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26<br />
MUSIK<br />
Arcade Fire<br />
Everything Now<br />
CDS VINYL & MP3<br />
Der vorab veröffentlichte<br />
Titelsong<br />
war ein guter<br />
Aufhänger. Man<br />
kann sich da zum<br />
Beispiel an afrikanischem<br />
Einflötenspiel<br />
erfreuen. Oder an massiver<br />
Melodik. Oder an diesen unverschämt<br />
eingängigen Piano-Akkorden, die dem<br />
Stil von Abbas Benny Andersson ähneln.<br />
In „Signs Of Life“ steckt der Disco-Sound,<br />
aber er wirkt leicht geschrägt,<br />
so wie die beiden Darsteller<br />
im Video mit Fluppe im Mund und Henne<br />
in der Hand. „Creative Comfort“<br />
erscheint im Vergleich dazu noch widerborstiger.<br />
Dasselbe gilt für „Infinite<br />
Content“, den Mottosong der jüngsten<br />
Tour. Hier drehen Arcade Fire<br />
zunächst wie Punks durch und nehmen<br />
die Macht von übergroß gewordenen<br />
Internetfirmen aufs Korn. Zugleich<br />
tritt das auf, was diese Kanadier<br />
gemeinhin ein „Nachbarschaftsstück“<br />
nennen. Der zweite Teil von „Infinite<br />
Content“ ist ruhiger, in ihm steckt ein<br />
romantischer Tick. Insgesamt ist es<br />
Musik, die abwechselnd Folk, Country,<br />
Clubklänge, Noise-Rock, Ethno-Elemente,<br />
Funk und natürlich Pop touchiert.<br />
Die Art und Weise, wie beseelt<br />
und unerschrocken Arcade Fire ihre Mischung<br />
aufführen, ist einmal mehr<br />
großartig. Thomas Weiland<br />
Columbia/Sony Music;<br />
www.arcadefire.com<br />
Steven Wilson<br />
To The Bone<br />
Zischelnde Beats, dramatische Akkorde,<br />
ein Eröffnungsdialog über posttruth,<br />
eine Blues-Harmonika, verwehte<br />
orientalische Gesänge, eine unheilsschwangere<br />
Atmosphäre: Gleich<br />
im Titelstück seines neuen Albums<br />
spürt man, dass Neo-ProgRock-Guru<br />
Steven Wilson das globale Chaos einer<br />
Welt aus den Fugen reflektieren<br />
möchte. Nicht unbedingt in Form eines<br />
komplexen Konzeptalbums wie<br />
„Hand. Cannot. Erase“, sondern eher<br />
mit zugänglichen, melodieseligen,<br />
klug konstruierten Songs, die weniger<br />
vom 70er Jahre ProgRock à la<br />
Genesis, King Crimson, Yes, Pink Floyd<br />
als von Wilsons frühen Einflüssen inspiriert<br />
sind. Von Peter Gabriels<br />
„So“, Kate Bushs „Hounds Of Love“,<br />
Tears For Fears’ „Seeds Of Love“,<br />
Talk Talks „Colour Of Spring“ oder<br />
Trevor Horns Produktionen aus den<br />
80ern. Und auch von The-The-Alben<br />
wie „Infected“ und „Mind Bomb“.<br />
Das verschafft<br />
den neuen Stücken<br />
einen einnehmenden<br />
Pop-Schmelz,<br />
mitunter sogar<br />
Mitsingcharme.<br />
Aber Wilsons Hang zu langen Spannungsbögen,<br />
überraschenden Taktund<br />
Stimmungswechseln, aufwändigen<br />
Soundaufbauten, lyrischen Intermezzi<br />
und ins Hymnische wuchtenden<br />
Passagen lässt seine Musik hoch<br />
interessant und emotional klingen,<br />
Lichtjahre vom gängigen Chartsfutter<br />
wie von selbstverliebtem L’artpour-l’art-ProgRock<br />
entfernt.<br />
Andreas Dewald<br />
Caroline International/V.Ö.:<br />
18.08.; www.stevenwilson.com<br />
Oneohtrix Point Never<br />
Good Time<br />
Der 1982 geborene Musiker Daniel<br />
Lopatin aus Brooklyn hat eine neue<br />
Art der Pop-Musik kreiert, die sowohl<br />
Unmengen an Zitaten aus der Pop-<br />
