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digital finance 02-2017

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<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

<strong>digital</strong><strong>finance</strong><br />

Zeitschrift für Technik und Digitalisierung<br />

Die mobile<br />

e-Signatur<br />

kommt<br />

› 26


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 3<br />

Roboter,<br />

übernehmen Sie!<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

Schnell, präzise und vollautomatisch: Mithilfe von Robotic<br />

Process Automation (RPA) Aufgaben abzuwickeln, ist für<br />

die Finanzindustrie keine Zukunftsvision mehr. Im Backoffice<br />

entlasten Softwareroboter ihre menschlichen Kollegen<br />

bereits bei lästigen Arbeiten wie dem Eingeben und Abgleichen<br />

von Daten. Eine Studie der Managementberatung Horváth<br />

& Partners zeigt, dass viele die neue Technologie schon<br />

nutzen oder den Einsatz planen. Etliche Finanzunternehmen<br />

haben bereits erste Erfahrungen gesammelt und starten nun<br />

in einem nächsten Schritt in eine weitreichendere Implementierungsphase.<br />

37 Prozent der Banken haben seit geraumer<br />

Zeit produktive Piloten im Einsatz. Die Nutzung von virtuellen<br />

Mitarbeitern führt zu vielschichtigen Fragestellungen in<br />

den Unternehmen – von der Kapazitätssteuerung über die<br />

Einsatzplanung bis hin zum Berechtigungs- und Security-<br />

Management.<br />

Die Automatisierung erfasst nahezu alle Bereiche im Bankbetrieb.<br />

Gemäß einer Erhebung von KPMG in Zusammenarbeit<br />

mit dem Fraunhofer Institut erwartet die Führungsebene in<br />

den Instituten sogar eine fast vollständige Digitalisierung der<br />

Bereiche Rechnungswesen, Datenmanagement, Controlling<br />

und Treasury bzw. Cash Management. Dementsprechend<br />

gehen 63 Prozent der Befragten davon aus, künftig mehr<br />

Freiraum für steuerungsrelevante und ermessensbehaftete<br />

Aufgaben zu haben. Trotz dieser bahnbrechenden Relevanz<br />

verwundert es allerdings, dass 75 Befragten angeben, dass<br />

noch keine Digitalisierungsstrategie umgesetzt wurde. Eine<br />

solche ist jedoch notwendig, um Digitalisierungsmaßnahmen<br />

zielgerichtet planen und koordiniert umsetzen zu können.<br />

Groben Schätzungen zufolge kann allein durch Robotics in<br />

der Kreditwirtschaft ein Einsparpotenzial von zehn Prozent<br />

und mehr realisiert werden. Den größten Nutzen bringen<br />

Roboter bei kundenfernen Tätigkeiten. Am stärksten an der<br />

Kostenschraube drehen lässt sich hingegen im Backoffice:<br />

Hier rechnen fast 60 Prozent der von Horváth & Partners<br />

befragten Experten mit einem Einsparpotenzial von mehr<br />

als 20 Prozent. Dass die Einführung neuer Technologien<br />

reibungslos klappt, ist allerdings nicht selbstverständlich.<br />

Generell erschwert die geringe Standardisierung von Prozessen<br />

die Implementierung der neuer Anwendungen. Zu<br />

den Hauptproblemen zählt zudem der Widerstand von Mitarbeitern,<br />

die ihren Arbeitsplatz von Robotern und automatisierten<br />

Prozessen bedroht sehen.<br />

Laut einer Studie des Beraterhauses McKinsey ist rund ein<br />

Drittel der Berufe durch die Digitalisierung ersetzbar geworden.<br />

Im Kern geht es jedoch nicht um die Alternative<br />

„Mensch oder Maschine“, sondern um die Zukunftsvision<br />

„Mensch mit Maschine“. Die Automatisierung kann es Mitarbeitern<br />

künftig ermöglichen, frei werdende Kapazitäten auf<br />

intellektuell anspruchsvollere Aufgaben zu transformieren.<br />

Die Menschen müssen lernen, mit den Robotern zu interagieren.<br />

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung liegt<br />

in der ganzheitlichen Integration der Ressource Roboter in<br />

alle prozess- und steuerungsrelevanten Fragestellungen.<br />

Hierin liegt die große Chance.<br />

In diesem Sinn wünschen<br />

wir Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!


4<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

21<br />

18<br />

52<br />

Verlag und Herausgeber: Bank-Verlag GmbH<br />

Wendelinstraße 1, 50933 Köln<br />

Tel.: +49/221/5490-0, Fax.: +49/221/5490-315<br />

E-Mail: die-bank@bank-verlag.de<br />

Redaktion: Chefredaktion: Dr. Stefan Hirschmann (verantwortlich),<br />

Wilhelm Niehoff<br />

Redaktion: Anja U. Kraus, Tel.: +49/221/5490-542<br />

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Mediaberatung: Alexander May, Tel.: +49/221/5490-603<br />

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Produktionsleitung: Armin Denzel<br />

Layout: Katrin Frese<br />

Lektorat: Ulrike Ascheberg-Klever<br />

Druck: Media Cologne Kommuni kationsmedien GmbH<br />

Luxemburger Str. 96, 50354 Hürth<br />

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Bildnachweise:<br />

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S. 4, 19, 20, © BrianAJackson S. 25, © Evgeny Sergeev S. 30, 31,<br />

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© Maxiphoto S. 56, © atese S. 59, © Ivan Bajic S. 66, 67, © MACIEJ<br />

NOSKOWSKI S.68


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 5<br />

› 21 › 52<br />

Eigenverantwortung stärken,<br />

Entscheidungen treffen<br />

Ein Blick in den Maschinenraum des FinTechs fino, das sich<br />

in nur 18 Monaten am Markt etablieren konnte und heute<br />

Lösungen für über 200 Partner anbietet.<br />

Vergabe von Marktplatzkrediten<br />

zur Kundenbindung<br />

Auxmoney zeigt, wie Banken erfolgreich mit Kreditmarktplätzen<br />

kooperieren und so verstärkt Kredite in der eigenen<br />

Filiale anbieten können.<br />

Entscheidend ist die richtige Software › 08<br />

Kundenprofile für<br />

<strong>digital</strong>e Vermögensverwalter › 10<br />

Kreditverbriefungen entlasten<br />

Bankbilanzen › 13<br />

NPL-Krise in Europa › 16<br />

Customer Experience als Leuchtfeuer › 18<br />

Eigenverantwortung stärken,<br />

Entscheidungen treffen › 21<br />

Verpasste Anrufe, verpasste Chancen › 24<br />

Die mobile e-Signatur kommt › 26<br />

Das Digitalisierungsparadigma › 29<br />

Agile Coaches für <strong>digital</strong>en Kulturwandel › 32<br />

Social Investing schafft neue Möglichkeiten › 37<br />

Total Digital –<br />

aber (noch) nicht in Deutschland › 40<br />

Freiheit treibt zu Höchstleistungen › 42<br />

Re-Engineering Asset Management › 44<br />

Digitale Kreditvergabe an Städte<br />

und Gemeinden › 46<br />

Mehr Umsatz mit E-Invoicing › 48<br />

Infos und Spaß dank der Mitarbeiter-App › 50<br />

Vergabe von Marktplatzkrediten<br />

zur Kundenbindung › 52<br />

Beim Schwärmen auch die Risiken sehen › 55<br />

Mit dem Schwarm-Vertrauen<br />

sorgsam umgehen › 58<br />

Crowdinvestment:<br />

Nachhaltigkeit und Anlegerschutz › 60<br />

Smart Data im Risikomanagement › 62<br />

Sofortkredit per App › 64<br />

Digitale Geschäftsmodelle in der Cloud › 66<br />

Bots in der Banklehre › 68<br />

Sonderteil FinTech Week <strong>2017</strong><br />

Banking im Kontext › 72<br />

Die Plattformisierung des Bankings › 75<br />

Digitales Working Capital › 78<br />

Trends und Innovationen › 06


6<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Trends und<br />

Innovationen<br />

Mobile Banking<br />

kommt gut an<br />

Mobile Bankgeschäfte sind en<br />

vogue. Das zeigen aktuelle Umfrageergebnisse<br />

des britischen<br />

Marktforschungsunternehmens<br />

YouGov zum Thema „Mobiles<br />

Banking per App“. Demnach tätigt<br />

rund jeder zweite Deutsche (56 Prozent)<br />

Bankgeschäfte inzwischen mobil<br />

oder kann sich eine Nutzung zumindest vorstellen. Zudem<br />

ist die Mehrheit der Nutzer (59 Prozent) mit ihrer Banking-<br />

App zufrieden. Zufrieden sind die Befragten vor allem mit<br />

den Mobile-Banking-Angeboten der Direktbanken. Doch<br />

trotz der hohen Zufriedenheitsquote nutzt die Banking-App<br />

der Hausbank nur jeder Zweite (55 Prozent). Ein Grund ist<br />

die Konkurrenzsituation mit Bezahlsystemen wie PayPal<br />

(nutzen 64 Prozent der Banking-App-User) oder anderen<br />

Apps. Für Nicht-Nutzer bestehen vor allem Sicherheitsbedenken.<br />

Demnach wollen fast zwei Drittel (63 Prozent) ihre<br />

Bankdaten nicht auf dem Smartphone hinterlegen. 32 Prozent<br />

haben Angst, dass bei Diebstahl oder Verlust auf das<br />

Konto zugegriffen wird.<br />

Digitale Versicherung mit<br />

Burnout-Prävention<br />

Das InsurTech-Unternehmen Getsurance und das Berliner<br />

Start-up Selfapy haben zusammen ein Vorsorgeprogramm<br />

entwickelt, das Mitarbeiter in Unternehmen über Online-<br />

Selbsthilfeprogramme psychologisch beraten und gegen<br />

Berufsunfähigkeit (BU) absichern soll. Kunden, die eine BU-<br />

Versicherung von Getsurance abgeschlossen haben, können<br />

in den Kursen anhand von Videos und interaktiven Übungen<br />

lernen, wie sie Stress abbauen, Depressionen vorbeugen<br />

oder ihr Selbstwertgefühl stärken können. 31 Prozent aller<br />

Fälle von Berufsunfähigkeit sind auf psychische Erkrankungen<br />

zurückzuführen. Damit sind psychische Leiden die<br />

häufigste Ursache von Berufsunfähigkeit in Deutschland. Zugleich<br />

warten Patienten durchschnittlich drei Monate lang auf<br />

einen Termin beim Psychotherapeuten. „Gemeinsam ist es<br />

uns gelungen, komplexe Dienstleistungen zu <strong>digital</strong>isieren<br />

und online deutlich besser zugänglich zu machen“, sagt Nora<br />

Blum (Foto), Gründerin von Selfapy. Ziel ist, Kunden für den<br />

Fall abzusichern, dass sie wegen Burnout nicht mehr ihrer<br />

Arbeit nachgehen können bzw. dass diese Situation gar nicht<br />

erst eintritt. Vorsorgeprogramme für die Gesundheit sind bei<br />

Krankenversicherungen weit verbreitet – bei der BU gab es<br />

das bislang nicht.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 7<br />

Patentstreit um<br />

VideoIdent-Verfahren<br />

Banken kämpfen<br />

mit mehr IT-Risiken<br />

Für Banken in Deutschland wird es schwerer, die gewohnten<br />

Standards an IT-Sicherheit zu gewährleisten. Sechs von<br />

zehn Instituten sprechen laut einer aktuellen Studie von<br />

Sopra Steria Consulting von komplexeren Angriffsszenarien<br />

und neuen Anforderungen an den Umgang mit IT-Risiken.<br />

Bei den Retailbanken sind es fast drei Viertel der Institute,<br />

bei denen Digitalisierung, neue Bedrohungsszenarien sowie<br />

Regulierungsvorschriften die Arbeit der Sicherheitsmanager<br />

erschweren. Die Herausforderungen der Banken steigen<br />

u. a. durch die zunehmende Zahl an Lieferanten <strong>digital</strong>er<br />

Technologien. Acht von zehn Finanzdienstleistern sind demnach<br />

über <strong>digital</strong>e Plattformen oder Softwarelösungen mit<br />

Dienstleistern vernetzt. Viele Kreditinstitute sind auch mit<br />

externen Datenbanken für eine schnelle Bonitätsprüfung<br />

bei Onlinekreditanträgen verbunden. Zudem gibt es Plattformen,<br />

auf denen Finanzierungsvorhaben von Unternehmen<br />

mit Finanzierungsangeboten von Banken zusammengeführt<br />

werden. Durch die EU-Zahlungsdiensterichtlinie<br />

PSD2 sind Banken sogar verpflichtet, sich gegenüber Drittanbietern<br />

zu öffnen. Dazu kommt, dass Banken mit ihrem<br />

eigenen Online-Bezahldienst Paydirekt künftig stärker mit<br />

Online-Händlern und dem Einzelhandel zusammenarbeiten<br />

werden. All diese neuen <strong>digital</strong>en Lösungen und Anbieter<br />

vergrößern die Angriffsfläche, und es wird anspruchsvoller,<br />

das nötige IT-Sicherheitslevel zu halten.<br />

Ein gutes Jahr lang hatte das Landgericht Düsseldorf die<br />

Verletzung des im Mai 2016 erteilten Video-Identifikations-<br />

Patents von IDnow durch den Mitbewerber WebID Solutions<br />

geprüft. In erster Instanz entschieden jetzt die Richter,<br />

dass zumindest Teile des Patents von IDnow von seinem<br />

Mitbewerber verletzt werden. Gegen die Entscheidung<br />

kann WebID Solutions Berufung einlegen. Nach dem Urteil<br />

hat IDnow einen Unterlassungsanspruch erwirkt, zeigt sich<br />

allerdings weiterhin gesprächsbereit: „Obwohl WebID Solutions<br />

für die Patentverletzung verantwortlich ist, möchten<br />

wir vermeiden, dass ihren Bestandskunden durch das Urteil<br />

eine zu große Belastung entsteht. Hier bieten wir für die<br />

Findung einer gemeinsamen Lösung gerne Einzelgespräche<br />

an“, so Sebastian Bärhold, Co-Founder und Managing Director<br />

von IDnow. Das FinTech hatte bereits im Jahr 2012 mit<br />

der Entwicklung einer Lösung für Video-Identifikation und<br />

eSigning als Online-Alternative zum Besuch in der Bankoder<br />

Postfiliale begonnen und diese schließlich zum Patent<br />

angemeldet.<br />

Beträchtliche Sicherheitslücken<br />

Linux Kernel<br />

v.2.6.277<br />

PHP v.4.0.0<br />

MS.NET<br />

Framework v.1.1<br />

Ruby on Rails<br />

v.3.2.0<br />

25 | 34<br />

4 | 33<br />

51 | 136<br />

73 | 293<br />

Python v.2.7<br />

2 | 8<br />

Häufig genutzte Infrastruktur-Komponenten enthalten<br />

nach einer Analyse des Softwareherstellers Black Duck<br />

hochriskante Schwachstellen, von denen mehr als die<br />

Hälfte durch das National Institute of Standards and<br />

Technology (NIST) als extrem schwerwiegend eingestuft<br />

werden.


8<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Entscheidend ist die<br />

richtige Software<br />

Automatisierungslösungen im Bankenwesen eignen sich vor allem für Bereiche, in denen<br />

repetitive Aufgaben ausgeführt werden, die auf regelbasierten Prozessen beruhen und<br />

ein hohes Volumen an Daten aufweisen. Banken sollten bei der Einführung von Robotik-<br />

Software sorgfältig abwägen, welches Paket am besten zu ihnen passt, denn nachträgliche<br />

