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FILM<br />
FILM<br />
33<br />
16,0mm<br />
16,0mm<br />
GROSSSTADTNIHILISMUS<br />
Axolotl Overkill<br />
Literaturwunderkind, Stimme ihrer Zeit, Plagiatorin,<br />
manierierte Kunsthipsterin - keine deutsche<br />
Autorin hat wohl in so jungen Jahren schon<br />
so polarisiert wie Helene Hegemann.<br />
Mit Spannung erwartet wurde daher das Regiedebüt<br />
der inzwischen 25-Jährigen, die Verfilmung<br />
ihres Bestsellers „Axolotl Roadkill“, den Hegemann<br />
mit 17 Jahren veröffentlichte. Auch hier könnte<br />
man sich angewidert abwenden und sich fragen,<br />
was uns diese seltsam stilisierte Nabelschau einer<br />
Berliner Göre eigentlich sagen soll. Man kann<br />
aber auch die ästhetische Souveränität bewundern,<br />
mit der Hegemann ihren psychotischen<br />
Großstadtnihilismus inszeniert, in dem es eben<br />
nicht mehr um Sinn und Verstand geht, sondern<br />
nur ums Sein und Überleben. Nicht so einfach für<br />
Mifti, Hegemanns 16-jährige Hauptfigur (Idealbesetzung:<br />
Jasna Fritzi Bauer). Was die und ihr<br />
Inner Circle so an pseudoversiertem<br />
Bullshit von sich<br />
geben, nervt - auch Mifti<br />
selbst. Die Verletzlichkeit<br />
hinter der toughen Schale<br />
weiß Hegemann gekonnt im<br />
visuellen Subtext zu entlarven<br />
und enthüllt eine von<br />
tausenden getriebenen Seelen,<br />
die sich in der City zwischen<br />
Drogenpartys, dem<br />
Kater danach und der Sinnlosigkeit<br />
dazwischen einfach<br />
treiben lassen. Dabei<br />
verschwimmen immer wieder<br />
die Grenzen zwischen<br />
Großstadtneurose und psychischer<br />
Krankheit. Verstörend<br />
treffendes Abbild einer<br />
SNEAKPREVIEW<br />
Baywatch<br />
Die Rettungsschwimmer von Malibu ohne „The<br />
Hoff“ und Pamela Anderson, die in Zeitlupe über<br />
den Strand rennt? Seth Gordon versucht’s einfach<br />
mal in Komödienform, und zwar mit Dwayne „The<br />
Rock“ Johnson, Zac Efron und natürlich jeder Menge<br />
Silikon und Explosion - wie man’s halt von früher<br />
kennt.<br />
USA <strong>2017</strong>; Regie: Seth Gordon; mit Dwayne Johnson,<br />
Zac Efron, Alexandra Daddario u.a.; Bundesstart:<br />
01.06.; www.thebaywatchmovie.com<br />
Monsieur Pierre geht online<br />
Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh alias<br />
Pierre Richard ist zurück - und klemmt sich hier<br />
Monsieur Pierre (Pierre Richard) auf<br />
Online-Freiersfüßen<br />
© Neue Visionen Filmverleih<br />
verlorenen Generation. Karin Jirsak<br />
D <strong>2017</strong>; Regie: Helene Hegemann; mit Jasna<br />
Fritzi Bauer, Arly Jover, Mavie Hörbiger u.a.; Bundesstart:<br />
29.06.; www.axolotl-film.de<br />
STALINISTISCHER STURKOPF<br />
In Zeiten des<br />
abnehmenden Lichts<br />
Drehbuchaltmeister Wolfgang Kohlhaase hat den<br />
gleichnamigen Roman von Eugen Ruge rigoros<br />
zurechtgestutzt und beschränkt die Story auf einen<br />
einzigen Tag an nur einem Ort. Dass sein Sohn<br />
Sascha zum 90. Geburtstag nicht pünktlich erscheint,<br />
