viele Unternehmen ist der demografische<br />
Wandel ein Schreckgespenst. Wie stellt sich<br />
die Situation für den <strong>LVR</strong> als Arbeitgeber von rund<br />
18.000 Menschen dar?<br />
Reiner Limbach: Der <strong>LVR</strong> hat sich dieser Frage schon<br />
vor einigen Jahren angenommen. Sie ist kein Schreckgespenst.<br />
Allerdings nehmen wir die Entwicklung sehr<br />
ernst. Unserer aktuellen Altersstrukturanalyse zufolge<br />
werden bis zum Jahr 2022 rund 17 Prozent der Beschäftigten<br />
des <strong>LVR</strong> aus Altersgründen ausscheiden.<br />
Um die qualifizierte Aufgabenerfüllung für die Zukunft<br />
weiterhin sicherstellen zu können, haben wir mit personalpolitischen<br />
Maßnahmen sowohl auf die Weiterentwicklung<br />
der vorhandenen Mitarbeitenden als auch<br />
auf die Gewinnung von Nachwuchskräften und die Anwerbung<br />
geeigneten Personals reagiert. Zudem haben<br />
wir einen strukturierten Wissenstransfer entwickelt,<br />
damit <strong>das</strong> Wissen und die Erfahrungen unserer Mitarbeitenden<br />
nicht verloren gehen.<br />
2.<br />
Der <strong>LVR</strong> konkurriert mit einer Vielzahl von Firmen,<br />
Verbänden und Organisationen um gute<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was tut der Verband<br />
in Sachen Personalgewinnung und -entwicklung?<br />
Foto: Julia Reschucha/<strong>LVR</strong><br />
Hier will ich auf verschiedene Aspekte eingehen:<br />
zunächst die interne Fort- und Weiterbildung. Wir<br />
haben ein bedarfsgerecht zugeschnittenes Angebot<br />
in diesem Bereich durch unser Institut für Training,<br />
Beratung und Entwicklung zusammengestellt. Damit<br />
tragen wir zur stetigen Verbesserung unserer<br />
hohen Qualitätsstandards bei. Daneben bietet der<br />
<strong>LVR</strong> seinen Mitarbeitenden viele Informations- und<br />
Unterstützungsmöglichkeiten rund um die Themen<br />
„Beruf und Familie“ und „Work-Life-Balance“ an.<br />
Flankierend hierzu haben wir vor einigen Jahren ein<br />
Trainee-Programm für geistes-, sozial-, wirtschaftsbeziehungsweise<br />
rechtswissenschaftliche Hochschulabsolventinnen<br />
und -absolventen eingerichtet,<br />
<strong>das</strong> einen Quereinstieg in den <strong>LVR</strong> ermöglicht. Hiermit<br />
erreichen wir, <strong>das</strong>s auch Blickrichtungen aus<br />
anderen Professionen die Qualität unserer Arbeit bereichern.<br />
Weiterhin haben wir vielfältige Maßnahmen<br />
ergriffen, um junge Menschen für eine Ausbildung<br />
beim <strong>LVR</strong> zu gewinnen. Nennen will ich den Tag der<br />
Ausbildung, Schulkooperationen, die Berufsfelderkundung,<br />
Teilnahme an Ausbildungsbörsen, Angebote<br />
von Praktika sowie die gezielte Anwerbung von<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergrund.<br />
3.<br />
Bietet der demografische Wandel auch Chancen?<br />
Die Arbeitswelt verändert sich stetig, auch bei<br />
uns im <strong>LVR</strong>. Viele Prozesse werden automatisiert und<br />
optimiert. Mit der Einbeziehung von Trainees aus verschiedenen<br />
Hochschulstudiengängen sowie mit neuen<br />
Mitarbeitenden, die einen Migrationshintergrund<br />
aufweisen, verändern sich unsere Blickrichtungen<br />
auf die Dinge, die wir tagtäglich tun. Wir verändern<br />
unsere Arbeitsweise und stellen den Servicegedanken<br />
im Hinblick auf unsere Kundschaft ganz oben an.<br />
Wir wollen stetig besser werden und stellen uns der<br />
Herausforderung des demografischen Wandels.<br />
<br />
Die Fragen stellte Till Döring.<br />
Weitere Informationen<br />
Sie interessieren sich für eine Karriere<br />
beim <strong>LVR</strong>? Dann schauen Sie mal unter<br />
www.lvr.de › Karriere.
NACHGEFRAGT<br />
Wie klappt Gemeinsames Lernen?<br />
In „Nachgefragt“ antworten Expertinnen und Experten des<br />
<strong>LVR</strong> auf Ihre Fragen rund um <strong>das</strong> Thema Inklusion. Inga Puschmann<br />
arbeitet im <strong>LVR</strong>-Fachbereich Schulen und Serviceleistungen und<br />
ist unter anderem Expertin für die <strong>LVR</strong>-Inklusionspauschale.<br />
Fotos: Dominik Schmitz/<strong>LVR</strong>; Oben: <strong>LVR</strong><br />
Mein Sohn Anton kommt bald<br />
in die fünfte Klasse. Wir haben<br />
bereits ein Gymnasi um gefunden,<br />
<strong>das</strong> ihn auch gerne aufnehmen<br />
würde. Anton sitzt jedoch im Rollstuhl,<br />
er hat einen festge stellten<br />
Unterstützungs bedarf im Bereich<br />
Körperliche und mo torische<br />
Entwicklung. Die Schule verfügt<br />
weder über ausreichend Rampen<br />
noch hat sie eine behindertengerechte<br />
Toilette. Muss ich meinen<br />
Sohn nun auf eine Förderschule<br />
schicken?<br />
Monika A. aus Düsseldorf<br />
Selbstverständlich nicht! Sie haben<br />
sich, wie es Ihnen auch rechtlich zusteht,<br />
für <strong>das</strong> Gemeinsame Lernen<br />
entschieden. Um die Zugänglichkeit<br />
der Schule für Anton herzustellen,<br />
müssen Sie sich an den Schulträger<br />
des Gymnasiums wenden. Dieser<br />
kann beim <strong>LVR</strong> eine finanzielle<br />
Unterstützung für die notwendigen<br />
Maßnahmen beantragen. Seit 2010<br />
bietet der <strong>LVR</strong> freiwillig die sogenannte<br />
<strong>LVR</strong>-Inklusionspauschale<br />
für Schulträger im Rheinland, die<br />
die Voraussetzungen für den inklusiven<br />
Unterricht schaffen möchten.<br />
Die <strong>LVR</strong>-Inklusionspauschale ist<br />
eine einzelfallbezogene Förderung,<br />
die sich als Anreizfinanzierung versteht.<br />
Sie ergänzt die Förderung<br />
der schulischen Inklusion durch<br />
<strong>das</strong> Land NRW und richtet sich an<br />
Schulträger, die unter anderem<br />
Schülerinnen und Schüler mit dem<br />
Förderschwerpunkt Körperliche<br />
und motorische Entwicklung in ihren<br />
Schulen aufnehmen möchten.<br />
Somit ist für Anton eine Beantragung<br />
der Förderung grundsätzlich<br />
möglich. Wichtig ist jedoch, <strong>das</strong>s<br />
der Schulträger (nicht Sie) nun zeitnah,<br />
in jedem Fall vor der offiziellen<br />
Aufnahmezusage, einen Antrag<br />
beim <strong>LVR</strong> stellt. Aus den Mitteln<br />
der <strong>LVR</strong>-Inklusionspauschale könnte<br />
dann beispielsweise der Einbau<br />
einer Rampe, die Anschaffung einer<br />
Treppensteighilfe oder auch der<br />
Umbau der Sanitäranlagen bezuschusst<br />
werden. Bis zu 10.000 Euro<br />
kann der <strong>LVR</strong> in diesem Fall beisteuern.<br />
Bei der Frage, welche Ausstattung<br />
Ihr Sohn tatsächlich benötigt,<br />
können die sonderpädagogischen<br />
Fachkräfte der <strong>LVR</strong>-Förderschulen<br />
zu Rate gezogen werden.<br />
Gerne beraten wir Ihren Schulträger<br />
bei der Beantragung der<br />
<strong>LVR</strong>-Förderung.<br />
Ihre Ansprechpartnerin<br />
Inga Puschmann<br />
Tel. 0221 809-6925<br />
Fax 0221 8284-4194<br />
inga.puschmann@lvr.de<br />
Weitere Informationen<br />
finden Sie unter www.<br />
inklusionspauschale.lvr.de<br />
Sie haben auch eine<br />
Frage?<br />
Schreiben Sie uns<br />
eine E-Mail an<br />
rheinlandweit@lvr.de<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016 19
BLINDTEXT<br />
Auf die Plätze,<br />
fertig, los!Von Kristina Wild<br />
20
TOUR DER BEGEGNUNG<br />
„Bei dem Lauf durch<br />
Linnich waren wir<br />
ein großes Team, <strong>das</strong><br />
zusammen funktioniert<br />
hat. So wie im<br />
Schul alltag auch.“<br />
Simon (13 Jahre), Förderschüler der<br />
<strong>LVR</strong>-Förderschule Linnich<br />
Oben: Laufstart<br />
beim Bergfest<br />
der „Tour der<br />
Begegnung“ im<br />
Kölner Rheinauhafen.<br />
Unten: <strong>LVR</strong>-<br />
Inklusionsbotschafter<br />
Mitmän war bei<br />
allen Tourfesten<br />
dabei,<br />
wie hier beim<br />
Startfest am<br />
Landtag NRW<br />
in Düsseldorf.<br />
Foto: Geza Aschoff/<strong>LVR</strong><br />
„Du schaffst <strong>das</strong>!“ steht auf seinem Rücken. In einem<br />
grünen T-Shirt rauscht er heran, nimmt kurz vor dem<br />
drohenden Zusammenprall mit einem anderen Kind<br />
die Kurve und verschwindet innerhalb von Sekunden in<br />
der Masse. Simon ist 13 Jahre alt und verrät, er habe<br />
schon etliche Tricks mit dem „Schlitten“ – so nennt er<br />
seinen Rollstuhl – drauf. Mit einem Ruck hängen die<br />
Vorderräder seines Rollstuhls in der Luft, und Simon<br />
balanciert auf den Hinterrädern hin und her. In dem<br />
Moment eilt Ozan heran und schaltet sich in <strong>das</strong> Gespräch<br />
ein: „Simon ist manchmal kaum einzuholen.<br />
Selbst ich habe manchmal Mühe, ihn zu kriegen. Und<br />
ich bin schon schnell, obwohl ich krank bin. Das sieht<br />
man mir nicht an.“ Der 14-jährige Ozan zeigt eine<br />
20 Zentimeter lange Narbe auf seinem Brustkorb und<br />
erklärt: „Das kommt von einer Herzoperation, als ich<br />
noch ein Baby war.“<br />
Foto: Kristina Wild/<strong>LVR</strong><br />
Inklusionsbotschafter Mitmän hinterließ überall<br />
seine Spuren.<br />
Ozan und Simon sind zwei von 500 Kindern, die an diesem<br />
Tag auf dem Schulhof der <strong>LVR</strong>-Förderschule Linnich<br />
herumtoben. Knapp ein Drittel der 500 Kinder sind<br />
Schülerinnen und Schüler mit einer Behinderung, die<br />
zusammen mit Kindern aus insgesamt acht Schulen<br />
(darunter Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschulen)<br />
und einem Kindergarten aus Linnich und Umgebung die<br />