Umstellungen sind ineffizient und teuer.<br />

Robotic Process Automation (RPA) bezeichnet die Softwaregesteuerte<br />

Koordination von Aktivitätsketten über verschiedene<br />

Applikationen und Systeme hinweg. Dabei agiert die<br />

Robotik-Software als virtuelle Arbeitskraft. Sie wird auf der<br />

Desktop-Oberfläche installiert, ohne in die bestehende IT-<br />

Systemlandschaft einzugreifen, und kombiniert dabei Technologien<br />

der Erkennung grafischer Benutzeroberflächen mit<br />

einer Workflow-Steuerung. Das Hauptziel ist die Effizienzsteigerung.<br />

Durch die Implementierung von Automatisierungssoftware<br />

können manuelle oder repetitiv-sequenzielle Tätigkeiten<br />

an die Software ausgelagert und damit die korrekte<br />

Ausführung dieser Prozesse um ein Vielfaches beschleunigt<br />

werden. Die automatisierte Datenverarbeitung kann ohne<br />

Medienbrüche rund um die Uhr ausgeführt werden. Die<br />

Kosten für die Software und ihre Einführung werden durch<br />

geringere Mitarbeiterkosten schnell amortisiert. Umgekehrt<br />

können die Mitarbeiter für Aufgaben eingesetzt werden, die<br />

kreative und empathische Fähigkeiten verlangen, wie die<br />

Kundenbetreuung oder das Innovationsmanagement. Vor<br />

allem das Backoffice mit seiner niedrigen Kundeninteraktion<br />

und einem hohen Maß an repetitiven Aufgaben weist eine<br />

Vielzahl an automatisierbaren Bereichen auf, etwa beim Release-<br />

und Regressionstest. Ein anderer Bereich, der sich<br />

im Bankensektor für die Automatisierung anbietet, ist die<br />

Compliance. Hier erstellt die Software selbstständig den<br />

Compliance-Bericht und bezieht die Daten aus vordefinierten<br />

Quellen, wobei auch voreingestellt werden kann, wie<br />

genau die Angaben sein müssen.<br />

Kriterien für die Software-Auswahl<br />

Die Auswahl der RPA-Software sollte gut<br />

durchdacht sein. Nicht jede Software ist für<br />

jedes Unternehmen gleich gut geeignet, und<br />

gerade bei Banken kommen besondere Ansprüche<br />

an Revision, Sicherheit und Regulierung<br />

hinzu. Mehrere Faktoren sind zu beachten. Hinsichtlich<br />

des Funktionsumfangs und der Reife reicht die Bandbreite


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 9<br />

von einfacher Bedieneroberflächen-Automatisation und<br />

Screen Scraping bis zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz<br />

und Selbstlernmechanismen. Zudem kann der Ansatz nur in<br />

einzelnen Prozessabschnitten (z. B. Backoffice) oder entlang<br />

der gesamten Prozesskette erfolgen. Die Roboter selbst<br />

sollten eine schnelle Replikation zur Ausführung einer Aufgabe<br />

ermöglichen.<br />

Bei System- und Releasewechseln lässt sich gute RPA-<br />

Software problemlos updaten. Ein weiterer Punkt ist die<br />

Architekturintegration. Ein Markenzeichen von RPA ist eine<br />

einfache Installation, die nur minimalinvasiv in die bestehende<br />

IT-Architektur eingreift und ohne programmierte Schnittstellen<br />

funktioniert. Um Sicherheit und Revisionsfähigkeit zu<br />

gewährleisten, ist eine lückenlose Dokumentation der automatischen<br />

Tätigkeiten notwendig. Jedoch fehlen noch die<br />

Grundvoraussetzungen für die Nachvollziehbarkeit automatisierter<br />

Schritte und eine revisionsgerechte Handhabung von<br />

Logs, den Protokollen von Ereignissen eines Programms.<br />

Die Marktanteile und Referenzkunden im Banken- und Versicherungswesen<br />

geben Finanzdienstleistern Hinweise, in<br />

welchem Maß die Automatisierungslösung für ihre Branche<br />

maßgeschneidert ist. Außerdem ist darauf zu achten, wie die<br />

Softwarefirmen im Markt aufgestellt sind, um ihre Zukunftsfähigkeit<br />

abschätzen zu können. Der Anteil am Umsatz und<br />

der Gesamtsumme von Investitionen in Forschung und Entwicklung<br />

sowie der Zugang zu Kapital sind valide Indikatoren.<br />

Mehrstufiger Evaluationsprozess<br />

Die Auswahl einer geeigneten Robotik-Software<br />

sollte ihm Rahmen eines mehrstufigen<br />

Evaluationsprozesses erfolgen, der in wenigen<br />

Wochen abgeschlossen werden kann.<br />

Voraussetzung für die gelungene Integration<br />

von RPA ist jedoch, dass die Prozesse bereits standardisiert<br />

und <strong>digital</strong>isiert sind. Nach der Erstellung einer Roadmap<br />

über die zu automatisierenden Aktionsfelder und die Ziele<br />

der Automatisierung wird im zweiten Schritt die zum System<br />

passende Software selektiert. Beim Prototyping wird ein Bereich<br />

mit hohen Quick Wins ausgewählt und die Automatisierung<br />

exemplarisch ausgeführt. Im nächsten Schritt steht ein<br />

Test der Automatisierung in der täglichen Arbeit an. Schließlich<br />

wird die RPA auf andere geeignete Bereiche ausgedehnt<br />

und eine Struktur zu ihrer Umsetzung in allen Unternehmensberreichen<br />

aufgesetzt. Um Robotic Process Automation<br />

in der Bank erfolgreich einzurichten, sind auch systemimmanente<br />

prozessuale und technische Faktoren zu berücksichtigen.<br />

Prozessuale Eigenschaften, die über das Ausmaß<br />

der Notwendigkeit zur Installation von RPA-Software<br />

entscheiden, sind zum Beispiel das Level der menschlichen<br />

Interaktion oder das Exposure zu betrügerischen Aktivitäten.<br />

Technische Faktoren sind etwa das Ausmaß der Interaktion<br />

mit Anwendungen und Systemen oder die IT-Sicherheit.<br />

Kontrolle des virtuellen Mitarbeiters<br />

Nachdem die RPA-Software installiert und<br />

schrittweise in das Gesamtsystem integriert<br />

wurde, bedarf es einer stetigen Kontrolle<br />

durch die menschlichen Mitarbeiter. Damit<br />

wandeln sich die Aufgaben der Mitarbeiter<br />

von der aktiven Ausführung manueller Aufgaben hin zum<br />

Monitoring. Um einen reibungslosen Übergang zur automatisierten<br />

Dateneingabe innerhalb des Betriebs zu ermöglichen,<br />

bedarf es einer lückenlosen User-Dokumentation und<br />

des Zugangs zu einer Online-Community, wo Mitarbeiter<br />

Support und Lernmaterialen erhalten.<br />

Autor<br />

André H. Burger ist Geschäftsführer der deutschen Niederlassung<br />

von Synpulse Management Consulting.<br />

Fazit<br />

Prozesse, die auf der repetitiven Ausführung von<br />

Aufgaben basieren, benötigen ein hohes Maß an<br />

Mitarbeiter- und Zeitressourcen und sind aufgrund<br />

des intellektuell wenig stimulierenden Charakters<br />

fehleranfällig. Die Integration von RPA in Form von<br />

IT-Lösungen ermöglicht es Banken, diese Aufgaben<br />

an die Software auszulagern. Dadurch werden<br />

die Kosten gesenkt und Mitarbeiter können<br />

sich auf höherwertige Aufgaben konzentrieren.<br />

Zur Auswahl der passenden Robotik-Software<br />

empfiehlt sich ein mehrstufiges Verfahren. Dabei<br />

sollten auch prozessuale und technische Eigenschaften<br />

des Unternehmens für die Auswahl in<br />

Betracht gezogen werden.<br />

Obwohl Robotic-Process-Automation-Lösungen<br />

marktreif sind, ist die Marktdurchdringung im europäischen<br />

Bankensektor noch relativ gering. Dabei<br />

steht schon die nächste Stufe der Automatisierungs-Evolution<br />

in den Startlöchern: die selbstlernende<br />

Maschine, die aus den Daten die richtigen<br />

Schlüsse für zukünftiges Verhalten zieht. Bis zur<br />

Anwendung Künstlicher Intelligenz im täglichen<br />

Bankgeschäft ist es aber noch ein weiter Weg.


10<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Kundenprofile für<br />

<strong>digital</strong>e Vermögensverwalter<br />

Im Zuge der Digitalisierung lässt sich in der klassischen Anlageberatung ein Wandel<br />

vom reinen Offline-Milieu hin zur Omni-Channel-Strategie beobachten. Für rein <strong>digital</strong>e<br />

Finanzdienstleister wird es immer wichtiger, eine möglichst konkrete Vorstellung von<br />

den Präferenzen jedes Kunden zu erhalten, um ihm auch online ein passgenaues<br />

Angebot unterbreiten zu können.<br />

Die klassische Anlageberatung ist im Zuge eines zunehmenden<br />

Produktangebots und eines hohen Wettbewerbs<br />

innerhalb der Branche für Finanzdienstleister heutzutage<br />

unverzichtbar. Zum einen haben Anleger unterschiedliche<br />

Kenntnisse über Eigenschaften und Risikogehalt ihrer Geldund<br />

Kapitalanlagen. Zum anderen können sie aufgrund der<br />

Vielzahl der angebotenen Finanzprodukte häufig nicht ohne<br />

Hilfe eines Vermögensverwalters entscheiden, welche Anlageform<br />

die richtige für sie ist. Die Anlageberatung nimmt<br />

jeden Anleger an die Hand, erklärt und zeigt Möglichkeiten<br />

für die passende Geldanlage auf. Sie ist persönlich und individuell,<br />

aber bislang vor allem eins: offline.<br />

Doch im Zuge der Digitalisierung lässt sich ein Wandel in<br />

der klassischen Anlageberatung beobachten: Weg vom reinen<br />

Offline-Milieu, hin zur Omni-Channel-Strategie. Finanzdienstleister<br />

stellen ihren Kunden damit gleichermaßen Offund<br />

Online-Kanäle zur Interaktion bereit. Sie haben die Wahl,<br />

ob sie den persönlichen Kontakt in ihrer Filiale bevorzugen<br />

oder den Service des Finanzdienstleisters ihres Vertrauens<br />

lieber am eigenen Schreibtisch zu Hause in Anspruch nehmen<br />

möchten. Wirklich etabliert sind <strong>digital</strong>e Services allerdings<br />

bislang lediglich im Bereich Transaktionen oder zum<br />

Monitoring der aktuellen Investments. Verkauf und Beratung<br />

stellen den nächsten Schritt auf der Agenda hin zu einem <strong>digital</strong>isierteren<br />

Umfeld dar. Für rein <strong>digital</strong>e Finanzdienstleister<br />

wird es daher immer wichtiger, eine möglichst konkrete<br />

Vorstellung von den Präferenzen jedes Kunden zu erhalten,<br />

um ihm auch online ein passgenaues Angebot unterbreiten<br />

zu können.<br />

Das sogenannte OPTI-Modell ist ein theoretischer Ansatz,<br />

um als <strong>digital</strong>er Vermögensverwalter glaubwürdige Anlegerprofile<br />

zu entwickeln und so ein genaueres Bild des Zielkunden<br />

zu bekommen. Die Abkürzung „OPTI“ setzt sich dabei<br />

aus den folgenden Begriffen zusammen: Objective (rational),<br />

Prudent (umsichtig), Trustful (vertrauensvoll) und Interested<br />

(interessiert). Diese Charakteristika stehen für vier Dimensionen<br />

eines hypothetischen Kundenprofils, die aus den Erkenntnissen<br />

von Studien der Behavioural Finance hergeleitet<br />

wurden. Diese analysiert, welche psychologischen Aspekte<br />

in Investmententscheidungen mit einbezogen werden.<br />

Objective – Rationalität bei Investmententscheidungen<br />

Die Objective-Dimension zeigt, wie rational ein Kunde seine<br />

Entscheidungen fällt. Die maximale Punktzahl dieser Dimension<br />

beschreibt einen Anleger, der sich unbeeindruckt<br />

von Emotionen zeigt, die seine Entscheidung beeinflussen<br />

könnten. Er besitzt keine kognitiven Dissonanzen und verlässt<br />

sich allein auf Fakten, die er vor Kauf eines Produkts<br />

sorgfältig gegeneinander abwägt. Das andere Extrem der<br />

Objective-Dimension zeigt dagegen einen Kunden, der<br />

sämtliche Fehler begeht, die der Behavioural Finance bekannt<br />

sind. Dazu zählen beispielsweise zyklische Investments<br />

sowie eine überwiegende Anlage in inländische Aktien,<br />

die ihm zwar das Gefühl von Sicherheit geben, aber in


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 11<br />

einer unzureichenden Diversifikation und unnötigen Risiken<br />

resultieren.<br />

Eine <strong>digital</strong>e Anlageberatung sollte also so konstruiert sein,<br />

dass sie dem Kunden einen informativen Mehrwert bietet.<br />

Anleger, die zu den klassischen Anlagefehlern neigen, sollen<br />

bei ihrer Entscheidung transparent unterstützt werden<br />

– ohne dass ihnen die Entscheidung abgenommen wird. So<br />

kann ein Anleger, der zu zyklischen Investments neigt, aktiv<br />

darüber informiert werden, dass antizyklische Investments<br />

deutliche Vorteile haben können. Alternativ könnte ihm ein<br />

periodisches Rebalancing seiner gewählten Assetallokation<br />

angeboten werden, das das System automatisch für<br />

ihn übernimmt. Diese Mechanismen sind auch unter dem<br />

Begriff „Nudging“ bekannt. Dabei werden psychologische<br />

Verhaltensweisen dazu genutzt, um Menschen zu der für<br />

sie und für die Gesellschaft günstigsten Entscheidung zu<br />

führen.<br />

Prudent – Tools testen den Wissensstand und unterstützen<br />

bei der Anlageentscheidung<br />

Die Prudent-Charakteristik findet heraus, wie gut der Nutzer<br />

mit den nötigen Fakten für ein Investment vertraut ist,<br />

und ob er seine eigenen Präferenzen kennt. Ein Anleger mit<br />

maximaler Punktzahl verfügt über den kompletten Überblick<br />

seiner Finanzen. Er weiß genau, welche Investmentziele<br />

er erreichen will und kann diese in Relation zu seiner persönlichen<br />

Risikofreudigkeit setzen. Ein Anleger mit geringer<br />

Punktzahl hingegen hat wenig bis gar keinen Überblick über<br />

seine finanzielle Situation. Er kann keine klaren Ziele benennen,<br />

weiß nicht, welche Risiken er bereit ist einzugehen und<br />

zeigt sich höchst unsicher.<br />

Der korrekte Messwert der Prudent-Charakteristik ist sehr<br />

wichtig für die weitere Interaktion mit dem Anleger. Nutzer<br />

mit geringem Wert neigen dazu, schnell überfordert zu sein<br />

und den Anlageprozess abzubrechen. Produktspezifische<br />

Angebote, die sie nicht verstehen, werden nicht als Hilfe angesehen<br />

und lassen schnell den Verdacht aufkommen, dass<br />

ihre persönliche Situation im <strong>digital</strong>en Umfeld nicht verstanden<br />

wird.<br />

Je nach Typ können verschiedene Tools in den <strong>digital</strong>en Anlageprozess<br />

eingebaut werden, die den Nutzer durch die für<br />

eine Investmententscheidung relevanten Themen führen.<br />

Dazu zählt beispielsweise eine Abfrage, wie viel Kapital monatlich<br />

für ein Investment zur Verfügung steht. Risiken können<br />

vereinfacht in grafischer Form dargestellt werden, ebenso<br />

wie Informationen zu Benefits und Mindestbeiträgen für<br />

eine sinnvolle Anlage. Diese Tools sollen die Entscheidung<br />

vereinfachen und Unsicherheiten im Hinblick auf ein Investment<br />

reduzieren.<br />

Prof. Dr. Dirk Braun ist Deutschland-Leiter von<br />

investify, dem ersten <strong>digital</strong>en Vermögensverwalter,<br />

der individuelle Kundenpräferenzen in<br />

der Assetallokation berücksichtigt. Seit 2011 lehrt<br />

er zudem an der FOM Hochschule für Ökonomie<br />

& Management und ist dort Professor für Bankund<br />

Finanzwirtschaft.<br />

Trustful – Das Vertrauensbarometer für den <strong>digital</strong>en<br />

Service<br />

Die Trustful-Charakteristik misst das Vertrauen in das <strong>digital</strong>e<br />

Angebot. Die maximale Punktzahl bedeutet, dass der<br />

Kunde vollstes Vertrauen in die Tools und Empfehlungen des<br />

Dienstleisters hat. Unsicherheiten bezüglich Sicherheitslücken<br />

oder Datenschutz hat er nicht. Fehlt allerdings das Vertrauen,<br />

wird der Nutzer die <strong>digital</strong>e Umgebung nicht nutzen<br />

wollen, wenn er dabei empfindliche Daten wie etwa Konto-<br />

Informationen angeben muss. Für solche Kunden sollte ein<br />

Offline-Channel oder die Möglichkeit einer Video-Konferenz<br />

innerhalb des Tools angeboten werden.


12<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Interested – Grad des Interesses entscheidet über die<br />

Ausführlichkeit der Information<br />

Die Interested-Dimension bestimmt, wie interessiert der<br />

Kunde an Finanzthemen ist und wie motiviert er ist, Antworten<br />

auf spezifische Fragen zu finden. Anleger mit einem guten<br />

Wert sind stetig auf der Suche nach verständlichen Informationen<br />

und sind bereit, sich gegen Zeit, Energie und sogar<br />

gegen Geld Wissen anzueignen. Dies resultiert in einer höheren<br />

finanziellen Kompetenz, da sie bereits Informationen<br />

zu der angestrebten Entscheidung gesammelt haben. Für<br />

diese Kunden ist es wichtig, dass klare Informationen geliefert<br />

werden, die unmissverständlich argumentieren, warum<br />

sich der Kunde für das vom System angebotene Portfolio<br />

entscheiden sollte. Am anderen Ende der Skala liegt dagegen<br />

der Kunde, der sich nicht für finanzielle Themen interessiert<br />

und auch keine Zeit und Energie opfern möchte, um<br />

sich in diese hineinzuarbeiten. Dieser sollte entsprechend<br />

mit weniger ausführlichen Informationen zu den Vorschlägen<br />

des Systems versorgt werden. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass er die Informationsflut als ärgerlich oder verunsichernd<br />

empfindet und den Anlageprozess abbricht, ist hoch.<br />

Prof. Dr. Rüdiger von Nitzsch sitzt seit 2015 im<br />

Verwaltungsrat der investify S.A. in Luxemburg.<br />

Zudem ist er Vorsitzender des Aufsichtsrats<br />

der aixigo AG, die an investify beteiligt<br />

ist. Rüdiger von Nitzsch ist Professor an der<br />

RWTH Aachen und leitet dort das Lehr- und<br />

Forschungsgebiet „Entscheidungsforschung<br />

und Finanzdienstleistungen“.<br />

Die Verfügbarkeit einer großen Menge an Informationen<br />

und das Festlegen der persönlichen Präferenzen sind klare<br />

Vorteile eines <strong>digital</strong>en Serviceangebots gegenüber der<br />

klassischen Anlageberatung. Kunden am oberen Ende der<br />

Trustful-Skala empfinden die uneingeschränkte Möglichkeit<br />

eines <strong>digital</strong>en Anlageprozesses als Mehrwert und gesteigerte<br />

