Festschrift
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90 JAHRE ST. MARTIN IN WINNEKENDONK<br />
90 JAHRE MARTINSKOMITEE WINNEKENDONK<br />
Es war einmal ein Edelmann,<br />
der legte Schwert und Kleider an;<br />
befahl sein Rößlein vor das Haus<br />
und trabte in den Schnee hinaus.<br />
Die Flocken wuschen sein Gesicht,<br />
doch Junker Martin stört es nicht;<br />
der Mantel, weit um Rumpf und Arm,<br />
hielt ihn trotz der Kälte warm.<br />
Am Stadttor sah er einen Mann,<br />
der hatte kaum noch Kleider an;<br />
dem drang der Frost durch Mark und<br />
Bein,<br />
der litt gar sichtlich Not und Pein.<br />
Der Ritter hielt den Schimmel an<br />
und beugte sich zum armen Mann:<br />
„Halt meinen Mantel mal mit fest;<br />
ich komme aus mit seinem Rest!“<br />
Dann schwang er’s Schwert und zog<br />
damit<br />
durch seinen Mantel einen Schnitt,<br />
so daß nach diesem rohen Hieb<br />
die Hälfte bei dem Armen blieb.<br />
Der war gerührt und lobte dann:<br />
„Hab Dank, du braver Edelmann!<br />
Wer so den Nächsten hilft in Not,<br />
der lebt noch fort nach seinem Tod!“<br />
In diese schlichten Worte hat der Kevelaerer Jakob<br />
Croonenbroeck die Legende über den Mann gekleidet,<br />
dem zur Ehre alljährlich um den 11. November herum<br />
im weiten Land des Niederrheins die St.-Martinszüge<br />
abgehalten werden. Bis zur zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts war es im niederrheinischen Raum zur<br />
Gewohnheit geworden, dass die Kinder am St.<br />
Martinstag, der nach dem Abschluss der Erntearbeiten<br />
und dem Ende des Wirtschaftsjahres den Bauern<br />
endlich Gelegenheit gab, die Früchte des Sommers zu<br />
genießen, von Hof zu Hof zogen, um ebenfalls an dem<br />
Lohn vergangener harter Arbeit teilzuhaben. Sie<br />
bettelten um Gaben von Äpfeln, Nüssen, Süßigkeiten<br />
und nicht zuletzt um die „Martinspüfferkes“.<br />
Da diese Betteleien und Umzüge immer wildere<br />
Formen annahmen und sogar oft in Diebstähle und<br />
Streitereien ausarteten, begann man gegen Ende des<br />
19. Jahrhunderts diese Umzüge zu ordnen und von<br />
den Schulen organisieren zu lassen. Statt wie früher<br />
die üblichen Feuer abzubrennen, trugen die Kinder nun<br />
selbst gebastelte Fackeln mit sich. Sie erhielten jetzt<br />
für die bisher erbettelten „Püfferkes“ und Süßigkeiten,<br />
einen Weckmann und sonstige Leckereien.<br />
Dieser Brauch, der zunächst in den großen Städten<br />
Fuß gefasst hatte, breitete sich allmählich auch auf die<br />
Dörfer aus. Während 1886 in Aldekerk und 1903 in<br />
Geldern bereits die ersten Züge stattfanden, wurde der<br />
St. Martinszug im Raum Kevelaer erst nach 1920<br />
populär.<br />
Noch heute reitet Jahr um Jahr<br />
Sankt Martin durch die Kinderschar.<br />
Ja, wer den Nächsten hilft in Not,<br />
der lebt noch fort nach seinem Tod!<br />
Nachdem in Kevelaer 1921 und in Achterhoek 1925<br />
schon St. Martinszüge mit großem Erfolg und<br />
grenzenloser Begeisterung bei den Kindern<br />
durchgeführt worden waren, kamen bei einem<br />
Kegelabend im Jahr 1926 einige Kegelbrüder in<br />
Winnekendonk auf den Gedanken, auch hier einen<br />
Martinszug zu veranstalten. Dieser Vorschlag wurde bereitwillig aufgenommen und am 29.<br />
Oktober 1926 fand unter Vorsitz des Hauptlehrers Carl Schumacher, der als Sammler von<br />
geschichtlichen und volkskundlichen Geräten und Zeugnissen, als Heimatforscher und<br />
Verfasser heimatkundlicher Aufsätze bekannt ist, die Gründungsversammlung des<br />
Martinskomitees Winnekendonk statt.<br />
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