170504 Login 2017 - DE
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
LOGIN 3/<strong>2017</strong><br />
DOSSIER<br />
Elisabeth Gerritzen, 21 Jahre alt, hat letzthin ihre<br />
erste Saison in der renommierten Freeride World<br />
Tour beendet. Für das junge, vielversprechende<br />
Skitalent bedeutet Glück, so verwegen zu sein,<br />
sich Herausforderungen zu stellen.<br />
«Vertrauen und Glück sind<br />
miteinander verbunden.»<br />
Hilft es im Leben und beim Wettkampf, glücklich<br />
zu sein?<br />
Im Leben sicher. Und beim Wettkampf auch, denn<br />
Menschen, die ausserhalb des Wettkampfs glücklich<br />
sind, relativieren eher. Man sucht das Glück nicht im<br />
Wettkampf selbst, weil man ohnehin schon glücklich<br />
ist.<br />
Was heisst Glück für Sie persönlich?<br />
Welche Bilder haben Sie vor Augen?<br />
Ich denke, dass es viele Arten von Glück gibt, die sich<br />
im Verlauf des Lebens verändern. Zum heutigen Zeitpunkt<br />
bin ich glücklich, wenn ich im Einklang mit mir<br />
selbst und meinen Tätigkeiten lebe, dort wo ich bin.<br />
Welches sind und waren Ihre grössten<br />
Glücksmomente?<br />
Glück empfinde ich vor allem, wenn ich mich sehr stark<br />
für ein Resultat eingesetzt habe und es dann auch erreiche.<br />
Zum Beispiel als ich das erste Ausbildungsjahr<br />
an der Uni erfolgreich beendet oder mich nach vollem<br />
Einsatz für die Freeride World Tour qualifiziert habe.<br />
Für eine Wettkämpfernatur wie mich bedeutet auch<br />
das Glück. Mich Herausforderungen stellen, Fortschritte<br />
erzielen und wenn möglich Erfolg haben.<br />
Wirkt sich Glück auf die Gesundheit aus?<br />
Ich denke schon, denn Glück verleiht Vitalität, und<br />
Vitalität – psychische und körperliche – ist die<br />
Grundlage für alles.<br />
Erlebt man Glück in der Gegenwart?<br />
Ja. Ich selbst habe aber die leidige Angewohnheit,<br />
mir zu sagen, dass später, wenn ich dies oder jenes<br />
erreicht habe, noch genug Zeit für Glück ist. In einer<br />
idealen Welt sollte man jederzeit und jeden Tag<br />
glücklich sein.<br />
Wie gehen Sie mit Phasen um, in denen Sie<br />
weniger glücklich sind?<br />
Ich versuche, an das Ziel zu denken, egal ob es sich<br />
um das Training oder um Prüfungsvorbereitungen<br />
handelt. Ich denke an den letzten Prüfungstag, wenn<br />
die Prüfungen einmal vorbei sind, und daran, was<br />
mir die Anstrengungen später bringen werden. Ich<br />
sage mir, dass sich das Glück später nicht einstellen<br />
wird, wenn ich während dieser etwas weniger<br />
glücklichen Phasen nicht so hart arbeiten würde.<br />
Alles ist miteinander verbunden. Und eben weil man<br />
sich voll einsetzt, wird man danach mit starken Gefühlen<br />
belohnt – so schliesst sich der Kreis.<br />
Wie lässt sich das Glücksgefühl beim Skifahren<br />
beschreiben?<br />
Mit Freiheit würde ich sagen. Da ich studiere und<br />
dadurch einiges an Verpflichtungen habe, ist es sehr<br />
belebend, einen Grossteil des Winters auf den Skiern<br />
zu stehen. In den Bergen, abseits der Pfade zu sein<br />
bedeutet für mich echte Freiheit.<br />
Welches ist der Unterschied zwischen einer<br />