Flexibilität, da Terminabsprachen mit Beratern und die<br />

Anreise zu persönlichen Gesprächen entfallen. Sogenannte<br />

hybride Modelle, in denen Berater und Kunden den gleichen<br />

Bildschirm teilen, gewinnen zunehmend an Beliebtheit.<br />

Denn sowohl für den Dienstleister als auch für den Kunden<br />

bietet ein solches Modell Vorteile.<br />

Den <strong>digital</strong>en Kundenservice optimieren<br />

Die OPTI-Charakteristiken sollen dabei helfen, die verschiedenen<br />

Kundentypen zu identifizieren. Schließlich ermöglicht<br />

eine Kenntnis über die individuellen Neigungen eine passgenaue<br />

Zulieferung von Produkten oder Portfolio-Empfehlungen.<br />

Ein intelligentes <strong>digital</strong>es Tool kann darüber hinaus<br />

dem Anleger die nötige Sicherheit bei der Entscheidungsfindung<br />

bieten – im Zweifel unter Hinzuziehung eines traditionellen<br />

Offline-Channels. Braucht ein Kunde beispielsweise<br />

viel Zeit, um Fragen zu beantworten oder revidiert diese<br />

mehrmals, könnte das Unsicherheit bezüglich dieser Fragen<br />

aufzeigen. Hier könnte er die Möglichkeit angeboten bekommen,<br />

einem Berater seine Zweifel oder Fragen per Videooder<br />

Voice-Verbindung mitzuteilen und mit ihm gemeinsam<br />

einen Lösungsweg zu finden.<br />

Autoren<br />

Prof. Dr. Dirk Braun, Leiter investify Deutschland.<br />

Prof. Dr. Rüdiger von Nitzsch, Verwaltungsrat investify S.A.<br />

Fazit<br />

Das theoretische OPTI-Modell kratzt derzeit noch<br />

an der Oberfläche dessen, was <strong>digital</strong>e Lösungen<br />

in der Beratung und im Verkauf bieten können. Die<br />

zukünftige Entwicklung im Bereich <strong>digital</strong>e Investments<br />

sollte zu einem Instrument führen, das alle<br />

Charakteristiken dieses Modells berücksichtigt<br />

und mit dessen Ergebnissen ein entsprechendes<br />

Nutzerprofil aufbaut. Im nächsten Schritt bedeutet<br />

das konkret, die technischen und inhaltlichen Komponenten<br />

für die <strong>digital</strong>e Kunden-Interaktion zu<br />

identifizieren und anzuwenden, um dem Kunden<br />

auch online ein passgenaues Angebot unterbreiten<br />

zu können.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 13<br />

Kreditverbriefungen<br />

entlasten Bankbilanzen<br />

Verschärfte Eigenkapitalvorschriften, Niedrigzins und die fehlende flächendeckende Digitalisierung<br />

sind in Summe ein gefährlicher Mix für die Profitabilität der Finanzinstitute. Eines<br />

der Kernprobleme sind überlastete Bilanzen, die den Spielraum zur Kreditvergabe bisweilen<br />

einschränken. Das Berliner FinTech CrossLend möchte den Banken daher einen Teil<br />

ihrer Kredite abkaufen und sie ab 2018 auf einer „European Debt Exchange“ institutionellen<br />

Investoren zum Kauf anbieten.<br />

Laut dem Beratungshaus PricewaterhouseCoopers arbeiten<br />

schon sieben von zehn Finanzdienstleistern hierzulande mit<br />

FinTechs zusammen. Statt die Newcomer zu bekämpfen,<br />

sucht das Establishment lieber den Schulterschluss. Und<br />

dieser Trend ist auch global zu beobachten: Knapp die Hälfte<br />

der Finanzdienstleister kooperiert bereits mit FinTechs; im<br />

Vorjahr war es laut PwC noch ein Drittel. Die Finanz-Startups<br />

profitieren von einer funktionierenden Infrastruktur und<br />

der vorhandenen Banklizenz der großen Institute. Die Banken<br />

wiederum gewinnen innovative, flexible und technologisch<br />

versierte Partner, die konsequent das Kundenbedürfnis<br />

ins Zentrum ihrer Arbeit stellen.<br />

Dabei kann die Zusammenarbeit sehr vielfältig sein: So lassen<br />

sich die Deutsche Bank und die Commerzbank von Gini<br />

bei der semantischen Dokumentenanalyse helfen; die DKB<br />

bürgt für die Überweisungs-App Cringle und die Münchner<br />

Fidor Bank integriert gleich reihenweise Dienste Dritter in<br />

ihre offene Kontoplattform. Es ist ein Geben und Nehmen<br />

zum beiderseitigen Vorteil. Und gerade die Banken scheinen<br />

derzeit auf Hilfe angewiesen zu sein. Die FinTechs haben als<br />

Branchen-Neulinge wenig zu verlieren; die etablierten Geldinstitute<br />

hingegen fürchten um Kunden und Marktanteile.<br />

Nicht nur die neue Konkurrenz macht den Banken zu schaffen<br />

– auch die verschärften Eigenkapitalvorschriften und das<br />

historisch niedrige Zinsniveau sind Gift für die Profitabilität.<br />

Deshalb ist man bankenseitig auf der Suche nach Partnern,<br />

die grundlegende Probleme entschärfen und die Bilanzen<br />

verbessern. CrossLend gehört zu einer neuen Klasse Fin-<br />

Techs, die nicht nur einen einzelnen Teil der Value-Chain der<br />

Bank optimiert, sondern als Enabler die operative Effizienz<br />

steigert und neue Produkte ermöglicht.<br />

Kreditbörse für den Handel mit verbrieften Krediten<br />

CrossLend entwickelt eine Kreditbörse für den Handel mit<br />

verbrieften Krediten, von der vor allem Banken, aber auch Investoren<br />

und indirekt alle europäischen Unternehmen profitieren,<br />

die auf neue Kredite angewiesen sind. Ziel ist es, bei<br />

der Schaffung der Europäischen Kapitalmarktunion zu helfen;<br />

ein Unterfangen, bei dem die Europäische Kommission<br />

bislang nur mäßigen Erfolg vorweisen kann. Im Kern geht<br />

es darum, eine Brücke zwischen Investoren und Kreditnehmern<br />

zu bauen sowie den Banken neue Refinanzierungs-


14<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Oliver Schimek ist Gründer und Chef von<br />

CrossLend. Zuvor war er als Chief Financial<br />

& Investment Officer für die Kreditech<br />

Holding in Hamburg tätig. Der Physiker<br />

und Volkswirt trat bereits als Gründer des<br />

Unternehmens Quantea in Erscheinung,<br />

das Trading-Algorithmen und IT-Infrastrukturen<br />

für den Devisenhandel entwickelte.<br />

Oliver Schimek lebt mit seiner Familie in<br />

Berlin.<br />

möglichkeiten für die Kreditvergabe zu eröffnen. Denn aus<br />

dem Mangel an Krediten in einigen Bereichen resultieren<br />

nicht zuletzt handfeste realwirtschaftliche Probleme.<br />

Die zugrunde liegende Idee ist naheliegend: Banken verkaufen<br />

ihre Kredite abzüglich eines Selbstbehalts, wodurch sie<br />

ihre Bilanz entlasten und das befreite Eigenkapital für neue<br />

Kredite nutzen können. Die abgetretenen Kredite werden<br />

einzeln verbrieft und vollkommen transparent zum Kauf angeboten.<br />

Diese Wertpapiere können dann von institutionellen<br />

Investoren erworben werden. Damit macht CrossLend<br />

die Banken peer-to-peer-fähig und bietet Investoren eine<br />

rentable neue Assetklasse.<br />

Natürlich möchte man dabei nicht die Fehler der Finanzkrise<br />

wiederholen: Der Handel erfolgt deshalb nicht mit intransparenten,<br />

gepoolten ABS-Papieren (Asset Backed Securities).<br />

Stattdessen wird jeder Kredit zu einem einzelnen Wertpapier,<br />

das Investoren individuell bewerten können. Dies<br />

schafft bei jeder Transaktion die Möglichkeit einer doppelten<br />

Kreditprüfung. Denn erstens absolviert die Bank wie üblich<br />

eine Kreditwürdigkeitsprüfung; zweitens kauft der Investor<br />

das Papier nur, wenn er den Kredit auch verstanden hat.<br />

Auf diese Weise können Konsumentenkredite, aber auch<br />

SME- und Immobilienkredite in einzelne Bonds transformiert<br />

werden. Die Banken behalten dabei immer einen Eigenanteil<br />

in ihren Büchern. Die bisherigen Erfahrungen zeigen,<br />

dass dieser in vielen Fällen auch nicht gering ist und<br />

viele Banken sogar die Mehrheit bei den Krediten behalten<br />

möchten. Unabhängig von der Höhe des verbleibenden Engagements<br />

bleibt die Kundenbeziehung und -betreuung jedoch<br />

weiterhin in der Hand der Bank.<br />

Partner und Helfer der Finanzwirtschaft<br />

CrossLend sieht sich demnach in keiner Weise in der Tradition<br />

disruptiver FinTechs, die angetreten sind, um den Etablierten<br />

Konkurrenz zu machen. Ganz im Gegenteil: Cross-<br />

Lend stellt sich ganz bewusst auf die Seite der Banken, die<br />

eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung haben. Nimmt<br />

man beispielsweise die Bilanzsumme der Rabobank: Diese<br />

liegt bei etwa 700 Mrd. €, was annähernd dem Bruttoinlandsprodukt<br />

der Niederlande entspricht. Uns Bürgern muss<br />

daran gelegen sein, das Bankensystem als Rückgrat unserer<br />

Wirtschaft zu schützen und zu stärken. Deshalb möch-


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 15<br />

te CrossLend als Partner helfen, die operative Effizienz zu<br />

steigern sowie Kapital- und Akquisekosten zu senken. Dann<br />

können die Finanzinstitute auch ihren Kernaufgaben wieder<br />

bestmöglich nachkommen.<br />

Käufer der verbrieften Wertpapiere sind einerseits Banken,<br />

die sich ein Kreditportfolio nach ihren Bedürfnissen zusammenstellen<br />

wollen, andererseits institutionelle Investoren.<br />

Besonders für Pensionsfonds oder Versicherungen, die auf<br />

eine Fixed-Income-Rendite angewiesen sind, ist dies eine<br />

gute Assetklasse.<br />

Dass es dringend der Schaffung eines europäischen Kapitalmarkts<br />

bedarf, belegt auch das Engagement der Investoren,<br />

die mit CrossLend zusammenarbeiten. Mit CME Ventures<br />

wurde beispielsweise die VC-Beteiligungstochter der<br />

weltweit größten Börse, der Chicago Mercantile Exchange<br />

(CME), gewonnen. Das Engagement ist die erste Beteiligung<br />

von CME Ventures in Europa überhaupt. Zudem sind<br />

der Luxembourg Future Fund (LFF) sowie Promus Ventures<br />

aus den USA eingestiegen, die sich genau wie Lakestar,<br />

Northzone und Atlantic Labs als Kapitalgeber einbringen.<br />

Autor<br />

Oliver Schimek ist CEO bei CrossLend.<br />

Fazit<br />

Durch eine Kreditbörse für den Handel mit verbrieften<br />

Krediten, von der Banken, Investoren und<br />

Unternehmen gleichermaßen profitieren, kann<br />

die Schaffung der Kapitalmarktunion nachhaltig<br />

unterstützt werden – ein Unterfangen, bei dem die<br />

Europäische Kommission bislang nur mäßigen Erfolg<br />

vorweisen kann. Im Kern geht es darum, eine<br />

Brücke zwischen Investoren und Kreditnehmern zu<br />

bauen sowie den Banken neue Refinanzierungsmöglichkeiten<br />

für die Kreditvergabe zu eröffnen.<br />

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16<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

NPL-Krise in<br />

Europa<br />

Europas Banken haben mit dem hohen Bestand an offenen Forderungen zu kämpfen.<br />

In den Bilanzen der Geldinstitute schlummern faule Kredite im Wert von über 1 Bio. €.<br />

