Programmheft
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Anfang 1889 ging Dvořák auf Einladung<br />
der kaiserlichen russischen Musikgesellschaft<br />
auf eine Konzertreise nach Moskau<br />
und Petersburg. Nach einem weiteren<br />
Besuch in London kehrte er nach Prag<br />
zurück, wo er die Ehrendoktorwürde der<br />
Karlsuniversität verliehen bekam. Im Oktober<br />
1890 nahm er schließlich eine Stelle<br />
als Professor am Konservatorium an,<br />
die ihm schon im Januar 1889 angeboten<br />
worden war, die er aber zu der Zeit wegen<br />
der anderen Verpfl ichtungen ausgeschlagen<br />
hatte.<br />
In der Neuen Welt<br />
Im September 1892 trat Dvořák eine Stelle<br />
als Direktor des National Conservatory<br />
of Musik in New York an. Die Stelle war<br />
mit 15.000 Dollar jährlich dotiert und somit<br />
ein attraktives fi nanzielles Angebot für<br />
Dvořák, wenn er auch für diesen langen<br />
Aufenthalt eine Lösung für seine Familie<br />
fi nden musste. Seine Frau, seine Tochter<br />
Otilie und sein Sohn Antonín begleiteten<br />
ihn. Die anderen vier Kinder kamen nur<br />
für die Sommermonate 1893 in die USA,<br />
die die Familie in dem tschechisch geprägten<br />
Spillville in Iowa verbrachten.<br />
Initiatorin des Angebots war die Präsidentin<br />
Jeanette Thurber, die von der Idee<br />
geleitet wurde, Amerika von der Vorherrschaft<br />
der europäischen Kunstmusik zu<br />
lösen und ein nationales amerikanisches<br />
Kunstidiom zu fördern. Dvořák ließ sich<br />
von dieser Idee begeistern und studierte<br />
Spirituals der schwarzen Plantagenarbeiter<br />
und Indianermelodien, in denen er die<br />
Grundlage für eine charakteristisch amerikanische<br />
Musik sah.<br />
Für New York schrieb Dvořák einige seiner<br />
bekanntesten Werke: Die Sinfonie Nr.<br />
9 „Aus der Neuen Welt“, das Te Deum<br />
und das Streichquartett op. 96, das oft<br />
als Amerikanisches Streichquartett bezeichnet<br />
wird. Hier zeigte sich der Einfl uss<br />
des Landes in bestimmten Eigenarten der<br />
Komposition, wie Pentatonik, einem erniedrigten<br />
Leitton, dem Scotch snap und<br />
der Synkopierung.<br />
Zu Dvořáks Hauptaufgaben am Konservatorium<br />
zählte der Kompositionsunterricht,<br />
bei dem unter anderem Rubin Goldmark<br />
sein Schüler war.<br />
Ende des Amerika-Aufenthalts<br />
Offi ziell war Dvořáks Vertrag zunächst<br />
für zwei Jahre abgeschlossen, dann um<br />
zwei Jahre verlängert worden. Jedoch reiste<br />
er schon im April 1895 wieder heim.<br />
Ein Grund dafür mag die fi nanzielle Lage<br />
seiner Mäzenin Thurber gewesen sein,<br />
die sich durch die Wirtschaftskrise dramatisch<br />
verschlechtert hatte, so dass er<br />
mehrmals auf sein Gehalt warten musste.<br />
Er selbst führte aber im wesentlichen<br />
seine Kinder an, um deren Obhut in Prag<br />
er besorgt war und von denen seine Frau<br />
nicht getrennt sein wollte.<br />
So verbrachte Dvořák zunächst einige ruhige<br />
Monate in Vysoká, um im November<br />
wieder seine Tätigkeit am Prager Konservatorium<br />
aufzunehmen. Er erwog kurze<br />
Zeit einen Umzug nach Wien, wo er am<br />
Konservatorium eine Stelle hätte bekommen<br />
können, entschied sich dann aber<br />
dagegen. In dieser Zeit entstanden seine<br />
letzten Streichquartette.<br />
Sinfonische Dichtungen<br />
Das Jahr 1896 markiert Dvořáks Abkehr<br />
von der Absoluten Musik. Er hatte zwar<br />
