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<strong>Die</strong> <strong>Wunder</strong> <strong>dieser</strong> <strong>Welt</strong><br />
Ein Wintermärchen<br />
aus den Bergen<br />
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<strong>Die</strong> <strong>Wunder</strong> <strong>dieser</strong> <strong>Welt</strong><br />
Ein Wintermärchen<br />
aus den Bergen
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Es war Weihnachtszeit, und Klein-Martin war mit seinen<br />
Eltern in die Berge gefahren, um dort die schönste Zeit<br />
des Jahres zu verbringen. <strong>Die</strong> Vorbereitungen für eine<br />
stimmungsvolle Feier waren bereits getroffen, und so entschloss<br />
die Familie am Morgen des Heiligabends, einen<br />
Spaziergang in der wunderweißen Landschaft zu unternehmen.<br />
Ihr Ziel war eine märchenhafte Burg.<br />
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Nach einem kurzweiligen Fußmarsch durch den samtweichen<br />
Schnee erreichten die drei die romantische Burg,<br />
die tiefverschneit am Waldesrand lag. Der Zauber, der<br />
diese umgab, war so überwältigend, dass die Familie<br />
wie angewurzelt stehenblieb, um die Burg zu bestaunen.<br />
Traumverloren malten sich alle aus, wie einst Recken und<br />
Burgfräulein hier ein- und ausgegangen waren, wie die<br />
Minnesänger ihre Lieder geträllert und die Burgherren<br />
zum Feste geladen und alle in ihren bunten Edelgewändern<br />
getanzt und gefeiert hatten. Sie träumten so vor<br />
sich hin, bis die Stimme eines alten Herrn sie aus ihren<br />
Gedanken riss: „Schön hier, nicht wahr? Meine Frau und<br />
ich kommen schon seit Jahren hierher und finden den<br />
Anblick immer wieder faszinierend. Doch wenn ich Ihnen<br />
einen Rat geben darf, folgen Sie diesem Weg bis zur kleinen<br />
Kapelle auf der Lichtung – und halten Sie die Augen offen<br />
für das, was Ihnen auf dem Weg begegnen wird!“<br />
Klein-Martin packte sogleich der Entdeckergeist. Er<br />
nahm Mama und Papa bei der Hand und zog sie auf<br />
den Weg, denn er wollte unbedingt herausfinden, was<br />
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ihn dort Spannendes erwarten würde. Der Vater<br />
schaffte es gerade noch, dem alten Ehepaar ein<br />
„Danke und frohe Weihnachten!“ zuzurufen, und<br />
schon sahen sie das Schild „St.-Franziskus-Steig“,<br />
das den Wegbeginn kennzeichnete. Martin war<br />
ganz aufgeregt, und sein Herz schlug ihm<br />
fast bis zum Hals. Was mochte sie auf dem<br />
Weg wohl erwarten? Der sonderbare<br />
Biberelch, den es nur in den Bergen<br />
gab? Ein riesiger Schaukelturm, auf<br />
den man hinaufklettern konnte,<br />
um zwischen den Baumwipfeln<br />
hin- und herzuwippen? Ein sprechender<br />
Baum, der einem tolle<br />
Geschichten über die Waldbewohner<br />
erzählte? <strong>Die</strong> drei<br />
setzten einen Fuß vor den<br />
anderen, und bevor sie sich<br />
versahen, hatten sie die niedliche<br />
Kapelle erreicht, über die<br />
der alte Herr gesprochen hatte.<br />
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<strong>Die</strong> Kapelle war einer Krippe sehr ähnlich,<br />
aus Holz gefertigt und von Meisterhand in<br />
den Felsen hineingebaut. Der Vater nahm<br />
den kleinen Martin bei der Hand und betrat<br />
mit ihm die Kapelle. Der Boden der Kapelle<br />
bestand nur aus Erde. Baumstümpfe unterschiedlicher<br />
Größe luden zum Sitzen und<br />
Nachdenken ein. Auf dem kahlen Altar aus<br />
Stein flackerte die helle Flamme einer bereits<br />
mehr als zur Hälfte abgebrannten Kerze in<br />
einer alten, kupfernen Laterne. Der Blick von<br />