„Tour der Begegnung“ feiern. Die Schule ließ sich für<br />
den Projekttag viele Aktionen einfallen. Simon schloss<br />
sich einer der beiden Laufgruppen an, Ozan entschied<br />
sich für die Mitmachmusik. Darüber hinaus tobten die<br />
Kinder und Jugendlichen sich bei einem inklusiven<br />
Fußballturnier, einem Rolliparcours, beim Backen,<br />
einer Hüpfburg, Tanz, Kunst und Schwimmaktionen<br />
aus. Das Tourfest an der <strong>LVR</strong>-Förderschule<br />
Was ist der Goldene<br />
Mitmän?<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Foto: Christoph Göttert/<strong>LVR</strong><br />
Der Goldene Mitmän ist eine<br />
Trophäe, die als Zeichen der<br />
Inklusion oder als Anerkennung<br />
für die Organisation der Touretappe<br />
überreicht wird. Sie er setzt<br />
die Staffel stabübergabe und ist<br />
Highlight jeder Touretappe.<br />
21<br />
Foto: Christoph Göttert/<strong>LVR</strong>
TOUR DER BEGEGNUNG<br />
„Vor zwei Jahren konnten wir<br />
bei der ’<br />
Tour der Begegnung‘<br />
nur laufen. Jetzt darf ich<br />
wählen – egal, ob Mitmachmusik,<br />
Hüpfburg oder Backen.<br />
Das ist viel besser.“<br />
Ozan (14 Jahre), Förderschüler der<br />
<strong>LVR</strong>-Förderschule Linnich<br />
Linnich zeigt, wie eine Veranstaltung mit dem neuen<br />
Konzept aussehen kann. Eine alternative Herangehensweise,<br />
ein Tourfest auszurichten, entwickelten die<br />
<strong>LVR</strong>-Louis-Braille-Schule Düren und die <strong>LVR</strong>-Donatus-Schule<br />
Pulheim. Sie machten aus ihrem Tourfest<br />
eine sportliche Herausforderung. Gemeinsam mit der<br />
Gesamtschule Niederzier/Merzenich fuhren Dürener<br />
Schülerinnen und Schüler in inklusiven Tandems (Besetzung:<br />
je eine Förderschülerin bzw. ein Förderschüler<br />
und eine Teilnehmerin bzw. ein Teilnehmer der<br />
Gesamtschule) eine Strecke von 50 Kilometern zur <strong>LVR</strong>-<br />
Donatus-Schule nach Pulheim-Brauweiler. In Aachen<br />
wiederum wurde eine buntes Fest auf dem Katschhof<br />
gefeiert – mit Gebärdenchor und zahlreichen Aktionsständen<br />
zum Mitmachen. Und in Euskirchen jonglierten<br />
Foto: Geza Aschoff/<strong>LVR</strong><br />
Kinder der <strong>LVR</strong>-Irena-Sendler Schule und Schülerinnen<br />
und Schüler der Veybachschule mit Keulen, Ringen und<br />
Kiwidos, drehten gemeinsame Runden auf dem Einrad<br />
und machten Kunststücke mit ihren Diabolos. Jedes<br />
Fest war einzigartig und dadurch auch besonders schön.<br />
Dauergast auf allen Veranstaltungen war Mitmän, der<br />
überall sehnsüchtig erwartet wurde. Der Inklusionsbotschafter<br />
des <strong>LVR</strong> konnte sich vor Ort kaum vor umarmenden<br />
und knutschenden Kindern retten. Wie <strong>das</strong><br />
ging, obwohl er sich in Fußballspiele einmischte, die<br />
Choreografie der Tanzgruppe auf den Kopf stellte und<br />
Selfies von Kindergruppen torpedierte, indem er ins Bild<br />
sprang? Ganz einfach: Spaß stand nicht nur für Mitmän,<br />
sondern auch für alle Beteiligten der Tour an erster<br />
Stelle, und der Spaß war ihnen anzusehen – überall!<br />
Das neue Konzept<br />
Vor elf Jahren hat der <strong>LVR</strong> erstmals die „Tour der<br />
Begegnung – Inklusion läuft!“ (bis 2012 unter dem<br />
Titel „IntegraTour“) ausgerichtet. Im Jahr 2016 geht<br />
es mit einem neuen Konzept und einer noch inklusiveren<br />
Ausrichtung an den Start. Die neue Tour<br />
soll insbesondere mehr allgemeine Schulen an der<br />
Aktion beteiligen. Außerdem soll die Veranstaltung<br />
noch stärker in die Öffentlichkeit getragen werden.<br />
Weitere Informationen<br />
Videos und Bilder zu allen Tourfesten unter<br />
www.tour-der-begegnung.lvr.de<br />
Das Miteinander von<br />
Kindern mit und ohne<br />
Behinderung steht bei allen<br />
Tourfesten an erster Stelle.<br />
18<br />
Etappenfeste<br />
mit insgesamt<br />
4.500 Schülerinnen<br />
und<br />
Schülern.<br />
Alle<br />
Veranstaltungen<br />
sind<br />
erstmals<br />
inklusiv, <strong>das</strong><br />
heißt, an allen<br />
Etappen wirken<br />
allgemeine<br />
Schulen mit.<br />
30<br />
<strong>LVR</strong>-Förderschulen<br />
und<br />
20 allgemeine<br />
Schulen<br />
machen mit.<br />
Mitmän<br />
Der <strong>LVR</strong>-Inklusionsbotschafter<br />
ist bei allen<br />
Veranstaltungen<br />
dabei.
BLINDTEXT<br />
Politik<br />
im<br />
Fokus<br />
14. Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
Foto: Marion Koell/<strong>LVR</strong><br />
Die Landschaftsversammlung Rheinland<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Die Mitverwaltung der Bürgerinnen und Bürger des<br />
Rheinlandes vollzieht sich in der Landschaftsversammlung<br />
und ihren Ausschüssen. Die Landschaftsversammlung<br />
beschließt unter anderem über Grundsatzangelegenheiten,<br />
verabschiedet den Haushalt und wählt die<br />
<strong>LVR</strong>-Direktorin oder den <strong>LVR</strong>-Direktor sowie die Landesrätinnen<br />
und Landesräte (Dezernatsleitungen).<br />
Aus jeder kreisfreien Stadt und jedem Kreis zieht<br />
je 100.000 Einwohner eine Vertreterin bzw. ein Vertreter<br />
in die Landschaftsversammlung, den „Rheinischen<br />
Rat“, ein – <strong>das</strong> entspricht 98 Direktmandaten. Darüber<br />
hinaus werden den Parteien und Wählergruppen weitere<br />
Sitze über den Verhältnisausgleich zugeteilt. Die<br />
Mitglieder der Landschaftsversammlung werden von<br />
den Kreistagen der Kreise und den Räten der kreisfreien<br />
Städte gewählt.<br />
Die Landschaftsversammlung Rheinland (14. Wahlperiode)<br />
besteht aus sechs Fraktionen und einer Gruppe.<br />
Auf den folgenden Seiten finden Sie Beiträge der Fraktionen<br />
und der Gruppe zu aktuellen Themen.<br />
23
FRAKTIONEN<br />
Solide Politik der Koalition – für die Menschen,<br />
für <strong>das</strong> Rheinland!<br />
Rolf Einmahl,<br />
Vorsitzender der<br />
CDU-Fraktion in<br />
der Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
Prof. Dr. Jürgen<br />
Rolle, Vorsitzender<br />
der SPD-<br />
Fraktion in der<br />
Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
Seit 2014 werden die politischen Entscheidungen in der<br />
Landschaftsversammlung Rheinland getragen durch die<br />
Große Koalition von CDU und SPD.<br />
Der Koalitionsvertrag der beiden Fraktionen hat neben<br />
vielen Absprachen zu den einzelnen Aufgabenfeldern des<br />
Landschaftsverbandes Rheinland (<strong>LVR</strong>) im Wesentlichen<br />
zwei zentrale Schwerpunkte.<br />
Zum einen liegt der Schwerpunkt der Arbeit darin, die<br />
Inklusion im Rheinland zügig und zielorientiert voranzubringen.<br />
Ziel ist es, die durch die UN-Behindertenrechtskonvention<br />
festgelegten und definierten Lebensbedingungen<br />
schnellstmöglich zu schaffen, indem der aus<br />
dieser Konvention abgeleitete <strong>LVR</strong>-Aktionsplan schrittweise<br />
konsequent umgesetzt wird. Dieser Aktionsplan<br />
wurde in der letzten Wahlperiode von der <strong>LVR</strong>-Verwaltung<br />
gemeinsam mit den Fraktionen entwickelt.<br />
Hierzu ist nicht nur ein Inklusionsausschuss gebildet<br />
worden, der darauf achtet, <strong>das</strong>s alle Tätigkeitsfelder des<br />
<strong>LVR</strong> in ihrem Handeln immer auch an den Zielen der UN-<br />
Behindertenrechtskonvention ausgerichtet sind. Vielmehr<br />
haben wir auch einen Beirat gegründet, in dem<br />
Menschen mit Behinderungen selbstvertretend und<br />
gleichberechtigt mitwirken. Unser Ziel ist es nach wie<br />
vor, <strong>das</strong>s Menschen mit Behinderung gleichberechtigt<br />
im Inklusionsausschuss mitwirken können. Die dafür<br />
notwendige Gesetzesänderung ist durch die Koalition<br />
initiiert.<br />
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Initiierung und<br />
Umsetzung inklusiver Wohnprojekte. Zu diesem Zweck<br />
werden wir die <strong>LVR</strong>-eigene Wohnungsbaugesellschaft<br />
umwandeln hin zu einem Unternehmen, <strong>das</strong> inklusive<br />
Wohnprojekte plant, realisiert und fördert. Darüber hinaus<br />
werden wir den Mitgliedskörperschaften anbieten,<br />
sie bei der Errichtung inklusiver Wohnprojekte zu beraten<br />
und zu unterstützen. Durch die Wahl eines neuen<br />
Bau- und Umweltdezernenten, der zugleich in die Geschäftsführung<br />
der umstrukturierten Gesellschaft eingebunden<br />
sein wird, werden die neuen Aufgaben in<br />
dieser Wahlperiode angepackt werden.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit wird es sein,<br />
durch eine solide, konsequente und nachhaltige Konsolidierung<br />
des Haushaltes den Kämmerinnen und Kämmerern<br />
des Rheinlandes Planungssicherheit zu geben<br />
durch stabile finanzielle Rahmenbedingungen. Hierzu<br />
haben wir bereits den Doppelhaushalt für die Jahre 2015<br />
und 2016 beschlossen. Dies werden wir auch für die Jahre<br />
2017 und 2018 tun und dabei unter Beweis stellen,<br />
<strong>das</strong>s die vorgegebene und beschlossene Finanzplanung<br />
eingehalten wird.<br />
Dies ist Ziel von CDU und SPD, trotz steigender Fallzahlen<br />
in der Eingliederungshilfe und ständig wachsender Aufgaben<br />
in den einzelnen Tätigkeitsfeldern des <strong>LVR</strong>.<br />
Wir sind uns der Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedskörperschaften<br />
sehr bewusst und richten unser<br />
Handeln danach aus.<br />
