PerneggAKTUELL_2017-12
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166/<strong>2017</strong> PERNEGG AKTUELL 9<br />
Die Obfrau des Ausschusses für Gesundheit,<br />
Familie und Soziales berichtet<br />
Bgm in Eva Schmidinger<br />
Vortrag „Vom Sachwalter-Recht zum Erwachsenenschutzgesetz -<br />
ab 1.Juli 2018 wird alles anders?!“<br />
Im Rahmen eines zweistündigen Vortrages mit angeregter Diskussion<br />
der interessierten und auch kritischen Zuhörerschaft im Gemeindeamt<br />
Pernegg an der Mur hat Frau Mag. Irene Haring-Strahser vom Sachwalterverein<br />
VertretungsNetz das vom Gesetzgeber bereits beschlossene<br />
Erwachsenenschutzgesetz, das mit 1.7.2018 in Kraft treten wird und<br />
damit das noch geltende Sachwalterrecht ersetzt, vorgestellt.<br />
Auch Vorsorgevollmacht und die wenig bekannte Gesetzliche Angehörigenvertretung<br />
sind von dieser Reform umfasst. Dieses weitreichende<br />
Gesetz ist Ausdruck des Bekenntnisses der österreichischen Bundesregierung<br />
zu den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention, welche die<br />
Verbesserung der Selbstbestimmung von behinderten Personen zum<br />
Inhalt hat. Bei der Gesetzwerdung haben viele für diese Personengruppen<br />
engagierte Institutionen mitgewirkt und erstmals wurden auch Vertreterinnen<br />
und Vertreter der von Lernschwierigkeiten und psychischen<br />
Erkrankungen Betroffenen einbezogen.<br />
Was passiert ab 1.7.2018?<br />
Jede aktuell bestehende Sachwalterschaft wird vom zuständigen<br />
Bezirksgericht überprüft und es wird neu festgelegt, welche Vertretungsform<br />
künftig angemessen ist. Vertretungsformen sind<br />
• wie bisher die Vorsorgevollmacht für Personen, die zum Errichtungszeitpunkt<br />
noch selbst voll geschäftsfähig sind<br />
• NEU: die Gewählte Erwachsenenvertretung für Personen,<br />
die bereits kognitive Einschränkungen haben, etwa aufgrund einer<br />
beginnenden Demenzerkrankung, die aber noch klar zum Ausdruck<br />
bringen können, von wem sie vertreten werden wollen<br />
• die Gesetzliche Erwachsenenvertretung als Vertretungsform,<br />
wenn jemand sich nicht mehr selbst für einen Vertreter<br />
entscheiden kann, aber geeignete Angehörige vorhanden sind -<br />
auch Großeltern, Enkelkinder, Geschwister sowie Nichten und<br />
Neffen gehören künftig zum Kreis der möglichen Erwachsenenvertreter<br />
die<br />
• Gerichtliche Erwachsenenvertretung, als Nachfolge der bisherigen<br />
Sachwalterschaft; neu ist hierbei, dass nicht wie bisher automatisch<br />
mit dem gerichtlichen Bestellungsbe- schluss die Geschäftsfähigkeit<br />
beschränkt wird, sondern nur mehr in ganz bestimmten, wenigen<br />
Ausnahmefällen.<br />
Bei jeder dieser Vertretungsformen ist das Gericht Kontrollinstanz und<br />
besonders schwerwiegende Entscheidungen eines Vertreters, wie etwa<br />
die Übersiedelung des nicht selbst entscheidungsfähigen Betroffenen<br />
in ein Pflegeheim müssen VORHER gerichtlich genehmigt werden. Die<br />
beiden Formen Gesetzliche und Gerichtliche Erwachsenenvertretung<br />
sind außerdem auf 3 Jahre befristet. Soll eine Verlängerung erfolgen,<br />
wird ein neues Prüfungsverfahren durchgeführt.<br />
Bei den selbstgewählten Vertretungsformen Vorsorgevollmacht und<br />
Gewählte Erwachsenenvertretung gibt es keine Befristung. Errichtet<br />
werden können Vertretungen nur mehr bei Notariaten, Rechtsanwaltskanzleien<br />
und Erwachsenenschutzvereinen (vormals Sachwaltervereine).<br />
Ziel der Gesetzesreform ist, Menschen mit psychischer oder intellektueller<br />
Beeinträchtigung ein selbstbestimmtes Leben zu sichern. Jeder, der<br />
eine andere Person vertritt, hat die gesetzliche Verpflichtung, sich nachhaltig<br />
darum zu bemühen, deren Wünsche zu erforschen und diese auch<br />
entsprechend umzusetzen. Entscheidungen gegen den „natürlichen“<br />
Willen der Person sind nur aus schwerwiegenden Gründen berechtigt.<br />
Zuallererst müssen aber bei jeder zu treffenden Entscheidung Anstrengungen<br />
unternommen werden, dass jemand doch durch Unterstützung<br />
diese selbst treffen kann. Erst wenn dies trotz aller Bemühungen nicht<br />
gelingt, ist eine stellvertretende Entscheidung überhaupt gerechtfertigt.<br />
Dafür ist auch der Ausbau öffentlich leicht zugänglicher Institutionen<br />
notwendig. Unterstützende Modelle wie das Betreute Konto oder nachgehende<br />
Erwachsenensozialarbeit, deren flächendeckendes Vorhandensein<br />
bereits bisher viele Sachwalterschaften unnötig gemacht hätte, gibt<br />
es im Land erst vereinzelt.<br />
Voraussetzung für das Gelingen<br />
des Erwachsenenschutzgesetzes<br />
ist ein Umdenken aller Beteiligten,<br />
seien dies nun Richter, Angehörige,<br />
Vertreter sozialer Organisationen<br />
oder der Landespolitik - weg<br />
vom bevormundenden Fürsorgegedanken<br />
hin zur Wahrnehmung<br />
eines jeden Menschen mit<br />
seinen individuellen Fähigkeiten.<br />
Denn: Auch das beste Gesetz<br />
ist nur so gut, wie die ausführenden<br />
Personen.<br />
Hinweis:<br />
Beratungsmöglichkeit im Einzelfall gibt es kostenfrei bei allen<br />
Standorten des Vereines VertretungsNetz. www.vertretungsnetz.at<br />
EINLADUNG zum Vortrag<br />
„Das Leben ist es wert“ –<br />
Umgang mit Krisen, Depression und Suizidalität<br />
am Donnerstag, 25. Jänner 2018 um 18.30 Uhr<br />
im Gemeindeamt Pernegg an der Mur<br />
Vortragende:<br />
Mag. a Ulrike Fuchs<br />
Mag. a Ulrike Gottlich<br />
Mag. Irene Haring-Strahser