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Jenseits der Sicherheit (1)*<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Musik</strong> beim <strong>Bergstadtsommer</strong> <strong>2017</strong><br />
Montag 4. September 20 Uhr im Deutschen Phonomuseum Sankt Georgen<br />
Eintritt frei!<br />
Das Motto unseren heutigen Konzerts stammt ursprünglich von einem Solostück für Sopran des<br />
Posaunisten und Komponisten Vinko Globokar. Globokar 1934 in Slowenien geboren, Entrepreneur<br />
nicht nur seines Instruments, sondern auch in seiner oft unorthodoxen Kompositionsweise. Die erste<br />
Idee eines Portraitkonzert mussten wir leider verschieben, da er in seinen Kompositionen oft<br />
Live-Elektronik verwendet und dieser Aufwand unser<br />
aktuelles Budget gesprengt hätte. Somit steht Globokar<br />
Pate für eine eindrucksvolle Instrumentalisten und<br />
Komponistengeneration, die nach 1950 eine faszinierende<br />
Klangwelt geschaffen haben. *Optimistisch haben wir<br />
daher eine (1) Edition gesetzt, um bei den nächsten<br />
<strong>Bergstadtsommer</strong>n auf diese spannenden Wiederentdeckungen<br />
zurückzukommen. Vinko Globokar hat seine<br />
größten Impulse von Luciano Berio erhalten, ATEM von<br />
Maurizio Kagel wurde von ihm Uraufgeführt, mit Gérard<br />
Grisey und Georges Aperghis war und ist er freundschaftlich<br />
verbunden.<br />
1Luciano Berio (1925 - 2003): aus 34 Duetti per due violini<br />
/1979 - 83<br />
I. BÉLA - II. SHLOMIT - V. MAJA - XIV. PIERRE<br />
Jedes der Stücke trägt den Vornamen des Widmungsträgers – wie Béla<br />
(Bartók), Vinko (Globokar) oder Aldo (Bennici). Das Beiheft der 1992<br />
erschienenen Einspielung deutet an, dass Berio vorhatte, den Zyklus<br />
fortzusetzen – es blieb jedoch bei diesem „Volume I“.<br />
Das kürzeste Duett dauert 29 Sekunden, das längste ist 3 Minuten<br />
56 Sekunden lang und jedes ist mit dem Entstehungsdatum und –ort<br />
versehen. Die Duetti per due violini könnten also als eine Art <strong>Musik</strong>alisches<br />
Tagebuch betrachtet werden. So werden die ersten drei Stücke<br />
an einem Tag – dem 10. November 1979 – in Radicondoli komponiert.<br />
Vier Tage später hielt sich Berio in Stockholm auf, wo er Rodion (Schtschedrin)<br />
schrieb; am Tag darauf wurden Maja (Pliseckaja) und Bruno<br />
(Maderna) komponiert. Die meisten Stücke entstanden in Radicondoli,<br />
einige auf Reisen nach Paris, Tel Aviv, Florenz oder Rom.<br />
Angelika Luz, Sopran | Dirk Altmann, Klarinette, Kontrabassklarinette<br />
und Tarogato | Gesa Jenne und Simone Riniker, Violine<br />
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2Mátyás Seiber (1905 - 1960): aus „ Drei Morgensternlieder“<br />
für Sopran und Klarinette / 1929<br />
Die Trichter<br />
Das Nasobēm<br />
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht.<br />
Auf seinen Nasen schreitet<br />
einher das Nasobēm.<br />
von seinem Kind begleitet.<br />
Es steht noch nicht im Brehm.<br />
Es steht noch nicht im Meyer.<br />
Und auch im Brockhaus nicht.<br />
Es trat aus meiner Leyer<br />
zum ersten Mal ans Licht.<br />
Auf seinen Nasen schreitet<br />
(wie schon gesagt) seitdem,<br />
von seinem Kind begleitet,<br />
einher das Nasobēm.<br />
Durch ihres Rumpfs verengten Schacht<br />
fließt weißes Mondlicht<br />
still und heiter<br />
auf ihren<br />
Waldweg<br />
u.s.<br />
w.<br />
3Luciano Berio (1925 - 2003): aus 34 Duetti per due violini /1979 - 83<br />
XVII. LEONARDO - XIX. ANIE - X. GIORGIO FEDERICO<br />
4Luciano Berio (1925 - 2003) „Sequenza III“<br />
- ein einmaliges Stück für eine Sängerin oder<br />
Schauspielerin, entstanden 1966.<br />
Text von Markus Kutter:<br />
Give me a few words for a woman<br />
to sing a truth allowing us<br />
to build a house without worrying before<br />
night comes<br />
Die Sequenza III ist für eine<br />
virtuose Sängerin/Schauspielerin<br />
geschrieben worden,<br />
wie es die Widmungsträgerin,<br />
Berios Frau, Cathy Berberian<br />
war. Das Singen ist nur eines<br />
von zahlreichen Ausdrucksmöglichkeiten<br />
der menschlichen<br />
Stimme, von denen Berio<br />
hier Gebrauch macht. In den<br />
Zeichenerklärungen listet er<br />
15 Techniken auf, darunter<br />
„Lachsalven, Zähneklappern,<br />
Zungentriller gegen die<br />
Oberlippe“ sowie 44 Vortragsbezeichnungen,<br />
wie „entfernt,<br />
verträumt, ekstatisch, äußerst<br />
intensiv, verklingend“. Sequenza<br />
III ist also eine einmalige<br />
Herausforderung, ein Stück<br />
einzigartiges <strong>Musik</strong>theater für<br />
eine Sängerin.
