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GIG Juni 2017

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32<br />

FILM<br />

FILM<br />

33<br />

16,0mm<br />

16,0mm<br />

GROSSSTADTNIHILISMUS<br />

Axolotl Overkill<br />

Literaturwunderkind, Stimme ihrer Zeit, Plagiatorin,<br />

manierierte Kunsthipsterin - keine deutsche<br />

Autorin hat wohl in so jungen Jahren schon<br />

so polarisiert wie Helene Hegemann.<br />

Mit Spannung erwartet wurde daher das Regiedebüt<br />

der inzwischen 25-Jährigen, die Verfilmung<br />

ihres Bestsellers „Axolotl Roadkill“, den Hegemann<br />

mit 17 Jahren veröffentlichte. Auch hier könnte<br />

man sich angewidert abwenden und sich fragen,<br />

was uns diese seltsam stilisierte Nabelschau einer<br />

Berliner Göre eigentlich sagen soll. Man kann<br />

aber auch die ästhetische Souveränität bewundern,<br />

mit der Hegemann ihren psychotischen<br />

Großstadtnihilismus inszeniert, in dem es eben<br />

nicht mehr um Sinn und Verstand geht, sondern<br />

nur ums Sein und Überleben. Nicht so einfach für<br />

Mifti, Hegemanns 16-jährige Hauptfigur (Idealbesetzung:<br />

Jasna Fritzi Bauer). Was die und ihr<br />

Inner Circle so an pseudoversiertem<br />

Bullshit von sich<br />

geben, nervt - auch Mifti<br />

selbst. Die Verletzlichkeit<br />

hinter der toughen Schale<br />

weiß Hegemann gekonnt im<br />

visuellen Subtext zu entlarven<br />

und enthüllt eine von<br />

tausenden getriebenen Seelen,<br />

die sich in der City zwischen<br />

Drogenpartys, dem<br />

Kater danach und der Sinnlosigkeit<br />

dazwischen einfach<br />

treiben lassen. Dabei<br />

verschwimmen immer wieder<br />

die Grenzen zwischen<br />

Großstadtneurose und psychischer<br />

Krankheit. Verstörend<br />

treffendes Abbild einer<br />

SNEAKPREVIEW<br />

Baywatch<br />

Die Rettungsschwimmer von Malibu ohne „The<br />

Hoff“ und Pamela Anderson, die in Zeitlupe über<br />

den Strand rennt? Seth Gordon versucht’s einfach<br />

mal in Komödienform, und zwar mit Dwayne „The<br />

Rock“ Johnson, Zac Efron und natürlich jeder Menge<br />

Silikon und Explosion - wie man’s halt von früher<br />

kennt.<br />

USA <strong>2017</strong>; Regie: Seth Gordon; mit Dwayne Johnson,<br />

Zac Efron, Alexandra Daddario u.a.; Bundesstart:<br />

01.06.; www.thebaywatchmovie.com<br />

Monsieur Pierre geht online<br />

Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh alias<br />

Pierre Richard ist zurück - und klemmt sich hier<br />

Monsieur Pierre (Pierre Richard) auf<br />

Online-Freiersfüßen<br />

© Neue Visionen Filmverleih<br />

verlorenen Generation. Karin Jirsak<br />

D <strong>2017</strong>; Regie: Helene Hegemann; mit Jasna<br />

Fritzi Bauer, Arly Jover, Mavie Hörbiger u.a.; Bundesstart:<br />

29.06.; www.axolotl-film.de<br />

STALINISTISCHER STURKOPF<br />

In Zeiten des<br />

abnehmenden Lichts<br />

Drehbuchaltmeister Wolfgang Kohlhaase hat den<br />

gleichnamigen Roman von Eugen Ruge rigoros<br />

zurechtgestutzt und beschränkt die Story auf einen<br />

einzigen Tag an nur einem Ort. Dass sein Sohn<br />

Sascha zum 90. Geburtstag nicht pünktlich erscheint,<br />