So unterstützen wir aktuell unsere Mitgliedskörperschaften<br />
im Rahmen der Flüchtlingshilfe aktiv im Schulwesen,<br />
durch spezielle Angebote unserer Kliniken sowie durch<br />
Zurverfügungstellung von Immobilien zur bedarfsgerechten<br />
Unterbringung von geflüchteten Menschen.<br />
Intern haben wir die Verwaltung beauftragt, Arbeitsprozesse<br />
und Betriebskosten des <strong>LVR</strong> zu überprüfen.<br />
Hierzu gehört es auch, die Einnahmemöglichkeiten des<br />
<strong>LVR</strong> konsequent auszuschöpfen. So haben wir etwa durch<br />
die Realisierung der Kindpauschale im Kita-Bereich dafür<br />
Sorge getragen, <strong>das</strong>s, wie bei unserem Schwesternverband<br />
in Westfalen-Lippe (LWL), die Finanzierung der Therapeutenleistungen<br />
in den Kitas nicht mehr durch die<br />
kommunale Familie, sondern vom zuständigen Kostenträger,<br />
den Krankenkassen, übernommen wird.<br />
Im Kulturbereich muss es unsere Aufgabe sein, insbesondere<br />
unsere vorhandenen „kulturellen Netzwerke“, die<br />
alle in Partnerschaft mit einzelnen Kommunen entstanden<br />
sind, zu stabilisieren. Dies insbesondere in Zeiten<br />
wegbrechender Zinseinnahmen und knapper werdender<br />
kommunaler Haushalte.<br />
Konkrete Maßnahmen im Bereich der Förderschulen werden<br />
wir umsetzen, wenn die für den Herbst erwartete<br />
Schulentwicklungsplanung vorliegt. Daher soll hier nicht<br />
verschwiegen werden, <strong>das</strong>s mit dem Thema Inklusion ein<br />
„dickes Brett“ zu bohren ist, insbesondere dann, wenn die<br />
von allen Fachleuten für erforderlich gehaltenen Unterstützungsleistungen<br />
des Landes (finanziell, personell, gesetzgebend)<br />
nicht ausreichen, um <strong>das</strong> anvisierte Ziel,<br />
„Alle Schulen für alle Schüler“ ohne Qualitätsverluste erreichen<br />
zu können.<br />
Darüber hinaus ist zum Beispiel im Bereich der <strong>LVR</strong>-Kliniken<br />
zu prüfen, inwieweit in Fortschreibung der bisherigen<br />
Reformen die Kliniken in ihrer eigenverantwortlichen und<br />
wirtschaftlichen Betriebsführung noch weiter gestärkt<br />
werden können.<br />
Dabei sind wir uns der Verantwortung für die Menschen<br />
im Rheinland bewusst. „Qualität für Menschen“ gemäß<br />
dem Motto des <strong>LVR</strong> – unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit<br />
der Kommunen des Rheinlandes – dafür<br />
steht diese Koalition!<br />
Wir sind uns sicher, <strong>das</strong>s wir gemeinsam noch viel bewegen<br />
können. Für die Menschen! Für <strong>das</strong> Rheinland!<br />
24
FRAKTIONEN<br />
BLINDTEXT<br />
Kommunen brauchen Solidarität!<br />
Corinna Beck,<br />
Vorsitzende der<br />
Bündnis 90/Die<br />
Grünen-Fraktion<br />
in der Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
Viele Städte und Kreise im Rheinland sind nach wie vor finanziell<br />
schwer angeschlagen, besonders die Kommunen<br />
im „Stärkungspakt“. Ohne eine stärkere Unterstützung<br />
durch Bund und Land werden sie nicht aus ihrer Finanzmisere<br />
herauskommen. Aber auch innerhalb der kommunalen<br />
Familie ist Solidarität gefragt, auch hier müssen die<br />
Starken den Schwächeren unter die Arme greifen.<br />
Aufgrund unerwarteter Mehreinnahmen von 94 Millionen<br />
Euro und seit 2013 jährlich erwirtschafteter Überschüsse<br />
wollten wir Grüne, <strong>das</strong>s der <strong>LVR</strong> bereits 2016 durch eine<br />
Umlagesenkung die finanzschwachen Kommunen entlastet.<br />
Zwar gibt es auch Risiken für den <strong>LVR</strong>, aber ein Teil der<br />
Mehreinnahmen hätte zur Entlastung der Kommunen verwendet<br />
werden können. Die politische Mehrheit hat dies<br />
abgelehnt und den Kommunen die Unterstützung verweigert.<br />
Weitere Informationen dazu unter www.gruene.lvr.de<br />
Im Jahresabschluss 2015 wird der <strong>LVR</strong> wiederum einen<br />
Überschuss von 39 Millionen Euro ausweisen, so<strong>das</strong>s unsere<br />
Ausgleichsrücklage wieder deutlich über 100 Millionen<br />
Euro beträgt. Das treibt den meisten Kommunen im Rheinland<br />
sicher Tränen in die Augen. Bei den Beratungen zum<br />
Doppelhaushalt 2017/2018 werden wir deshalb erneut vom<br />
<strong>LVR</strong> einen deutlichen Solidaritätsbeitrag einfordern.<br />
Noch wichtiger als die Rücksichtnahme beim Umlagesatz ist<br />
aber eine Lösung bei den Rückstellungen für ambulante Integrationshilfen.<br />
Die Auseinandersetzung um deren Zuständigkeit<br />
hat dazu geführt, <strong>das</strong>s der <strong>LVR</strong> hohe Rücklagen gebildet<br />
hat. So wurden im Jahresabschluss 2014 94 Millionen sowie<br />
für die Haushalte 2015 und 2016 noch einmal jeweils 55 Millionen<br />
Euro dafür eingestellt.<br />
Die Kommunen zahlen doppelt: Sie tragen bis zu einer Gerichtsentscheidung<br />
die Kosten für Integrationshilfen vor Ort,<br />
und sie zahlen über die Umlage den Aufwand des <strong>LVR</strong> für die<br />
Rückstellungen. Bisher wurden den Kommunen dadurch etwa<br />
200 Millionen Euro an Liquidität entzogen, wofür sie größtenteils<br />
Kassenkredite aufnehmen mussten. Ein Irrsinn. Zwischen<br />
Land, Landschaftsverbänden und Kommunen muss endlich<br />
eine kommunalfreundliche Lösung für diese Problematik erarbeitet<br />
werden. Und der <strong>LVR</strong> muss sich überlegen, wie er die<br />
bisher eingesammelten 200 Millionen Euro an die Städte und<br />
Kreise wieder auskehrt. Da sollten sich die Kommunen an<br />
Maggie Thatcher erinnern: „We want our money back“.<br />
Wir Grüne, die Kommunen im Rheinland, aber vor allem die<br />
Bürgerinnen und Bürger, die auf die Leistungen ihrer Städte<br />
und Kreise angewiesen sind, erwarten zu Recht ein starkes<br />
Signal der Solidarität.<br />
Lebensdauerkosten bei Bauten<br />
berücksichtigen<br />
Geplante Immobilienvorhaben – und besonders die der öffentlichen<br />
samtheit betrachtet, kann sich wirkungsvoll vor hohen<br />
Hand – werden von der Politik und der Öffent-<br />
Folgekosten schützen.<br />
lichkeit tendenziell nach ihren geplanten und voraussichtlich<br />
Wirtschaftsgebäude werden meist für einen Nutzungs-<br />
entstehenden Baukosten beurteilt. Viel entscheidender zeitraum von circa 30 bis 50 Jahren errichtet. Von den zu<br />
sollten aber die sogenannten Lebensdauerkosten der geplanten<br />
100 Prozent angesetzten Gesamtkosten für Planung, Bau<br />
Immobilie sein: <strong>das</strong> heißt diejenigen Kosten, die und dauerhafte Nutzung eines Gebäudes entfallen nur<br />
die Immobilie während ihrer gesamten Existenz verursacht.<br />
circa zehn Prozent auf dessen Planung und Bau. Also ent-<br />
Hierzu gehören neben den Bau- und Planungsstehen<br />
90 Prozent der Gesamtkosten während der Nut-<br />
Stephan Haupt, kosten, die sich in Form der Abschreibungskosten im zungsphase.<br />
stellvertretender Haushalt wiederfinden, insbesondere die Energie-, Reinigungs-<br />
Das Ziel muss daher sein, eine nachhaltige Betriebskos-<br />
Fraktionsvorsitzender<br />
und Unterhaltungskosten.<br />
tenreduzierung der Immobilie und damit einhergehend<br />
und Auch in der Vergangenheit haben die Freien Demokraten eine stetige Entlastung des Haushaltes zu erreichen. Um<br />
baupolitischer diese Aspekte punktuell in die Diskussion anstehender dieses Ziel erreichen zu können, ist es hilfreich und notwendig,<br />
Sprecher der Bauinvestitionen eingebracht, so zum Beispiel bei der<br />
die geschätzten Lebensdauerkosten von geplan-<br />
Freien Demokraten<br />
Frage, welche Konsequenzen bei Tageskliniken gerundete ten Immobilien bereits bei der politischen Beratung zu<br />
in der oder spitz zulaufende Zimmerwände und -ecken für den kennen.<br />
Landschaftsversammlung<br />
Reinigungsaufwand haben.<br />
Die FDP-Fraktion in der Landschaftsversammlung wird<br />
Die Lebensdauerkosten einer Immobilie werden bereits daher mit diesem Ziel in den Ausschüssen initiativ<br />
Rheinland zu etwa 80 Prozent in der Planungsphase bestimmt. Aber werden.<br />
schon früh in der Planungsphase sinkt die Einflussmöglichkeit<br />
auf die weitere Kostenentwicklung. Nur wer die<br />
Strukturen und Zusammenhänge in der Planung, beim<br />
Bau und während des Betriebs von Gebäuden in ihrer Ge-<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016 25
FRAKTIONEN<br />
Psychiatriefinanzierung – jetzt eine wirkliche Wende einleiten<br />
Gudrun Hamm,<br />
Gesundheitspolitische<br />
Sprecherin der<br />
Fraktion<br />
Die Linke in der<br />
Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
tisch abgesenkt werden. Positiv ist, <strong>das</strong>s die ambulante und<br />
aufsuchende Behandlung als gleichwertige Möglichkeiten<br />
abgebildet werden sollen und die Krankenhäuser erneut für<br />
die ambulante Versorgung geöffnet werden. Negativ ist jedoch,<br />
<strong>das</strong>s der ambulante Sektor nicht berücksichtigt wird.<br />
Die Resolution bleibt aktuell, denn wir fordern:<br />
• Ein Entgeltsystem, <strong>das</strong><br />
−−Therapieverläufe bürokratiearm dokumentierbar macht,<br />
damit der Aufwand nicht zulasten des Personals geht.<br />
−Vergütung − nicht an Verweildauer koppelt.<br />
• Die Ermittlung von bedarfsgerechten Tagesentgelten<br />
−für − die vollstationäre und teilstationäre Krankenhausbehandlung<br />
medizinisch unterscheidbarer Patientengruppen.<br />
−−bei Abkehr von der Intention, alle Leistungen zu „messen“,<br />