Die Verwertung der Non-Performing Loans (NPL) über klassische Vehikel wird<br />

wohl noch viele Jahre in Anspruch nehmen.<br />

Bei vielen europäischen<br />

Finanzinstituten<br />

sind die Altlasten<br />

aus dem Kreditrisikomanagement<br />

der vergangenen<br />

Jahre noch<br />

längst nicht bereinigt.<br />

In den Bilanzen von Europas<br />

Kreditinstituten liegen aktuell offene<br />

Forderungen im Wert von über<br />

1 Bio. €. Besonders verheerend ist der Anteil der faulen Kredite<br />

aktuell in Griechenland: Mehr als 40 Prozent der Kredite<br />

vor Ort sind offen, das bedeutet, sie wurden seit mehr als<br />

90 Tagen nicht mehr bedient. Zum Vergleich: Der Anteil in<br />

Deutschland beträgt gerade einmal 1,2 Prozent.<br />

Weniger Liquidität, weniger Wachstum<br />

Auch Italien muss sein NPL-Problem dringend in den Griff<br />

kriegen: Mit etwa 360 Mrd. € an offenen Forderungen haben<br />

die dortigen Banken aktuell zu kämpfen. Einige Kreditinstitute<br />

vor Ort hat die hohe NPL-Menge bereits in die Insolvenz<br />

getrieben: Ende Juni erwischte es die Veneto Banca sowie<br />

die Banca Popolare di Vicenza. Monatelang versuchte die italienische<br />

Regierung, eine vernünftige Lösung für die beiden<br />

venezianischen Geldhäuser zu finden, doch mittlerweile ist<br />

das Schicksal der Banken besiegelt. Die ausfallgefährdeten<br />

Kredite sollen jetzt in eine Bad Bank überführt werden, deren<br />

Abwicklung der NPLs den italienischen Staat insgesamt<br />

etwa 5 Mrd. € kosten wird. Die noch geschäftsfähigen Bereiche<br />

sollen wohl von der Großbank Intesa Sanpaolo übernommen<br />

werden. Dass überfällige Kredite zu einem echten<br />

Problem für Europas Banken und somit auch für die europäische<br />

Wirtschaft geworden sind, ist mittlerweile auch den<br />

großen Bankenaufsehern klar geworden. Denn aufgrund der<br />

verknappten Liquidität der Banken können weniger Kredite<br />

vergeben werden, was das Wachstum der jeweiligen Volkswirtschaften<br />

merklich hemmt.<br />

Aktionsplan gegen notleidende Kredite<br />

Anfang Juli wurde es dann konkreter: Die EU-Finanzminister<br />

verständigten sich in Brüssel auf einen „Aktionsplan gegen<br />

notleidende Kredite“. Die Minister beschlossen dabei Lösungen,<br />

wie der hohe Anteil an NPLs in Europas Geldinstituten<br />

möglichst schnell abgebaut werden kann. Zusätzlich wurden<br />

noch Maßnahmen festgelegt, wie künftig eine Anhäufung<br />

der faulen Kredite verhindert werden kann. Die Finanzminister<br />

der EU einigten sich zudem darauf, dass es keine<br />

EU-weite Bad Bank geben wird. Vielmehr sollen nationale<br />

Lösungen erarbeitet werden, wie die Bildung von Sekundärmärkten;<br />

auch die Gründung von länderspezifischen Verwertungsgesellschaften,<br />

die später in Bad Banks umgewandelt<br />

werden können, sind laut der EU möglich.<br />

Doch die Zeit drängt – in Griechenland oder Italien müssen<br />

die Maßnahmen schnell greifen. Denn die Finanzinstitute in<br />

den betroffenen Ländern stehen unter einem sehr hohen<br />

Druck, ihre Bilanzen unmittelbar zu bereinigen. Bis dort die<br />

von den EU-Finanzministern beschlossenen Maßnahmen<br />

umgesetzt werden, kann es für einige Kreditinstitute zu spät<br />

sein. Schneller geht der Forderungsverkauf beispielsweise<br />

über Online-Marktplätze. Diese ermöglichen Banken und<br />

Unternehmen aus ganz Europa den Verkauf offener Forderungen<br />

über eine Online-Börse. Der generell eher langsame


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 17<br />

Verkaufsprozess über klassische Vertriebswege wie Beratungsgesellschaften<br />

oder Inkasso-Firmen wird dabei <strong>digital</strong>isiert<br />

und deutlich beschleunigt: Dank der Möglichkeiten, die<br />

das Internet heute bietet, sind die NPLs innerhalb weniger<br />

Wochen auf der Forderungsbörse per Auktion handelbar.<br />

Aber wer kauft die faulen Kredite, die Europas Banken seit<br />

der Eurokrise angesammelt haben?<br />

Distressed Investments werden immer beliebter<br />

In den vergangenen Jahren ist das Interesse an alternativen<br />

Investmentformen stark gestiegen: Moderne Anlagekonzepte<br />

wie Private Equity sorgen für eine erhöhte Diversifizierung<br />

und auf Dauer für verbesserte Renditechancen.<br />

Auch der Markt der Distressed Investments, also für ausgefallene<br />

Kredite und NPLs, ermöglicht Investoren den Einstieg<br />

in vielversprechende Anlageklassen fernab von Aktien<br />

und Anleihen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Handel<br />

mit offenen Forderungen allerdings noch ausschließlich von<br />

institutionellen Investoren wie Investmentbanken oder großen<br />

Equity-Fonds bestimmt, die milliardenschwere Portfolios<br />

aufgekauft haben. Damals war der Markteintritt quasi<br />

unmöglich, wenn man nicht über sehr große Finanzmittel<br />

oder direkte Bankenkontakte verfügte. Und entsprechend<br />

groß waren auch die NPLs die verkauft wurden.<br />

Dies hat sich mittlerweile geändert: Institutionelle Investoren<br />

und Banken stellen nach Jahren der Abarbeitung der<br />

Portfolien vermehrt Einzelengagements zum Verkauf, die<br />

dann im freien Handel auftauchen. Das bietet auch kleineren<br />

Private-Equity-Gesellschaften und Family Offices die Gelegenheit,<br />

in den Distressed-Investments-Markt einzusteigen.<br />

Denn die notleidenden Kredite haben sich als lukrativer<br />

Spezialbereich für Investoren erwiesen. Mittlerweile steigern<br />

etwa 500 Investoren aus Großbritannien, den USA und<br />

ganz Europa auf die angebotenen Kredite auf dem Online-<br />

Marktplatz Debitos. Zu den Anbietern gehören mehr als 40<br />

europäische Banken, die neben ausgefallenen Forderungen<br />

auch besicherte und unbesicherte Kredite sowie Insolvenzquoten<br />

verkaufen. Wie bei jeder anderen Versteigerung gilt<br />

auch hier: Das höchste Gebot gewinnt. Der Verkäufer muss<br />

sich in diesem bisher sehr intransparenten Markt also nicht<br />

mit einem Preis zufrieden geben, sondern kann bei seinem<br />

Angebot beobachten, wie die verschiedenen Marktteilnehmer<br />

für die NPLs bieten, was sich im Regelfall auch positiv<br />

auf den Marktpreis auswirkt.<br />

Das höchste Gebot gewinnt<br />

Der Verkäufer der Forderungen muss zunächst möglichst detaillierte<br />

Angaben zu seinem Angebot machen. Im Falle der<br />

Insolvenzquote ist hier vor allem wichtig, ob der Schuldner<br />

sich in einem Insolvenzverfahren befindet und in welcher<br />

Höhe bzw. wann eine Quote vom Insolvenzverwalter in Aussicht<br />

gestellt wurde. Diese Daten lassen sich bei Bedarf um<br />

kurze Texte zu Zeitpunkt und Ergebnis des letzten Vollstreckungsversuchs<br />

und des Schuldners ergänzen. Potenzielle<br />

Bieter können diese Informationen während der Auktion<br />

einsehen, um sich so einen detaillierten Überblick über den<br />

Kontext der versteigerten Forderung zu machen. Dem Auktionsbeginn<br />

ist noch der Due-Dilligence-Prozess vorgelagert,<br />

bei dem Fragen und Antworten zum Angebot und ggf. noch<br />

Dokumente ausgetauscht werden. Bei sensiblen Auktionen<br />

ist auch ein geschlossener Bieterkreis möglich.<br />

Der Verkäufer setzt anschließend den Forderungswert, den<br />

Mindestpreis und die Auktionsfrist fest. Der Forderungswert<br />

setzt sich dabei primär aus dem Haupt-Forderungswert und<br />

der eventuell angefallenen Mehrwertsteuer zusammen.<br />

Sekundär entstandene Kosten können unter „Zinsen“ oder<br />

„zusätzliche Gebühren“ hinzugefügt werden. Außer einem<br />

Mindestpreis kann der Verkäufer zudem die Möglichkeit für<br />

einen Sofort-Kauf anbieten. Gebühren fallen nur im Fall eines<br />

erfolgreichen Verkaufs an. Wenn eine Forderung nach<br />

Ablauf der Auktionsfrist ohne Gebot bleibt oder der Mindestpreis<br />

nicht erreicht wurde, ist das für den Verkäufer kostenlos<br />

und man kann es zu einem späteren Zeitpunkt noch<br />

einmal versuchen. Wird eine Forderung auf der Onlinebörse<br />

verkauft, erhält der Betreiber einen Prozentsatz des realisierten<br />

Verkaufspreises. Dieser bewegt sich im einstelligen<br />

Prozentbereich und ist von der Art der verkauften Forderung<br />

abhängig.<br />

Autor<br />

Timur Peters ist Geschäftsführer der Debitos GmbH.<br />

Fazit<br />

Dank moderner Technologie können Online-Marktplätze<br />

für den Forderungshandel dazu beitragen,<br />

die Quote an ausfallgefährdeten Krediten in europäischen<br />

Geldinstituten zu reduzieren. Die deutsche<br />

Handelsbörse Debitos hat ihren Marktplatz<br />

mittlerweile auch für Transaction Advisor geöffnet,<br />

sodass Anwender aus Investmentbanken oder<br />

Beratungsgesellschaften eine White-Label-Lösung<br />

zum Forderungsverkauf selbstständig nutzen<br />

können. Die Infrastruktur mit Datenraum und<br />

Q&A-Tool sowie standardisierte Datentemplates<br />

und Verträge werden automatisch zur Verfügung<br />

gestellt.


18<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Customer<br />

Experience als<br />

Leuchtfeuer<br />

Banken stehen unter enormem Druck, ihre Geschäftsprozesse an die Wünsche von „König<br />

Kunde“ anzupassen und entsprechende Angebote zu entwickeln. Doch ein Facelifting<br />

des Angebotportfolios und Kundenkontakts genügt nicht. Erst die Anbindung an das Core<br />

Banking sichert die Qualität und bringt Kunden- und Bankinteressen in Einklang.<br />

Gerade etablierte Kreditinstitute tun sich schwer, auf die<br />

Konkurrenz durch kleinere, spezialisierte, oft online-basierte<br />

Anbieter aus dem Start-up- oder FinTech-Bereich zu reagieren.<br />

Deren einfache Angebote haben den Markt wettbewerbsintensiver<br />

gemacht. Die schnelle, agile Reaktion ist<br />

das Gebot der Stunde, denn die Treue des Kunden zu seiner<br />

Hausbank wird schwächer. Institute, die sich schnell anpassen<br />

wollen, brauchen effektive Geschäftsprozesse, um den<br />

Weg der Digitalisierung durch deren Automatisierung zu gehen.<br />

Wandlungsdruck<br />

Banken müssen – und wollen – daher reagieren. Ohne Digitalisierung<br />

der Geschäftsprozesse lassen sich aber weder<br />

mehr Angebote schaffen noch bestehende Dienstleistungen<br />

konsolidieren. 82 Prozent der Banken sind sich dieser<br />

Tatsache bewusst und verfolgen nach eigener Aussage eine<br />

Digitalisierungsstrategie. 1 Dabei geht es ne- ben<br />

der Neugestaltung der klassischen Prozesse<br />

für knapp die Hälfte der Kreditinstitute auch<br />

um den Ausbau der eigenen Plattformen.<br />

Traditionelle Prozesse sollen durch Robo<br />

Advisory oder Blockchain-Technologien<br />

erweitert werden. Wichtig ist für die<br />

meisten Befragten die Automatisierung<br />

der IT.<br />

Eine andere Umfrage belegte<br />

aber auch die mitschwingenden Ängste: 88 Prozent der Befragten<br />

nannten mindestens eine der folgenden fünf Hürden<br />

auf dem Weg zur <strong>digital</strong>en Transformation: 2<br />

• lange Implementierungsphase,<br />

• Systeme sind zu komplex in der Verwaltung oder für Änderungen,<br />

• nicht alle Erwartungen der Anwender können erfüllt<br />

werden,<br />

• zu wenig Übersicht über Kundendaten,<br />

• Anwender werden nicht in die Transformation einbezogen.<br />

Kundenwünsche<br />

Letzten Endes entscheidet der Kunde über den Erfolg der<br />

Digitalisierung. Der Konkurrenzfaktor Kundendienst wird<br />

komplexer, Verbraucher sind besser informiert, die Ansprüche<br />

an neue, individualisierte Angebote steigen. Zudem<br />

kommunizieren sie immer mehr auf verschiedenen Kanälen<br />

und erwarten dabei stets die gleiche Qualität der Beratung<br />

und Betreuung. Nicht wenige Kunden werden in Zukunft<br />

den Prozess eines Kreditantrags an der Unkompliziertheit<br />

eines Waschmaschinenkaufs im Internet messen.<br />

Eine Überweisung und deren Verzahnung misst sich<br />

in Zukunft an der Einfachheit eines FinTechs, soll<br />

aber weiter so sicher sein wie am Schalter in der<br />

Bank. Kunden werden sich zudem immer stärker<br />

ihrer Rechte bewusst, zum Beispiel beim Daten-


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 19<br />

schutz: Die EU-weite Datenschutzgrundverordnung, die ab<br />

Mai 2018 in Kraft tritt, sichert dem Verbraucher weitgehende<br />

Rechte zu. Jeder einzelne Bürger kann die Herausgabe und<br />

Löschung seiner Daten beantragen, und auch solche Anfragen<br />

müssen in Zukunft bedient werden. Ganz zu schweigen<br />

von der Meldepflicht bei einer Verletzung des Datenschutzes:<br />

Eine unterlassene Benachrichtigung kann hier<br />

existenzbedrohende Strafzahlungen nach sich ziehen. Die<br />

Bewältigung der vorgeschriebenen Prozesse zur Kundenkommunikation<br />

ist unternehmenskritisch.<br />

Kreditinstitute müssen deshalb ihr Portfolio an Dienstleistungen<br />

und damit die Menge ihrer Geschäftsprozesse zunehmend<br />

erweitern. Traditionelle Unternehmen mit einer<br />

schon seit langer Zeit bestehenden IT-Infrastruktur und einem<br />

entsprechendem Anteil an Legacy-Strukturen tun sich<br />

dabei schwerer als junge spezialisierte Anbieter, die mit ihren<br />

wenigen schlanken Prozessen für eng definierte Angebote<br />

groß geworden sind. Denn jeder Prozess besteht nicht<br />

nur aus einer neuen Frontend-Applikation. Jede Interaktion<br />

startet einen Kundenprozess, der an das Core Banking angebunden<br />

werden muss: Die Kundenkommunikation sowie<br />

administrative- oder Zahlungs-Prozesse im Core Banking<br />

müssen miteinander integriert und verzahnt sein.<br />

Anbindung an Core-Prozesse<br />

Die Digitalisierung von Banken, vor allem die Digitalisierung<br />

der Interaktion mit dem Kunden, erfordert mehr als nur das<br />

Überstülpen von Frontend-Applikationen. Sie bedarf auch<br />

der Anbindung an die IT-Infrastruktur im Core Banking, eines<br />

vernetzten Zugriffs auf die verteilten Daten und einer<br />

Integration an bereits bestehende Backoffice-Prozesse wie<br />

Controlling, Buchhaltung oder Risikomanagement.<br />

Schon ein Einzelgespräch mit einem Kunden löst viele komplexe<br />

Folgeprozesse aus. Ein Blick auf die Fülle an Abläufen<br />

zeigt, wie komplex sich die Anbindung einer-Web-Eingabemaske<br />

an die Unternehmens-IT in der Folge gestaltet:<br />

Entscheidungen zur Gewährung von Krediten erfordern die<br />

korrekte Aufnahme neuer bzw. den Abruf vorhandener Informationen.<br />

Darauf aufbauend ergeht automatisiert und an<br />

logische Entscheidungsbedingungen geknüpft (wie Kundenvermögen,<br />

Wertbeständigkeit eines Objekts oder vorhandene<br />

Sicherheiten) eine Entscheidungsempfehlung an den<br />

Sachbearbeiter.<br />

Im Anschluss starten mit der Bewilligung eines Kredits<br />

weitere Folgeprozesse, wie die individuelle Kalkulation der<br />

Rückzahlungsraten oder die Weitergabe relevanter Informationen<br />

an die Finanzabteilung zur automatischen Einrichtung<br />

eines neuen Bankeinzugverfahrens. Eine Übermittlung der<br />

Bedingungen an das Controlling trägt zur kontinuierlichen


20<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Überprüfung der Vergabekriterien durch das Risikomanagement<br />

einer Bank bei und sammelt Daten zur permanenten<br />

Neudefinition der Bewilligungskriterien. Weitere Folgeprozesse<br />

umfassen die Abwicklung und Steuerung der Rückzahlung.<br />

Fitness-Training Agilität<br />

Bei der mit den Angeboten und ihrer Individualisierung<br />

zunehmenden Menge an Geschäftsprozessen wird es unternehmenskritisch,<br />

diese Prozessabläufe mit größerer Geschwindigkeit<br />

und höherer Frequenz flexibel zu definieren<br />

und zu implementieren. Da diese Prozesse sowohl die IT-<br />

Infrastruktur als auch Geschäftsmodelle beeinflussen, brauchen<br />

Unternehmen für die Definition der Prozessabläufe Lösungen,<br />

die den Dialog von Technikern und Nicht-Technikern<br />

ermöglichen.<br />

Das trifft auch dann zu, wenn sich große Institute entschließen,<br />

mit kleinen Start-ups zusammenzuarbeiten oder spezielle<br />

Projektteams für ein neues, etwa App-gestütztes Bankgeschäft<br />

aufzubauen. Denn auch die klassische IT muss die<br />

Anforderungen der Geschäftsmodelle umsetzen, um jedem<br />

Entscheidungsträger zum Zeitpunkt seiner Involvierung in<br />

die Entscheidungen die korrekten Daten präsentieren können.<br />

Low-Code-Plattformen zur Automatisierung <strong>digital</strong>er<br />

Geschäftsabläufe ermöglichen mittels Drag-and-Drop die<br />

Festlegung der Abläufe bei gleichzeitiger Verknüpfung mit<br />

Core-IT-Prozessen und den ihnen zugrunde liegenden Datenmodellen<br />

zum Abruf aller verfügbaren und notwendigen<br />

Informationen.<br />

Durch agile Digitalisierung von Unternehmensprozessen<br />

können in hohem Tempo immer wieder aktuelle Schaltpläne<br />

für den Ablauf der Prozesse gestartet werden. Wenn die Lösungen<br />

keine technischen Vorkenntnisse erfordern, können<br />

alle Beteiligten kommunizieren und den Umwandlungsprozess<br />

gemeinsam gestalten. Alle Beteiligten – IT, C-Level,<br />

die Vertreter des klassischen Bankgeschäfts und die Digital<br />

Natives – müssen Änderungen diskutieren, live testen, implementieren<br />

und wieder zurücknehmen. Ohne Dialog und<br />

ohne Technologien, die diesen ermöglichen, scheitert die <strong>digital</strong>e<br />

Transformation, und der Kunde stimmt mit dem Wechsel<br />

des Instituts ab.<br />

Autor<br />

Gerhard Unger, General Manager DACH, Bizagi GmbH.<br />

1 Branchenkompass Banking <strong>2017</strong>, Sopra Steria Consulting und F.A.Z.-<br />

Institut.<br />

2 Bizagi-Agility-Trap-Report 2016.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 21<br />

Eigenverantwortung<br />

stärken,<br />

Entscheidungen<br />

treffen<br />

Wie arbeitet ein erfolgreiches FinTech? Am Beispiel von fino geben wir einen Einblick in<br />

den Maschinenraum eines Start-ups, das sich in weniger als 18 Monaten im Markt etablieren<br />

konnte. Gestartet mit fünf Mitarbeitern und einem Produkt, entwickeln heute über<br />