ärgert den eingefleischte SED-Funktionär<br />

Wilhelm Powileit (Bruno Ganz) enorm. Noch<br />

mehr Verdruss bereitet dem Parteiveteranen die<br />

politische Lage anno 1989. Immer mehr DDR-Bürger<br />

gehen nach drüben, die sich auflösenden Grenzen<br />

der Bruderländer machen‘s möglich. Auch Sascha<br />

hat längst die Chance zur Republikflucht<br />

genutzt. Die schockierende<br />

Wahrheit will die Familie<br />

dem Alten so lange wie möglich<br />

verheimlichen.<br />

Ein Kammerspiel in Echtzeit, das<br />

den Untergang der DDR auf groteske<br />

Art symbolisch darstellt, bedarf<br />

zwingend eines hochkarätigen<br />

Ensembles. In Matti Geschonnecks<br />

Inszenierung stimmt die<br />

Besetzung bis in die Nebenrollen,<br />

wobei sich der Star als besonderer<br />

Trumpf erweist: Bruno Ganz<br />

als stalinistischer Sturkopf gibt<br />

mit sichtlichem Vergnügen dem<br />

© <strong>2017</strong> Constantin Film Verleih GmbH / Lina Grün<br />

Mifti (Jasna Fritzi Bauer)<br />

hat sich verlaufen<br />

als einsamer Senior erstmals ans Netz. Dass Onlinedating<br />

so seine Tücken hat, wenn man sich nicht<br />

als der ausgibt, der man ist, darf man in dieser<br />

leichten, französischen Sommerkomödie wohl<br />

einmal mehr erleben.<br />

F / D / B <strong>2017</strong>; Regie: Stéphane Robelin; mit Pierre<br />

Richard, Yaniss Lespert, Fanny Valette u.a.; Bundesstart:<br />

22.06.; www.facebook.com/monsieurpierregehtonline<br />

The Dinner<br />

„Angerichtet“ wird hier nach dem in Deutschland<br />

so betitelten Thriller von Herman Koch (2009) ein<br />

Dinner, das den Beteiligten durchaus im Hals steckenbleiben<br />

dürfte. Stan (Richard Gere) will, dass<br />

bei dem luxuriösen Essen „endlich einmal alles auf<br />

den Tisch kommt“, sein Bruder Paul (Steve Coogan)<br />

bangt um ein schreckliches Geheimnis.<br />

USA <strong>2017</strong>; Regie: Oren Moverman; mit Richard Gere,<br />

Laura Linney, Steve Coogan u.a.; Bundesstart: 08.06.;<br />

www.tobis.de<br />

Whitney - Can I Be Me<br />

Nach „Kurt & Courtney“ und „Biggie And Tupac“<br />

nimmt sich Nick Broomfield mit Whitney Houston<br />

nun eine weitere große Tragödie des Musikbusiness<br />

vor. Im Alter von nur 48 Jahren wurde die<br />

17,0mm<br />

17,0mm<br />

Kein Jubiläum zum Jubilieren für Wilhelm<br />

Powileit (Bruno Ganz)<br />

Affen Zucker. Einer wie er hat auch als 76-Jähriger<br />

im Feinrippunterhemd eine Grandezza und<br />

als strammer Parteisoldat zudem die endgültige<br />

Wahrheit auf alle Fragen parat: „Das Problem<br />

ist, dass das Problem das Problem ist.“<br />

Eine überaus vergnügliche Satire mit reichlich<br />

Tiefgang. Dieter Oßwald<br />

D <strong>2017</strong>; Regie: Matti Geschonneck; mit Bruno<br />

Ganz, Hildegard Schmahl, Sylvester Groth u.a.;<br />

Bundesstart: 01.06.; www.x-verleih.de<br />

NUTZE DEN TAG<br />

Wenn du stirbst,<br />

zieht das ganze Leben an<br />

dir vorbei, sagen sie<br />

Man kennt das aus der eigenen Jugend: Da gab<br />

es diese eine besondere Mädchenclique, begehrt<br />

von den Jungs - It-Girls nennt man das heute.<br />

