Leben im Erzbistum Bamberg 2/2017
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Das Lutherjahr<br />
geht seinem Höhepunkt<br />
entgegen: Haben Sie<br />
schon Menschen gehört,<br />
die sagen: Jetzt reicht<br />
es aber mal wieder mit<br />
Luther?<br />
Bedford-Strohm Erstaunlicherweise<br />
wenig. Es gab ja<br />
schon eine Reformationsdekade<br />
mit den verschiedensten<br />
Themen und zahlreichen<br />
Veranstaltungen. Das Thema<br />
ist also seit zehn Jahren<br />
in der Luft, aber die Leute<br />
sind nicht überdrüssig. Ich<br />
spüre viel Begeisterung. Die<br />
Menschen, die das alles mit<br />
viel Liebe und Engagement<br />
vorbereitet haben, freuen sich<br />
riesig über die enorme Präsenz<br />
des Themas in der Öffentlichkeit.<br />
Als Christen in<br />
Deutschland nehmen wir alle<br />
zusammen viel Rückenwind<br />
aus dem Reformationsjubiläum<br />
mit.<br />
Ludwig Schick Für uns<br />
Katholiken ist Martin Luther<br />
verständlicherweise nicht so<br />
wichtig wie für die Lutheraner.<br />
Aber wir haben uns<br />
bewusst entschieden, das<br />
Reformationsgedenken mitzufeiern.<br />
Uns geht es dabei<br />
mehr um die Themen der<br />
Reformation <strong>im</strong> 16. Jahrhundert,<br />
die damals in der<br />
ganzen katholischen Kirche<br />
und der Gesellschaft virulent<br />
waren. Wenn vor der<br />
Reformation allen klarer<br />
gewesen wäre, dass sich die<br />
Kirche <strong>im</strong>mer reformieren<br />
muss (semper reformanda),<br />
wäre es vielleicht gar nicht<br />
zur protestantischen Reformation<br />
und zur Kirchenspaltung<br />
gekommen. Das Thema<br />
bleibt: Die Kirche muss sich<br />
<strong>im</strong>mer ‚reformieren‘ – auf<br />
Jesus Christus und das Evangelium<br />
sowie auf die Menschen<br />
hin, denen die Kirche<br />
Frieden und Heil bringen soll.<br />
Die Reformation war ein<br />
Medienereignis, das ohne<br />
den Buchdruck – damals<br />
ein „neues Medium“ –<br />
nicht möglich gewesen<br />
wäre. Würde Luther heute<br />
für seine 99 Thesen Twitter<br />
und Facebook nutzen so<br />
wie Sie beide?<br />
Bedford-Strohm Ich bin sicher,<br />
dass Luther heute twittern<br />
würde. Er wäre dort, wo<br />
die Menschen sich aufhalten.<br />
Und das Internet ist ein Raum,<br />
wo die Menschen viel Zeit<br />
verbringen. Ich möchte, dass<br />
wir dort dabei sind und mit<br />
den Menschen ins Gespräch<br />
kommen. Wir sollten da<br />
noch stärker aktiv werden.<br />
Herr Erzbischof, wenn<br />
Martin Luther auf Facebook<br />
aktiv wäre, würden<br />
Sie seine Freundschaftsanfrage<br />
bestätigen?<br />
Schick Natürlich würde ich<br />
das tun. Dann kämen wir<br />
sicher in einen spannenden<br />
Austausch. Ich glaube, dass<br />
Jesus heute auch auf Facebook<br />
aktiv wäre. Er würde<br />
alle vorhandenen Mittel nutzen,<br />
um die Frohe Botschaft<br />
zu verbreiten. Das müssen<br />
wir heute auch tun.<br />
Herr Landesbischof, gibt es<br />
etwas, worum Sie die katholische<br />
Kirche, beneiden?<br />
Die bunten Messgewänder<br />
zum Beispiel?<br />
Bedford-Strohm Der evangelisch-lutherische<br />
Talar ist<br />
eine deutsche Tradition. In<br />
Schweden zum Beispiel können<br />
Sie von den Gewändern<br />
her keinen Unterschied<br />
zwischen katholischen und<br />
evangelischen Geistlichen<br />
erkennen. Aber ja, es gibt<br />
natürlich Punkte, wo wir<br />
lernen können von der katholischen<br />
Tradition. Ich finde<br />
die Tradition der Messdiener<br />
und Messdienerinnen sehr<br />
schön. Das ist eine großartige<br />
Jugendarbeit, die den<br />
Gottesdienst mit der <strong>Leben</strong>swelt<br />
junger Menschen verbindet.<br />
Das finde ich toll.<br />
Ich denke darüber nach, wie<br />
wir davon lernen können.<br />
Ein zweiter Punkt ist der<br />
Atem der Weltkirche. Wir<br />
bemühen uns, auch bei uns<br />
zum Ausdruck zu bringen,<br />
dass die Kirche eine universale<br />
Kirche und damit ein<br />
weltweites Netzwerk ist.<br />
Um einen Papst,<br />
der sagt, wo es langgeht,<br />
beneiden Sie die<br />
Katholiken nicht?<br />
Bedford-Strohm Das wäre<br />
jetzt das falsche Beispiel.<br />
Dass wir uns dem Jurisdiktionspr<strong>im</strong>at<br />
des Papstes unterstellen,<br />
ist wirklich nicht<br />
vorstellbar. Das synodale<br />
Prinzip sehen wir als große<br />
Errungenschaft, die wir nicht<br />
aufgeben wollen.<br />
Da sind wir schon bei<br />
einem Knackpunkt der<br />
Ökumene.<br />
Bedford-Strohm Ökumene<br />
heißt nicht, dass alle gleich<br />
werden müssen. Wir ringen<br />
ja um die Frage: Welche Unterschiede<br />
sind wirklich noch<br />
kirchentrennend. Und wo können<br />
wir sagen: Die anderen<br />
sind anders, und wir können<br />
das akzeptieren und achten –<br />
und voneinander lernen. Dass<br />
die katholische Kirche anders<br />
strukturiert ist und ein anderes<br />
Amtsverständnis hat, ist<br />
für mich jedenfalls nicht<br />
kirchentrennend.<br />
Schick Die Auffassung über<br />
den Papst und seine Aufgaben<br />
haben sich in den letzten<br />
150 Jahren auch in der katholischen<br />
Kirche verändert. Das<br />
synodale Prinzip wird wieder<br />
deutlicher wahrgenommen.<br />
Die Verantwortung der Ortskirche<br />
wird mehr betont.<br />
Das hierarchische Prinzip<br />
hält die katholische Kirche<br />
zusammen. Aber auch in<br />
der katholischen Kirche ist<br />
es nicht so, dass einfach von<br />
oben nach unten „durchregiert“<br />
wird. Es ist ein großes<br />
Missverständnis zu denken,<br />
der Papst könnte gegen den<br />
Willen aller entscheiden. Er<br />
wirkt in und mit der ganzen<br />
Kirche. Er fasst am Ende von<br />
synodalen, konziliaren und<br />
kanonischen Prozessen die<br />
Diskussionen zusammen<br />
und gibt den Vereinbarungen<br />
eine verbindliche Form. Wir<br />
hoffen, dass wir irgendwann<br />
zu einem Konsens über den<br />
Dienst des Papstes kommen.<br />
Der Petrusdienst ist von Jesus<br />
Christus eingesetzt und<br />
für die Kirche unverzichtbar.<br />
Herr Landesbischof, von<br />
Ihren Begegnungen mit<br />
Papst Franziskus wird<br />
berichtet, dass ▶ 19