50 Mitarbeiter Lösungen für mehr als 200 Partner. Auf dem Weg hat das Kasseler Jungunternehmen<br />

viel gelernt und eine Kultur der Selbstverantwortung mit einem tragfähigen<br />

Geschäftsmodell entwickelt.<br />

Die Idee, den Kontowechsel für Bankkunden zu vereinfachen,<br />

entstand bereits Mitte 2014. Der ehemalige Commerzbanker<br />

Florian Christ zögerte nicht lange und gründete<br />

zusammen mit vier mutigen Kollegen nur wenige<br />

Monate später sein eigenes FinTech-Unternehmen. In einem<br />

damals innovativen Prozess konnten Kunden nun in<br />

wenigen Schritten die lästigen und papiergeprägten Folgen<br />

eines Kontowechsels automatisch erledigen. Um Vertrauen<br />

bei Banken und Endkunden zu gewinnen, ließ Christ den<br />

standardisierten Prozess vom TÜV Saarland zertifizieren.<br />

Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mittlerweile haben<br />

über 100.000 Kunden den Kontowechsel durchgeführt.<br />

Ideen im Rhythmus<br />

Doch der Kontowechseldienst war nur der<br />

Anfang. Bis heute hat fino sein Portfolio kontinuierlich<br />

erweitert. Der Antrieb, Ideen<br />

schnell auszuprobieren, wurde zum Leitbild,<br />

um neue Produkte im dreimonatlichen<br />

Rhythmus zu entwickeln. Die Ideen dafür kommen<br />

oft aus dem täglichen Alltag des Teams oder von<br />

« Ohne Vertrauen<br />

funktioniert das<br />

Geschäftsmodell<br />

nicht. »<br />

Freunden und Partnern. „Aus jedem Gespräch lernen wir<br />

etwas Neues, was nicht selten in der Entwicklung von<br />

neuen Produkten und Features mündet“, sagt Florian<br />

Christ. So wurde aus dem Kontowechsel ein Bankwechsel,<br />

bei dem Kunden auch ihre Kreditkarten und Depots<br />

wechseln können. Die Vertragspartner, die im Kontowechsel<br />

automatisch identifiziert werden, nutzt der neue Vertragscoach,<br />

um Kunden nachhaltig Tipps zur Lebenssituati-


22<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

on und den Finanzen zu geben. Den Tipp „mieten oder<br />

kaufen“ erhalten die relevanten Kunden so automatisch.<br />

Noch weiter geht die <strong>digital</strong>e Selbstauskunft, die Kunden<br />

beispielsweise die Frage beantwortet „Was kann ich mir<br />

leisten?“ und Banken die Möglichkeit gibt, in Echtzeit die<br />

Bonität eines potenziellen Kredit-, Baufi- oder Disponehmers<br />

zu prüfen.<br />

Nicht jedes Produkt ist denkbar<br />

Christ und sein Team entwickeln zwar kontinuierlich<br />

neue Produkte, haben sich selbst<br />

jedoch einige Leitplanken gesetzt. So werden<br />

nur Ideen umgesetzt, die in drei Monaten<br />

realisierbar sind – das reduziert Risiko<br />

und Investitionen. Möglich sind diese kurzen<br />

Entwicklungszeiten durch den stringenten Einsatz von Microservices,<br />

die einmal entwickelt immer wieder eingesetzt<br />

werden können. Deshalb können heute große Teile<br />

von neuen Produkten über vorhandene Microservices<br />

nach einem Baukastenprinzip zusammengebaut werden.<br />

So könnte man beispielsweise die Selbstauskunft zum<br />

Mieter-Check ausbauen, indem man die Microservices<br />

Kontoanalyse, Gehaltsnachweis und Zahlungstreue für<br />

Miete kombiniert. Auf diese Weise können den Banken<br />

nicht nur moderne Technologien, sondern auch neue<br />

Touchpoints mit ihren Kunden angeboten werden. „Wir<br />

wollen keine Produkte und Funktionen entwickeln, die<br />

schon am Markt vorhanden sind“, sagt Christ. Stattdessen<br />

sollen die besten Lösungen von Partnern als Microservice<br />

integriert werden, denn gemeinsam schaffe man bessere<br />

Produkte. Beispiele hierfür seien das VideoIdent-Verfahren<br />

oder die <strong>digital</strong>e Signatur nach eIDAS.<br />

Zwar richten sich die Produkte von fino in erster Linie an<br />

Endkunden, der Vertrieb erfolgt allerdings von Anfang an<br />

über Partnerbanken. Dadurch kann sich jeder in der Partnerschaft<br />

auf seine Kernkompetenz konzentrieren: Banken<br />

auf ihre Kunden und fino auf Technologie und Kundenerlebnis.<br />

Der Kunde bleibt bei der Bank, die Daten beim Kunden.<br />

„Diese Gedanken sind in der Grund-DNA des Start-ups<br />

fest verankert. Ohne eine gemeinsame Vertrauensbasis<br />

funktioniert das Geschäftsmodell nicht“, so Christ weiter.<br />

Fair Share – gibt es das wirklich?<br />

Die Kernidee des Preismodells ist für die Kreditinstitute<br />

nicht uninteressant: fino verdient<br />

Geld, wenn auch der Partner erfolgreich ist<br />

(pay-per-use). Monatliche Fixkosten und<br />

Wartungspauschalen gibt es nicht. „Wenn<br />

der Erfolg eines Produkts vom Budget des Partners abhängt,<br />

können wir nicht das beste Produkt schaffen. Daher<br />

investieren wir immer in unsere Produkte und bauen nur<br />

das, wovon wir überzeugt sind“, sagt Florian Christ. Damit<br />

geht das Start-up ein deutlich höheres Risiko bei der Entwicklung<br />

von neuen Produkten ein, hat im Erfolgsfall aber<br />

auch eine höhere und nachhaltige Verdienstmöglichkeit.<br />

„Nicht jeder Partner bzw. deren Einkauf sieht die Vorzüge<br />

sofort, Produkte mit geringem Risiko auszuprobieren und<br />

dafür später beim Erfolg etwas abzugeben. Aber zum<br />

Glück werden es immer mehr“, sagt Christ.<br />

Alles nach Plan – was passiert, wenn man wächst?<br />

Durch das schnelle Wachstum der Mitarbeiterzahlen<br />

und die rasche Erweiterung des<br />

Produktportfolios wurde Ende 2016 festgestellt,<br />

dass die interne Organisation im Vergleich<br />

zu den Anfangstagen weniger agil<br />

wurde. Um die Schnelligkeit und Entscheidungsfähigkeit<br />

zurückzugewinnen, wurden sogenannte „fino Atome“ gegründet<br />

– die kleinste, eigenständig funktionierende Einheit<br />

im Betrieb. Diese bestehen aus vier bis zehn Personen<br />

« Ein Produkt, das<br />

wir nicht in drei<br />

Monaten bauen<br />

können, das bauen<br />

wir nicht. »<br />

mit eigener P&L-Verantwortung und je einem fachlichen<br />

und technischen Verantwortlichen mit voller Entscheidungskompetenz.<br />

Mit dieser Struktur sollen weiterhin schnelle Entscheidungen<br />

getroffen und selbstgesteckte Ziele erreicht werden<br />

können, um in jedem Quartal ein neues Produkt zu veröffentlichen.<br />

Das Geschäftsmodell basiert dabei auf einem einfachen<br />

Grundgedanken: „Ein Produkt, das wir nicht in drei Monaten<br />

bauen können, das bauen wir nicht“, sagt Christ.<br />

Trotz schnell wachsender Mitarbeiter- und Kundenzahlen<br />

versteht sich fino auch nach über zwei Jahren noch als


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 23<br />

Start-up. Der Charakter der fino-family sei im gesamten<br />

Unternehmen spürbar. Bereits vor dem Einstieg von neuen<br />

Mitarbeitern werde geprüft, ob diese sich im gesamten<br />

Team wohlfühlen können. Ohne Leidenschaft für das eigene<br />

Thema und den Anspruch, sich persönlich weiterentwickeln<br />

zu wollen, gehe das allerdings nicht, meint Gründer<br />

Christ. Darin sei auch ein Erfolgsgeheimnis der Kultur<br />

begründet – jeder Mitarbeiter treibe seine Themen eigenständig<br />

und mit Leidenschaft voran. Übergeordnete Ziele<br />

und Hierarchien zum Antreiben von Mitarbeitern brauche<br />

es nicht.<br />

Eigenverantwortung stärken, Entscheidungen treffen<br />

Um Kräfte zu bündeln und die Leidenschaft<br />

zu konzentrieren, können Mitarbeiter sich<br />

die Atome, in die sie sich einbringen, selbst<br />

aussuchen. Darüber hinaus gibt es sogenannte<br />

„Chapters“, in denen sich die Mitarbeiter<br />

Atom-übergreifend zu Themenschwerpunkten austauschen.<br />

Um Austausch noch weiter zu fördern, öffnen<br />

sich die ersten aktuell für die öffentliche Community. Aufbauend<br />

auf Meet-up-Strukturen entsteht so ein regionaler<br />

Wissensdialog, indem neue und relevante Themen auf<br />

breiter Basis diskutiert werden können.<br />

Eine wichtige Säule sind Eigenverantwortung und direkte<br />

Entscheidungen, um Dinge nicht hinauszuzögern. Dafür<br />

wurde eine Fehlerkultur des schnellen Ausprobierens und<br />

Scheiterns etabliert, die Mitarbeiter ermutigt, Verantwortung<br />

zu übernehmen. Das ist vor allem für neue Mitarbeiter<br />

sehr gewöhnungsbedürftig, da sie es nicht gewohnt<br />

sind, in hohem Maße einbezogen zu sein.<br />

Um die Dynamik und Weiterentwicklungsmöglichkeiten<br />

für Atome und Mitarbeiter auch in Zukunft zu gewährleisten,<br />

wurde die „fino create“ im Juni <strong>2017</strong> gegründet. Wenn<br />

Atome erfolgreich arbeiten und wirtschaftlich unabhängig<br />

sind, können sie sich ausgründen und sich dadurch noch intensiver<br />

auf ihr Geschäftsmodell konzentrieren. Gleichzeitig<br />

erhalten die einzelnen Atome dadurch die Möglichkeit,<br />

sich als Unternehmer zu beweisen und die Werte Selbstverantwortung,<br />

Innovationskraft und Mut konsequent zu<br />

leben. So wird Raum für neue Kooperationen geschaffen,<br />

um mit ausgewählten Partnern gemeinsame Produkte zu<br />

entwickeln und die Technologie zu skalieren und zu übertragen.<br />

Autor<br />

Florian Christ hat Wirtschaftsinformatik<br />

studiert und einen MBA in International<br />

Business und Marketing abgeschlossen.<br />

Mit 18 Jahren gründete er<br />

sein erstes Unternehmen im Bereich<br />

IT und Digitalisierung. Es folgten<br />

Stationen in der Managementberatung<br />

von Accenture und im Business<br />

Development der Commerzbank. 2015<br />

gründete Christ das fino <strong>digital</strong>, mit<br />

dem Ziel, den Kontowechsel zu revolutionieren.<br />

Stefan Hirschmann


24<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Verpasste Anrufe,<br />

verpasste Chancen<br />

Kunden sehen ihre Bank heute vornehmlich als Dienstleister, den man im Zweifelsfall<br />

wechselt. Vor diesem Hintergrund werden verbesserter Service und ständige Erreichbarkeit<br />

zu prägenden Wettbewerbsfaktoren. Kein Kunde lässt sich gern in der Warteschleife abstellen<br />

oder ist bereit, häufige Besetzt-Zeichen hinzunehmen. Kommunikations-Software bietet<br />

hier vielfache Optimierungsmöglichkeiten.<br />

Banken können und wollen sich heute Schäden im Kundenverhältnis<br />

immer weniger leisten. Verpasste Anrufe sind hier<br />

in erster Linie verpasste Chancen zu Kundenkontakt oder<br />

-beratung. Viele Unternehmen stellen sich daher die Frage,<br />

wie die Quote an verpassten Anrufen und Kontaktversuchen<br />

nachhaltig zu senken sei. Moderne Kommunikations-Software<br />

wie Unified-Communications (UC)-Lösungen können<br />

hier helfen.<br />

Bei der Kommunikations-Software werden Präsenzmanagement<br />

und Rufumleitungen auf intelligente Weise gekoppelt.<br />

Automatisierte Prozesse erleichtern es dem Mitarbeiter, den<br />

eigenen Präsenzstatus ständig aktuell zu halten und unnötigen<br />

Aufwand zu vermeiden. Dazu wird die Präsenzinformation<br />

direkt an den jeweiligen Kalender angebunden. Präsenzstatus<br />

und Rufumleitung werden automatisiert geändert,<br />

wenn der Mitarbeiter im Urlaub ist, einen Termin eingetragen<br />

hat oder die Leitung belegt ist. Dabei lassen sich Umleitungen<br />

flexibel einstellen: So können z. B. interne Gespräche<br />

per Voicemail in Empfang genommen werden, externe<br />

Anrufe jedoch an Kollegen oder die Zentrale weitergeleitet<br />

werden. Die Mitarbeiter in der Telefonzentrale können im Fall<br />

einer Weiterleitung auf einen Blick prüfen, ob der gewünschte<br />

Ansprechpartner am Platz oder seine Leitung frei ist.<br />

Analyse der Telefoniedaten als Basis<br />

Für eine nachhaltige Verbesserung der Situation ist jedoch<br />

eine genaue Analyse unerlässlich. Dazu bieten Unified-Communications-Anwendungen<br />

umfangreiche Möglichkeiten.<br />

Sogenannte Business Intelligence Tools werten nicht nur die<br />

Zahl der Telefonate aus, sondern auch, wie viele Gespräche<br />

nicht angenommen werden konnten und zu welchen Zeitpunkten<br />

das höchste Anrufaufkommen herrscht. So kann die<br />

Planung der nötigen Ressourcen deutlich optimiert werden.<br />

Wenn zum Beispiel viele Mitarbeiter gleichzeitig einen Brückentag<br />

zu einem verlängerten Wochenende nutzen möchten,<br />

muss das Büro trotzdem erreichbar sein. Für die Frage<br />

nach der erforderlichen Personalstärke können die Daten<br />

aus dem Vorjahr Aufklärung liefern. Bei der Auswertung der<br />

« Verbesserte<br />

Kundenkommunikation?<br />

»<br />

entsprechenden Telefoniedaten kann man genau prüfen,<br />

wie hoch das Anruf-Aufkommen in Relation zu einem vergleichbaren<br />

Wochentag war und die Personalressourcen an<br />

die zu erwartende Anrufmenge anpassen. Durch die fortlaufende<br />

Datenauswertung können die Faktoren Erreichbarkeit<br />

und Service-Level nachhaltig optimiert und konstant gehalten<br />

werden.<br />

Erreichbarkeit ist dabei natürlich nur die Grundlage einer guten<br />

Kundenbeziehung. Noch wichtiger ist es, den Kunden


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 25<br />

genau zu kennen. Hier ist es für die beratenden Mitarbeiter<br />

hilfreich, wenn die Kommunikationsanwendung direkt auf<br />

die Kundendatenbank zugreifen kann. Somit ist der Berater<br />

sofort im Bild, welcher Kunde ihn anruft und kann diesen im<br />

Idealfall gleich persönlich ansprechen.<br />

Kundeninformationen auf einen Blick<br />

Angepasst an den Bedarf der jeweiligen Abteilung lassen<br />

sich für den Berater Informationen wie Kontonummer,<br />

Depot-Status oder weitere zentrale Informationen aus<br />

dem CRM-System der Bank direkt mit anzeigen. Dabei<br />

sorgt die wechselseitige Anbindung der Kommunikations-<br />

Software und der Kundendatenbank für eine flexible Anwendung.<br />

Dem Berater wird nicht nur die Kundeninformationen<br />

eingespielt; er kann gleichzeitig auch direkt aus der<br />

Kommunikations-Software Aktionen in der angebundenen<br />

Geschäftsanwendung starten, zum Beispiel einen Termin<br />

oder eine Anrufnotiz anlegen. Durch die direkte Kopplung<br />

entfallen unnötige Fragen, die beide Seiten Zeit kosten. Die<br />

Beratungsqualität kann so für den Kunden deutlich verbessert<br />

werden.<br />

Sämtliche Telefoniefunktionen lassen sich mit der Maus<br />

steuern, von der Gesprächsannahme über Rückfragen bis<br />

hin zur Weiterleitung. Dabei werden über einen Directory-<br />

Dienst alle verfügbaren Daten eingebunden und abgefragt;<br />

per Freitextsuche sind alle Kontakte – egal ob aus Telefonbuch,<br />

CRM oder Mailprogramm – leicht zu finden.<br />

Optimierungsmöglichkeiten bestehen auch bei der internen<br />

Kommunikation. Projektteams können sich in Chats schnell<br />

und unbürokratisch abstimmen und mittels Screen-Sharing<br />

von verschiedenen Standorten aus zusammenarbeiten.<br />

Wenn zusätzlich ein Konferenzdienst eingebunden ist, können<br />

sogar Telefonkonferenzen direkt in der Groupware angelegt<br />

und verwaltet werden. Konferenzen lassen sich im<br />

eigenen Kommunikations-Client steuern und verfolgen.<br />

Autor<br />

Marko Gatzemeier, Director Marketing,<br />

C4B Com For Business AG.<br />

Fazit<br />

Moderne Unified-Communications-Lösungen<br />

bieten in den Bereichen Kunden-Service, Erreichbarkeit<br />

und interne Kooperation viele Vorteile. Vor<br />

der Entscheidung für eine bestimmte Lösung<br />

sollten Banken nicht nur eine genaue Analyse<br />

der eigenen Anforderungen vornehmen, sondern<br />

auch darauf achten, dass das System herstellerunabhängig<br />

funktioniert. So sollte Kompatibilität<br />

zu den gängigen Telefonanlagen der verschiedensten<br />

Hersteller bestehen, um gegebenenfalls<br />

vorhandene Infrastruktur weiter nutzen zu<br />

können. Selbst wenn die Telefonanlage dann in<br />

der Zukunft ausgetauscht werden sollte, kann die<br />

UC-Lösung weiter genutzt werden.


26<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Die mobile<br />

e-Signatur kommt<br />

Das neue eID-Gesetz, das im Juli <strong>2017</strong> in Kraft getreten ist, soll die Verbreitung des elektronischen<br />

Identitätsnachweises mit dem neuen Personalausweis ankurbeln. Zusätzlichen<br />

Anschub könnte hierbei die Nutzung der eID-Funktion für Bankgeschäfte leisten.<br />

Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises<br />

wurde eine wichtige Änderung vorgenommen.<br />

Wer bisher einen neuen Personalausweis beantragt<br />

hat, konnte selber entscheiden, ob auch die eID-Funktion<br />

freigeschaltet werden soll oder nicht. Das Resultat: Nur bei<br />

einem Drittel der Personalausweise mit eID-Funktion, die<br />

seit 2010 ausgegeben wurden, ist dieses Merkmal tatsächlich<br />

aktiviert worden.<br />

Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes wird die eID-Funktion<br />

nun standardmäßig freigeschaltet. Der im elektronischen Personalausweis<br />

integrierte Mikrochip speichert Name, Adresse,<br />

Geburtsdatum und biometrische Daten, wie beispielsweise<br />

das Lichtbild und Fingerabdrücke. Außerdem kann der<br />

E-Perso auch zur Erzeugung von elektronischen Unterschriften<br />

verwendet werden. Die Funktionen sind allerdings aufseiten<br />

der Dienstanbieter größtenteils noch in der Entwicklung.<br />

Sicherlich ein Grund dafür, dass der E-Perso bisher selten<br />

genutzt wird: Nur sehr wenige Behörden, Unternehmen<br />

und Kreditinstitute bieten derzeit Anwendungsfälle für den<br />

E-Perso an. Auch die Online-Identifikation mit dem neuen<br />

Personalausweis war bislang umständlich und relativ teuer.<br />

Ein spezielles Kartenlesegerät wurde gebraucht, das seine<br />

eID-Funktionen unterstützt. Wer bsp. für Online Banking bereits<br />

ein Kartenlesegerät mit TAN-Generator hat, besitzt nicht<br />

automatisch ein Gerät, das auch für den E-Perso verwendet<br />

werden kann. Außerdem ist nicht klar, ob sich seine Nutzung<br />

tatsächlich durchsetzen wird – insbesondere im Online Banking,<br />

für das es zurzeit eine Reihe konkurrierender Signaturverfahren<br />

wie die unterschiedlichen TAN-Verfahren gibt.<br />

E-Signatur via Smartphone bald eine sichere Option<br />

Dies könnte sich allerdings durch die Nutzung des E-Persos<br />

in Kombination mit der elektronischen Signatur ändern.<br />

Denn verschiedene Dienstleister bieten inzwischen Programme<br />

an, die Fernsignaturen auslösen können. Dazu ist<br />

die vorherige Registrierung bzw. Identifikation der Person,<br />

die eine Fernsignatur einrichten möchte, auf Basis der Online-Ausweisfunktion<br />

des E-Perso erforderlich. Danach wird<br />

diese für die Nutzung der Fernsignatur nicht mehr benötigt.<br />

Durch die Möglichkeit der Fernsignatur sind Lesegeräte am<br />

PC nicht mehr nötig. Bankgeschäfte, wie Kreditaufnahme<br />

oder Kontoeröffnung, wären problemlos mobil mit dem<br />

Smartphone möglich. Das Verfahren ist nicht nur sicher, sondern<br />

auch bequem und zeitsparend.<br />

Für den Bankenbereich könnten FinTechs neue Standards<br />

setzen. Inzwischen haben Start-ups Software für Smartphones<br />

entwickelt, mit deren Hilfe Banken ihre Kunden über<br />

ihre eID legitimieren können. Mit dem Programm können<br />

die Daten des Ausweises via NFC-Schnittstelle (Kontaktlosschnittstelle)<br />

des Smartphones ausgelesen und zur Online-<br />

Identifikation verwendet werden. Der Bankkunde kann<br />

somit die App seines Kreditinstituts herunterladen, den Personalausweis<br />

mit aktivierter eID-Funktion an das Smartphone<br />

halten und den Zugriff mit Eingabe der PIN bestätigen. In<br />

kurzer Zeit kann so ein Konto ohne Medienbrüche eröffnet<br />

werden.<br />

Zeitaufwändige und umständliche Verfahren wie PostIdent<br />

gehören somit der Vergangenheit an. Aber auch moderne<br />

Identifikationsverfahren wie VideoIdent sind auf Dauer wohl<br />

nicht konkurrenzfähig. Denn sie können zwar einen Zeitvorteil<br />

ermöglichen, aber keinen Medienbruch verhindern. Der<br />

E-Perso ermöglicht beides: Zeitersparnis durch Integration<br />

der Identifizierung in eine <strong>digital</strong>e Antragsstrecke und bessere<br />

