DER MAINZER - Das Magazin für Mainz und Rheinhessen - Nr. 315 - Dezember 2016
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06 | <strong>DER</strong> <strong>MAINZER</strong> 12.<strong>2016</strong> | TITEL<br />
DIE FROHE BOTSCHAFT<br />
Weihnachten: <strong>Das</strong> Fest der Liebe, der Familie. Gefeiert überall auf der Welt, tritt der ursprüngliche<br />
religiöse Kern vielerorts in den Hintergr<strong>und</strong>. Was bedeutet Weihnachten <strong>und</strong> wie gehen<br />
Menschen damit um, die anderen Glaubens sind? Eine <strong>MAINZER</strong>-Spurensuche.<br />
In diesen oft hektischen Wochen vor<br />
dem Weihnachtsfest geht sie meist unter,<br />
die »Frohe Botschaft«, die an Weihnachten<br />
verkündet wird. Um diese Botschaft herum<br />
haben sich viele Bräuche <strong>und</strong> Rituale entwickelt,<br />
die, so scheint es, völlig losgelöst<br />
von der christlichen Botschaft gelebt werden,<br />
auch von Menschen, die gar keiner<br />
Glaubensgemeinschaft angehören. Um eine<br />
Fichte mit Kugeln <strong>und</strong> Kerzen zu schmücken,<br />
braucht es keinen Glauben an die<br />
Geburt Jesu. Dennoch wird mit diesem<br />
Fest eine »Frohe Botschaft« vermittelt, die<br />
weit über deren religiöse Bedeutung hinausreicht<br />
<strong>und</strong> die mit dem Begriff »christliche<br />
Wertegemeinschaft« verb<strong>und</strong>en ist.<br />
»Als Christen feiern wir vom 24. auf den<br />
25. <strong>Dezember</strong> den Geburtstag von Jesus,<br />
dem Sohn Gottes – wir glauben, dass Gott<br />
in Jesus Mensch wurde«, erklärt Markus<br />
Kölzer den ursprünglichen Inhalt des Weihnachtsfestes.<br />
ALLE SIND HERZLICH WILLKOMMEN<br />
Darüber hinaus gebe es den profanen<br />
Blick auf das Weihnachtsfest, so der Bretzenheimer<br />
Pfarrer <strong>und</strong> <strong>Mainz</strong>er Stadtdekan,<br />
der sich ableiten lasse von der theologischen<br />
Begründung: »Weihnachten ist ein Fest<br />
der Familie, die Familie kommt zusammen<br />
<strong>und</strong> feiert gemeinsam die Geburt Jesu<br />
<strong>und</strong> weitergehend, sollen alle Menschen<br />
gut <strong>und</strong> friedvoll miteinander umgehen,<br />
denn die Menschwerdung Gottes wird allen<br />
Menschen zuteil, gleich welcher Herkunft<br />
<strong>und</strong> welchen Glaubens sie sind.«<br />
Pfarrer Kölzer findet dazu einen Ausspruch<br />
von Franz Kamphaus, dem ehemaligen<br />
Bischof von Limburg, sehr treffend:<br />
»Mach es wie Gott <strong>und</strong> werde Mensch.«<br />
Auf den religiösen Kern der Geburt Jesu<br />
zurückführen lasse sich Kölzer zufolge,<br />
auch der Brauch des Schenkens: »Gott<br />
schenkte sich in der Menschwerdung seines<br />
Sohnes den Menschen, also geben wir<br />
etwas von uns ab <strong>und</strong> schenken es anderen.«<br />
Der Besuch des Weihnachts-Gottesdienstes,<br />
in der katholischen Kirche meist<br />
»Christmette« <strong>und</strong> in der evangelischen<br />
Kirche »Christvesper« genannt, gehört auch<br />
<strong>für</strong> Menschen ohne religiöse Bindung zu<br />
den Bräuchen des Weihnachtsfestes, die<br />
Kirchen sind an Heiligabend fast überall<br />
voll. Eine Tatsache, die manche Kirchenvertreter<br />
kritisch bewerten. Dekan Markus<br />
Kölzer versteht den Gottesdienst an Heiligabend<br />
als eine Einladung an alle Menschen,<br />
gemeinsam den Geburtstag von<br />
Jesus Christus zu feiern. »Alle die kommen<br />
möchten, die diese Einladung annehmen,<br />
sind herzlich willkommen.«<br />
Die überwiegende Mehrzahl der <strong>Mainz</strong>erInnen<br />
sind Christen. 62,8 % der <strong>Mainz</strong>er<br />
Bevölkerung waren, laut dem letzten Zensus<br />
in Rheinland-Pfalz 2011, katholisch <strong>und</strong><br />
evangelisch, 30,6 % gehörten keiner Religionsgemeinschaft<br />
an. Diese Zahlen sind<br />
insofern mit Vorsicht zu genießen, als die<br />
Religionszugehörigkeit in Deutschland eine<br />
Privatangelegenheit ist. Eindeutig erfasst<br />
werden Christen, die Kirchensteuer zahlen<br />
<strong>und</strong> die Einwohner, die keine zahlen. Inwieweit<br />
diese Menschen tatsächlich ihren<br />
Glauben leben, bleibt offen.<br />
JESUS ALS EIN PROPHET<br />
Entsprechend lässt sich auch die Anzahl<br />
der in <strong>Mainz</strong> lebenden Muslime nur schätzen.<br />
Die o.g. Statistik beziffert die Mitglieder<br />
»sonstiger Religionen auf 13.340<br />
(6,7 %), ohne die Religionen aufzuschlüsseln.<br />
»Aktuell leben ca. 10.000 Muslime<br />
hier«, sagt Carsten Mehlkopf. Diese Schätzung<br />
beruht, so der Leiter des <strong>Mainz</strong>er<br />
Büros <strong>für</strong> Migration <strong>und</strong> Integration, auf<br />
der Anzahl der Menschen in <strong>Mainz</strong>, die<br />
aus Ländern kommen, in denen der Islam<br />
überwiegend vertreten ist.<br />
Klar ist, die Mehrzahl dieser Muslime<br />
lebt schon lange hier <strong>und</strong> kennt die Weihnachts-Rituale.<br />
Wie aber gehen sie damit<br />
um? Es sei jedem Muslim bewusst, dass<br />
es sich bei Weihnachten um einen christlichen<br />
Feiertag handelt, erklärt Süleyman<br />
Taner. Der praktizierende Muslim ist<br />
gewählter Vorsitzender des <strong>Mainz</strong>er Beirats<br />
<strong>für</strong> Migration <strong>und</strong> Integration <strong>und</strong> Mitglied<br />
im Türkischen Kulturzentrum <strong>Mainz</strong> (Selimiye<br />
Moschee). »Muslime sehen Jesus als<br />
einen Propheten an, weshalb wir bedauern,<br />
dass viele Christen sich von dem religiösen<br />
Kern dieses Festes entfernt haben.« Weihnachten<br />
sei <strong>für</strong> viele oder <strong>für</strong> die meisten<br />
Christen ein Feiertag, an dem es um das<br />
Feiern gehe, nicht aber der religiösen<br />
Bedeutung gedacht werde, so Taner.<br />
»Ich kenne auch muslimische Familien,<br />
die Weihnachten feiern, die einen Baum<br />
aufstellen, die sich beschenken – aber wer<br />
die muslimischen Traditionen einhält, der<br />
feiert so nicht.« Taner meint, wer die reli-