Band 79 - 1999, Nr. 50831-51456
Bernhardiner-Zuchtbuch 79-1999, Nr. 50831 - 51456
Bernhardiner-Zuchtbuch 79-1999, Nr. 50831 - 51456
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erwachsenen Bernhardiner ca. ein Drittel der Widerristhöhe betragen. Fehlerhaft<br />
und den Anforderungen an die Rasse abträglich ist ein zu enger Brustkorb. Herzund<br />
Lungenfunktionen können dadurch beeinträchtigt werden und eine<br />
Kurzatmigkeit hervorrufen. Durch einen zu engen Brustkorb entstehen auch<br />
Stellungsprobleme der Vorderhand. Zur besseren Balance drehen solche Hunde<br />
häufig nach außen, unterstellen oder stellen die Vorderbeine wie ein Sägebock. Man<br />
muß aber beim heranwachsenden Bernhardiner mit der Beurteilung der Brustpartie<br />
vorsichtig sein. Hier zeigt die Erfahrung, daß Hunde mit schnellem Wachstum und<br />
früher körperlicher Reife sehr schnell mit 2 oder 3 Jahren in die falsche Richtung<br />
tendieren und zu tief und zu massig geworden sind. Die tonnenförmige Brust ist<br />
beim Arbeitshund absolut verwerflich. Sie nimmt auch der Figur des Hundes den<br />
Adel und erinnert eher an den Habitus eines Schweines, als an den eines Pferdes.<br />
Ein Meisterwerk der Natur ist die Anordnung der Schulter. Überhaupt kommen der<br />
Vorderpartie des Gebäudes die größeren Aufgaben zu.<br />
Nur verschiedene Muskeln verbinden die Vorderhand mit dem Brustkorb. Da ist kein<br />
Gelenk oder Schlüsselbein dazwischen, was die Teile zusammenhält. Daher hängt<br />
der Körper des Hundes förmlich zwischen den Schulterblättern und wird tatsächlich<br />
nur von Muskulatur gehalten. Diese Muskeln müssen einerseits dehnbar und<br />
elastisch genug sein, um das Gewicht des sich bewegenden Hundes abzufedern.<br />
Denn es kommt ja auch noch die Schwungkraft dazu, die den Druck deutlich<br />
verstärkt. Andererseits müssen die Muskeln fest und straff genug sein, um die<br />
Schulter mit dem Brustkorb eng zu verbinden. Schon der ruhende Hund trägt ca. 2/3<br />
seines Gewichtes auf der Vorderhand.<br />
Die ganze Konstruktion der Vorderhand ist mit dem Aufbau der Hinterhand nicht<br />
vergleichbar. Diese ist im Hüftgelenk eingebettet, was fest mit dem Skelett<br />
verbunden ist.<br />
Ein markanter Punkt im Gebäude unserer Rasse ist der Widerrist. Wir sprechen ja in<br />
letzter Zeit häufiger vom hengsthaften Erscheinungsbild des Bernhardiners. Solche<br />
Hunde bestechen durch ihre markante Oberlinie, die vor allem durch einen<br />
ausgeprägten, langen und relativ breiten Widerrist gezeichnet ist. Der Widerrist hat<br />
die ersten 5 Rückenwirbel und den höchsten Punkt der Schulterblätter als<br />
Grundlage. Er soll sich harmonisch mit der Rückenlinie verschmelzen und stets den<br />
höchsten Ansatz der Oberlinie bilden.<br />
Ein hoher, ausgeprägter Widerrist ist immer ein Hinweis auf lange Dornfortsätze, die<br />
gemeinsam mit dem höchsten Punkt der Schulterblätter die Skelettbasis bilden. Die<br />
Dornfortsätze sind der Ansatz für die Rückenmuskulatur und für die Festigkeit und<br />
die Spannkraft des Rückens verantwortlich. Der Rücken hat die Aufgabe den Körper<br />
zu stützen und den Antrieb der Hinterhand auf die Vorderhand zu übertragen. Beim<br />
Bernhardiner ist der Rücken lang, breit und muskulös. Die häufigsten Fehler sind<br />
Wölbungen nach unten oder nach oben. Ab und zu ist bei unserer Rasse der etwas<br />
aufgezogene Rücken zu beobachten: Wenn dadurch die Bewegungsaktionen nicht<br />
gestört sind, soll man es bei so einer großen Rasse nicht überbewerten. Beim<br />
Karpfenrücken hingegen ist die Abstimmung Vorder- zu Hinterhand in der Regel<br />
stark gestört, weil eben der Rücken teils blockiert ist und seine Funktionen stark<br />
eingeschränkt sind. Man kann davon ausgehen, daß beim Karpfenrücken die<br />
Rückenpartie in den meisten Fällen zu kurz und zu steif ist. Sicher können dabei<br />