um einheitliche Durchschnittswerte für alle Kalkulationsschritte<br />
zu bilden.<br />
Die vorgegebene Entwicklung von verbindlichen Mindestvorgaben<br />
für die Personalausstattung klingt vielversprechend,<br />
doch ob sich der geplante Entgeltkatalog und eine<br />
sinnvolle Personalausstattung vereinbaren lassen, erscheint<br />
sehr zweifelhaft.<br />
Der Gesamttext der Resolution ist abrufbar im Internet<br />
unter www.linksfraktion-lvr.de<br />
Inklusion – eine Mehr-Klassen-Gesellschaft<br />
oder „Ohne Moos nix los“<br />
Henning Rehse,<br />
Vorsitzender der<br />
Fraktion Freie<br />
Wähler/Piraten<br />
in der Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
26<br />
Das Wort Inklusion ist seit mehreren Jahren in aller Munde.<br />
Jeder Sozial-, Jugend- oder Schulpolitiker gleich auf<br />
welcher politischen Ebene, der etwas auf sich hält, führt<br />
es im Munde – vornehmlich in Sonntagsreden bei Jubiläen,<br />
Einweihungen und sonstigen Festakten. Die theoretische<br />
Betrachtung des Themas, die Erstellung von Papieren<br />
und Hochglanzbroschüren funktioniert auf Bundes- und<br />
Landesebene oskarverdächtig.<br />
Differenzierter sieht die Welt dann in der Praxis aus, nähert<br />
man sich den Niederungen der kommunalen Familie:<br />
Der Landschaftsverband Rheinland (<strong>LVR</strong>) finanziert bereits<br />
heute aus seinem Haushalt inklusive Maßnahmen in Höhe<br />
von über einer halben Milliarde Euro. Das heißt, <strong>das</strong>s Menschen,<br />
die in Einrichtungen des <strong>LVR</strong> untergebracht sind, an<br />
Maßnahmen und Projekten des <strong>LVR</strong> teilnehmen, auf Schulen<br />
des <strong>LVR</strong> gehen, wirkliche Inklusion erleben.<br />
Ganz anders stellt sich Inklusion dann auf der Ebene der<br />
Städte und Gemeinden dar: Die meisten Städte und Gemeinden<br />
in NRW sind pleite oder stehen kurz davor; Überschuldung,<br />
Stärkungspakte, Nothaushalte, Haushaltssicherungskonzepte<br />
sind <strong>das</strong> tägliche Brot der Kämmerer<br />
nahezu allerorten. Dazu kommt dann noch die Betrachtungsweise<br />
vieler Kommunalaufsichten, die Inklusion als<br />
Die massiven Proteste von Fachverbänden, Nichtregierungsorganisationen<br />
und Gewerkschaften gegen <strong>das</strong> ab 2009 entwickelte<br />
pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und<br />
Psychosomatik (PEPP) haben Wirkung gezeigt. Das Bundesgesundheitsministerium<br />
ist im Februar zurückgerudert und<br />
legte „Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Psych-Entgeltsystems“<br />
vor. Auf einer gemeinsamen Konferenz der Fraktionen<br />
der Linken in den Landschaftsverbänden am 23.04.2016<br />
in Essen haben wir gemeinsam mit Beschäftigten und Fachleuten<br />
darüber diskutiert, welche Kriterien bei einer neuen<br />
Finanzierung der Psychiatrie für eine bedarfsgerechte, humanitäre<br />
Behandlung und Versorgung unserer Meinung<br />
nach unbedingt erfüllt werden müssen. Unsere Forderungen<br />
haben wir in einer Resolution deutlich gemacht.<br />
Der Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung<br />
und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische<br />
Leistungen (PsychVVG) vom 23.05.2016 erfüllt<br />
unsere Erwartungen jedoch nur sehr bedingt und birgt ein<br />
hohes Risiko für Fehlentwicklungen. Das Budgetprinzip ist<br />
begrüßenswert, doch an einem bundeseinheitlich kalkulierten<br />
Entgeltkatalog wird nach wie vor festgehalten. Der vorgesehene<br />
Krankenhausvergleich gefährdet außerdem die<br />
Budgets, denn er ermöglicht, <strong>das</strong>s die Vergütungen automafreiwillige<br />
Aufgabe ansehen. Damit haben diese Kommunen<br />
zusätzlich zum kaum oder nicht vorhandenen finanziellen<br />
Spielraum auch noch ein Problem bei der Genehmigung<br />
ihrer Haushalte, stellen sie Mittel für Inklusion ein.<br />
Ein Witz, wäre <strong>das</strong> Thema nicht so traurig. Der Landtag<br />
beschließt im Oktober 2013 <strong>das</strong> 9. Schulrechtsänderungsgesetz,<br />
auch Inklusionsgesetz oder Erstes Gesetz zur Umsetzung<br />
der UN-Behindertenrechtskonvention genannt,<br />
macht Inklusion damit zur Pflichtaufgabe, „vergisst“ aber,<br />
die notwendigen Mittel zur Umsetzung den Kommunen<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
Die Landschaftsversammlung beschließt zum Doppelhaushalt<br />
2015/2016 auf Antrag der Großen Koalition aus CDU<br />
und SPD zusätzlich zu den o.a. Mitteln einen „Notfalltopf<br />
Inklusion“ in Höhe von zwei Millionen Euro. Dieser ist, wie<br />
sich jetzt herausstellt, allerdings nur für <strong>LVR</strong>-interne Maßnahmen<br />
verwendbar, also nicht einsetzbar für Maßnahmen<br />
der kommunalen Familie im Rheinland insgesamt.<br />
Auf Anfrage der Fraktion Freie Wähler/Piraten musste die<br />
Verwaltung mitteilen, <strong>das</strong>s, Stand 09.03.2016, exakt 0 Euro<br />
aus dem Notfalltopf abgerufen wurden. Vielleicht wäre es<br />
sinnvoll, einen solchen Topf in der gesamten kommunalen<br />
Familie dort einzusetzen, wo die Not am größten ist!
GRUPPE<br />
BLINDTEXT<br />
Eine Debatte ist unerwünscht<br />
Thomas Trae der,<br />
Geschäftsführer<br />
der AfD in der<br />
Landschaftsversammlung<br />
Rheinland<br />
Seit ihrem Einzug in die Landschaftsversammlung Rheinland<br />
nach den Kommunalwahlen im Mai 2014 wird die Alternative<br />
für Deutschland von den etablierten Parteien im<br />
<strong>LVR</strong>, allen voran von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei,<br />
ausgegrenzt. Durch interfraktionelle Absprachen wurde<br />
im Herbst 2014 die Wahl von AfDlern in die Ausschüsse<br />
der Landschaftsversammlung verhindert, weswegen die<br />
Gruppe nun in zweiter Instanz gegen die Landschaftsversammlung<br />
Rheinland klagt. Darüber hinaus gestehen die<br />
Altparteien den Mandatsträgern der AfD, entgegen den<br />
üblichen Gepflogenheiten, auch kein Grundmandat in einem<br />
einzelnen <strong>LVR</strong>-Ausschuss zu. Man scheut offensichtlich<br />
die Debatte mit der, laut aktuellen Umfragen, mittlerweile<br />
drittstärksten politischen Kraft in NRW.<br />
Als im Januar dieses Jahres der Geschäftsführer unserer<br />
Gruppe, Thomas Traeder, von zwei Mitgliedern der sogenannten<br />
Antifa angegriffen, beraubt und mit der Faust ins<br />
Gesicht geschlagen wurde, so<strong>das</strong>s er sich anschließend in<br />
die Notaufnahme eines Krankenhauses begeben musste,<br />
blieb eine Reaktion auf diesen Gewaltangriff auf einen<br />
<strong>LVR</strong>-Kollegen seitens der Politik und seitens der Verwaltung<br />
im <strong>LVR</strong> aus. Schließlich fördern die etablierten Parteien<br />
seit Jahren Projekte und Institutionen der extremen,<br />
gewaltbereiten Linken mit Steuergeldern und stellen ihnen<br />
sogar Immobilien für Autonome Zentren zur Verfügung.<br />
Die AfD lehnt politische Gewalt konsequent ab. Wir wollen<br />
die Debatte. Was wollen die Etablierten?<br />
Die 14. Landschaftsversammlung (2014–2020)<br />
Die Landschaftsversammlung hat 124 Sitze<br />
und setzt sich aktuell wie folgt zusammen:<br />
SPD-Fraktion<br />
38<br />
17<br />
Fraktion Bündnis 90/<br />
Die Grünen<br />
8<br />
FDP-Fraktion<br />
CDU-Fraktion<br />
47<br />
6<br />
Fraktion Die Linke<br />
3<br />
5<br />
Fraktion Freie Wähler/Piraten<br />
Gruppe AfD<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Vorsitzender der 14. Landschaftsversammlung:<br />
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm (SPD)<br />
1. stellvertretende Vorsitzende der 14. Landschaftsversammlung:<br />
Anne Henk-Hollstein (CDU)<br />
2. stellvertretende Vorsitzende der 14. Landschaftsversammlung:<br />
Karin Schmitt-Promny M.A. (Grüne)<br />
3. stellvertretende Vorsitzende der 14. Landschaftsversammlung:<br />
Gertrud Servos (SPD)<br />
Weitere Informationen<br />
zur Landschaftsversammlung<br />
Rheinland unter<br />
www.politik.lvr.de<br />
27
Zwischenbilanz<br />
der Verteilung<br />
Seit November 2015 kümmert<br />
sich der <strong>LVR</strong> um die Verteilung von<br />
unbegleiteten minderjährigen<br />
Flüchtlingen in NRW. Von Till Döring<br />
28
FLÜCHTLINGE<br />
9 %<br />
4 %<br />
4 %<br />
2 % 3 %<br />
23 %<br />
Alter<br />
Geburtsjahrgänge der<br />
seit November 2015<br />
in NRW eingereisten<br />
unbegleiteten minderjährigen<br />
Füchtlinge<br />
18 %<br />
37 %<br />
2007–2015 (186)<br />
2005–2006 (159)<br />
2003–2004 (316)<br />
2002 (327)<br />
2001 (683)<br />
2000 (1.427)<br />
1999 (2.917)<br />
1998 (1.821)<br />
rund 92 Prozent der nach Königsteiner Schlüssel festgelegten<br />
Aufnahmequote und gehört zu den Ländern,<br />
die weiter aufnehmen. Die Schließung der Balkanroute<br />
macht sich jedoch auch in NRW bemerkbar. Während<br />
im November 2015 noch rund 2.400 junge Menschen<br />
untergebracht werden mussten, waren es im März<br />
2016 nur noch rund 600.<br />
Ziel: Gleichmäßige Verteilung<br />
Ankommen<br />
nach einer<br />
langen Reise:<br />
ein junger<br />
Flüchtling im<br />
Solinger <strong>LVR</strong>-<br />
Jugendheim<br />
Halfeshof.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Seit dem 1. November 2015 werden minderjährige<br />
Flüchtlinge, die unbegleitet nach Deutschland einreisen,<br />
gleichmäßig auf Bundesländer und Kommunen<br />
verteilt. In Nordrhein-Westfalen organisiert dies die<br />