Sam (Zoey Deutch) gehört zu dieser einen Clique,<br />

zusammen mit ihren ebenfalls blendend<br />

aussehenden drei Freundinnen.<br />

An einem Freitag, dem 12. Februar, werden die<br />

Karten neu gemischt: In der Schule verschenken<br />

die Mitschüler traditionell Rosen, Sam be-<br />

Tragische Soul-Diva:<br />

Whitney Houston<br />

Soul-Diva 2012 tot in<br />

einer Hotelbadewanne<br />

aufgefunden. Der<br />

Skandalbiograf geht<br />

dem Absturz auf den<br />

Grund.<br />

GB / USA <strong>2017</strong>; Regie:<br />

Nick Broomfield,<br />

Rudi Dolezal;<br />

Bundesstart: 08.06.;<br />

www.arsenalfilm.de<br />

Wonder Woman<br />

Girl Power der wundersamen Art: In dieser lange<br />

erwarteten DC-Comicverfilmung kommt die<br />

kampferprobte Diana (Gal Gadot) von der Insel<br />

der Amazonen zu uns, um die Welt zu retten.<br />

Zum Glück hat Wonder Woman ein paar<br />

besondere Fähigkeiten, die dabei hilfreich sein<br />

dürften. Unterstützt wird die schöne Kämpferin<br />

von Steve Trevor (Chris Pine).<br />

USA <strong>2017</strong>; Regie: Patty Jenkins; mit Gal Gadot,<br />

Chris Pine, Robin Wright u.a.; Bundesstart: 15.06.;<br />

www.warnerbros.com<br />

Texte: Karin Jirsak<br />

© X Verleih AG / Hannes Hubach<br />

4,0mm<br />

4,0mm<br />

© Arsenal<br />

© Wild Bunch<br />

kommt gleich zwei - von ihrem Lover Rob, und<br />

von dem eher unscheinbaren Mitschüler Kent. Der<br />

schmeißt abends eine Party, bei der Sam endlich<br />

mit Rob ihre Unschuld verlieren will. Doch dann<br />

taucht die Außenseiterin Juliet auf, die von Sams<br />

Freundin Lindsay bevorzugt gemobbt wird. Es<br />

kommt zum Streit, Juliet flüchtet. Auf dem Nachhauseweg<br />

passiert es dann: Lindsay überfährt irgendetwas,<br />

das Auto überschlägt sich. Sam stirbt -<br />

und wacht am selben Morgen wieder auf.<br />

Sam (Zoey<br />

Deutch) kriegt<br />

eine zweite<br />

Chance<br />

Erste Assoziation: Bill Murrays „Und täglich grüßt<br />

das Murmeltier“. Doch diese Verfilmung des<br />

gleichnamigen Jugendbuchbestsellers von Lauren<br />

Oliver geht ernstere Wege. Regisseurin Ry Russo-<br />

Young gelingt es mit Hilfe ihrer guten Besetzung,<br />

die hinter dem Film steckende Aussage „Nutze<br />

den Tag“ nicht zu sehr in den Vordergrund zu schieben,<br />

sondern glaubwürdig die Wandlung einer jungen<br />

Frau zu schildern. Martin Schwarz<br />

USA 2016; Regie: Ry Russo-Young; mit Zoey<br />

Deutch, Halston Sage, Elena Kampouris u.a.;<br />

Bundesstart: 01.06.; www.wildbunch-germany.de<br />

KING OF COOL JAZZ<br />

Born To Be Blue<br />

Die Molltöne entsprachen<br />

schon immer eher der Natur des Chet Baker.<br />

Sein größter Erfolg ist immerhin das an Traurigkeit<br />

kaum zu überbietende „My Funny Valentine“.<br />

Dennoch traf er einen Nerv und stieg<br />

in den Fünfzigern zu einem der gefragtesten<br />

Jazz-Musiker auf. Doch es stellte sich schnell<br />

heraus, dass Baker nicht für das Showbiz<br />

geschaffen war. Nur ein knappes<br />

FILM DES MONATS<br />

PRÄZEDENZFALL<br />

Loving<br />

In den 50er Jahren war es in manchen Staaten<br />

