Im Lande der Bibel 1/2016
Normal ist nicht normal - Widerstand gegen Besatzung?
Normal ist nicht normal - Widerstand gegen Besatzung?
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Normal ist nicht normal<br />
Wi<strong>der</strong>stand gegen Besatzung?<br />
Unter Besatzung –<br />
Keine Normalisierung<br />
Von Tobias Pietsch, Forum Deutschland- Israel-Palästina e.V.<br />
Der Abschluss des Oslo-Abkommens 1994 weckte Hoffnung. Hoffnung auf einen palästinensischen<br />
Staat. Hoffnung auf Frieden. Es war eine Zeit <strong>der</strong> Aufbruchstimmung für die Menschen<br />
in Israel und Palästina. Koexistenzprojekte wurden gegründet, Dialoggruppen trafen sich und<br />
jüdisch-palästinische Jugendgruppen spielten gemeinsam Fußball.<br />
Heute, 22 Jahre nach Oslo, gibt es we<strong>der</strong> einen souveränen palästinensischen Staat noch Frieden.<br />
Nach <strong>der</strong> zweiten Intifada, drei Gaza-Kriegen und zahllosen Rückschlägen bei Friedensverhandlungen<br />
haben die meisten Menschen die Hoffnung auf eine baldige Lösung des Konfliktes<br />
verloren. Viele <strong>der</strong> gemeinsamen Projekte gibt es auch nicht mehr. Initiativen, die die<br />
Krisen und Rückschläge <strong>der</strong> letzten zwei Jahrzehnte überstanden haben, sehen sich heute<br />
oftmals dem Vorwurf <strong>der</strong> Normalisierung ausgesetzt. <strong>Im</strong>mer mehr PalästinenserInnen for<strong>der</strong>n,<br />
sich nicht mehr bedingungslos mit Israelis zu treffen und zu kooperieren. Die Anti-Normalisierungsbewegung<br />
wird zu einem wachsenden Phänomen und in den Augen zahlreicher Menschen<br />
auch zu einem immer größeren Problem.<br />
Der Streitpunkt in <strong>der</strong> palästinensischen Gesellschaft ist, ob und wenn ja wie PalästinenserInnen<br />
mit Israelis in Dialog treten sollen. Die Bereitschaft sich zu treffen hat in den vergangenen Jahren<br />
kontinuierlich abgenommen. Grund dafür sind die enttäuschten Hoffnungen des Friedensprozesses,<br />
die andauernde Besatzung <strong>der</strong> palästinensischen Gebiete und ein insgesamt inakzeptabler<br />
Status Quo. Fehlende Lebens- und Friedensperspektiven führen nicht nur zu Frustration<br />
und Resignation, son<strong>der</strong>n auch dazu, neue Formen des Wi<strong>der</strong>standes gegen die Besatzung zu<br />
entwickeln. <strong>Im</strong>mer mehr PalästinenserInnen wollen den Status Quo und ihre Situation unter<br />
Besatzung nicht mehr als normal verstanden wissen und diese Situation auch nicht durch alltägliche<br />
Treffen mit den israelischen BesatzerInnen normalisieren. Wer die Unterdrückung <strong>der</strong><br />
PalästinenserInnen ignoriere o<strong>der</strong> akzeptiere, betreibe Normalisierung, so die Palästinensische<br />
Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels (PACBI) 1 .<br />
Mauer-Graffiti in Bethlehem.<br />
Diese NGO (Nichtregierungsorganisation), die auch <strong>der</strong> Boykott, Deinvestition und Sanktions-<br />
Bewegung (BDS) nahe steht, definiert Normalisierung als „Teilnahme an jedweden Projekten,<br />
Initiativen o<strong>der</strong> Aktivitäten, in Palästina o<strong>der</strong> auf internationaler Ebene, die darauf [...] abzielen,<br />
PalästinenserInnen [...] und Israelis (Personen o<strong>der</strong> Institutionen) zusammenzubringen, ohne<br />
den Wi<strong>der</strong>stand gegen und die Bloßstellung <strong>der</strong> israelischen Besatzung und aller Formen <strong>der</strong><br />
1<br />
PACBI 2011: Israels Einzigartigkeit: Die Normalisierung des Anormalen.<br />
2<br />
ebd.<br />
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