Landesstelle für die Verteilung unbegleiteter ausländischer<br />
Minderjähriger in NRW. Der <strong>LVR</strong>, bei dem die<br />
Stelle angesiedelt ist, hat nun im Rahmen einer Zwischenbilanz<br />
Zahlen zur Verteilung vorgestellt.<br />
Aktuell (Stand 15.04.2016) leben rund 67.500 junge<br />
Flüchtlinge in Deutschland, die ohne Eltern oder Sorgeberechtigte<br />
eingereist sind. 13.100 von ihnen sind<br />
in NRW untergebracht. Das Bundesland erfüllt damit<br />
Fotos: Marion Koell/<strong>LVR</strong><br />
Grundlage für die Verteilung auf die Jugendämter der<br />
Kommunen ist ein tagesaktuell ermittelter Schlüssel.<br />
Zurzeit nehmen Kommunen einen unbegleiteten<br />
minderjährigen Flüchtling pro 1.320 Einwohner auf.<br />
„Ohne die NRW-weite gleichmäßige Verteilung auf alle<br />
Kommunen hätten die betroffenen Jugendämter keine<br />
Chance gehabt, die Versorgung und Unterbringung in<br />
zumutbarer Art und Weise zu organisieren“, so <strong>LVR</strong>-<br />
Jugenddezernent Lorenz Bahr.<br />
Zu Beginn stellte die Aufnahme insbesondere für<br />
kleinere Jugendämter eine anspruchsvolle Aufgabe<br />
dar. Es mussten nicht nur Sprachbarrieren überwunden<br />
werden. Auch der Umgang mit traumatisierten<br />
Jugendlichen, <strong>das</strong> Schaffen von Plätzen in Jugendhilfeeinrichtungen<br />
und Pflegefamilien sowie der Aufbau<br />
von interkulturellen Kompetenzen standen im<br />
Fokus. Das <strong>LVR</strong>-Landesjugendamt hat Jugendämter<br />
mit Fachveranstaltungen, Beratungen, Richtlinien und<br />
Fortbildungsangeboten zum Thema unterstützt.<br />
Weitere Informationen<br />
Übersicht zu den Aufnahmezahlen aller<br />
Jugendämter in NRW unter www.lvr.de<br />
› Jugend › Jugendämter › Landesstelle NRW<br />
29
FLÜCHTLINGE<br />
„Struktur ins Chaos bringen“<br />
Drei Fragen an Antje Steinbüchel, Leiterin der Landesstelle NRW<br />
30<br />
Foto: Heike Fischer/<strong>LVR</strong><br />
Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen<br />
Flüchtlingen<br />
Bremen<br />
Soll: 646<br />
Ist: 2.326<br />
Niedersachsen<br />
Soll: 6.288<br />
Ist: 5.421<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
Soll: 14.309<br />
Ist: 13.143<br />
Hessen<br />
Soll: 4.965<br />
Ist: 6.273<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Soll: 3.263<br />
Ist: 2.406<br />
Saarland<br />
Soll: 824<br />
Ist: 996<br />
121%<br />
92 %<br />
74 %<br />
Baden-Württemberg<br />
Soll: 8.679<br />
Ist: 7.084<br />
Hamburg<br />
Soll: 1.707<br />
Ist: 2.200<br />
360 %<br />
126 %<br />
82 %<br />
105 %<br />
129 %<br />
86 %<br />
Schleswig-Holstein<br />
Soll: 2.296<br />
Ist: 2.404<br />
74 %<br />
55 %<br />
136 %<br />
74 %<br />
111 %<br />
71 %<br />
68 %<br />
Thüringen<br />
Soll: 1.838<br />
Ist: 1.366<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Soll: 1.369<br />
Ist: 1.014<br />
Bayern<br />
Soll: 10.470<br />
Ist: 14.209<br />
Berlin<br />
Soll: 3.406<br />
Ist: 3.780<br />
Quotenerfüllung der Bundesländer im Vergleich (Stand: 15.4.2016)<br />
Soll: Aufnahmepflicht Ist: Bereits aufgenommen<br />
Brandenburg<br />
Soll: 2.065<br />
Ist: 1.463<br />
Sachsen-<br />
Anhalt<br />
Soll: 1.910<br />
Ist: 1.052<br />
Sachsen<br />
Soll: 3.430<br />
Ist: 2.327<br />
1.<br />
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die<br />
Anfänge der Verteilung denken?<br />
Die Situation war ganz schön unübersichtlich. Es<br />
kam vor, <strong>das</strong>s bei Jugendämtern eine Gruppe junger<br />
Flüchtlinge vor der Tür stand und es keine Plätze gab.<br />
Das neue Verfahren musste von Jugendämtern, Trägern<br />
und uns erst noch geübt werden.<br />
Nach etwa zwei Monaten hatten wir endlich etwas<br />
Struktur in <strong>das</strong> Chaos gebracht. Es wurden mittlerweile<br />
von den Trägern viele Plätze geschaffen, die uns<br />
von Jugendämtern auch aktiv angeboten werden. Diese<br />
Informationen sind sehr hilfreich für uns. Wenn wir<br />
wissen, <strong>das</strong>s es in einer Einrichtung Mitarbeiter gibt,<br />
die Farsi sprechen, können wir afghanische Jugendliche<br />
gezielt dort unterbringen und ihnen so den Start<br />
erleichtern.<br />
2.<br />
Worauf achten Sie noch bei der Zuweisung der<br />
Jugendlichen?<br />
Wichtig ist: Die Jugendlichen reisen zwar ohne Eltern<br />
oder Sorgeberechtigte ein, aber meist trotzdem nicht<br />
allein. Sie kommen in Gruppen mit anderen Jugendlichen,<br />
Erwachsenen oder Verwandten. Diese familiären<br />
Bindungen oder Fluchtgemeinschaften versuchen wir<br />
bei der Zuweisung zu berücksichtigen. Weitere Aspekte<br />
sind Alter, Herkunft und Sprache. Zum Beispiel<br />
schicken wir gleichaltrige syrische Jugendliche an einen<br />
Ort.<br />
3.<br />
Wo werden die Jugendlichen von den örtlichen<br />
Jugendämtern untergebracht?<br />
Zum Glück sind die Zeiten der Unterbringung in Hotels<br />
oder großen Erstaufnahmeeinrichtungen vorbei. Viele<br />
Jugendliche leben nun in Wohngruppen der stationären<br />
Jugendhilfe. Ein anderes Modell sind Pflegefamilien.<br />
Das kann eine gute Lösung sein. In einem Fall<br />
haben wir aus Dankbarkeit sogar ein Foto mit dem Titel<br />
„Omar und Ali im Glück“ geschickt bekommen, <strong>das</strong><br />
zwei Brüder zeigt, die zusammen von einer Pflegefamilie<br />
aufgenommen wurden.<br />
Gleichzeitig sind Jugendämter gefordert, im Einzelfall<br />
zu entscheiden, was sinnvoll ist, und Pflegefamilien<br />
professionell zu begleiten.<br />
<br />
Die Fragen stellte Till Döring.
WAS MACHT EIGENTLICH?<br />
Helmut Neugebauer<br />
Für den <strong>LVR</strong> arbeiten rund 18.000 Menschen. Helmut Neugebauer ist<br />
einer von ihnen. Er arbeitet als Sicherheitsfachkraft in der forensischen<br />
Psychiatrie der <strong>LVR</strong>-Klinik Köln. <br />
Von Karin Knöbelspies<br />
Foto: Lisa Schmerer/<strong>LVR</strong><br />
Sicherheitsfachkraft in der forensischen<br />
Psychiatrie – <strong>das</strong> weckt<br />
Assoziationen an einen schrankähnlichen<br />
Mitarbeiter mit furchteinflößendem<br />
Auftreten und Aussehen.<br />
Tatsächlich aber ist Helmut Neugebauer<br />
ein schlanker Mann mit einnehmendem<br />
Wesen.<br />
„Lebenslanges Lernen“ – der<br />
45-jährige Helmut Neugebauer<br />
lebte diese aktuelle Forderung an<br />
Arbeitnehmer schon immer. Seine<br />
schlechten Augen machten ihm einen<br />
Strich durch die Rechnung, als<br />
er nach der Schule Polizist werden<br />
wollte. Seine Ausbildung zum Krankenpfleger<br />
im Heilig-Geist-Krankenhaus<br />
in Köln-Longerich stellte<br />
sich aber als Glücksgriff heraus:<br />
„Ich war der Hahn im Korb unter den<br />
Schwesterschülerinnen“.<br />
Ein weiterer Glücksgriff war<br />
<strong>das</strong> Psychiatriepraktikum in der<br />
<strong>LVR</strong>-Klinik Köln im Rahmen seiner<br />
Ausbildung. „In der Somatik geht es<br />
oft um Schema F, in der Psychiatrie<br />
um den Menschen, der individuell<br />
gepflegt wird“, begeistert sich Helmut<br />
Neugebauer auch heute noch<br />
für die Psychiatrische Pflege. Nach<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
seinem Wehrdienst fing er daher vor<br />
22 Jahren beim <strong>LVR</strong> an – zunächst<br />
auf einer geschlossenen Akutstation<br />
für Männer. Sein Wissenshunger<br />
war damit noch nicht gestillt. In den<br />
rund zehn Jahren, die er auf dieser<br />
Station tätig war, holte er am<br />
Köln-Kolleg sein Abitur nach und<br />
ab solvierte die Weiter bildung zum<br />
Fachkrankenpfleger Allgemeinpsychia<br />
trie und Forensik<br />
– und wurde dank<br />
dieser Qualifikation<br />
umgehend Mitglied<br />
der neu gegründeten<br />
Projektgruppe, die<br />
den Bau des Forensikstandortes<br />
Köln-<br />
Porz vorbereitete.<br />
Damit waren die Weichen für<br />
seine weitere Tätigkeit beim <strong>LVR</strong><br />
gestellt: 2006 wurde er Sicherheitsfachkraft<br />
im Maßregelvollzug<br />
in Köln-Merheim, drei Jahre später<br />
weitete sich sein Einsatzgebiet auf<br />
den neuen Standort in Köln-Porz<br />
aus. In dieser gesetzlich festgeschriebenen<br />
Funktion unterstützt<br />
und berät er den Klinikvorstand in<br />
allen sicherheitsrelevanten Fragen.<br />
Heute ist Helmut Neugebauer immer<br />
noch Sicherheitsfachkraft im<br />
Maßregelvollzug. Daneben leitet er<br />
mit einer halben Stelle die Organisationseinheit<br />
Wach- und Pfortendienst<br />
in der Porzer <strong>LVR</strong>-Klinik, die<br />
dort anders als in anderen Kliniken<br />
der Pflegedirektion unterstellt ist.<br />
Besserung und Sicherung der Patientinnen<br />
und Patientinnen – so<br />
„Als Sicherheitsfachkraft und als<br />
Leiter des Wach- und Pfortendienstes<br />
kommt mir mein<br />
technisches Interesse zugute“<br />
lauten die Kernaufgaben des Maßregelvollzugs.<br />
Helmut Neugebauer<br />
vereint sie beide in seiner Person:<br />
„Als Sicherheitsfachkraft im Maßregelvollzugs<br />
schöpfe ich aus meiner<br />
Erfahrung als Krankenpfleger, denn<br />
ich kenne dadurch auch alle therapeutischen<br />
und organisatorischen<br />
Abläufe und natürlich auch <strong>das</strong> Personal<br />
aller Berufsgruppen und die<br />
Patienten.“<br />
31
Menschen mit Behinderung<br />
haben viel zu bieten<br />
32<br />
Christoph<br />
Beyer<br />
• Ist seit 1998 beim <strong>LVR</strong>.<br />
• Leitete zuletzt die<br />
Abteilung Seminare,<br />
Öffentlichkeitsarbeit und<br />