ärgert den eingefleischte SED-Funktionär<br />
Wilhelm Powileit (Bruno Ganz) enorm. Noch<br />
mehr Verdruss bereitet dem Parteiveteranen die<br />
politische Lage anno 1989. Immer mehr DDR-Bürger<br />
gehen nach drüben, die sich auflösenden Grenzen<br />
der Bruderländer machen‘s möglich. Auch Sascha<br />
hat längst die Chance zur Republikflucht<br />
genutzt. Die schockierende<br />
Wahrheit will die Familie<br />
dem Alten so lange wie möglich<br />
verheimlichen.<br />
Ein Kammerspiel in Echtzeit, das<br />
den Untergang der DDR auf groteske<br />
Art symbolisch darstellt, bedarf<br />
zwingend eines hochkarätigen<br />
Ensembles. In Matti Geschonnecks<br />
Inszenierung stimmt die<br />
Besetzung bis in die Nebenrollen,<br />
wobei sich der Star als besonderer<br />
Trumpf erweist: Bruno Ganz<br />
als stalinistischer Sturkopf gibt<br />
mit sichtlichem Vergnügen dem<br />
© <strong>2017</strong> Constantin Film Verleih GmbH / Lina Grün<br />
Mifti (Jasna Fritzi Bauer)<br />
hat sich verlaufen<br />
als einsamer Senior erstmals ans Netz. Dass Onlinedating<br />
so seine Tücken hat, wenn man sich nicht<br />
als der ausgibt, der man ist, darf man in dieser<br />
leichten, französischen Sommerkomödie wohl<br />
einmal mehr erleben.<br />
F / D / B <strong>2017</strong>; Regie: Stéphane Robelin; mit Pierre<br />
Richard, Yaniss Lespert, Fanny Valette u.a.; Bundesstart:<br />
22.06.; www.facebook.com/monsieurpierregehtonline<br />
The Dinner<br />
„Angerichtet“ wird hier nach dem in Deutschland<br />
so betitelten Thriller von Herman Koch (2009) ein<br />
Dinner, das den Beteiligten durchaus im Hals steckenbleiben<br />
dürfte. Stan (Richard Gere) will, dass<br />
bei dem luxuriösen Essen „endlich einmal alles auf<br />
den Tisch kommt“, sein Bruder Paul (Steve Coogan)<br />
bangt um ein schreckliches Geheimnis.<br />
USA <strong>2017</strong>; Regie: Oren Moverman; mit Richard Gere,<br />
Laura Linney, Steve Coogan u.a.; Bundesstart: 08.06.;<br />
www.tobis.de<br />
Whitney - Can I Be Me<br />
Nach „Kurt & Courtney“ und „Biggie And Tupac“<br />
nimmt sich Nick Broomfield mit Whitney Houston<br />
nun eine weitere große Tragödie des Musikbusiness<br />
vor. Im Alter von nur 48 Jahren wurde die<br />
17,0mm<br />
17,0mm<br />
Kein Jubiläum zum Jubilieren für Wilhelm<br />
Powileit (Bruno Ganz)<br />
Affen Zucker. Einer wie er hat auch als 76-Jähriger<br />
im Feinrippunterhemd eine Grandezza und<br />
als strammer Parteisoldat zudem die endgültige<br />
Wahrheit auf alle Fragen parat: „Das Problem<br />
ist, dass das Problem das Problem ist.“<br />
Eine überaus vergnügliche Satire mit reichlich<br />
Tiefgang. Dieter Oßwald<br />
D <strong>2017</strong>; Regie: Matti Geschonneck; mit Bruno<br />
Ganz, Hildegard Schmahl, Sylvester Groth u.a.;<br />
Bundesstart: 01.06.; www.x-verleih.de<br />
NUTZE DEN TAG<br />
Wenn du stirbst,<br />
zieht das ganze Leben an<br />
dir vorbei, sagen sie<br />
Man kennt das aus der eigenen Jugend: Da gab<br />
es diese eine besondere Mädchenclique, begehrt<br />
von den Jungs - It-Girls nennt man das heute.<br />