auch Wirbel blockiert sein. Die andere Variante ist der Senkrücken, bei einem<br />
Arbeitshund ein absolut verwerfliches Merkmal. Hervorgerufen durch kurzen<br />
Widerrist, zu langen Rücken und Lenden und losen Bändern der Wirbelsäule. Bei<br />
solchen Schwächen ist der Antrieb aus der Hinterhand meist kraftlos, weil die<br />
Spannungsfunktionen nicht vorhanden sind. Mitunter kann man beim Bernhardiner<br />
eine Unterbrechung der Rückenlinie beim 10. oder 11. Wirbel beobachten. Bei<br />
solchen Hunden ist vermutlich die Rückenmuskulatur nicht straff genug.<br />
Funktionieren aber Vorder- und Hinterhand, ist dieser Mangel nicht so gravierend.<br />
Wir kommen zu einem anderen wichtigen Teil des Gebäudes, der Hinterhand. Die<br />
hinteren Gliedmaße beginnen bereits bei der Kruppe. Diese ist mit 15-20 Grad nur<br />
sanft abfallend und damit flacher als bei vergleichbaren Rassen. Der Nachteil ist,<br />
daß die Schubkraft nicht optimal eingesetzt wird. Vor allem bei Sprüngen wäre mit<br />
stark abfallender Kruppe mehr rauszuholen. Andererseits ist dieser flache Winkel<br />
wegen des Gewichtes unserer großen Rasse auch notwendig. Der St.<br />
Bernhardshund mußte als Berg- und Arbeitshund nie große Schnelligkeit entwickeln.<br />
Das wäre in seiner ursprünglichen Heimat auch nicht möglich gewesen. Gefragt war<br />
da schon mehr die Ausdauer. Die ganze Hinterhand zeigt nur mäßige Winkelungen.<br />
Im Kniegelenk ca. 160-170 Grad, im Sprunggelenk ca. 145-150 Grad. Diese flachen<br />
Winkelungen sind aber für einen Berghund unbedingt notwendig, weil dadurch aus<br />
statischen Gründen die Bänder nicht so stark belastet werden. Die Hinterhand des<br />
Bernhardiners hat eine ganz andere Übersetzung als die des stark verbreiteten<br />
Deutschen Schäferhundes. Sie tritt in der Bewegung in etwa auf gleicher Stelle wie<br />
die Vorderhand. Der Deutsche Schäferhund tritt mit seiner stark gewinkelten<br />
Hinterhand klar über den Abdruck der Vorderhand. Diese Bewegungsart würde bei<br />
einem Berghund zu schnell zur Ermüdung führen.<br />
Die Oberschenkel sind lang und breit, mit langen und deutlich sichtbaren Muskeln.<br />
Eine unzureichende Muskelentwicklung im Kruppe-Becken-Oberschenkelbereich<br />
schwächt die Funktionalität der Hinterhand.<br />
Auch das Hüftgelenk wird bei schwacher Muskelbildung im Beckenbereich sehr stark<br />
belastet, was bei heranwachsenden Hunden mit Veranlagung zur Dysplasie schnell<br />
zu Problemen führen kann.<br />
Fehlerhaft ist ein kurzer und schwacher Oberschenkel. Uns begegnen ab und zu<br />
Bernhardiner mit sehr flach bemuskelten Keulen, teilweise sogar mit leichten<br />
Wölbungen nach innen. Diese Erscheinung ist bei jungen, wenig bewegten Hunden<br />
reparabel, beim erwachsenen Tier jedoch der Funktion des Arbeitshundes<br />
abträglich. Der Unterschenkel ist nur wenig kürzer als der Oberschenkel, seine<br />
Neigung beträgt etwa 55-60 Grad.<br />
Wegen seiner Stützfunktionen ist das Sprunggelenk ein wichtiges Teil der<br />
Hintergliedmaßen. Der Antrieb aus der Hinterhand wird über dieses Gelenk<br />
weitergeleitet. Es soll breit und klar sein. Instabilität im Sprunggelenk kann immer<br />
nur im Zusammenhang mit dem Kniegelenk entstehen. Denn das Sprunggelenk<br />
kann als Scharniergelenk normalerweise kein Knicken oder Schaukeln erzeugen.<br />
Wichtig für die ganze Stabilität des Gebäudes sind die Stützlinien. Wird die<br />
Hinterhand unterstellt, ist auch das Sprunggelenk überlastet, und der Schwerpunkt<br />
wird nach hinten verlagert. Bei der korrekt gestellten und gewinkelten Hinterhand<br />
geht die Stützlinie vom Sitzbeinhöcker senkrecht zum vorderen Pfotenrand der<br />
Hinterpfote. Sind Stützlinie und Schwerpunkt nicht richtig ausbalanciert, ist der Hund<br />
nicht in der Lage ruhig zu stehen und ständig auf der Suche nach einer<br />
angenehmen Stellung.