Usability, weil Medienbrüche verhindert werden.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 27<br />

Allerdings funktioniert das Verfahren bisher nur bei aktuellen<br />

Smartphones mit Android als Betriebssystem, da Apple<br />

diese Funktion restriktiver handhabt. Das dürfte jedoch das<br />

geringere Problem sein, denn der Marktanteil von Android<br />

beträgt in diesem Jahr 75,5 Prozent, der Anteil des Apple-<br />

Betriebssystems iOS dagegen nur 21,3 Prozent.<br />

eIDAS: EU-weite elektronische Transaktionen möglich<br />

Die neue Technologie erfüllt die Anforderungen der EU-Verordnung<br />

eIDAS, die im Juli 2016 das deutsche Signaturgesetz<br />

abgelöst hat: Sie dient dazu, EU-Bürgern und Unternehmen<br />

durch elektronische Signaturen, Siegel und Zustelldienste<br />

sichere elektronische Transaktionen grenzüberschreitend in<br />

der gesamten Europäischen Union zu ermöglichen.<br />

Damit unterstützt eIDAS die Etablierung des E-Persos. Neben<br />

einfachen und fortgeschrittenen Signaturen existiert<br />

die qualifizierte elektronische Signatur (QES), die als einzige<br />

dieser Varianten der handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt<br />

ist. Die eIDAS-Vorgaben sehen nun jedoch einige wesentliche<br />

Vereinfachungen und Verbesserungen vor, die der<br />

qualifizierten elektronischen Signatur zum Durchbruch verhelfen<br />

können. Dazu zählt die bereits erwähnte Möglichkeit<br />

der Fernsignatur: Dadurch kann die QES auch ohne spezielle<br />

Smartcards und Lesegeräte genutzt werden. Lediglich ein<br />

Tablet-PC oder Smartphone mit einer entsprechenden App<br />

ist erforderlich.<br />

Hierbei müssen sich die Nutzer bei einem Vertrauensdienstanbieter<br />

registrieren und einen Signaturschlüssel<br />

erzeugen, der dort gespeichert wird. Zum <strong>digital</strong>en Unterschreiben<br />

von Dokumenten werden diese an den Anbieter<br />

übertragen und anschließend von diesem mittels Fernsignatur<br />

rechtsverbindlich unterschrieben.<br />

Um derartige Vertrauensdienste anbieten zu können,<br />

müssen die Anbieter sich entsprechend zertifizieren. In<br />

Deutschland haben sich bereits Unternehmen wie die Bundesdruckerei,<br />

aber auch Internet- und Telekommunikationskonzerne,<br />

wie GMX, 1&1 oder die Deutsche Telekom, dem<br />

Zertifizierungsprozess unterzogen.<br />

PSD2 fordert starke Authentifizierung<br />

Neben der eIDAS könnte die neue EU-Zahlungsdiensterichtlinie<br />

PSD2 ein weiterer wichtiger Treiber für den Einsatz des<br />

E-Persos werden. Die PSD2 wird EU-weit für mehr Wettbewerb<br />

im Zahlungsverkehr sorgen und Anfang 2018 in<br />

Deutschland in nationales Recht umgesetzt.<br />

Wichtigste Neuerung ist, dass durch die Regelung das Monopol<br />

der Banken beim Zugriff auf Kontodaten ihrer Kunden<br />

gebrochen wird. Künftig müssen Geldhäuser auch Dritten<br />

– beispielsweise Start-ups im Finanzdienstleistungsbereich<br />

– Zugriff gewähren, was ihnen bisher ausschließlich selbst<br />

vorbehalten war. Dadurch entsteht deutlich mehr Wettbewerb,<br />

denn nun können zusätzlich andere Dienstleister z. B.<br />

Zahlungsauslösedienste und Kontoinformationsdienste anbieten.<br />

EU-weit betrifft die neue Regelung zirka eine Milliarde<br />

Konten.<br />

Damit verbunden ist zugleich die Aufgabe, für die Verbraucher<br />

den europäischen Zahlungsverkehr auch sicherer zu<br />

machen – etwa beim Online-Shopping mit Kartenzahlung.<br />

Vorgesehen ist, dass Kunden nach PSD2 neben den Kartendaten<br />

ein zweites Merkmal (z. B. eine TAN) oder eine<br />

<strong>digital</strong>e Signatur eingeben. Für den Onlinezugriff auf Zahlungskonten<br />

gilt das ganz besonders. Hier verlangt der Ge-


28<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Vielzahl der Ämter bietet Dienstleistungen auf Basis der<br />

nationalen eID, die auch als offizielles Ausweisdokument<br />

bei Auslandsreisen dient. So können sich die Esten zum<br />

Beispiel online ummelden, einen neuen Ausweis beantragen<br />

oder eine Firma anmelden. Auch Skandinavien hat mit<br />

der sogenannten Bank-ID eine Lösung gefunden, die sich<br />

schnell bewährt hat. Dort vergeben die Kreditinstitute an<br />

ihre Kunden nach einmaliger Identitätsfeststellung per Ausweis<br />

eine personalisierte ID – wahlweise für Anwendungen<br />

am PC, Smartphone oder Tablet-PC. Die Diensteanbieter,<br />

Banken und FinTechs, aber auch Verwaltungen und Organisationen<br />

können damit Personen eindeutig online identifizieren<br />

und mit ihnen rechtsverbindliche Verträge abschließen.<br />

setzgeber ausdrücklich eine starke Kundenauthentifizierung<br />

mittels eines Zwei-Faktor-Verfahrens. Wo bislang TAN-Generatoren<br />

oder verschiedene Authentifikations-Apps Verwendung<br />

finden, schickt sich der nPA an, Marktanteile zu<br />

erobern. Wie bei der Identitätsfeststellung kann er als einer<br />

von zwei benötigten Faktoren aus den Bereichen Wissen,<br />

Besitz und Inhärenz, an die NFC-Schnittstelle eines Smartphones<br />

gehalten werden. Der zweite Faktor wird über den<br />

korrespondierenden PIN-Code dargestellt. In Kombination<br />

wird daraufhin ein Signaturcode erzeugt, der zur Freigabe<br />

einer Transaktion oder zur Anmeldung am Online Banking<br />

Verwendung findet.<br />

Deutschland noch in der Startphase<br />

Deutschland ist bezüglich der eID-Anwendung zwar eher<br />

noch ein Entwicklungsland, aber auch hier haben bereits<br />

erste Banken einen entsprechenden Service eingerichtet.<br />

Zu den Vorreitern zählen die DKB Deutsche Kreditbank AG<br />

und die FinTech Group Bank AG. Sie bieten die Nutzung des<br />

E-Persos als Alternative zum PostIdent- oder VideoIdent-<br />

Verfahren bei der Kontoeröffnung an. Eine Beantragung von<br />

Immobilienförderprodukten über das Internet kann bei der<br />

Investitionsbank Berlin vorgenommen werden.<br />

Zusätzlich ermöglichen die FinTech Group Bank AG und die<br />

Bundesdruckerei eine kostenfreie Bargeldverfügung am<br />

Geldautomaten mittels E-Perso. Dabei meldet sich der Bankkunde<br />

einmalig an dem Geldautomaten mit entsprechender<br />

Funktion mit seinem Ausweis und der dazugehörigen PIN an,<br />

um anschließend eine oder mehrere Bankverbindungen zu<br />

hinterlegen. Bei jeder zukünftigen Bargeldverfügung wird der<br />

entsprechende Betrag dann von dem Konto abgebucht.<br />

Autor<br />

René Keller ist Senior Consultant bei der PPI AG.<br />

Wo eID bereits erfolgreich angewendet wird<br />

Die Bandbreite der internationalen eID-Lösungen im EU-<br />

Raum reicht von nicht vorhanden bis zum flächendeckenden<br />

System an Nutzungsmöglichkeiten für unterschiedliche Lebenslagen.<br />

Sehr innovativ ist Estland. Das baltische Land verfügt<br />

über eine fortgeschrittene nationale Implementierung<br />

von ID und somit eine Vielzahl an verfügbaren E-Services innerhalb<br />

des Landes. Schon nach Ende der Sowjetzeit wurde<br />

in Estland das Telefonnetz <strong>digital</strong>isiert und eine landesweite<br />

IT-Infrastruktur in Ämtern und Verwaltungen aufgebaut. Internet,<br />

kostenloses W-LAN und Online-Services sind besser<br />

ausgebaut als in den meisten anderen EU-Ländern. Eine<br />

Fazit<br />

Bezüglich der eID-Anwendung existiert in Deutschland<br />

eine kleine Zahl vielversprechender Pilotprojekte.<br />

Den Durchbruch wird aber womöglich<br />

erst die breite Akzeptanz der eID-Funktion durch<br />

Kreditinstitute und die Nutzung des E-Perso als<br />

kontaktloses Zwei-Faktor-Authentifikationsmedium<br />

bringen. Spätestens dann wird der E-Perso im<br />

Online Banking für die breite Masse attraktiv.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 29<br />

Das Digitalisierungsparadigma<br />

Die Digitalisierung ist weder eine isolierte Herausforderung noch der personifizierte Endgegner<br />

für die Finanzbranche. Die Anforderungen der Menschen und Unternehmen an ihre<br />

Banken dürften sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert haben. Die vielfach<br />

geforderte Kundenorientierung ist demnach nicht die Suche nach völlig neuen Erwartungen<br />

der Kunden, sondern das Bewusstsein für dieses veränderte Anforderungsprofil. An welchem<br />

Paradigma können sich Banken nun orientieren?<br />

Bei einem Bezahlvorgang erwartet der Kunde, dass er damit<br />

auch tatsächlich eine Leistung erwirbt (Funktionalität der Finanzdienstleistung).<br />

Der gesamte Vorgang sollte möglichst<br />

einfach und wenig zeitaufwändig sein (Effizienz für den<br />

Nutzer). Das Geld soll in der vorgegebenen Höhe beim Verkäufer<br />

ankommen, und die Daten darüber sollten geschützt<br />

sein (Sicherheit). Diese Erwartungshaltung des Kunden<br />

dürfte sich nicht grundsätzlich über die Zeit hinweg geändert<br />

haben. Lange Zeit war die Funktionalitätsdimension ein Hoheitsbereich<br />

von traditionellen Banken und Sparkassen. Gleiches<br />

gilt für das Vertrauen in die sichere und geschützte Abwicklung.<br />

Was passiert nun, wenn sich Menschen in ihrem<br />

Alltag an einen One-Click-Shopping-Prozess gewöhnen?<br />

Die Effizienzerwartung des Nutzers an seine Bank steigt.<br />

Entfällt gleichzeitig die ausschließliche Kompetenzvermutung<br />

für Banken (sukzessive und in bestimmten Produktgruppen),<br />

so verschieben sich die Anbieterpräferenzen<br />

der Nutzer. Das Verständnis für den aus Kundensicht effizientesten<br />

Prozess wird zur entscheidenden Expertise. Den<br />

etablierten Finanzdienstleistern bleiben zwei mögliche Reaktionen:<br />

1. Sie wechseln radikal die Seite, imitieren die neuen Wettbewerber<br />

und verstehen sich als FinTech mit agiler Startup-Kultur.<br />

Auch wenn dieser Wandel den Weg ebnet,<br />

schnellstmöglich und kosequent eingefahrene Denkmuster<br />

über Bord zu werfen. Die langjährig aufgebaute Kompetenz-<br />

und Vertrauensvermutung ginge verloren. Die<br />

Wahrscheinlichkeit des kurz- oder mittelfristigen Aufbaus<br />

führender Kompetenzen im Bereich der Effizienz tendiert<br />

gleichzeitig gegen null. Es verbleibt Option 2: Die Bank<br />

versteht ihr Fundament als Chance und baut sich auf diesem<br />

<strong>digital</strong> um. Dieser Prozess ist langwieriger als beim<br />

radikalen Umbau. Er bietet dabei jedoch auch die große<br />

Chance, eine Identität im Kern zu bewahren und sukzessive,<br />

organisch zu wandeln. Um in diesem Vorhaben zu<br />

reüssieren, bietet das nachfolgende Paradigma in drei<br />

Dimensionen die notwendige Orientierung.<br />

Think New – Es sei denn, Sie<br />

hängen an der Vergangenheit.<br />

Banken müssen ein gewisses<br />

Selbstbewusstsein bezüglich ihrer<br />

Errungenschaften in den Dimensionen<br />

Funktionalität und<br />

Sicherheit bewahren. Das Gegengewicht<br />

dazu stellt das konsequente<br />

Infragestellen des Status quo, das Einreißen einer<br />

Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Mentalität. Diesen<br />

schmalen Grat zwischen Selbstbewusstsein und radikaler<br />

Veränderung zu wandern, erfordert eine schonungslose Status-quo-Bewertung<br />

und die anschließende Priorisierung der<br />

Themen. Gelingt der <strong>digital</strong>e Fokus auf zunächst möglichst<br />

wenige Themen, die dann wiederum möglichst konsequent<br />

in Angriff genommen werden, so stellt sich der willkommene<br />

Nebeneffekt ein, dass in diesem Modell die Mitarbeiter


30<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

individuell entscheiden können: selber an der radikalen Veränderung<br />

teilnehmen oder in der sukzessiven Veränderung<br />

des Gesamtunternehmens mitgetragen werden.<br />

Think Big – Es sei denn, Sie<br />

mögen es gemütlich.<br />

Rom wurde nicht an einem Tag<br />

erbaut. Das mag sein. Vielleicht<br />

hatte aber jemand die Vision von<br />

einer Weltmetropole, die einmal<br />

zum Mittelpunkt der Macht und<br />

des wirtschaftlichen Handelns<br />

werden sollte, und legte damit den Grundstein. Mit der Demut<br />

des Verständnisses, dass Finanzangelegenheiten für<br />

Kunden in der überwiegenden Mehrheit lediglich ein Mittel<br />

zum Konsum- oder Investitionszweck sind, dürfen Banken<br />

keine Angst vor großen Ideen haben. Einzelne Ideen können<br />

in der Lage sein, einen gesamten Markt und das dazugehörige<br />

Wettbewerbsgeflecht auszuhebeln. Damit der Spagat<br />

des Think new gelingen kann, müssen die wenigen priorisierten<br />

Themenfelder nicht nur radikal in ihrer Art, sondern<br />

auch größtmöglich in ihrem Umfang gedacht werden. Dazu<br />

gehört der Mut, in eigenständigen Geschäftsmodellen zu<br />

denken und damit auch die Angst vor der eigenen Kannibalisierung<br />

zu verlieren.<br />

Think Together – Es sei denn,<br />

Sie schaffen alles allein.<br />

Der Wandel ist nicht ausschließlich<br />

aus eigener Kraft zu stemmen.<br />

Die Veränderungsbereitschaft<br />

muss von innen heraus wachsen.<br />

Sie bedarf jedoch einer stetigen,<br />

externen Bestärkung, um in dem<br />

zähen Kampf gegen die grundmenschlichen und damit auch<br />

verständlichen internen Abwehrhaltungen das Oberwasser<br />

zu behalten. Zunehmend wird dabei auf Design-Thinking-<br />

Teams zurückgegriffen. Workshops mit kreativen Methoden<br />

Stop Thinking – Es sei denn, Sie<br />

scheuen den Erfolg.<br />

Zugegeben: Bereits die Aspekte<br />

Think new und Think big erfordern<br />

in ihrer Befolgung einen Veränderungswillen,<br />

der bei vielen Banken<br />

im Status quo über das Denkbare<br />

hinausgehen dürfte. Doch disruptive<br />

Ideen tragen keine Früchte, wenn sie nicht auch konsequent<br />

und schnell umgesetzt werden. Eine konsequente<br />

Umsetzung basiert auf der Einsicht, dass es eine optimale<br />

Lösung nicht gibt. Die Zeitknappheit erfordert, das Selbstbewusstsein<br />

zu entwickeln, dass der aktuelle Stand einer<br />

Lösung ausreicht, um einen Teil der Kunden zu begeistern.<br />

Der Erfolg eines Projekts wird – wie auch in Zeiten vor der Digitalisierung<br />

– von den Kunden bestimmt. Möglichst frühes<br />

Kundenfeedback im realen Markt, sei es aktiv durch Befragung<br />

oder passiv durch die Nutzungsdaten, müssen Banken<br />

als wertvollen und kaum imitierbaren Wettbewerbsvorteil<br />

verstehen. Die time to market muss daher zum kritischen<br />

Faktor erhoben werden. Entwicklungszyklen von mehreren<br />

Jahren werden beim Kunden und damit im Wettbewerb keine<br />

Berechtigung finden.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 31<br />

sind ein zumeist gewinnbringender Einstieg, um bei Mitarbeitern<br />

die Lust auf Veränderungen und an der Teilhabe<br />

daran zu wecken. Bei konsequenter Umsetzung besteht<br />

in einem projektartigen Set-up die Möglichkeit, das oben<br />

beschriebene Paradigma umzusetzen. Bei der Integration<br />

eines externen Partners ist jedoch dringend geboten, dass<br />

sich die Teilnehmer auf Augenhöhe begegnen, d. h. der externe<br />

Partner bereit ist, sich als Teammitglied zu verstehen<br />

und seine Expertise transparent und uneigennützig einzubringen.<br />

Das Verständnis für Geschäftsmodelle geht weit über strategisches<br />

Denken hinaus. Insbesondere in der strategischen<br />

Auseinandersetzung mit Lösungen von FinTechs ist<br />

ein Verständnis für die unternehmerischen Mechanismen<br />

dieser neuen Marktteilnehmer äußerst relevant, auch um<br />

Geschäftsmodelle und dazugehörige Business Cases realistisch<br />

bewerten zu können.<br />

Für die konsequente Umsetzung bedarf es darüber hinaus<br />

auch der Verzahnung zwischen einer disruptiven Ideenfindung,<br />

den unternehmerischen Geschäftsmodellüberlegungen<br />

und der konkreten IT-Entwicklung. Mit der Übertragung<br />

auf unterschiedliche Partner besteht die Gefahr, dass kein<br />

vollständiges Gesamtbild entsteht und damit der Erfolg infrage<br />

gestellt ist. Bei aller Radikalität und pragmatischen<br />

Umsetzungsorientierung ist eine wichtige Eigenschaft nicht<br />

zu vergessen: Nur mit dem richtigen Maß an Bankfachlichkeit<br />

ist sichergestellt, dass sich nicht nur ein in sich schlüssiges<br />

Gesamtbild ergibt, sondern die Umsetzung auch regulatorische,<br />

bankrechtliche und bankfachliche Aspekte in<br />

vollem Umfang berücksichtigt. Hier sollten die Banken ihre<br />

Expertise in vollem Umfang einbringen. Der externe Partner<br />

muss dabei in der Lage sein, diese Expertise zu kanalisieren.<br />

Hierfür ist zwingend auch ein Verständnis für die klassischen<br />

Themenfelder des Bankings erforderlich.<br />

Autoren<br />

Patrick Lukas ist Innovation Consultant, Eddie Dubiel ist Senior<br />

Innovation Manager und David Niedzielski ist Gründer und<br />

Geschäftsführer der finstreet GmbH.<br />

Fazit<br />

Banken haben die Möglichkeit, aus dem bestehenden<br />

Geschäftsmodell heraus den <strong>digital</strong>en Wandel<br />

für sich als Chance wahrzunehmen und unter Berücksichtigung<br />

von drei Dimensionen organisch in<br />

ein Zukunftsbild hineinzuwachsen. Es gilt, in ausgewählten<br />

Spielfeldern sich selber radikal neu aufzustellen<br />

und auch eine Kannibalisierung in Kauf zu<br />

nehmen (Think new). Das Denken in (selbstständigen)<br />

Geschäftsmodellen sollte Eingang in die<br />

Bank finden (Think big). Schließlich führt kein Weg<br />

an einer time-to-market-orientierten, agilen Umsetzung<br />

vorbei (Stop thinking). Diesen Weg werden<br />

Banken nur mit einer inneren Veränderungsbereitschaft<br />

und dem richtigen Partner an ihrer Seite<br />

bewältigen. Klassische Partner von gestern sind<br />

dabei nicht zwingend die adäquaten Wegbegleiter<br />

von morgen.