Forschungsvorhaben im<br />
<strong>LVR</strong>-Integrationsamt.<br />
Karin<br />
Fankhaenel<br />
• Bekleidete in ihrer<br />
über 40-jährigen<br />
Dienstzeit verschiedene<br />
Führungspositionen<br />
beim <strong>LVR</strong>.<br />
• Zuletzt leitete sie <strong>das</strong><br />
<strong>LVR</strong>-Integrationsamt<br />
und den Fachbereich<br />
Soziales Entschädigungsrecht.<br />
Foto: Heike Fischer/<strong>LVR</strong>
<strong>LVR</strong>-INTEGRATIONSAMT<br />
Karin Fankhaenel arbeitete über 40 Jahre für den <strong>LVR</strong>. Seit 2013 leitete die<br />
60-jährige Verwaltungsfachfrau <strong>das</strong> <strong>LVR</strong>-Integrationsamt. Christoph Beyer hat<br />
zum 1. April 2016 ihre Nachfolge als Leiter des neu zugeschnittenen <strong>LVR</strong>-Integrationsamts<br />
angetreten. Der 47-jährige Jurist ist seit 1998 beim <strong>LVR</strong> und seit<br />
2005 im <strong>LVR</strong>-Integrationsamt tätig. Gemeinsam werfen sie einen Blick auf die<br />
vergangenen Jahrzehnte und die künftigen Herausforderungen ihrer Arbeit.<br />
Was war die größte Veränderung in der Arbeit des<br />
Integrationsamts in den letzten Jahren?<br />
Fankhaenel: Unsere Arbeit hat sich gegen Ende der<br />
1990er-Jahre massiv gewandelt, weil viele Nischenarbeitsplätze<br />
wegrationalisiert wurden. Dadurch sind<br />
viele Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen<br />
weggefallen. Bis dahin galt es hauptsächlich, mehr sozialversicherungspflichtige<br />
einzelne Arbeitsplätze für<br />
Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Ein weiteres,<br />
großes Augenmerk war die Vermeidung von Kündigungen.<br />
Das heißt, die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt<br />
haben auch Ihre Tätigkeit verändert?<br />
Beyer: Unsere Arbeit ist vielfältiger und individueller geworden.<br />
Es geht heute darum, proaktiv auf die Unternehmen<br />
zuzugehen. Dort werben wir dafür, Menschen mit<br />
Behinderung endlich als vollwertige Arbeitskräfte zu sehen.<br />
Denn ihre Potenziale werden gebraucht, sie haben<br />
für Arbeitgeber viel zu bieten. Nicht zuletzt treibt die UN-<br />
Behindertenrechtskonvention uns und die Gesellschaft<br />
an, damit die Arbeitswelt wirklich inklusiv wird.<br />
Gibt es neue Bereiche, in denen sich die Integrationsämter<br />
engagieren?<br />
Fankhaenel: Vor allem <strong>das</strong> Thema „Ausbildung“ ist in<br />
den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt geworden.<br />
Denn beim Übergang von der Schule zum Beruf werden<br />
die Weichen für berufliche Inklusion gestellt. Für<br />
schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler wird es<br />
immer schwieriger, einen betrieblichen Ausbildungsplatz<br />
zu finden, obwohl sie häufig dafür geeignet sind.<br />
Gleichzeitig hören wir häufig von Arbeitgebern: „Wir<br />
finden niemanden für unsere Ausbildungsplätze.“ An<br />
der Stelle haben wir angesetzt.<br />
Wie funktioniert <strong>das</strong> konkret?<br />
Beyer: Zunächst arbeiten unsere Integrationsfachdienste<br />
intensiv mit den Jugendlichen zusammen, um<br />
mit ihnen ihre Stärken und Interessen herauszufinden.<br />
Dann suchen die Integrationsfachdienste in unserem<br />
Auftrag den passenden Arbeitgeber oder den<br />
passenden Arbeitsplatz für den Jugendlichen. Und<br />
dann werden die beiden über ein Praktikum zusammengeführt.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Was passiert, wenn beide Seiten sich für eine<br />
Beschäftigung entscheiden?<br />
Fankhaenel: Dann schauen alle Beteiligten gemeinsam,<br />
was gebraucht wird. Das kann ein Ausgleich für<br />
Leistungsschwächen oder zum Beispiel ein Jobcoaching<br />
sein. Unser Technischer Beratungsdienst macht<br />
bei Bedarf eine Komplettberatung im Betrieb, gemeinsam<br />
mit dem Integrationsfachdienst. Das Ziel ist es,<br />
ein Rundum-Sorglos-Paket für die Arbeitgeber und die<br />
Menschen mit Schwerbehinderung zu schnüren. Und<br />
<strong>das</strong> gilt sowohl für die Jugendlichen als auch für erwachsene<br />
Menschen mit Schwerbehinderung im Job.<br />
Was sind die Herausforderungen der Zukunft?<br />
Beyer: Neben dem Thema „Ausbildung“ wird es für uns<br />
eine große Rolle spielen, die Betriebe weiterhin beim<br />
Ausbau der Prävention zu unterstützen. Außerdem<br />
nehmen die Behinderungen durch seelische Erkrankungen<br />
noch immer zu, auch hier wollen wir weiterhin<br />
eine gute Unterstützungsstruktur anbieten. Außerdem<br />
arbeiten wir daran, <strong>das</strong>s sich die einzelnen Akteure im<br />
Bereich Behinderung und Beruf immer weiter vernetzen.<br />
Ziel ist es, unnötige Bürokratie abzubauen und den<br />
Unternehmen die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung<br />
wirklich schmackhaft zu machen.<br />
<br />
Die Fragen stellte Simone Zimmer.<br />
Das <strong>LVR</strong>-Integrationsamt<br />
• Unterstützt Arbeitgeber und Menschen mit<br />
Behinderung im Beruf als Partner.<br />
• Fördert diese finanziell und berät in allen<br />
Fragen des Arbeitslebens.<br />
• Erhält die Ausgleichsabgabe und finanziert<br />
daraus seine Leistungen.<br />
Weitere Informationen<br />
Mehr zum <strong>LVR</strong>-Inte gra tionsamt unter<br />
www.integrationsamt.lvr.de<br />
Rehacare 2016<br />
Das <strong>LVR</strong>-Integrationsamt ist auf der<br />
Rehacare 2016 vom 28. September bis zum<br />
1. Oktober vertreten. www.rehacare.de<br />
33
MITMÄN-POST<br />
Liebe Leserinnen und Leser!<br />
Ihr haltet die erste Ausgabe der neuen <strong>LVR</strong>-Kinderseite in<br />
den Händen. Sie heißt Mitmän-Post und wird ab sofort etwa<br />
alle sechs Monate den Weg zu euch finden. Wo ihr <strong>das</strong> Heft<br />
findet bzw. bestellen könnt, erfahrt ihr auf Seite 39.<br />
Die Mitmän-Post berichtet über<br />
spannende, wichtige, lustige, aktuelle<br />
und interessante Themen.<br />
1.<br />
Es wird einen Mitmän-Comic geben,<br />
ein Gewinnspiel, einen Bastel-<br />
oder Rezepttipp und etwas<br />
zum Rätseln oder Lachen. Herzstück<br />
meiner Seite wird jedoch eine<br />
Reportage* sein. Jetzt wollt ihr sicher<br />
wissen, warum ich Reportagen schreiben<br />
kann, oder? Das ist nämlich so: Ich bin <strong>das</strong> Maskottchen<br />
vom Landschaftsverband Rheinland.<br />
Damit ihr euch die Zunge nicht verknotet bei<br />
diesem langen Namen, sagt einfach kurz: <strong>LVR</strong>!<br />
Was ist der <strong>LVR</strong>?<br />
Das ist ein großer Verband, der viele<br />
Mitglieder hat – genau wie zum Beispiel<br />
euer Sportverein. Die Mitglieder<br />
sind aber nicht einzelne Menschen,<br />
sondern Städte und Kreise im<br />
Rheinland. Du wohnst in Düsseldorf?<br />
Deine Heimatstadt ist natürlich<br />
Mitglied beim <strong>LVR</strong>! Oder lebst<br />
3.<br />
du vielleicht im Kreis Viersen?<br />
Der gehört selbstverständlich<br />
auch dazu. Alle diese Mitglieder<br />
müssen, wie im Sportverein<br />
auch, Mitgliedsbeiträge zahlen.<br />
Beim <strong>LVR</strong> heißt <strong>das</strong> Umlage.<br />
1. In der Wolferei des <strong>LVR</strong>-Industriemuseums Tuchfabrik Müller könnt<br />
ihr erleben, wie früher Textilien hergestellt wurden.<br />
2. Wie Menschen früher gelebt haben, können wir rechts und links der<br />
Römerstraßen im Rheinland ergründen.<br />
3. Welche Tiere sich in Flüssen und Seen tummeln – <strong>das</strong> erfahrt ihr in<br />
den 19 biologischen Stationen des <strong>LVR</strong>.<br />
34<br />
2.<br />
Foto: www.erlebnisraum_roemerstrasse.de<br />
Foto: Nicole Schäfer/<strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
Foto: Daniela von Bremen/Biologische Stationen Rheinland<br />
Rätsel, Spannung, Reportagen<br />
Mit diesem Geld unterstützt der <strong>LVR</strong> Menschen mit Behinderung<br />
und bezahlt alles Mögliche, was ihr als Bürgerinnen<br />
und Bürger nutzen könnt: Museen und Naturstationen,<br />
Förderschulen, Archäologische Parks,<br />
Krankenhäuser und vieles mehr. Überall dort gibt es<br />
großartige Abenteuer zu erleben und Dinge zu entdecken.<br />
Wart ihr schon mal nachts im Museum? Oder wollt ihr dabei<br />
sein, wie ein römisches Schiff nachgebaut wird? Könnt<br />
ihr euch vorstellen, wie Ausgrabungen funktionieren?<br />
Wisst ihr, wie Wasser untersucht wird? Nein? Ich finde<br />
all <strong>das</strong> für euch heraus und nehme euch ab der nächsten<br />
Ausgabe mit in die <strong>LVR</strong>-Welt. Ich freue mich drauf!<br />
Euer Mitmän<br />
Weitere Infos!<br />
Falls ihr Wünsche habt, worüber ich<br />
unbedingt schreiben muss, oder mir sonst<br />
irgendetwas sagen möchtet, dann schickt<br />
mir eine Mail: mitmaen@lvr.de<br />
Wenn ihr bis zur nächsten Ausgabe ein<br />
bisschen mehr über mich erfahren möchtet,<br />
lest auf meiner Internetseite nach:<br />
www.mitmän.lvr.de<br />
Hier könnt ihr auch die Mitmän-Post als<br />
E-Paper abonnieren. Auf www.facebook.com/<br />
tagderbegegnung berichte ich, was ich in<br />
letzter Zeit so alles erlebt habe. Die Mitmän-<br />
Post erscheint etwa alle sechs Monate.<br />
*Reportage<br />
In Reportagen schreiben Menschen über Themen,<br />
die sie selbst erforscht und unter die Lupe<br />
genommen haben. Sie berichten aus nächster<br />
Nähe und so lebendig, <strong>das</strong>s ihr beim Lesen <strong>das</strong><br />
Gefühl habt, ihr wäret dabei gewesen.
