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GIG_August_2017

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26<br />

MUSIK<br />

Arcade Fire<br />

Everything Now<br />

CDS VINYL & MP3<br />

Der vorab veröffentlichte<br />

Titelsong<br />

war ein guter<br />

Aufhänger. Man<br />

kann sich da zum<br />

Beispiel an afrikanischem<br />

Einflötenspiel<br />

erfreuen. Oder an massiver<br />

Melodik. Oder an diesen unverschämt<br />

eingängigen Piano-Akkorden, die dem<br />

Stil von Abbas Benny Andersson ähneln.<br />

In „Signs Of Life“ steckt der Disco-Sound,<br />

aber er wirkt leicht geschrägt,<br />

so wie die beiden Darsteller<br />

im Video mit Fluppe im Mund und Henne<br />

in der Hand. „Creative Comfort“<br />

erscheint im Vergleich dazu noch widerborstiger.<br />

Dasselbe gilt für „Infinite<br />

Content“, den Mottosong der jüngsten<br />

Tour. Hier drehen Arcade Fire<br />

zunächst wie Punks durch und nehmen<br />

die Macht von übergroß gewordenen<br />

Internetfirmen aufs Korn. Zugleich<br />

tritt das auf, was diese Kanadier<br />

gemeinhin ein „Nachbarschaftsstück“<br />

nennen. Der zweite Teil von „Infinite<br />

Content“ ist ruhiger, in ihm steckt ein<br />

romantischer Tick. Insgesamt ist es<br />

Musik, die abwechselnd Folk, Country,<br />

Clubklänge, Noise-Rock, Ethno-Elemente,<br />

Funk und natürlich Pop touchiert.<br />

Die Art und Weise, wie beseelt<br />

und unerschrocken Arcade Fire ihre Mischung<br />

aufführen, ist einmal mehr<br />

großartig. Thomas Weiland<br />

Columbia/Sony Music;<br />

www.arcadefire.com<br />

Steven Wilson<br />

To The Bone<br />

Zischelnde Beats, dramatische Akkorde,<br />

ein Eröffnungsdialog über posttruth,<br />

eine Blues-Harmonika, verwehte<br />

orientalische Gesänge, eine unheilsschwangere<br />

Atmosphäre: Gleich<br />

im Titelstück seines neuen Albums<br />

spürt man, dass Neo-ProgRock-Guru<br />

Steven Wilson das globale Chaos einer<br />

Welt aus den Fugen reflektieren<br />

möchte. Nicht unbedingt in Form eines<br />

komplexen Konzeptalbums wie<br />

„Hand. Cannot. Erase“, sondern eher<br />

mit zugänglichen, melodieseligen,<br />

klug konstruierten Songs, die weniger<br />

vom 70er Jahre ProgRock à la<br />

Genesis, King Crimson, Yes, Pink Floyd<br />

als von Wilsons frühen Einflüssen inspiriert<br />

sind. Von Peter Gabriels<br />

„So“, Kate Bushs „Hounds Of Love“,<br />

Tears For Fears’ „Seeds Of Love“,<br />

Talk Talks „Colour Of Spring“ oder<br />

Trevor Horns Produktionen aus den<br />

80ern. Und auch von The-The-Alben<br />

wie „Infected“ und „Mind Bomb“.<br />

Das verschafft<br />

den neuen Stücken<br />

einen einnehmenden<br />

Pop-Schmelz,<br />

mitunter sogar<br />

Mitsingcharme.<br />

Aber Wilsons Hang zu langen Spannungsbögen,<br />

überraschenden Taktund<br />

Stimmungswechseln, aufwändigen<br />

Soundaufbauten, lyrischen Intermezzi<br />

und ins Hymnische wuchtenden<br />

Passagen lässt seine Musik hoch<br />

interessant und emotional klingen,<br />

Lichtjahre vom gängigen Chartsfutter<br />

wie von selbstverliebtem L’artpour-l’art-ProgRock<br />

entfernt.<br />

Andreas Dewald<br />

Caroline International/V.Ö.:<br />

18.08.; www.stevenwilson.com<br />

Oneohtrix Point Never<br />

Good Time<br />

Der 1982 geborene Musiker Daniel<br />

Lopatin aus Brooklyn hat eine neue<br />

Art der Pop-Musik kreiert, die sowohl<br />

