Kapital & Märkte: Ausgabe April 2017
Wachstumslokomotive? Lesen Sie in der aktuellen Kapital & Märkte, warum sich die deutsche Wirtschaft trotz ökonomischer Superlative in einer Schieflage befindet und wie es dazu kommen konnte. - Leistungsbilanzüberschüsse finanzieren Konsum im Ausland - Investitionstätigkeit in Deutschland enttäuschend - Große Herausforderungen für das Wirtschaftsmodell Deutschlands
Wachstumslokomotive? Lesen Sie in der aktuellen Kapital & Märkte, warum sich die deutsche Wirtschaft trotz ökonomischer Superlative in einer Schieflage befindet und wie es dazu kommen konnte.
- Leistungsbilanzüberschüsse finanzieren Konsum im Ausland
- Investitionstätigkeit in Deutschland enttäuschend
- Große Herausforderungen für das Wirtschaftsmodell Deutschlands
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<strong>Kapital</strong> & <strong>Märkte</strong><br />
lässige Währungsquote bis 50% nur zur<br />
Hälfte ausgeschöpft. Die Risikobudgets<br />
werden daher zunehmend von Sonderthemen<br />
wie z.B. High Yield und<br />
Schwellenländeranleihen ausgeschöpft.<br />
Aufgrund der höheren Risiken werden<br />
diese Investments generell nur über<br />
breit diversifizierte Fondslösungen abgebildet<br />
und unterliegen einem strengen<br />
Risikomanagement.<br />
Deutschland: Wirtschaftsmodell<br />
steht<br />
vor großen Herausforderungen<br />
Betrachtet man die Position unseres<br />
Landes im Vergleich zu den anderen<br />
Mitgliedsländern der Eurozone, dann<br />
wird deutlich, warum die deutsche<br />
Wirtschaft als Lokomotive der EU, ja sogar<br />
Europas bezeichnet wird. An erster<br />
Stelle der ökonomischen Superlative<br />
fällt der exorbitante Überschuss der<br />
Handels- und damit der Leistungsbilanz<br />
auf (vgl. Abb. 1). Der Außenhandelssaldo<br />
kletterte in den vergangenen Jah<br />
ren von Rekord zu Rekord und erregt damit<br />
nicht nur den Argwohn der neuen<br />
US-Regierung, sondern auch schon länger<br />
den der anderen Euro - Mitgliedsländer.<br />
Das Plus in der Leistungsbilanz<br />
Deutschlands erreichte 2016 sagenhafte<br />
266 Milliarden Euro, was über 8% des<br />
deutschen Sozialproduktes entspricht<br />
und damit eine klare Verletzung der Forderung<br />
nach außenwirtschaftlichem<br />
Gleichgewicht sowie den EU-Vorgaben<br />
darstellt. Auf Platz zwei der Überschussländer<br />
folgt das wesentlich größere China<br />
und Platz drei belegt Japan. Demgegenüber<br />
steht beispielsweise ein Defizit<br />
der USA von 478 Milliarden US Dollar.<br />
Im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz<br />
von 1967 ist noch das Ziel eines außenwirtschaftlichen<br />
Gleichgewichts verankert.<br />
Doch scheint die deutsche Öffentlichkeit<br />
dieses Ziel bis vor kurzem zu<br />
ignorieren. Stetig steigende Handelsüberschüsse<br />
werden alleine als Ausdruck<br />
eigener Wettbewerbsstärke interpretiert.<br />
Es bedurfte der aggressiven<br />
Rhetorik von US Präsident Trump, um<br />
diese Schieflage in der deutschen Wirtschaft<br />
publik zu machen.<br />
Dem Leistungsbilanzüberschuss entspricht<br />
ein bilanztechnisch äquivalent<br />
Abbildung 1: Leistungsbilanzen Deutschlands und Italiens mit IWF Fortschreibung<br />
Quelle: Thomson Reuters Datastream<br />
umfangreicher <strong>Kapital</strong>export. Dieser ist<br />
insoweit unproblematisch, als diese <strong>Kapital</strong>anlagen<br />
und Investitionen im Ausland<br />
Erträge abwerfen. Wenn aber wie<br />
durch die Finanzkrise massive Entwertungen<br />
der Auslandsanlagen eintreten,<br />
bedeutet dies aus deutscher Sicht eine<br />
teilweise Vermögensvernichtung. Dem<br />
Konsum- und Investitionsverzicht im<br />
Inland steht dann kein entsprechender<br />
Wert gegenüber. Bedenkt man, dass<br />
über eine halbe Billion Euro in überwiegend<br />
problematische US Immobilienverbriefungen<br />
und bei Lehman Brothers<br />
angelegt worden sind, wird der Nutzen<br />
des Leistungsbilanzüberschusses für die<br />
deutsche Wirtschaft fragwürdig. Ob die<br />
jetzige Anlage eines Teils der Überschüsse<br />
in Staatsanleihen anderer Länder<br />
sich auf Dauer als besser herausstellen<br />
wird, darf bezweifelt werden.<br />
Glücklicherweise sorgen die inzwischen<br />
bedeutend angewachsenen Direktinvestitionen<br />
der Unternehmen im Ausland<br />
für solide und wachsende Erträge,<br />
die gerade in Zeiten von drohendem<br />
Protektionismus Risiken abfedern.<br />
Man kann es auch so zusammenfassen:<br />
Deutschlands Leistungsbilanzüberschüsse<br />
finanzieren Konsum sowie Investitionen<br />
im Ausland. Dabei werden<br />
die Exporte faktisch zu rund 23% auf<br />
Kredit geliefert (Leistungsbilanzüberschuss<br />
zu Gesamtexport).<br />
Was sind die Treiber für diese außergewöhnliche<br />
Entwicklung insbesondere<br />
seit dem Tief der Finanzkrise im Jahr<br />
2009?<br />
Erstens sind die deutschen Lohnstückkosten<br />
in den 15 Jahren davor nicht zuletzt<br />
durch die Agenda 2010 sehr viel<br />
langsamer gestiegen als in allen anderen<br />
Ländern der Eurozone. Auch Reallohnverluste<br />
und -Stagnation der deutschen<br />
Arbeitnehmer ermöglichten dies.<br />
Dieser „Verzicht“ hatte wiederum eine<br />
ausgeprägte Konsumschwäche zur Folge,<br />
welche nicht zur ansonsten erfreulichen<br />
Wirtschaftsentwicklung Deutschlands,<br />
also Wachstum und Abbau der<br />
Arbeitslosigkeit passen wollte. Inzwischen<br />
hat sich diese Entwicklung gebessert,<br />
ja umgekehrt. Seit einigen Jahren<br />
steigen hierzulande Löhne und Gehälter<br />
bedingt durch die gute Beschäftigungslage<br />
wieder an und auch die Lohnstückkosten<br />
klettern schneller als im EU-