Tipps & Tricks<br />
Organisier‘ dich mit der Mitmän-Memowand!<br />
Kennst du <strong>das</strong>? Der Schreibtisch liegt so voll mit Kram, <strong>das</strong>s du die wichtigen<br />
Dinge nicht wiederfindest? Die Mitmän-Memowand ist die Lösung!<br />
Du brauchst: Leinwand, Farbe oder Stoff in Mitmän-Blau, einen kleinen<br />
Hammer, Nägel, Kordel oder bunte Wolle, Wäscheklammern.<br />
2. Bespanne die Pinnwand stramm<br />
mit Kordel oder Wolle und binde<br />
sie auf der Rückseite fest. Wenn du<br />
magst, kannst du auch ein Mitmän-<br />
Gesicht aufmalen.<br />
1. Bemale die Leinwand mit blauer<br />
Farbe oder bespanne sie mit Stoff.<br />
Auf der Rückseite befestigst du den<br />
Stoff mit Nägeln im Holzrahmen.<br />
3. Nun kannst du die Vorderseite<br />
noch mit zusätzlichen Nägeln und<br />
Haken schmücken. Oder du lässt<br />
sie einfach, wie sie ist! Hübsch geworden,<br />
oder?<br />
Fotos: Birgit Elsner/<strong>LVR</strong> (2)<br />
Foto: Jürgen Vogel/<strong>LVR</strong>-LandesMuseum Bonn<br />
Rätsel<br />
Es ist grün und war lange im Boden verborgen,<br />
es ist keine Pflanze und auch sonst kein Lebewe sen.<br />
Es ist uralt und kalt, und wir hoffen, morgen<br />
sagen uns Forscher, in wessen Besitz es gewesen.<br />
Es war einmal scharf und wurde im Feuer geboren.<br />
Wer es besaß, war sicher vor Angriffen,<br />
denn wen es traf, hat sein Leben verloren.<br />
Ich bin sicher, du hast <strong>das</strong> Rätsel begriffen!<br />
Zur Auflösung: www.mitmän.lvr.de/entdeckerwelt<br />
So ist mein Kostüm entstanden<br />
Als der <strong>LVR</strong> vor vier Jahren merkte, <strong>das</strong>s die Leute mich mochten, hatten sie die Idee, mich auch<br />
„in echt“ als lebensgroßes Maskottchen herumlaufen zu lassen. So ist <strong>das</strong> Kostüm entstanden:<br />
Richtig<br />
oder falsch?<br />
Das Wappen unseres Bundeslandes<br />
Nordrhein-Westfalen bil det rechts<br />
ein Pferd für die Region<br />
Westfalen ab. Links ist der<br />
Fluss Wupper als Symbol für<br />
<strong>das</strong> Rheinland dargestellt.<br />
Mitmachen und gewinnen!<br />
Ihr wisst, ob <strong>das</strong> stimmt<br />
oder ob diese Aussage<br />
Unsinn ist? Dann schreibt an<br />
mitmaen@lvr.de und<br />
gewinnt!<br />
Fotos: Alchimia GmbH/<strong>LVR</strong> (3)<br />
Foto: Matthias Jung/<strong>LVR</strong><br />
Zuerst mussten neue<br />
Zeichnungen her.<br />
In der Werkstatt wurde mein<br />
Kopf zusammengesetzt.<br />
Auf zur Anprobe! Die Farben<br />
sind noch nicht ganz ideal,<br />
oder?<br />
Fertig! Das bin ich! Wie ihr<br />
mich kennt oder bald kennenlernen<br />
werdet! In voller Pracht.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016 35
Die erste eigene<br />
Wohnung<br />
Stefan Wöhner<br />
lebt selbst mit<br />
einer Rollstuhlfahrerin<br />
zusammen.<br />
Er hilft beim<br />
Einrichten der<br />
ersten eigenen<br />
Wohnung.<br />
36<br />
Ein engagiertes Team hilft Oberhausenern<br />
mit Behinderung oder<br />
Krankheit, in die erste eigene<br />
Wohnung zu ziehen. Mit der Zeit<br />
ist so ein breites Unterstützernetzwerk<br />
herangewachsen.<br />
Von Nicolas Golsch<br />
Für Stephanie Franken ist eins klar: „Jeder Mensch hat<br />
<strong>das</strong> Recht, frei und selbstbestimmt zu wohnen“, sagt<br />
sie. Was für die meisten selbstverständlich klingt, ist<br />
für einige ein riesengroßer Schritt. Vor allem für Menschen,<br />
die aufgrund von Behinderung oder Krankheit<br />
eingeschränkt sind. „Manchmal ist es aber auch einfach<br />
nur Angst vor der ersten eigenen Wohnung“, sagt<br />
Franken. Zusammen mit einem engagierten Team, in<br />
dem auch Menschen mit Behinderung arbeiten, hilft<br />
sie diesen Menschen. „Wohnen im Pott“ nennt sich <strong>das</strong><br />
bundesweit bisher einmalige Projekt, <strong>das</strong> jüngst sogar<br />
mit dem Inklusionspreis NRW ausgezeichnet wurde.<br />
In den Räumlichkeiten in Oberhausen berät <strong>das</strong><br />
Team Ratsuchende im Tandem-Prinzip. Konkret heißt<br />
<strong>das</strong>: Je ein behinderter und ein nicht eingeschränkter<br />
Mitarbeiter kümmern sich um die Klienten. Am<br />
Anfang steht immer eine Frage: Wie möchte jemand<br />
leben? Wie stellt er sich die Zukunft vor? „Wir versuchen<br />
dann gemeinsam, Ideen zu entwickeln“, erklärt
INKLUSIVES LEBEN<br />
die Projektleiterin. Dabei kann sich <strong>das</strong> Team auf viele<br />
Kooperationspartner stützen. Beispielsweise auf örtliche<br />
Handwerker, auf den <strong>LVR</strong> und auf Evelin Huth vom<br />
Immobilienunternehmen Immeo, <strong>das</strong> seine Geschäftsstelle<br />
direkt neben den Räumen des Inklusionsprojektes<br />
hat. Mit der Zeit ist so ein Konzept der kurzen Wege<br />
entstanden. Mit Huths Hilfe zum Beispiel ist es dem<br />
Team von „Wohnen im Pott“ mittlerweile gelungen,<br />
14 Wohnungen für insgesamt 25 Personen zu finden.<br />
Sogar eine barrierefreie Musterwohnung hat <strong>das</strong> Team<br />
so einrichten können.<br />
Dort wird fleißig an der Zukunft geschraubt – in einem<br />
Kurs, der sich zweimal im Monat trifft. „Wer in seine<br />
erste eigene Wohnung zieht, muss <strong>das</strong> Leben allein<br />
oft erst lernen“, sagt Franken. Sei es <strong>das</strong> Putzen des<br />
Treppenhauses oder <strong>das</strong> Aufbauen eines einfachen Regals.<br />
Mitarbeiterin Monika Jansen hat <strong>das</strong> alles bereits<br />
hinter sich. Sie ist mittlerweile von einem Wohnheim in<br />
ihre eigene Wohnung gezogen. Sie kann jetzt ihre Erfahrungen<br />
weitergeben und den Ratsuchenden in der Musterwohnung<br />
<strong>das</strong> Wohnen erklären. Genau <strong>das</strong> mache<br />
<strong>das</strong> Inklusionsprojekt aus, sagt Franken. „Hier können<br />
Menschen ihre Erfahrungen weitergeben.“<br />
Unten:<br />
Stephanie<br />
Franken und<br />
Leonardo<br />
Pyta-Greca<br />
koordinieren<br />
die Arbeit des<br />
Projektes.<br />
Evelin Huth<br />
unterstützt <strong>das</strong><br />
Team bei der<br />
Suche nach<br />
geeigneten<br />
Wohnungen.<br />
Fotos: Uwe Weiser/<strong>LVR</strong><br />
Mieter-Führerschein erklärt<br />
<strong>das</strong> Wohnen<br />
Stefan Wöhner treibt <strong>das</strong> an. Der 32-Jährige hat selbst<br />
eine Behinderung und lebt mit einer Rollstuhlfahrerin<br />
zusammen. „Ich sehe Wohnungen mit anderen Augen“,<br />
sagt er. Oft seien es kleine Details, die Behinderten <strong>das</strong><br />
Leben schwer machten – wie beispielsweise ein Drucker,<br />
der einfach zu hoch aufgestellt ist.<br />
Ganz neu ist jetzt ein Mieter-Führerschein. Darin<br />
wird in Leichter Sprache erklärt, wie <strong>das</strong> Wohnen funktioniert.<br />
Zum Beispiel, <strong>das</strong>s man für Strom monatlich<br />
Geld zahlen muss und was es mit der GEZ-Gebühr auf<br />
sich hat.<br />
Finanziert wird <strong>das</strong> inklusive Projekt zu 80 Prozent<br />
von der Aktion Mensch und zu 20 Prozent von der Lebenshilfe<br />
Oberhausen. Ideelle Unterstützung bietet<br />
Jürgen Langenbucher vom <strong>LVR</strong>. Er schaut regelmäßig<br />
in Oberhausen vorbei – und hat <strong>das</strong> Projekt mit der<br />
Zeit schätzen gelernt. „Bei jedem Treffen erlebe ich<br />
die Menschen hier ein Stück selbstbewusster“, sagt<br />
Langenbucher. Eine eigene Wohnung fördere immer<br />
auch die Selbstständigkeit des Einzelnen. Aber nicht<br />
nur für die sei <strong>das</strong> ganze Projekt eine Bereicherung.<br />
„Auch die Handwerker, die mit im Boot sind, bekommen<br />
plötzlich einen ganz anderen Blick auf Menschen<br />
mit Behinderung.“<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016 37
WELTWEIT<br />
Auszeichnung<br />
für New York,<br />
Kairo und Solingen<br />
Anlässlich seiner<br />
Eröffnung präsentiert<br />
<strong>das</strong> Zentrum<br />
für verfolgte<br />
Künste die<br />
ständigen Sammlungen<br />
der Bürgerstiftung<br />
für<br />
verfolgte Künste<br />
und zwei Sonderausstellungen.<br />
38<br />
Große Ehre für <strong>das</strong> Zentrum für verfolgte Künste in Solingen:<br />
Die englische Zeitung „The Guardian“ hat <strong>das</strong><br />
Museum zu den „Zehn besten neuen Museen“ weltweit<br />
gewählt. Das am 8. Dezember 2015 eröffnete Zentrum<br />
ist Europas erste Institution, die ihre Arbeit ausschließlich<br />
verfolgten Künstlerinnen und Künstlern und ihren<br />
verbotenen Werken widmet. Zu den weiteren besten<br />
zehn Museen zählen unter anderem <strong>das</strong> Cairo Airport<br />
Museum und <strong>das</strong> Whitney Museum of American Art in<br />
New York.<br />
<strong>LVR</strong> unterstützt Einrichtung in Bulgarien<br />
In abbruchreifen Baracken ohne angemessene Versorgung:<br />
So lebten vor 15 Jahren über 100 Frauen mit Behinderungen<br />
in einer Einrichtung in Malko Scharkovo in<br />
Bulgarien. Aufmerksam geworden durch einen Beitrag<br />
der ARD, regte der damalige <strong>LVR</strong>-Direktor Ferdinand<br />
Esser dazu an, die Einrichtung zu sanieren.<br />
Um eine dauerhafte Hilfe zu gewährleisten, gründeten<br />
die Mitglieder der Landschaftsversammlung<br />
Rheinland gemeinsam mit Mitarbeitenden des <strong>LVR</strong> den<br />
Verein zur Förderung von Einrichtungen für Behinderte<br />
im Ausland e. V. In den vergangenen Jahren konnte<br />
mithilfe der Unterstützung des <strong>LVR</strong> die Sanierung<br />
abgeschlossen werden und <strong>das</strong> bis dahin ungeschulte<br />
Personal qualifiziert werden. Bis heute unterstützt der<br />
Verein die Einrichtung. Für die Zukunft ist zum Beispiel<br />
geplant, weitere Außenwohngruppen zu errichten.<br />
„Stillstand ist Rückschritt, arbeiten wir bitte alle daran,<br />
<strong>das</strong>s wir in den kommenden fünf Jahren wirklich<br />
weitere Fortschritte feststellen und dann auch wieder<br />
Der <strong>LVR</strong> hat 2009 beschlossen, <strong>das</strong> Zentrum für verfolgte<br />
Künste mit zu gründen und jährlich mit 290.000 Euro<br />
zu fördern. Es ist <strong>das</strong> jüngste Mitglied im <strong>LVR</strong>-Netzwerk<br />
Kulturelles Erbe im Rheinland. Mit diesem unterstützt<br />
der <strong>LVR</strong> ausgewählte Museen und Kultureinrichtungen,<br />
um die kulturelle Vielfalt der Region zu stärken. JW<br />
Weitere Informationen<br />
www.verfolgte-kuenste.de<br />