der USA noch verboten, als Weißer eine<br />

schwarze Frau zu heiraten und umgekehrt.<br />

Dieser Problematik widmet sich das Drama<br />

von Jeff Nichols („Take Shelter“) aus der<br />

sehr persönlichen Sicht von Mildred und<br />

Richard Loving. Als sie schwanger wird,<br />

macht er ihr ohne zu zögern einen Antrag.<br />

Obwohl die so genannte interracial marriage<br />

im Staat Virginia illegal ist. Noch während<br />

der Schwangerschaft werden die beiden<br />

verhaftet. Der Beginn eines Kampfes,<br />

der ihnen alles abverlangt.<br />

Nicht zuletzt dank Robert Kennedy wurden<br />

die Lovings zum Gegenstand einer historischen<br />

Gesetzesänderung. Ein Präzedenzfall,<br />

aus dem Nichols allerdings kein Justizdrama<br />

macht, sondern eine Liebesgeschichte,<br />

glaubwürdig dank des würdevoll zurückhaltenden<br />

Spiels von Joel Edgerton und der Oscar-nominierten<br />

Ruth Negga. “Sagen Sie dem<br />

Jahrzehnt später war er<br />

am Ende. Heroinabhängig<br />

saß er im Knast.<br />

Hier setzt Robert Budreaus<br />

Interpretation<br />

ein. Ein Filmproduzent<br />

kauft ihn frei. Er will ein<br />

Biopic über Baker drehen,<br />

mit ihm in der<br />

Hauptrolle. Am Set begegnet<br />

dem geläuterten<br />

Trompeter die<br />

Schauspielerin Jane<br />

Trompete in Moll: Chet<br />

Baker (Ethan Hawke)<br />

© Alamode Film<br />

17,0mm<br />

17,0mm<br />

Klappstuhl Sperrsitz Parkett Balkon Loge<br />

© Universal Pictures<br />

Two against the world: Mildred (Ruth Negga)<br />

und Richard (Joel Edgerton)<br />

Richter nur, dass ich meine Frau liebe“, sagt<br />

der wortkarge Richard seinem Anwalt in einer<br />

von vielen anrührenden Szenen. Mildred und<br />

Richard sind keine Bürgerrechtler. Sondern einfache<br />

Menschen, mit dem einfachen Traum,<br />

ihr Leben miteinander zu verbringen.<br />

Ein Liebesfilm mit durchaus aktueller politische<br />

Aussage: Wo das individuelle Glück illegalisiert<br />

wird, hat die Gesellschaft ein menschliches<br />

Problem. Damals wie heute. Karin Jirsak<br />

USA / GB 2016; Regie: Jeff Nichols;<br />

mit Joel Edgerton, Ruth Negga,<br />

Marton Csokas u.a.; Bundesstart: 15.06.;<br />

www.facebook.com/lovingthefilm<br />

(Carmen Ejogo). Mit seinem Charme gewinnt er<br />

sie für sich, doch das Glück währt nicht lange.<br />

Chet landet im Krankenhaus, nachdem ihn ein<br />

früherer Dealer, dem er noch Geld schuldete,<br />

blutig schlug. Dabei büßt er einen Großteil seiner<br />

Zähne ein - und die Fähigkeit seiner Berufung<br />

nachzugehen.<br />

Budreau, der bereits einen Dokumentarfilm über<br />

Bakers Leben drehte, wählt für sein Spielfilmdebüt<br />

eine sehr frei improvisierte Herangehensweise.<br />

Seine Interpretation ist leidenschaftlich,<br />

ebenso wie das Spiel von Ethan Hawke, der den<br />

„King of Cool Jazz“ nuanciert verkörpert.<br />

Lars Tunçay<br />

GB / CDN 2015; Regie: Robert Budreau; mit<br />

Ethan Hawke, Carmen Ejogo, Callum Keith Rennie<br />

u.a.; Bundesstart: 08.06.; www.borntobeblue.de<br />

17,0mm

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