32<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Agile Coaches für<br />

<strong>digital</strong>en Kulturwandel<br />

„Der Schlüssel zum Wandel liegt darin, all seine Energie zu fokussieren –<br />

nicht darauf, das Alte zu bekämpfen, sondern Neues zu erschaffen.“ (Sokrates)<br />

Wer hätte gedacht, dass im Zeitalter der Digitalisierung solche philosophischen Weisheiten<br />

neue Bedeutung finden. Das Motto für die Unternehmen sollte eben nicht lauten, sich<br />

mit „Hurra“ in die Digitalisierung der Ökosysteme zu stürzen. Vielmehr ist<br />

„Real-Digitalismus mit Fingerspitzengefühl“ gefragt. Agilisierung und Change<br />

Management sind die Enabler für eine individualisierte Veränderung.<br />

Auch die Banken müssen auf die Entwicklungen der Digitalisierung<br />

reagieren und sich in allen Unternehmenseinheiten<br />

neu aufstellen. Studien verdeutlichen jedoch immer wieder,<br />

dass es den meisten schwerfällt, die <strong>digital</strong>en Herausforderungen<br />

in neue Geschäfts- und Betriebsmodelle zu übertragen.<br />

Je nach Perspektive können vor allem drei Veränderungsbereiche<br />

fokussiert werden: Customer Experience,<br />

interne Prozesse sowie Geschäftsmodelle.<br />

Der Bereich Customer Experience zielt darauf ab, den Kundennutzen<br />

zu verbessern. Frühere Eintrittsbarrieren, wie ein<br />

gut ausgebautes Filialnetz oder ein ausgereiftes Informationsmanagement,<br />

stellen nicht länger den alleinigen Wettbewerbsvorteil<br />

der Banken dar. Ein tiefes Verständnis der<br />

Kunden wird immer wichtiger. Die Verbesserung der <strong>digital</strong>en<br />

Customer Experience verspricht eine hohe Sichtbarkeit,<br />

schnelle Erfolge und weitreichende positive Effekte.<br />

Doch es gilt auch, die internen Prozesse anzupassen, denn<br />

nicht alles, was nach außen hin positiv wirkt, ist auch intern<br />

erfolgsversprechend. Vorteile, die sich durch interne Prozessanpassungen<br />

ergeben, sind wertvoll, da sie aufgrund der<br />

fehlenden Transparenz nach außen für Wettbewerber nur<br />

schwer zu kopieren sind.<br />

Der dritte Veränderungsbereich betrifft das Kerngeschäft der<br />

Banken. Durch die <strong>digital</strong>e Erweiterung der Geschäftsmodelle<br />

können sich diese von ihren Mitbewerbern abgrenzen.<br />

Dabei sollte die Reichweite unternehmensspezifisch<br />

auf die Strategie ausgerichtet werden. Es ist denkbar, alte<br />

Geschäftsmodelle mit <strong>digital</strong>en Bestandteilen zu erweitern,<br />

<strong>digital</strong>e Produkte als Ergänzung zu klassischen einzuführen<br />

oder <strong>digital</strong>e Technologien zu nutzen, um globale Synergien<br />

zu erhalten.<br />

Beschränkt eine Bank sich nur auf die ersten beiden Bereiche,<br />

wird langfristig keine ganzheitliche Umsetzung der<br />

Digitalisierung erreicht. Heute dienen innovative Geschäftsmodelle<br />

zur Abgrenzung. Der Wettbewerb wird in Zukunft<br />

nicht zwischen der reinen Digitalisierung von Produkten und<br />

Prozessen stattfinden, sondern zwischen ausgereiften <strong>digital</strong>en<br />

Geschäftsmodellen.<br />

Die Anpassung des Geschäftsmodells<br />

Selbst innerhalb einer Bank herrscht oft kein einheitliches<br />

Verständnis über die Bestandteile des eigenen Geschäftsmodells.<br />

Dementsprechend ist es wichtig, ein allgemeingültiges<br />

Bild zu schaffen und die Inhalte immer wieder


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 33<br />

zu überprüfen. Geschäftsmodelle können unterschiedlich<br />

beschrieben werden, doch im Grunde müssen die fünf Dimensionen<br />

Kunden, Nutzen, Wertschöpfung, Finanzen und<br />

Technik klar definiert sein.<br />

Um ein Geschäftsmodell <strong>digital</strong> anzupassen, ist es notwendig,<br />

dass diese fünf Dimensionen konkretisiert werden und<br />

sich gegenseitig verstärken. Dazu müssen sich die neuen<br />

<strong>digital</strong>en Dienstleistungen und Produkte an den Bedürfnissen<br />

der Kunden orientieren. Unter Berücksichtigung der<br />

Wertschöpfungsaktivitäten und Ressourcen werden die veränderten<br />

Anforderungen dynamisch und flexibel in das Geschäftsmodell<br />

eingebunden. Technologien wie Big Data helfen<br />

dabei, neue Leistungen oder passende Anwendungen<br />

zu erzeugen. Erfolgreiche <strong>digital</strong>e Geschäftsmodellinnovationen<br />

basieren meist auf technologischen Entwicklungen. Da<br />

nicht jede neue Technologie zu einer wertschöpfenden Aktivität<br />

für eine Bank wird, spielt die Analyse der Finanzstruktur<br />

und Zukunftsperspektive eine maßgebliche Rolle. Schafft es<br />

eine Bank, die technologischen Potenziale zu nutzen, um<br />

das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette zu verändern<br />

und somit die gestiegenen Kundenanforderungen zu<br />

erfüllen und Leistungen effizienter zu erbringen, wird von einer<br />

<strong>digital</strong>en Transformation gesprochen. › 01 zeigt eine idealtypische<br />

Roadmap, anhand derer Banken die <strong>digital</strong>e Transformation<br />

in der eigenen Organisation vorantreiben können.<br />

Neue <strong>digital</strong>e Geschäftsmodelle werden auf drei unterschiedliche<br />

Arten implementiert, entweder als Teil der<br />

bestehenden Geschäftsstruktur, als separate Einheit im<br />

Unternehmen oder als ausgegründetes, eigenständiges<br />

Unternehmen. Bei der Abgrenzung eines Teils der bestehenden<br />

Geschäftsstruktur werden insbesondere die starren<br />

Strukturen und traditionellen Werte einer Bank gegen die<br />

<strong>digital</strong>e Erweiterung arbeiten.<br />

Wird eine <strong>digital</strong>e Einheit separat im Unternehmen geführt,<br />

kann es zu Gleichstellungsproblemen zwischen den Mitarbeitern<br />

kommen. Die Unterscheidung von Arbeitsrhythmus,<br />

Arbeitsweise oder der <strong>digital</strong>en Kultur ist nur dann sinnvoll,<br />

wenn hierfür eine Art „geschützter Raum“ geschaffen wird,<br />

der sich vom operativen Geschäft abgrenzt. Dies kann bedeuten,<br />

dass Innovationen in räumlich getrennten Projekthäusern<br />

ausgearbeitet werden, um eine gewisse Start-up-<br />

Mentalität zu fördern.<br />

Die Ausgründung in ein eigenständiges Unternehmen erfordert<br />

eine noch umfassendere Trennung und ist vor allem<br />

dann sinnvoll, wenn es sich um wirkliche Innovationen handelt,<br />

die bereits weit vom eigentlichen Kerngeschäft entfernt<br />

sind, jedoch ein hohes Zukunftspotenzial aufweisen.<br />

Die Kompetenz und das erarbeitete Know-how bleiben der<br />

Bank somit erhalten.


34<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

01 Roadmap <strong>digital</strong>e Transformation<br />

Ist-Aufnahme<br />

(Digital State)<br />

• Aufnahme des aktuellen<br />

Geschäftsmodells und<br />

der Kundenanforderungen<br />

• Analyse der Wertschöpfungskette<br />

Potenzialableitung<br />

(Digital Potential)<br />

• Nutzung von Best Practices<br />

und neuen Technologien<br />

als Grundlage des neuen<br />

Geschäftsmodells<br />

• Kombination verschiedener<br />

Optionen<br />

Umsetzung<br />

(Digital Realization)<br />

• Finalisierung und Implementierung<br />

des neuen <strong>digital</strong>en<br />

Geschäftsmodells<br />

• Berücksichtigung der<br />

Ressourcen und Fähigkeiten<br />

Zieldefinition<br />

(Digital Target)<br />

• Festlegung und Priorisierung<br />

der Ziele der <strong>digital</strong>en Transformation<br />

• Berücksichtigung der Zieldimensionen<br />

Zeit, Qualität,<br />

Finanzen und Raum<br />

Entscheidungsfindung<br />

(Digital Decision)<br />

• Bewertung der Ausgestaltungsmerkmale<br />

• Abgleich mit bestehendem<br />

Geschäftsmodell und Kundenanforderungen<br />

Nachdem die Entscheidung getroffen wurde, wie mit der<br />

Implementierung umgegangen wird, sind weitere Parameter<br />

zu beachten, die innerhalb der neuen Geschäftsstrategie<br />

berücksichtigt werden müssen:<br />

• Definition von neuen Geschäftszielen,<br />

• Umstrukturierung des Performance Managements,<br />

• Abbau von Hierarchien,<br />

• Auswahl der Teams und des Managements,<br />

• Aufbau von neuen (<strong>digital</strong>en) Fähigkeiten.<br />

Um all diese Parameter für das neue Geschäftsmodell zu<br />

definieren, werden neue Fähigkeiten benötigt. Hier kommt<br />

das Stichwort Agilität ins Spiel, denn für die <strong>digital</strong>e Transformation<br />

ist Agilität ein Muss.<br />

Agiles Change Management<br />

Bewährte Managementkonzepte verlieren im Zug der Digitalisierung<br />

an Gültigkeit, klassische Projektansätze funktionieren<br />

in einer <strong>digital</strong>en Welt nicht mehr. Planungshorizonte<br />

verringern sich und neue, agile Methoden und Vorgehensweisen<br />

werden benötigt, um die Digitalisierung umzusetzen.<br />

Durch agiles Handeln können Banken kontinuierlich<br />

eine überlegene Wettbewerbsposition aufbauen. Signifikante<br />

Vorteile sind z. B. kürzere Release-Zyklen, eine schlankere<br />

Dokumentation der Geschäftsvorfälle oder bessere Kommunikation.<br />

Das ist ein herausfordernder Change-Prozess, der<br />

begleitet und geführt werden muss. Neue Werte müssen<br />

vom Management vorgelebt werden und die Mitarbeiter<br />

von vornherein mit in das Vorhaben eingebunden sein.<br />

Das Management dieses Wandlungsprozesses nimmt eine<br />

wachsende Bedeutung ein und hilft beim Umgang mit dem<br />

<strong>digital</strong>en Wandel. Es ist notwendig, die Methoden des<br />

Change Managements zu überdenken und anzupassen.<br />

Resultat dieser Entwicklung ist das agile Change Management,<br />

das flexibler und schneller agiert, Fehler zulässt, starre<br />

Strukturen aufbricht und Dinge ausprobiert. Zur Umsetzung<br />

eines agilen Change Managements auf Basis der Scrum-Methodik<br />

werden fünf Phasen durchlaufen. In der ersten Phase<br />

werden das Scrum Team definiert, das den Change-Prozess<br />

begleitet, und die Rollen darin besetzt. Der Product Owner<br />

legt die Ziele, die zu realisierenden Ergebnisse und ihre Pri-


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 35<br />

<strong>02</strong> Scrum-Methodik<br />

Input der Stakeholder<br />

Kunden / Team / Manager etc.<br />

Product Owner<br />

Scrum Master<br />

Daily<br />

Standup<br />

Sprints<br />

1- 4 Wochen<br />

• Design<br />

• Erstellung<br />

• Integration<br />

• Dokumentation<br />

• Test<br />

Scrum<br />

Team<br />

Daily Stand-up<br />

Dauer: 15 Minuten<br />

• Identifizierung von Risiken<br />

• Wissensteilung<br />

• Aktueller Arbeitsstand<br />

Sprints<br />

Team setzt ohne Störung<br />

von außen die Anforderungen<br />

des Sprint Backlogs um.<br />

Sprint Review<br />

Präsentation der erarbeiteten<br />

Ergebnisse<br />

Backlog<br />

Enthält alle<br />

bekannten<br />

Anforderungen<br />

Sprint Planung<br />

Definition der<br />

Kriterien durch das<br />

Management<br />

Sprint Backlog<br />

Alle Anforderungen<br />

für den nächsten<br />

Sprint<br />

Sprint<br />

Retrospektive<br />

Präsentation der<br />

erarbeiteten Ergebnisse<br />

Umsetzung<br />

Nachhaltige<br />

Transformation<br />

oritäten fest, trägt die wirtschaftliche Verantwortung für das<br />

Projekt und repräsentiert die Erwartungen der involvierten<br />

Stakeholder. Der Scrum Master sorgt dafür, dass das Team<br />

störungsfrei und produktiv arbeiten kann.<br />

In der zweiten Phase wird das grobe Leitbild definiert. Da die<br />

Umsetzung in iterativen Schritten erfolgt, ist ein detaillierter<br />

Projektplan wenig sinnvoll. Stattdessen wird ein Release-<br />

Plan als Leitfaden für die Durchführung entworfen. Für die<br />

Umsetzung werden in der dritten Phase weitere Bestandteile<br />

von Scrum übernommen, wie bspw. Sprints, Daily Standups<br />

und Feedbackschleifen › <strong>02</strong>. Die vierte Phase beinhaltet<br />

die Kommunikation. Ein Plan definiert, wer, wann, auf welche<br />

Weise, über was und mit welchem Ziel informiert wird.<br />

Die fünfte und letzte Phase widmet sich der Umsetzung der<br />

Transformation. Dabei liegt die Betonung auf Nachhaltigkeit,<br />

d. h. die gesamte Organisation und alle Beteiligten sollten<br />

die Chance erhalten, agil zu handeln.<br />

Abweichungen von dieser Adaption der Scrum-Methodik<br />

auf den klassischen, linearen Change-Ansatz sind unternehmensspezifisch<br />

durchaus denkbar. Nicht jede Bank wird von<br />

vornherein die notwendigen Strukturen etabliert haben, um<br />

sich einer solchen agilen Vorgehensweise zu öffnen. Es kann<br />

sinnvoll sein, nur einzelne Bausteine von Scrum zu übernehmen<br />

und in die tägliche Arbeit zu integrieren.<br />

Umsetzung des agilen Change Managements<br />

Um einen größeren Mind Change im Unternehmensalltag<br />

zu erreichen, können Banken auf den Einsatz eines Agile<br />

Coaches setzen. Dieser begleitet die Bank bei ihrem Wandel.<br />

Er trägt dafür Sorge, dass sich alle Bereiche des Unternehmens<br />

neu ausrichten, hilft dabei, alte Angewohnheiten<br />

zu verdrängen und neue agile Muster zu verinnerlichen, bietet<br />

gewissermaßen Hilfe zur Selbsthilfe, damit die betreuten<br />

Organisationseinheiten künftig effizienter arbeiten können.<br />

Je nach Reifegrad der Unternehmenswandlung arbeitet der<br />

Agile Coach wie ein Fußballtrainer. Steht das Team noch am<br />

Anfang, vermittelt der Coach der Mannschaft seine Art Fußball<br />

zu spielen und studiert bestimmte Spielzüge ein. Setzt<br />

eine Bank bereits Projekte in der agilen Methodik um, agiert<br />

er wie ein Live-Coach, begleitet die Bank auf dem eingeschlagenen<br />

Weg und versucht, Teilaspekte zu finden, in denen<br />

sich ein Team noch verbessern kann. Die Aufgaben eines


36<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Agile Coaches können in vier Bereiche unterteilt werden:<br />