schon vorher Werke geschrieben, die man<br />
als Programmmusik bezeichnen konnte,<br />
so vor allem 1889 die Poetische Stimmungsbildern<br />
für Klavier, die er als „Programmusik,<br />
aber im Sinne Schumanns“<br />
bezeichnete, oder das Dumky-Trio (ein<br />
Klaviertrio) im gleichen Jahr. Doch nun<br />
wendete er sich direkt der Sinfonischen<br />
Dichtung zu, eine Gattung, die im Streit<br />
um die Neudeutsche Schule um Franz<br />
Liszt und Wagner eine wichtige Rolle gespielt<br />
hatte.<br />
Innerhalb eines Jahres schrieb er den<br />
Wassermann, die Mittagshexe, das Goldene<br />
Spinnrad und die<br />
Waldtaube. Heldenlied,<br />
alle nach Balladen aus<br />
der Sammlung Kytice<br />
des tschechischen<br />
Dichters Karel Jaromír<br />
Erben. Zusammenfassungen<br />
der jeweiligen<br />
Handlung gab er den<br />
Hörern in Prosaform<br />
mit. Dazu kam noch im<br />
nächsten Jahr das Heldenlied,<br />
dessen Programm<br />
er nicht explizit<br />
veröffentlichte, das er<br />
aber in einem Brief erklärte.<br />
Die letzten Jahre<br />
Dvořák hatte nun mit<br />
seinem Kammermusik-<br />
und Orchesterschaffen<br />
abgeschlossen. In seinen letzten Jahren<br />
komponierte er nur noch Opern: 1898 die<br />
Teufelskäthe, 1900 Rusalka und 1902/3<br />
Armida.<br />
Während der Uraufführung der Armida<br />
musste Dvořák wegen Hüftschmerzen<br />
das Theater verlassen. Nach einigen Tagen<br />
Ruhe zog er sich eine Grippe zu und<br />
wurde bettlägerig. Er starb am 1. Mai<br />
1904 im Kreis seiner Familie, vermutlich<br />
an einem Gehirnschlag.<br />
Musik<br />
In seinem Werk verband er Einfl üsse von<br />
Klassik und Romantik mit Elementen<br />
der Volksmusik. Zu seinen Hauptwerken<br />
gehören seine neun Sinfonien (darunter<br />
am bekanntesten die Nr. 9, Aus der Neu-<br />
en Welt), das Cellokonzert, Oratorien von<br />
unvergleichlicher Suggestivkraft, wie das<br />
Stabat Mater und das Requiem, zahlreiche<br />
Kammermusikwerke, die 16 slawischen<br />
Tänze und die Oper Rusalka.<br />
Mit Dvořáks vielseitigem<br />
Werk fand das tschechische<br />
Musikschaffen<br />
seine unverwechselbare<br />
nationale Identität. Was<br />
Bedřich Smetana mit den<br />
nationalen Stoffen und<br />
folkloristischen Zügen einiger<br />
seiner Opern und<br />
mit seinem Zyklus „Mein<br />
Vaterland“ eingeleitet hatte,<br />
führte Dvořák zu einem<br />
beeindruckenden Höhepunkt.<br />
Unbeirrt von ideologischen<br />
Strömungen<br />
ging er seinen eigenen<br />
Weg und ließ es sich nicht<br />
nehmen, sowohl Richard<br />
Wagner als auch Johannes<br />
Brahms in gleicher Weise<br />
zu bewundern.<br />
Heimatliebe, Naturverbundenheit,<br />
tiefe Religiosität, aber ebenso<br />
berauschende Lebensfreude kommen<br />
im Werk dieses bescheidenen Menschen<br />
zum Ausdruck, der geduldig eine lange<br />
Durststecke des Misserfolgs durchstand,<br />
bis durch die Empfehlung von Brahms<br />
seine „Slawischen Tänze“ im Druck erschienen<br />
und die Musikwelt auf ihn aufmerksam<br />
wurde. Mit unübertreffl ichem<br />
Einfallsreichtum hat Dvořák stets mitreißende<br />
Musik geschaffen. Nachdem<br />
zunächst nur wenige seiner Werke im<br />
internationalen Musikbetrieb Fuß gefasst<br />
hatten, machten Pioniertaten wie<br />
die Gesamteinspielung seiner Sinfonien<br />
durch István Kertész bewusst, dass das<br />
gesamte Werk des böhmischen Meisters<br />
Beachtung verdient.