Unmengen an Zitaten aus der Pop-<br />

Kultur, hier vor allem Musik, Fernsehen<br />

und Internet, heranschleppt, diese<br />

aber in eigene<br />

neue Formen<br />

gießt und mit<br />

dem farbigsten<br />

Rauschen ever<br />

unterlegt. Ob<br />

auf fantastischen<br />

Alben als Komponist für die<br />

Filmmusik von Sofia Coppolas „The<br />

Bling Ring“, „Instrumental Tourist“<br />

von 2012 bleibt für mich eine Platte<br />

für die elektronisch verrauschte Insel,<br />

mit dem Künstler Jon Rafman<br />

oder hauptsächlich als Oneohtrix<br />

Point Never: Dieser sympathische<br />

Bastler bringt Experiment und Sperrigkeit<br />

mit Pop und Witz zusammen.<br />

So auch auf „Good Time“, erneut ein<br />

Soundtrack, der sogar bei den Filmfestspielen<br />

in Cannes ausgezeichnet<br />

wurde. Wichtiger als Preise und<br />

vielleicht ein bisschen fies dem<br />

Gangsterfilm der Gebrüder Safdie<br />

gegenüber: Diese Musik braucht den<br />

Film eigentlich nicht, denn der eigene<br />

bunte und doch auch dunkle<br />

Film läuft dazu im Kopf ab. Ja, Lopatin<br />

ist düsterer geworden, fast<br />

könnte dies auch der Klang zum neuen<br />

„Blade Runner“-Film sein. Gleichzeitig<br />

‚digitalisiert’ Lopatin sich,<br />

ALBUM<br />

DES MONATS<br />

Lana Del Rey Lust For Life<br />

Ach, Lana. Bisher stürzte man sich bei ihr ja primär<br />

auf einzelne Anziehungspunkte, auf „Summertime Sadness“,<br />

„Video Games“, „West Coast“ oder „High By<br />

The Beach“. Jetzt ist es anders. Jetzt zieht das ganze<br />

Album. Im Titelsong erklären sie und The Weeknd abwechselnd,<br />

man möge sich bitte den blöden Fummel<br />

vom Körper reißen, das Gerede vom frühen Tod vergessen<br />

und Spaß haben. „And our lust for love keeps<br />

us alive“, hauchen sie zu R&B- und Synthpop-Extrakten. Auch die Beteiligung<br />

von Rapper A$AP Rocky ist ein Gewinn. Er reimt etwas und stiftet<br />

Lana zu einer großen Performance an. „Hip hop in the summer, don‘t be<br />

a bummer, babe, be my undercover lover, babe“, schnurrt sie mit unwiderstehlicher<br />

erotischer Zugkraft. Auch nicht verkehrt war die Idee, eine<br />

Einladung an Stevie Nicks auszusprechen. Die beiden Damen zelebrieren<br />

in „Beautiful People, Beautiful Problems“ wonnebringend Weiblichkeit.<br />

Resümieren wir es so: Der Kalender sagt Sommer, die Mitternachtsstunde<br />

naht und es läuft Lanas Album. 72 Minuten lang. In jeder einzelnen davon<br />

verfällt man nur zu willig der Lautmalerei, dem Lächeln und Liebesspiel<br />

dieses Traumgeschöpfes. Dickes Küsschen. Thomas Weiland<br />

Vertigo/Universal; www.lanadelrey.com<br />

während er sich luzide und liebevoll<br />

vor allem an die Pop-Siebziger<br />

und -Achtziger erinnert.<br />

Christoph Jacke<br />

Warp/Rough Trade/V.Ö.: 11.08.<br />

www.pointnever.com<br />

Public Service Broadcasting<br />

Every Valley<br />

62 % der Bewohner in der südwalisischen<br />

Industrieregion haben sich<br />

beim Referendum für den Brexit entschieden.<br />

Und das, obwohl ihnen speziell<br />

von der EU für die Jahre 2014<br />

bis 2020 Strukturhilfen in Höhe von<br />

mehr als 2 Milliarden Pfund zugesichert<br />

worden waren. Da<br />

versteht man den Wähler<br />

nicht mehr. Auch J.<br />

Willgoose, Esq. tut es<br />

nicht. Um zu etwas Verständnis<br />

zu gelangen,<br />

hat sich der Bandleader

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