Sam (Zoey Deutch) gehört zu dieser einen Clique,<br />
zusammen mit ihren ebenfalls blendend<br />
aussehenden drei Freundinnen.<br />
An einem Freitag, dem 12. Februar, werden die<br />
Karten neu gemischt: In der Schule verschenken<br />
die Mitschüler traditionell Rosen, Sam be-<br />
Tragische Soul-Diva:<br />
Whitney Houston<br />
Soul-Diva 2012 tot in<br />
einer Hotelbadewanne<br />
aufgefunden. Der<br />
Skandalbiograf geht<br />
dem Absturz auf den<br />
Grund.<br />
GB / USA <strong>2017</strong>; Regie:<br />
Nick Broomfield,<br />
Rudi Dolezal;<br />
Bundesstart: 08.06.;<br />
www.arsenalfilm.de<br />
Wonder Woman<br />
Girl Power der wundersamen Art: In dieser lange<br />
erwarteten DC-Comicverfilmung kommt die<br />
kampferprobte Diana (Gal Gadot) von der Insel<br />
der Amazonen zu uns, um die Welt zu retten.<br />
Zum Glück hat Wonder Woman ein paar<br />
besondere Fähigkeiten, die dabei hilfreich sein<br />
dürften. Unterstützt wird die schöne Kämpferin<br />
von Steve Trevor (Chris Pine).<br />
USA <strong>2017</strong>; Regie: Patty Jenkins; mit Gal Gadot,<br />
Chris Pine, Robin Wright u.a.; Bundesstart: 15.06.;<br />
www.warnerbros.com<br />
Texte: Karin Jirsak<br />
© X Verleih AG / Hannes Hubach<br />
4,0mm<br />
4,0mm<br />
© Arsenal<br />
© Wild Bunch<br />
kommt gleich zwei - von ihrem Lover Rob, und<br />
von dem eher unscheinbaren Mitschüler Kent. Der<br />
schmeißt abends eine Party, bei der Sam endlich<br />
mit Rob ihre Unschuld verlieren will. Doch dann<br />
taucht die Außenseiterin Juliet auf, die von Sams<br />
Freundin Lindsay bevorzugt gemobbt wird. Es<br />
kommt zum Streit, Juliet flüchtet. Auf dem Nachhauseweg<br />
passiert es dann: Lindsay überfährt irgendetwas,<br />
das Auto überschlägt sich. Sam stirbt -<br />
und wacht am selben Morgen wieder auf.<br />
Sam (Zoey<br />
Deutch) kriegt<br />
eine zweite<br />
Chance<br />
Erste Assoziation: Bill Murrays „Und täglich grüßt<br />
das Murmeltier“. Doch diese Verfilmung des<br />
gleichnamigen Jugendbuchbestsellers von Lauren<br />
Oliver geht ernstere Wege. Regisseurin Ry Russo-<br />
Young gelingt es mit Hilfe ihrer guten Besetzung,<br />
die hinter dem Film steckende Aussage „Nutze<br />
den Tag“ nicht zu sehr in den Vordergrund zu schieben,<br />
sondern glaubwürdig die Wandlung einer jungen<br />
Frau zu schildern. Martin Schwarz<br />
USA 2016; Regie: Ry Russo-Young; mit Zoey<br />
Deutch, Halston Sage, Elena Kampouris u.a.;<br />
Bundesstart: 01.06.; www.wildbunch-germany.de<br />
KING OF COOL JAZZ<br />
Born To Be Blue<br />
Die Molltöne entsprachen<br />
schon immer eher der Natur des Chet Baker.<br />
Sein größter Erfolg ist immerhin das an Traurigkeit<br />
kaum zu überbietende „My Funny Valentine“.<br />
Dennoch traf er einen Nerv und stieg<br />
in den Fünfzigern zu einem der gefragtesten<br />
Jazz-Musiker auf. Doch es stellte sich schnell<br />
heraus, dass Baker nicht für das Showbiz<br />
geschaffen war. Nur ein knappes<br />
FILM DES MONATS<br />
PRÄZEDENZFALL<br />
Loving<br />