Abfahrt «just for fun» und einer im Wettkampf?<br />
Beim Just-for-Fun ist es die Freiheit zu tun, was ich<br />
will, ich kann die Linie fahren, die ich will.<br />
Im Wettkampf halte ich mich etwas zurück, ich habe<br />
noch Mühe, mich in den gleichen Gemütszustand<br />
wie im Training oder beim Just-for-Fun zu versetzen.<br />
Glücklichsein im Wettkampf hängt auch von<br />
den Resultaten ab; es ist wie eine Belohnung, wenn<br />
alles gut gelaufen ist.<br />
Spielt Angst eine Rolle?<br />
Die Angst ist da, das ist sicher. Sie ist sogar ein<br />
Schlüsselfaktor, denn ohne sie könnte man versucht<br />
sein, zu weit zu gehen. Man spielt andauernd mit<br />
der Angst, es ist wie eine Gratwanderung. Manchmal<br />
muss man die eigenen Grenzen verschieben,<br />
die Angst fürchten und akzeptieren, und manchmal<br />
auch einsehen, dass sie nicht grundlos da ist. Man<br />
darf sie nie vergessen.<br />
Verhilft Mut zum Glücklichsein?<br />
Mut setzt Selbstvertrauen voraus; das begrenzt sich<br />
nicht auf Sport, sondern gilt für alle Lebensbereiche.<br />
Selbstvertrauen, als Bestandteil des Glücks, spornt<br />
uns dazu an, uns Herausforderungen zu stellen, aus<br />
unserer Komfortzone herauszutreten und intensiver<br />
zu leben. Es braucht Mut zum Glücklichsein, weil<br />
Glücklichsein nicht selbstverständlich ist.<br />
Wie gehen Sie mit Risiken um?<br />
Ich bin mir der Risiken bewusst und akzeptiere sie,<br />
sonst würde ich eine andere Sportart ausüben. Ich<br />
habe sie immer im Hinterkopf und übe meinen Sport<br />
so aus, dass sie nicht zu stark an Boden gewinnen.<br />
Es ist wiederum eine Art Balanceakt, man spielt<br />
dauernd damit. Das gilt übrigens auch in anderen<br />
Bereichen. Beispielsweise beim Studium, wenn ich<br />
mir eine eintägige Auszeit gönne und damit ein kleines<br />
Risiko hinsichtlich des Bestehens der Prüfungen<br />
eingehe. Doch andererseits ist es auch notwendig,<br />
hin und wieder etwas anderes zu tun.<br />
Wie wichtig ist Ihnen das Glück Ihrer<br />
Mitmenschen, Ihrer Angehörigen?<br />
Es ist mir sehr wichtig, es ist wesentlich. Ich bin eher<br />
altruistisch veranlagt, ich kann das Unglück eines anderen<br />
mitfühlen, als wäre es mein eigenes und sogar<br />
noch stärker. Und es ist wichtig, sich im Kreis glücklicher<br />
Menschen zu bewegen, denn unser Umfeld hat<br />
einen grossen Einfluss auf das Glücklichsein.<br />
Was empfehlen Sie unseren Leserinnen und<br />
Lesern zum Glücklichsein?<br />
Die eigene Komfortzone so oft wie möglich zu verlassen.<br />
Auch wenn es nur kleine Dinge sind, kann<br />
dies Glück auslösen. Ab und zu etwas Neues versuchen,<br />
sich selbst herausfordern. Sich Herausforderungen<br />
stellen, selbst wenn man sie nicht immer<br />
erfolgreich meistert. Aber man lernt immer dabei.<br />
Elisabeth Gerritzen ist 1975 in Neuenburg geboren<br />
und wohnt in Lausanne. Im Alter von 15 Jahren<br />
hat sie mit dem Wettkampfsport begonnen. Nach<br />
einem 1. Platz bei den Freeride World Qualifiers<br />
2016 hat sie 2016/<strong>2017</strong> ihre erste Saison in der<br />
Königsdisziplin bestritten.<br />
www.elisabethgerritzen.com<br />
7