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<strong>Jagd</strong> & Gesellschaft<br />
<strong>Jagd</strong>liches Tun<br />
Warum jagen wir?<br />
Eine persönliche Betrachtung jagdlichen Tuns<br />
tige Umstellung erfolgte aber erst, je nach Weltgegend,<br />
vor zehn- bis fünfzehntausend Jahren. Gejagt<br />
wurde trotzdem weiterhin, und dies bis zum heutigen<br />
Tag. Zudem: Die Menschheit verzehrt gegenwärtig<br />
mehr Fleisch denn je zuvor.<br />
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Foto: Peter A. Widmer<br />
JAGD & NATUR<br />
Vor vielen Jahren erkundigte sich meine damals<br />
pubertierende Tochter einmal ganz unerwartet,<br />
mit welchem Recht ich Tiere töte. In jenen Tagen<br />
nahm ich eine solche Frage nicht sehr ernst. Nun<br />
möchte ich es tun. Nein, ich muss es tun. Unter dem<br />
Druck eines gewaltig fortschreitenden Wandels in<br />
Wissenschaft und Gesellschaft und eines zunehmend<br />
jagdfeindlichen «Zeitgeistes» ist es in mir zum<br />
Wanderfalke mit<br />
geschlagenem<br />
Rebhuhn: Seine<br />
Art zu jagen ist<br />
ihm vorgegeben<br />
und seit Urzeiten<br />
die gleiche. Er<br />
hat keine Wahl.<br />
(Foto: Matej<br />
Vranič)<br />
Text: Peter A. Widmer<br />
zwingenden Bedürfnis angewachsen. Ein purer Reflex<br />
von Selbstverteidigung? – Mag sein. Ich kann nur<br />
hoffen, es sei mehr.<br />
Ein <strong>Natur</strong>phänomen<br />
In der <strong>Natur</strong> heisst Jagen für den Jäger überleben, für<br />
den Gejagten bedeutet es den Tod. Weder jagende<br />
noch gejagte Tiere können wählen, wie sie sich verhalten<br />
sollen. Fressen und gefressen werden ist unabänderliches<br />
Programm.<br />
Kurzer Blick in fernste Zeiten<br />
Die Entwicklung dessen, was wir unter menschlicher<br />
Vernunft zu verstehen glauben, vollzog sich in Hunderttausenden<br />
von Jahren. Zwar war der Mensch anhand<br />
seines Gebisses und seines Körperbaus von<br />
der <strong>Natur</strong> nicht als eigentliches Raubtier vorgesehen.<br />
Dennoch spielten die <strong>Jagd</strong> und damit der Fleischverzehr<br />
über riesige Zeiträume hinweg eine überlebenswichtige<br />
Rolle. Erst der Übergang zum sesshaften<br />
Bauerntum (Ackerbau und Viehzucht), der bei weitem<br />
nicht überall auf der bewohnten Erde gleichzeitig<br />
erfolgte, liess die existenzielle Bedeutung der<br />
<strong>Jagd</strong> schwinden. Diese, historisch gesehen, kurzfris-<br />
Einig sind sich Forscher, Wissenschaftler und Denker,<br />
dass das Jägersein unser Wesen entscheidend<br />
geformt hat. Sehr hoher Fleischkonsum soll unser<br />
Gehirn zwar langsam, aber stetig vergrössert haben.<br />
Und die <strong>Jagd</strong> selbst wird als Ursprung und Förderer<br />
unserer geistigen und seelischen Entfaltung erachtet.<br />
Unsere gesamten zivilisatorischen und kulturellen<br />
Leistungen werden auf sie zurückgeführt. Beim<br />
Jagen erkannte der Mensch, wie er sich die <strong>Natur</strong><br />
zunutze machen, Tiere und schliesslich seinesgleichen<br />
(!) beherrschen und somit Macht ausüben<br />
konnte. «Seid fruchtbar und mehret euch und füllet<br />
die Erde und machet sie euch untertan», hat nach<br />
Aussage der Bibel Gott zu den Menschen gesprochen.<br />
Und diese haben es getan. In den letzten<br />
150 Jahren derart gründlich, dass die Welt, wenigstens<br />
in Zeitaltern gerechnet, kurz vor dem Abgrund<br />
zu stehen scheint.<br />
Die Entscheidung<br />
«Das Leben», schreibt Ortega y Gasset in seinen<br />
‹Meditationen über die <strong>Jagd</strong>›, «ist kurz und drängt; es<br />
besteht vor allem aus Eile, und es bleibt einem<br />
nichts anderes übrig, als ein bestimmtes Daseinsprogramm<br />
auszuwählen und alle übrigen auszuschliessen,<br />
man muss darauf verzichten, das eine zu<br />
sein, um das andere sein zu können, kurz, man<br />
muss gewisse Beschäftigungen den übrigen vorziehen.»<br />
Foto: Karl-Heinz Volkmar<br />
JAGD & NATUR<br />
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