5Gérard Grisey (1946 - 1998)<br />
„NOUT“ für Kontrabassklarinette / 1990<br />
Göttin des Himmels<br />
Die Göttin Nout symbolisierte das Himmelsgewölbe.<br />
Alles was dort entstand, entsprang aus ihr. Der Donner<br />
war ihr Gelächter und ihre Tränen der Regen. Ihr Körper<br />
war das Firmament, das den Kosmos von den Gewässern<br />
des Chaos trennte, jener formlosen und urzeitlichen<br />
Masse, die gleichbedeutend ist mit Nicht-Existenz.<br />
Nout bewahrte die Mächte des Chaos davor, durch den<br />
Himmel zu brechen und über die Welt zu schwappen.<br />
Werkeinführung<br />
Authentisches: In meiner Nachbarschaft wohnt ein pensionierter<br />
Bläser. Seine Haupttätigkeit heute: Rohrblätter für<br />
Kollegen schneiden. Um die Qualität der Blätter zu prüfen,<br />
spielt er stets die gleiche, kurze Tonfolge (Floskel – rasche<br />
Tonleiter – Floskel – Pause – Floskel). Im selben Haus wohnt<br />
ein Sohn des alten Mannes. Auch er ist <strong>Musik</strong>er, 50 Jahre<br />
jünger und bläst Posaune.<br />
Erfundenes: Ein pensionierter Bläser widmet sich stets dem<br />
Gleichen: seine Instrumente glänzend zu erhalten. Immer<br />
wieder geht er zum Schrank, öffnet die Kästen, nimmt die<br />
Instrumente weitgehend auseinander und montiert sie<br />
anschließend wieder zusammen, ölt die Mechanik, pustet<br />
ins Blasrohr, trocknet Speichelreste, wärmt Rohrblätter<br />
und Mundstücke, übt stumm, spricht gern mit sich selbst<br />
und putzt dabei unaufhörlich weiter. Zum richtigen Blasen<br />
kommt er selten. Gleichzeitig tritt ein junger Bläser auf,<br />
setzt sich auf einen niedrigen Stuhl und trägt – mit häufigem<br />
Wechsel von Dämpfer und Instrument – seine Partie<br />
vor. Die Töne, die er zu spielen versucht, gelingen selten.<br />
Stumpfe, entgleiste Klänge mit defektem Zungenrollen und<br />
schlaffen Lippen hervor gebracht.<br />
Im Verlauf des Stückes nimmt das Alter dieses <strong>Musik</strong>ers<br />
zu. Er bleibt schließlich – eines unverzerrten Blasens nicht<br />
mehr fähig – scheinbar tot auf dem Fußboden liegen, den<br />
erhofften Ruhestand erwartend.<br />
Grisey schrieb NOUT 1983<br />
und widmete es dem Freund<br />
und Kollegen Claude Vivier,<br />
der am 7. März in Paris ermordet<br />
wurde.<br />
6Luciano Berio (1925 - 2003): aus 34 Duetti per due violini /1979 - 83<br />
XXVI. HENRI - XXVII. ALFREDO - XV. TATJANA<br />
7.Mauricio Kagel (1931 - 2008)<br />
ATEM / 1970<br />
Ludwig Chamber Players<br />
Konzert im Mai<br />
in Furtwangen!
Iris Szeghy war 2013 Gast<br />
beim <strong>Bergstadtsommer</strong><br />
mit dem Thema KONTEXT<br />
- osteuropäische Komponistinnen<br />
8Iris Szeghy (*1956)<br />
MEADOW SONG für Sopran Iris Szeghy wurde zu ihrem Werk Meadow Song durch die<br />
und Klarinette / 2010/13 Volksmusik ihres Heimatlandes, der Slowakei inspiriert. Ihre<br />
Vorlage ist ein Typus von Arbeitsliedern, die „trávnice“, Graslieder<br />
– gesungen von Frauen, die auf den Bergwiesen das<br />
Heu rechen. Diese Ruf-Gesänge haben eine Struktur, die von<br />
einem Frage-Antwort-Spiel und Echos bestimmt ist. Am Ende<br />
erklingt der Text:“Sie rechte, rechte, rechte nichts zusammen,<br />
aus grossem Kummer zerbrach sie den Rechen“.<br />
9Luciano Berio (1925 - 2003): aus 34 Duetti per due violini /1979 - 83<br />
XXX. MASSIMO - XXII. VINCO - XXV. CARLO - VI. BRUNO<br />
10<br />
Georges Aperghis (*1945)<br />
RÉCITATION No. 9 / 1977-78<br />
Georges Aperghis zu seinen Récitations:<br />
>>Das ist ganz einfach: Ein Wort folgt dem anderen, als ob man ein<br />
kleines Thema aus Worten bilden will. Man hat ein erstes Wort, fügt<br />
ein zweites hinzu, ein drittes, und dann dreht man es in verschiedene<br />
Richtungen, wie in einem Karussel: Es dreht sich, und jedes Mal ist etwas<br />
anderes zu sehen, aber im Grunde sind es immer die gleichen Worte,<br />
lediglich unterschiedlich angeordnet