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Zur Strategie der Spionageabwehr des MfS

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Schlagartig bekamen die wechselseitigen unpersönlichen Verbindungswege<br />

für die Spionagetätigkeit <strong>der</strong> Geheimdienste einen bedeutend höheren<br />

Stellenwert. Insbeson<strong>der</strong>e die Verbindung über sogenannte »Tote Briefkästen<br />

«, über Funk sowie unter Nutzung <strong>der</strong> Post wurden wichtig.<br />

Deshalb wurde auch das bestehende Fahndungssystem <strong>der</strong> <strong>Spionageabwehr</strong><br />

für die unpersönlichen Verbindungswege gründlich überprüft und<br />

auf die neuen Anfor<strong>der</strong>ungen ausgerichtet.<br />

Gleichzeitig war mit einer neuen Generation von Spionen zu rechnen.<br />

Nach zentraler Einschätzung im <strong>MfS</strong> war in <strong>der</strong> DDR die Spionagebasis<br />

<strong>der</strong> westlichen Geheimdienste, die von ihnen vor dem 13. August 1961<br />

493<br />

geschaffen worden war, bis zum Jahre 1970 im wesentlichen enttarnt und<br />

damit ausgeschaltet.<br />

Die »neuen« Spione kamen aus einer an<strong>der</strong>en sozialen Ebene in <strong>der</strong><br />

DDR. Es handelte sich um formal positive Bürger <strong>der</strong> DDR mit Reisemöglichkeiten<br />

nach <strong>der</strong> BRD, nach Westberlin o<strong>der</strong> in das an<strong>der</strong>e westliche<br />

Ausland. Das waren in <strong>der</strong> Regel überprüfte und als zuverlässig eingeschätzte<br />

Reise- und Auslandska<strong>der</strong> aus verschiedenen staatlichen und<br />

gesellschaftlichen Bereichen, vornehmlich aber aus dem Außenhandel und<br />

<strong>der</strong> Außenpolitik <strong>der</strong> DDR in Botschaften und an<strong>der</strong>en Auslandsvertretungen.<br />

Und es waren Bürger Westberlins,<strong>der</strong> BRD und Auslän<strong>der</strong> mit Einreisemöglichkeiten,<br />

die sich gegenüber <strong>der</strong> DDR freundlich gaben. Sie wurden<br />

als Verbindungsleute zu in <strong>der</strong> DDR vorhandenen Spionen eingesetzt,<br />

o<strong>der</strong> betrieben selbst Spionage bzw. haben Verwandte o<strong>der</strong> gute Freunde<br />

in <strong>der</strong> DDR zur Spionage angeworben.<br />

Bekannt gewordene Unregelmäßigkeiten im Ausland führten in <strong>der</strong> Regel<br />

zur Beendigung eines Auslandseinsatzes. Das wußten die DDR-Bürger,<br />

das wußten aber auch die gegnerischen Geheimdienste. Ihnen bekanntgewordene,<br />

z. T. auch provozierte »Vorkommnisse« mit Reise- und Auslandska<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> DDR wurden von den Geheimdiensten als Druckmittel benutzt<br />

– und sie hatten damit bei einigen DDR-Bürgern auch Erfolg.<br />

Es gab Fälle, wo Mitarbeiter von DDR-Auslandsvertretungen z. B. bei verhältnismäßig<br />

geringfügigen Ladendiebstählen ertappt bzw. <strong>der</strong>artige Handlungen<br />

vorgetäuscht wurden. So wurde gegen ein DDR-Ehepaar, das für ein<br />

DDR-Außenhandelsunternehmen in <strong>der</strong> BRD tätig war, ein Bußgeldverfahren<br />

eingeleitet. Werber <strong>des</strong> BND nahmen Bezug auf den Gesetzesverstoß<br />

und erläuterten den DDR-Bürgern mögliche Konsequenzen bei Bekanntwerden<br />

dieses Vorfalls bei den einschlägigen DDR-Behörden. Das Ehepaar<br />

wurde angeworben und lieferte interne Informationen aus dem DDR-Außenhandel.<br />

Allerdings wurde niemals eindeutig geklärt, ob das vermeintliche<br />

Diebesgut nicht doch in ihre Einkaufstasche lanciert worden war.<br />

Die Tendenz <strong>der</strong> Werbung von DDR-Reise- und Auslandska<strong>der</strong>n durch<br />

die Geheimdienste nahm im Laufe <strong>der</strong> Jahre zu. Ein nicht unwesentlicher<br />

Teil <strong>der</strong> betroffenen DDR-Bürger offenbarte sich jedoch gegenüber den DDRSicherheitsorganen.<br />

Die CIA mußte »beim Durchkämmen <strong>der</strong> Stasi-Akten« konstatieren,<br />

»daß je<strong>der</strong> einzelne US-Spion entwe<strong>der</strong> von vornherein ein Doppelagent<br />

war o<strong>der</strong> ›umgedreht‹ wurde«, wie die Süddeutsche Zeitung am 6. April<br />

1992 schrieb.<br />

494<br />

Ab Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre begannen die Geheimdienste, vor allem <strong>der</strong> BND,<br />

Werbeoperationen auch gegen DDR-Bürger in Spitzenpositionen <strong>des</strong> Staatsapparates<br />

vorzubereiten. Durch die HVA wurde signalisiert, daß die CDUgeführte<br />

Bun<strong>des</strong>regierung Druck auf den BND ausübe, endlich »Spitzeninformationen<br />

« über die politische Lageentwicklung in <strong>der</strong> DDR zu beschaffen.<br />

Die Notwendigkeit ergab sich nach ihrer Einschätzung aus den Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong> Sowjetunion.<br />

Der BND versuchte, unter Mitarbeitern <strong>des</strong> <strong>MfS</strong> sowie an<strong>der</strong>er Schutzund<br />

Sicherheitsorgane Fuß zu fassen. Abgesehen von einer bemerkenswerten<br />

Selbstüberschätzung wurde ein gehöriges Maß an Dilletantismus<br />

und Oberflächlichkeit deutlich.<br />

In <strong>der</strong> Vorweihnachtszeit 1986 wurden im Rahmen <strong>der</strong> Aktion »Universum<br />

« in bekannten Schwerpunktbereichen in Berlin-Mitte 17 Postsendungen<br />

festgestellt, die eindeutige Werbeabsichten erkennen ließen. Die Mehrzahl<br />

davon war an Mitarbeiter <strong>des</strong> <strong>MfS</strong>, <strong>der</strong> Rest an Mitarbeiter an<strong>der</strong>er<br />

Schutz- und Sicherheitsorgane gerichtet. Sie enthielten übereinstimmend

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