In den 50er Jahren war es in manchen Staaten<br />
der USA noch verboten, als Weißer eine<br />
schwarze Frau zu heiraten und umgekehrt.<br />
Dieser Problematik widmet sich das Drama<br />
von Jeff Nichols („Take Shelter“) aus der<br />
sehr persönlichen Sicht von Mildred und<br />
Richard Loving. Als sie schwanger wird,<br />
macht er ihr ohne zu zögern einen Antrag.<br />
Obwohl die so genannte interracial marriage<br />
im Staat Virginia illegal ist. Noch während<br />
der Schwangerschaft werden die beiden<br />
verhaftet. Der Beginn eines Kampfes,<br />
der ihnen alles abverlangt.<br />
Nicht zuletzt dank Robert Kennedy wurden<br />
die Lovings zum Gegenstand einer historischen<br />
Gesetzesänderung. Ein Präzedenzfall,<br />
aus dem Nichols allerdings kein Justizdrama<br />
macht, sondern eine Liebesgeschichte,<br />
glaubwürdig dank des würdevoll zurückhaltenden<br />
Spiels von Joel Edgerton und der Oscar-nominierten<br />
Ruth Negga. “Sagen Sie dem<br />
Jahrzehnt später war er<br />
am Ende. Heroinabhängig<br />
saß er im Knast.<br />
Hier setzt Robert Budreaus<br />
Interpretation<br />
ein. Ein Filmproduzent<br />
kauft ihn frei. Er will ein<br />
Biopic über Baker drehen,<br />
mit ihm in der<br />
Hauptrolle. Am Set begegnet<br />
dem geläuterten<br />
Trompeter die<br />
Schauspielerin Jane<br />
Trompete in Moll: Chet<br />
Baker (Ethan Hawke)<br />
© Alamode Film<br />
17,0mm<br />
17,0mm<br />
Klappstuhl Sperrsitz Parkett Balkon Loge<br />
© Universal Pictures<br />
Two against the world: Mildred (Ruth Negga)<br />
und Richard (Joel Edgerton)<br />
Richter nur, dass ich meine Frau liebe“, sagt<br />
der wortkarge Richard seinem Anwalt in einer<br />
von vielen anrührenden Szenen. Mildred und<br />
Richard sind keine Bürgerrechtler. Sondern einfache<br />
Menschen, mit dem einfachen Traum,<br />
ihr Leben miteinander zu verbringen.<br />
Ein Liebesfilm mit durchaus aktueller politische<br />
Aussage: Wo das individuelle Glück illegalisiert<br />
wird, hat die Gesellschaft ein menschliches<br />
Problem. Damals wie heute. Karin Jirsak<br />
USA / GB 2016; Regie: Jeff Nichols;<br />
mit Joel Edgerton, Ruth Negga,<br />
Marton Csokas u.a.; Bundesstart: 15.06.;<br />
www.facebook.com/lovingthefilm<br />
(Carmen Ejogo). Mit seinem Charme gewinnt er<br />
sie für sich, doch das Glück währt nicht lange.<br />
Chet landet im Krankenhaus, nachdem ihn ein<br />
früherer Dealer, dem er noch Geld schuldete,<br />
blutig schlug. Dabei büßt er einen Großteil seiner<br />
Zähne ein - und die Fähigkeit seiner Berufung<br />
nachzugehen.<br />
Budreau, der bereits einen Dokumentarfilm über<br />
Bakers Leben drehte, wählt für sein Spielfilmdebüt<br />
eine sehr frei improvisierte Herangehensweise.<br />
Seine Interpretation ist leidenschaftlich,<br />
ebenso wie das Spiel von Ethan Hawke, der den<br />
„King of Cool Jazz“ nuanciert verkörpert.<br />
Lars Tunçay<br />
GB / CDN 2015; Regie: Robert Budreau; mit<br />
Ethan Hawke, Carmen Ejogo, Callum Keith Rennie<br />
u.a.; Bundesstart: 08.06.; www.borntobeblue.de<br />
17,0mm