Kultur, hier vor allem Musik, Fernsehen<br />
und Internet, heranschleppt, diese<br />
aber in eigene<br />
neue Formen<br />
gießt und mit<br />
dem farbigsten<br />
Rauschen ever<br />
unterlegt. Ob<br />
auf fantastischen<br />
Alben als Komponist für die<br />
Filmmusik von Sofia Coppolas „The<br />
Bling Ring“, „Instrumental Tourist“<br />
von 2012 bleibt für mich eine Platte<br />
für die elektronisch verrauschte Insel,<br />
mit dem Künstler Jon Rafman<br />
oder hauptsächlich als Oneohtrix<br />
Point Never: Dieser sympathische<br />
Bastler bringt Experiment und Sperrigkeit<br />
mit Pop und Witz zusammen.<br />
So auch auf „Good Time“, erneut ein<br />
Soundtrack, der sogar bei den Filmfestspielen<br />
in Cannes ausgezeichnet<br />
wurde. Wichtiger als Preise und<br />
vielleicht ein bisschen fies dem<br />
Gangsterfilm der Gebrüder Safdie<br />
gegenüber: Diese Musik braucht den<br />
Film eigentlich nicht, denn der eigene<br />
bunte und doch auch dunkle<br />
Film läuft dazu im Kopf ab. Ja, Lopatin<br />
ist düsterer geworden, fast<br />
könnte dies auch der Klang zum neuen<br />
„Blade Runner“-Film sein. Gleichzeitig<br />
‚digitalisiert’ Lopatin sich,<br />
ALBUM<br />
DES MONATS<br />
Lana Del Rey Lust For Life<br />
Ach, Lana. Bisher stürzte man sich bei ihr ja primär<br />
auf einzelne Anziehungspunkte, auf „Summertime Sadness“,<br />
„Video Games“, „West Coast“ oder „High By<br />
The Beach“. Jetzt ist es anders. Jetzt zieht das ganze<br />
Album. Im Titelsong erklären sie und The Weeknd abwechselnd,<br />
man möge sich bitte den blöden Fummel<br />
vom Körper reißen, das Gerede vom frühen Tod vergessen<br />
und Spaß haben. „And our lust for love keeps<br />
us alive“, hauchen sie zu R&B- und Synthpop-Extrakten. Auch die Beteiligung<br />
von Rapper A$AP Rocky ist ein Gewinn. Er reimt etwas und stiftet<br />
Lana zu einer großen Performance an. „Hip hop in the summer, don‘t be<br />
a bummer, babe, be my undercover lover, babe“, schnurrt sie mit unwiderstehlicher<br />
erotischer Zugkraft. Auch nicht verkehrt war die Idee, eine<br />
Einladung an Stevie Nicks auszusprechen. Die beiden Damen zelebrieren<br />
in „Beautiful People, Beautiful Problems“ wonnebringend Weiblichkeit.<br />
Resümieren wir es so: Der Kalender sagt Sommer, die Mitternachtsstunde<br />
naht und es läuft Lanas Album. 72 Minuten lang. In jeder einzelnen davon<br />
verfällt man nur zu willig der Lautmalerei, dem Lächeln und Liebesspiel<br />
dieses Traumgeschöpfes. Dickes Küsschen. Thomas Weiland<br />
Vertigo/Universal; www.lanadelrey.com<br />
während er sich luzide und liebevoll<br />
vor allem an die Pop-Siebziger<br />
und -Achtziger erinnert.<br />
Christoph Jacke<br />
Warp/Rough Trade/V.Ö.: 11.08.<br />
www.pointnever.com<br />
Public Service Broadcasting<br />
Every Valley<br />
62 % der Bewohner in der südwalisischen<br />
Industrieregion haben sich<br />
beim Referendum für den Brexit entschieden.<br />
Und das, obwohl ihnen speziell<br />
von der EU für die Jahre 2014<br />
bis 2020 Strukturhilfen in Höhe von<br />
mehr als 2 Milliarden Pfund zugesichert<br />
worden waren. Da<br />
versteht man den Wähler<br />
nicht mehr. Auch J.<br />
Willgoose, Esq. tut es<br />
nicht. Um zu etwas Verständnis<br />
zu gelangen,<br />
hat sich der Bandleader