Vater und Sohn richtete sich auf ein schlichtes<br />
Porträt des heiligen Franziskus, das an<br />
der Wand angebracht war.<br />
Der Vater setzte sich auf einen Baumstumpf<br />
und betrachtete das unruhige Licht der Kerze,<br />
und Klein-Martin kuschelte sich an ihn. <strong>Die</strong><br />
Kargheit der Kapelle erschien dem Vater<br />
wunderschön. Doch Klein-Martin wurde bald<br />
unruhig und fragte schließlich den Vater:<br />
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„Aber Papa, wo ist nun das Besondere, das uns auf dem<br />
Weg erwarten sollte? Da gab’s nur Schnee und Eis, verschneite<br />
Steine, Bäume und Sträucher und sonst nichts.“<br />
„Mein Sohn, da draußen gab es nicht nur Schnee und Eis,<br />
verschneite Steine, Bäume und Sträucher, da draußen gab<br />
es Abertausende Sterne, obwohl es helllichter Tag ist, es<br />
gab Konzerte, obwohl kein einziges Instrument in der Nähe<br />
war, und wir waren nicht allein, obwohl wir die einzigen<br />
Spuren auf dem Weg hinterlassen haben.“<br />
Verwundert schaute Klein-Martin seinen Vater an:<br />
„Aber, was redest du denn da?“ „Martin, kennst du den<br />
hl. Franziskus? Er war ein sehr edler Mann, der auf die<br />
Reichtümer seines Elternhauses verzichtet und sein Glück<br />
im Einklang mit der Natur gefunden hat. <strong>Die</strong> Sonne,<br />
der Wind, Mond und Sterne, jedes Geschöpf zählte zu<br />
seinen Brüdern und Schwestern. Also, mein lieber Sohn,<br />
auf dem Weg hierher sind wir vielen <strong>Wunder</strong>n begegnet,<br />
doch wir waren nur bereit zu sehen, was uns die heutige<br />
<strong>Welt</strong> als einzigartig verkauft. Es war uns nicht bewusst,<br />
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dass die Millionen von Sternen da draußen sechseckige<br />
Schneekristalle waren – ein <strong>Wunder</strong> der Natur, das an Exaktheit<br />
nicht zu übertreffen ist. Wir haben nicht gemerkt,<br />
dass wir Tiere auf unserem Weg gekreuzt haben, weil<br />
sie sich mit ihrem weißen Fell perfekt im Schnee getarnt<br />
haben, wie Mutter Natur es vorgesehen hat. Und so haben<br />
wir auch das Freiluftkonzert da draußen nicht wahrgenommen,<br />
die Melodien, die die Vögelchen hoch oben in<br />
den Bäumen angestimmt haben.“ Martin sah seinen Vater<br />
mit großen Augen an. „<strong>Wunder</strong> begegnen uns also jeden<br />
Tag?“ „Genau, mein Kleiner. Denn unsere <strong>Welt</strong> besteht<br />
aus so vielen kleinen Dingen, die so groß und wertvoll sind<br />
wie kaum etwas, das wir besitzen. Der Duft einer Blume,<br />
das Säuseln des Windes, das Lachen eines Kindes, die<br />
Schlichtheit einer Landschaft, das Rauschen eines Bachs,<br />
die Vollkommenheit einer Beere … Jeder Mensch, der die<br />
Fähigkeit besitzt, das Schöne im Alltäglichen wahrzunehmen,<br />
ist reich.“<br />
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Als die kleine Familie ihren Rückweg antrat, öffneten sie<br />
alle die Augen, ihre Ohren und spürten den Zauber <strong>dieser</strong><br />
magischen Umgebung ganz bewusst. Sie liefen unter mit<br />
Schnee schwer beladenen Tannen und Fichten hindurch,<br />
hörten den Wildbach in nächster Nähe rauschen und den<br />
Wind durch die Wipfel streichen. Sie tänzelten – jeder mit<br />
einem glücklichen Lächeln auf den Lippen – zur seligruhigen<br />
Weihnachtsmelodie des Waldes den Weg entlang<br />
und wussten: Schöner könnte ihr Weihnachten nicht sein.<br />
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Print: saphir.bz.it<br />
Novelle nach Christoph Lucerna
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