feiern können“, so Paul Heidrich, Vorsitzender des Vereins<br />
und ehemaliger Vorsitzender der CDU-Fraktion in<br />
der Landschaftsversammlung Rheinland. JW<br />
Foto: Stefan Baumgarth/<strong>LVR</strong> Foto: Johannes Lietz/<strong>LVR</strong>
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39
BLINDTEXT<br />
2016/2017<br />
Foto: <strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
40<br />
Eva‘s Beauty Case<br />
09.06.2016-22.01. 2017<br />
<strong>LVR</strong>-LandesMuseum Bonn
KULTUR BLINDTEXT ERLEBEN<br />
Foto: <strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
bis<br />
30.10.2016<br />
Glanz und Grauen<br />
Foto: <strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
bis 27.11.2016<br />
Aufgeladen!<br />
Foto: Gasull Fotografia@Plensa Studio, Barcelona<br />
bis 15.01.2017<br />
Jaume Plensa<br />
Juli<br />
Juli<br />
09.06.2016-22.01.2017<br />
Eva’s Beauty Case<br />
Schmuck und Styling im<br />
Spiegel der Zeiten,<br />
www.landesmuseum-bonn.lvr.de<br />
19.06.2016-29.01.2017<br />
Die Welt in 1000 Teilen<br />
Zur Geschichte des Puzzle spiels<br />
an ausgewählten Beispielen,<br />
<strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
Papiermühle Alte Dombach,<br />
Bergisch Gladbach,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
30.06.-28.08.2016<br />
Ole Fischer<br />
Malerei, Szene Rheinland,<br />
www.landesmuseum-bonn.lvr.de<br />
20.07.2016-16.10.2016<br />
Hermann Schaaffhausen (1816–<br />
1893) zum 200. Geburtstag<br />
Wissenschaftlicher Erstbeschreiber<br />
des Urmenschen-<br />
Fundes aus dem Neandertal,<br />
www.landesmuseum-bonn.lvr.de<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
August<br />
25.08.-18.12.2016<br />
Arbeitskämpfe<br />
Fotografien von Michael Kerstgens,<br />
<strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
Zinkfabrik Altenberg, Oberhausen,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
20.08.-04.12.2016<br />
Freie Fahrt im Bergischen Land?<br />
Das Massenphänomen Auto seit<br />
den 1970er Jahren, Heiligenhoven,<br />
www.freilichtmuseum-lindlar.lvr.de<br />
bis 23.08.2016<br />
Ist <strong>das</strong> möglich?<br />
Experimentier-Ausstellung für<br />
Kinder, Jugendliche und Familien,<br />
<strong>LVR</strong>-Industrie museum Gesenkschmiede<br />
Hendrichs, Solin gen,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
bis 28.08.2016<br />
KinderTräume<br />
Neues aus der Spielzeugsammlung<br />
des Rheinischen Landesmuseums<br />
für Volkskunde, <strong>LVR</strong>-Freilichtmuseum<br />
Kommern, www.kommern.lvr.de<br />
September<br />
04.09.2016-15.01.2017<br />
Jaume Plensa<br />
Die innere Sicht, Bildhauerei<br />
des katalanischen Künstlers,<br />
www.maxernstmuseum.lvr.de<br />
09.09.2016-22.01.2017<br />
bilderstrom<br />
Der Rhein und die Fotografie<br />
2016–1853,<br />
www.landesmuseum-bonn.lvr.de<br />
Oktober<br />
ab 30.09.2016<br />
Technische Baukästen<br />
Die Welt im Kleinen,<br />
<strong>LVR</strong>-Indus trie museum<br />
Gesenkschmiede<br />
Hendrichs, Solingen,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
bis 02.10.2016<br />
Maloche<br />
Arbeiten auf der Gutehoffnungshütte,<br />
<strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
St. Antony-Hütte, Oberhausen,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
41
BLINDTEXT<br />
KULTUR ERLEBEN<br />
bis<br />
28.08.2016<br />
Ole Fischer<br />
Foto: Ole Fischer Inventar<br />
bis 06.11.2016<br />
Alt und Jung<br />
Foto: Hans-Theo Gerhards/<strong>LVR</strong><br />
bis 18.12.2016<br />
Stadt, Land, Garten<br />
Foto: iStock<br />
Dezember<br />
42<br />
bis 30.10.2016<br />
Die Macht der Mode<br />
Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg<br />
und Republik, <strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
Textilfabrik Cromford, Ratingen,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
bis 30.10.2016<br />
Glanz und Grauen<br />
Mode im „Dritten Reich“, <strong>LVR</strong>-<br />
Industriemuseum Kraftwerk<br />
Ermen & Engels, Engelskirchen,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
bis 30.10.2016<br />
Neues Land<br />
Hans Berben: Fotografien<br />
1946–1951, Mahn- und<br />
Gedenkstätte Düsseldorf,<br />
www.gedenk-dus.de<br />
bis 30.10.2016<br />
Wasser für Roms Städte<br />
Vom Römerkanal zum Aquäduktmarmor,<br />
verblüffende Einblicke in<br />
die Welt der römischen Technik,<br />
<strong>LVR</strong>-RömerMuseum Xanten,<br />
www.apx.lvr.de<br />
November<br />
bis 06.11.2016<br />
Alt und Jung<br />
Sonderausstellung vom Älterwerden<br />
in Geschichte und<br />
Zukunft, <strong>LVR</strong>-Freilichtmuseum<br />
Kommern, Mechernich,<br />
www.kommern.lvr.de<br />
ab 13.11.2016<br />
Wir WirtschaftsWunderKinder<br />
Spielen und Spielzeug in den<br />
1950er- und 1960er-Jahren,<br />
<strong>LVR</strong>-Freilichtmuseum Kommern,<br />
www.kommern.lvr.de<br />
26.11.2016-26.03.2017<br />
ZERO ist gut für Dich.<br />
Mack, Piene, Uecker in<br />
Bonn 1966/2016,<br />
www.landesmuseum-bonn.lvr.de<br />
bis 27.11.2016<br />
Aufgeladen!<br />
Elektromobilität zwischen Wunsch<br />
und Wirklichkeit, <strong>LVR</strong>-Industriemuseum<br />
Zinkfabrik Altenberg,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
Dezember<br />
bis 18.12.2016<br />
Stadt, Land, Garten<br />
Zur Kulturgeschichte des Nutzgartens,<br />
<strong>LVR</strong>-Industrie museum<br />
Tuchfabrik Müller, Euskirchen,<br />
www.industriemuseum.lvr.de<br />
Impressum<br />
Landschaftsverband Rheinland<br />
<strong>LVR</strong>-Fachbereich Kommunikation<br />
Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln<br />
Tel. 0221 809-2781, Fax 0221 809-2889<br />
E-Mail presse@lvr.de<br />
Redaktion: Evelyn Butz, Georg Corne lissen,<br />
Till Döring, Birgit Elsner, Nicolas<br />
Golsch, Thomas Hax-Schoppenhorst,<br />
Karin Knöbelspies, Katharina Landorff,<br />
Kristina Meyer, Inga Puschmann,<br />
Birgit Ströter, Michael Sturmberg,<br />
Prof. Dr. Frank Überall, Jill Wagner (JW)<br />
(CvD), Kristina Wild, Simone Zimmer,<br />
V.i.S.d.P.: Christine Bayer<br />
Layout und Produktion:<br />
muehlhausmoers corporate<br />
communications gmbh, Köln<br />
Druck: Joh. Heider Verlag GmbH,<br />
Bergisch Gladbach<br />
Die Beiträge der Fraktionen sowie der<br />
politischen Mandatsträgerinnen und<br />
-träger liegen allein in deren jeweiliger<br />
Verantwortung.
DE SCHNÜSS JESCHWAAD<br />
blötsche<br />
pöhlen<br />
Fuppes<br />
schüssere<br />
flabbe<br />
Bolzen, kicken, zocken<br />
Sprache, wie sie nicht im Duden steht: Ortsdialekte, Regiolekte wie <strong>das</strong><br />
Ruhrdeutsche oder die Reste alter Geheimsprachen haben viel mehr<br />
mit der sprachlichen Identität einer Region zu tun als <strong>das</strong> in den Nachrichten<br />
gesprochene Deutsch.<br />
<strong>RHEINLANDweit</strong> 1 | 2016<br />
Die Dokumentation und Erforschung<br />
dieser äußerst facettenreichen<br />
Sprachwirklichkeit, zu<br />
der auch die regionalen Orts- und<br />
Familiennamen gehören, sind die<br />
Aufgaben der Abteilung Sprache<br />
im <strong>LVR</strong>-Institut für Landeskunde<br />
und Regionalgeschichte. <strong>LVR</strong>-<br />
Sprachforscher Dr. Georg Cornelissen<br />
hört hin, wenn Menschen im<br />
Rheinland miteinander sprechen.<br />
In dieser Rubrik erklärt er die vielfältigen<br />
Phänomene und Besonderheiten<br />
rund um die rheinische<br />
Kommunikation.<br />
Als die Jungs und die jungen<br />
Männer im 19. Jahrhundert anfingen,<br />
Fußball zu spielen, hatten sie<br />
noch keine Bezeichnung für <strong>das</strong><br />
neue Spiel. Doch <strong>das</strong> Problem war<br />
bald gelöst. In Mönchengladbach<br />
nahmen sie <strong>das</strong> Dialektwort „penge“,<br />
in Krefeld „kimme“, anderswo<br />
hieß es „flabbe“, „schüssere“ oder<br />
„blötsche“: (Fast) alle sprachen<br />
noch Platt (Dialekt). Das Ruhrgebiet<br />
entwickelte ein Faible für „pöhlen“.<br />
Heute ist der Dialekt für die<br />
meisten Jugendlichen eine Art<br />
Fremdsprache – aber sie spielen<br />
immer noch Fußball, jetzt auch die<br />
Mädchen. Dabei verwenden sie einige<br />
der Begriffe der älteren Leute,<br />
aber sie haben auch ihre eigenen.<br />
Ein neues Wort, <strong>das</strong> bei jungen Leuten<br />
im Augenblick zu hören ist, lautet:<br />
„zocken“ – also nicht im Sinne<br />
von „am Glücksspiel teilnehmen“<br />
oder „am Computer spielen“. Nein,<br />
wenn Jugendliche heutzutage zocken,<br />
dann kann auch bolzen oder<br />
pöhlen gemeint sein. In Dinslaken<br />
zum Beispiel ist „Fuppes spielen“<br />
oder „Fuppes zocken“ zu hören.<br />
Nun muss man beim Fußball<br />
fein unterscheiden: im Verein oder<br />
auf dem Bolzplatz? Gekonnt oder<br />
nur mit Karacho? „Bolzen“ zum Beispiel<br />
kann Verschiedenes meinen<br />
– aber nicht: „im Vereinsrahmen<br />
schönen Fußball spielen“ (dafür gibt<br />
es ja überhaupt keinen Ausdruck)!<br />
„Kicken“ (aus dem Englischen)<br />
gehört zu den gemeinsamen<br />
Vokabeln von Jung und<br />
Alt, wenn es ums „Bolzen“<br />
oder „Zocken“ geht.<br />
Ein aktuelles DFB-Trikot<br />
zeigt, umgekehrt getragen, den<br />
Aufdruck „BOLZEN KICKEN PÖH-<br />
LEN“. Für die Kids außerhalb des<br />
Ruhrgebiets müsste der letzte Teil<br />
aber erst noch übersetzt werden.<br />
Dr. Georg<br />
Cornelissen<br />
• Ist Sprachforscher und<br />
arbeitet beim <strong>LVR</strong>-Institut<br />
für Regionalgeschichte und<br />
Landeskunde.<br />
• Er hat zahlreiche Publikationen<br />
zu den Themen Dialekte,<br />
Regiolekte, regionale<br />
Namenwelt und<br />
Sprachgeschichte des<br />
Raumes verfasst.<br />
43<br />
Fotos: Andrea Külkens; iStock
Landschaftsverband<br />
Rheinland<br />
Für die<br />
Menschen im<br />
Rheinland<br />
NRW-Tag vom<br />
26.–28. August:<br />
Spannende Aktionen<br />
am gemeinsamen<br />
Stand vom <strong>LVR</strong> und LWL<br />
N R W 7 0 D<br />
www.duesseldorf.de/<br />
nrwtag<br />
70 Jahre NRW: Anlässlich dieses besonderen Jubiläums präsentiert sich auch der Landschaftsverband<br />
Rheinland gemeinsam mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe beim NRW-Tag.<br />
Zum <strong>LVR</strong> gehören Schulen, Museen und Kultureinrichtungen, Kliniken, Jugendhilfeeinrichtungen<br />
und <strong>das</strong> Landesjugendamt. Sei mit dabei und #LassDichdrücken! www.lvr.de