1. Erkennen<br />

Durch Antizipation erkennt der Agile Coach, welche Mitarbeiter<br />

Probleme mit der Umsetzung agiler Methoden<br />

haben oder den Change-Prozess sogar blockieren. Er sollte<br />

aber auch erkennen, wer in der Anwendung der neuen<br />

Methodik fortgeschritten ist, um ihn als Multiplikator im<br />

Rahmen der Agilisierung effektiv einzusetzen.<br />

2. Feedback<br />

Ein agiles Team lebt vom Feedback des Agile Coach, um<br />

sich kontinuierlich zu verbessern.<br />

3. Erziehen<br />

Im Sinne eines Erziehens versucht der Agile Coach, das<br />

agile Methoden-Set der Mitarbeiter zu erweitern und in<br />

das alltägliche Arbeiten zu integrieren. Dieser Punkt beinhaltet<br />

auch das aktive Fortbilden eines Teams. Der Coach<br />

hält Sessions zu neuen agilen Methoden ab, wie Design<br />

Thinking bei Prozessinnovation oder OKR (Objectives and<br />

Key Results) bei Mitarbeiterführung. Er führt Trainings<br />

durch oder coacht einzelne Mitarbeiter.<br />

4. Support<br />

Hier geht es darum, neben dem aktiven Coaching Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen, die es einem Team erleichtern,<br />

agiler zu werden, und sei es nur ein geeigneter<br />

Raum für bessere Kommunikationsmöglichkeiten.<br />

Agile Coaches sollen das agile Grundverständnis in der Bank<br />

verankern und die Einhaltung dieser Prinzipien überwachen.<br />

Nur so können die Banken ihre strategischen Ziele für die<br />

Neugestaltung des Geschäftsmodells erreichen. Agilisierung<br />

ist die Basis für Digitalisierung und erfordert auf Unternehmensebene<br />

einen konsequenten Kulturwandel vom Plan<br />

Driven- zum Value Driven Mindset.<br />

In der täglichen Arbeit des Agile Coaches können praktische,<br />

von Scrum abgeleitete Methoden integriert werden. Sie weichen<br />

je nach Anforderungen der verschiedenen Teams voneinander<br />

ab und werden nur genutzt, wenn sowohl Coach<br />

als auch Mitarbeiter diese als hilfreich ansehen. Ein Beispiel<br />

stellt die Retrospektive dar. Sie wird eingesetzt, damit ein<br />

Scrum Team seine Arbeitsweise nach Ablauf eines Sprints<br />

reflektieren kann. Dieses interdisziplinäre Meeting hat zum<br />

Ziel, Probleme zu erkennen und daraus Maßnahmen für die<br />

Optimierung des Vorgehens abzuleiten.<br />

Dailys stellen eine weitere Methodik dar, die von Agile Coaches<br />

eingeführt werden kann. Hierbei berichten die Mitglieder<br />

eines Teams nacheinander über ihre täglichen Aufgaben<br />

und sprechen über mögliche Herausforderungen. Vorteil der<br />

Daily Meetings ist eine zielgerichtete Strukturierung der Aktivitäten<br />

und der regelmäßige Austausch der Teammitglieder<br />

über das Projektziel und den aktuellen Status. Auch das<br />

Scrum Board kann als Instrument dienen, die benötigte Übersichtlichkeit<br />

für das Backlog zu schaffen. Es zeigt auf, welche<br />

Aufgaben in Arbeit und welche noch zu erledigen sind.<br />

« Agil ist der<br />

Motor für die<br />

Digitale Transformation»<br />

Durch seine Leitung und Begleitung befähigt der Agile<br />

Coach also die Mitarbeiter dazu, ein Veränderungsvorhaben<br />

durchzuziehen. In der agil eingeführten Organisation sind<br />

alte Bankenstrukturen und Hierarchien fehl am Platz. Nicht<br />

selten kommt es dazu, dass sich während des Unternehmenswandels<br />

sogenannte Change Communities bilden, die<br />

Themen und Erfahrungen regelmäßig austauschen. Dabei<br />

ist jedes Mitglied gleichberechtigt und trägt den Change als<br />

Supporter in das gesamte Unternehmen.<br />

Autoren<br />

Roman Mathea ist Partner, Oliver Grönke ist Senior Manager,<br />

Julia Michel und Andreas Elscheid sind Berater, alle bei<br />

BearingPoint.<br />

Fazit<br />

Um mit agilem Change Management Erfolg zu haben,<br />

müssen die banktypischen starren Strukturen<br />

und Hierarchien aufgebrochen werden. Eine neue<br />

Führungs- und Feedback-Kultur ist unerlässlich.<br />

Ebenso wichtig sind ergebnisorientierte Managementsysteme,<br />

die nicht nur Verkaufszahlen in<br />

den Vordergrund stellen. Bürokratie ist absolut<br />

hinderlich im Erarbeitungsprozess von immer wieder<br />

neuen agilen Change-Maßnahmen. Es muss<br />

eine Kulturveränderung hin zum Experimentellen<br />

stattfinden, um langfristig erfolgreich zu sein und<br />

die notwendigen Veränderungen der Geschäftsmodelle<br />

durchführen zu können.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 37<br />

Social Investing<br />

schafft neue<br />

Möglichkeiten<br />

Social Trading hat im vergangenen Jahrzehnt einen entscheidenden Beitrag dazu<br />

geleistet, die Welt des Investments und Tradings einer breiten Öffentlichkeit<br />

zugänglich zu machen. Dabei handelt es sich um eine Peer-to-Peer-Alternative<br />

zur traditionellen Vermögensverwaltung, bei der die Nutzer vom<br />

geballten Wissen der Masse profitieren –<br />

für Online-Broker ein attraktives Geschäftsmodell.<br />

Früher war die Welt einfach: Nicht<br />

nur der Wertpapierhandel fand am<br />

Börsenparkett statt, sondern auch<br />

der Austausch zwischen Tradern und<br />

Investoren. Mit dem Siegeszug des<br />

Internets verlagerte sich der Wertpapierhandel<br />

zunehmend in <strong>digital</strong>e<br />

Sphären und der soziale Austausch<br />

zunehmend in Online-Foren. Die<br />

Kommunikation bzw. die gesamte<br />

soziale Komponente rund um den<br />

Wertpapierhandel fand somit nicht<br />

mehr dort statt, wo auch gehandelt<br />

wurde. Durch die anonyme Natur<br />

des Internets war es für die Nutzer dieser Foren zunehmend<br />

schwerer, zu unterscheiden, welche Empfehlungen<br />

vertrauenswürdig waren.<br />

In der Folgezeit wurden die Internet-Foren, die bis dahin<br />

quasi ein Monopol auf die n:n-Kommunikation im Internet<br />

hatten, immer stärker von den sozialen Netzwerken verdrängt<br />

– allen voran von Facebook. Ihr Reiz bestand damals<br />

im Neuen: Indem Nutzer mit Klarnamen auftauchen<br />

und Fotos und Posts aus ihrem Alltag teilten, erschien das<br />

Gegenüber plötzlich transparent und greifbar. Mit der zunehmenden<br />

Popularität sozialer Plattformen stieg auch<br />

die Nachfrage nach sozialen Interaktionsmöglichkeiten<br />

auf Online-<br />

Trading-Plattformen. Diese wurde<br />

durch Messaging-Funktionen oder<br />

Pinnwände bedient, auf der Nutzer<br />

ihre getätigten Trades, ihre Strategien<br />

oder auch einfach nur spontane<br />

Gedankengänge mit anderen teilen<br />

konnten. In der Entstehungsgeschichte<br />

des Social Tradings spielten<br />

die soziale Netzwerke eine elementare<br />

Rolle.<br />

Mit der Möglichkeit, sich direkt auf<br />

der Trading-Plattform mit anderen<br />

Nutzern auszutauschen und über die eigene Pinnwand<br />

erfolgreiche Handelsstrategien und Anlagetipps zu teilen,<br />

verlagerte sich der Austausch über Wertpapiere zurück auf<br />

die Handelsplattform.<br />

Mit der Idee des „OpenBook“ erhielten Nutzer die Möglichkeit,<br />

die Trades eines jeden anderen auf der Plattform<br />

einzusehen und sich selbst ein Bild über die Erfahrung oder<br />

den Track Record des Nutzers zu machen, der gerade einen<br />

vielversprechend klingenden Anlagetipp teilt. Schnell<br />

stachen aus der Masse einzelne Influencer heraus, die in<br />

der Community besonders angesehen waren.


38<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

« Mit dem Siegeszug<br />

des Internets<br />

wanderte der<br />

Wertpapierhandel<br />

zunehmend ins<br />

Digitale.»<br />

Von sozialen Interaktionsmöglichkeiten zum sozialen<br />

Trading<br />

In der Entwicklung hin zum Social Trading fehlte nur noch ein<br />

wesentlicher Schritt, und zwar das Copy Trading, mit dem<br />

jeder Nutzer die Trades jedes anderen Nutzers unmittelbar<br />

kopieren kann. Zu Beginn lief diese Art zu traden noch vollständig<br />

unreguliert ab, womit einige schwer einschätzbare<br />

Risiken einhergingen. Die Anbieter kamen zur Einsicht, dass<br />

einige Regeln notwendig sind, so etwa eine Maximalquote<br />

des eingesetzten Kapitals, mit dem ein einzelner Trader<br />

kopiert werden darf, um eine Diversifikation sicherzustellen.<br />

Oder beispielsweise Mindestinvestitionen in die eigene<br />

Handelsstrategie, bevor diese anderen Nutzern zum Copy<br />

Trading zugänglich gemacht wird.<br />

Die soziale Komponente bestimmt nicht länger nur das<br />

Trading, sondern findet zunehmend Einzug in klassischere<br />

Wertpapieranlage. Eine aktuelle Innovation ist beispielsweise<br />

eine Art elektronischer Investmentfonds: Der Anleger<br />

braucht nun nicht mehr länger die Trader, die er kopieren<br />

möchte, per Hand auswählen. Komplexe Algorithmen stellen<br />

ein Portfolio aus den erfolgreichsten Tradern der Plattform<br />

in einer Art Fonds zusammen, in den man investieren<br />

kann. Die Trader in diesem Portfolio werden nach unterschiedlichen<br />

Kriterien ausgewählt, etwa maximale oder auch<br />

konstanteste erwirtschaftete Gewinne. Ein automatisiertes<br />

Rebalancing stellt dabei sicher, dass das Portfolio auch dauerhaft<br />

aus den besten Tradern einer Plattform besteht. Das<br />

Dennis Austinat ist seit 2016 DACH-Chef des Social-Trading-Netzwerks<br />

eToro. Zuvor hatte er Führungspositionen bei verschiedenen Unternehmen<br />

im Bereich Fin- und HR-Tech inne. Von 2014 bis 2016 war er<br />

Geschäftsführer der Niloosoft KG.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 39<br />

geballte Wissen einer gesamten Community<br />

wird dadurch in einzelnen Investmentvehikeln<br />

komprimiert. Im Ergebnis<br />

verhält es sich so, als würden hunderte<br />

Anlageberater gleichzeitig für den Investor<br />

arbeiten. Vor diesem Hintergrund<br />

sprechen wir auch zunehmend vom<br />

Social Investing, da dieses Anlageinstrument<br />

tatsächlich eher mit der Investition<br />

in einen Exchange-Traded-Fund (ETF)<br />

vergleichbar ist.<br />

Das Geschäftsmodell hinter<br />

Social Trading und Social Investing<br />

Wer das Social Trading und Social Investing aus einem betriebswirtschaftlichen<br />

Blick verstehen möchte, sollte einen<br />

Blick auf das grundliegende Geschäftsmodell eines Online-<br />

Brokers werfen, der als „Market Maker“ für die Finanzinstrumente,<br />

die auf seiner Plattform zum Handel zur Verfügung<br />

stehen, An- und Verkaufspreise bestimmt, zu denen er zum<br />

Handel bereit ist. Wie bei vielen anderen Brokern auch liegt<br />

der Fokus von eToro auf Derivaten. Wenn ein Nutzer auf dieser<br />

Plattform beispielsweise auf die Kursentwicklung einer<br />

Aktie spekulieren möchte, dann kauft er nicht das Wertpapier<br />

selbst, sondern schließt mit dem Online-Broker einen<br />

Differenzkontrakt (CFD) auf die Kursentwicklung der Aktie –<br />

auch Basiswert genannt – ab. Das geht sowohl auf fallende<br />

als auch auf steigende Kurse per Long- oder Short-Position.<br />

Mit dem CFD partizipiert er dann an der Kursentwicklung<br />

des Basiswerts. Zum Verkaufszeitpunkt, den der Nutzer frei<br />

wählen kann, wird die Differenz zwischen dem ursprünglichen<br />

und dem aktuellen Kurs ausgeglichen.<br />

Bei jedem Verkauf eines CFDs verdient ein Market Maker<br />

am Spread, also der Differenz zwischen Buch- und Kurswert.<br />

Anders ausgedrückt: Trader sind dazu bereit, für einen<br />

CFD eine Prämie in Höhe von einigen Basispunkten auf<br />

den eigentlichen Basiswert zu zahlen. Warum? Das Finanzinstrument<br />

bietet ihnen einzigartige Möglichkeiten. CFDs<br />

ermöglichen es, auf hochbewertete Aktien auch zu einem<br />

Bruchteil ihres Kurswerts zu spekulieren oder bieten risikofreudigen<br />

Anlegern die Möglichkeit, per Hebel ihr Ertragspotenzial<br />

und Risiko anzukurbeln. Darüber können sie<br />

den Zugang zu Märkten eröffnen, die sonst für Investoren<br />

nur schwer zugänglich sind, beispielsweise dem Markt für<br />

Kryptowährungen.<br />

Mit der Finanzierung über den Spread korreliert der wirtschaftliche<br />

Erfolg eines Brokers unmittelbar mit der Anzahl<br />

der Trades auf seiner Plattform. Wird viel gehandelt, dann<br />

geht es ihm gut. Stillstand hingegen bedeutet den wirtschaftlichen<br />

Tod. Daraus ergeben sich<br />

zwei Erkenntnisse: Wachstum kann unmittelbar<br />

durch mehr Nutzer generiert<br />

werden und dadurch sichergestellt werden,<br />

dass bestehende Nutzer handeln.<br />

Das machen sie aber nur, wenn ihnen<br />

die bestmögliche Nutzererfahrung bereitgestellt<br />

wird. Und da die Welt des<br />

Tradings und Investments historisch<br />

gesehen einer kleinen Gruppe vorbehalten<br />

war, ist es für Online-Broker darüber<br />

hinaus erfolgskritisch, die Finanzmärkte<br />

für eine breitere Öffentlichkeit zu eröffnen. Deshalb stellt<br />

das Social Trading ein gesundes Geschäftsmodell dar.<br />

Vom Anfänger zum Profi – Social Trading ist attraktiv<br />

für alle<br />

Auch für die Nutzer kann Social Trading zur lukrativen Einnahmequelle<br />

werden – und ist in manchen Fällen sogar zur<br />

primären beruflichen Aktivität geworden. Die erfolgreichsten<br />

Social Trader weisen ganz unterschiedliche soziale und<br />

berufliche Hintergründe auf. Die besten Trader erhalten die<br />

Möglichkeit, als eigenständiger Vermögensverwalter zu<br />

agieren und dank Copy Trading über die Rendite ihrer eigenen<br />

Investment- und Trading-Aktivitäten hinaus Geld zu verdienen.<br />

Das fördert die Langzeitmotivation und auch Kompetitivität<br />

der Top-Trader auf den Plattformen – und damit<br />

ultimativ den Nutzen für jeden einzelnen Nutzer.<br />

Autor<br />

Dennis Austinat ist DACH-Chef des Social-Trading-<br />

Netzwerks eToro.<br />

Fazit<br />

Social Trading ist gleichermaßen attraktiv für den<br />

Trading- und Investment-Einsteiger, der von den<br />

erfahrenen Mitstreitern lernen oder sie einfach nur<br />

kopieren möchte. Viele der populärsten Trader folgen<br />

anderen Mitstreitern, deren Anlagestrategien<br />

auch für Profis eine sinnvolle Portfolioergänzung<br />

darstellen können. Das volle, kumulierte Knowhow<br />

ergibt sich erst aus dem geballten Wissen der<br />

Masse, das jedem einzelnen Nutzer unabhängig<br />

von seinem eigenen Erfahrungsstatus zur Verfügung<br />

steht.


40<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Total Digital –<br />

aber (noch) nicht<br />

in Deutschland<br />

Die Digitalisierung der Bankenbranche schreitet rund um den Globus voran.<br />

In einer aktuellen Studie des amerikanischen Softwarespezialisten FIS wurden die<br />

Leistungen von Banken mit den Erwartungen der Kunden in acht Industrie<br />

und Schwellenländern verglichen. Gegenstand der Studie war die Abfrage<br />

der Zufriedenheit der Kunden mit den Geldinstituten weltweit.<br />

Das positive Ergebnis<br />

aus deutscher Sicht:<br />

Insgesamt schnitten<br />

die Institute in Deutschland<br />

weltweit am besten<br />

ab – gemeinsam<br />

mit den US-Banken<br />

führen sie das<br />

Ranking an. Ein internationaler<br />

Trend<br />

wird dabei allerdings<br />

von Deutschland derzeit<br />

noch weniger berücksichtigt als in anderen<br />

Ländern: Digitale Bankservices stehen vor allem bei<br />

jüngeren Kunden – allen voran den Millenials – hoch im Kurs,<br />

sie treiben die Entwicklung zu mehr Digitalisierung weltweit<br />

voran. Bankkunden in Deutschland hingegen haben einen<br />

höheren Altersdurchschnitt und zeigen auch deshalb eine<br />

vergleichsweise geringe Affinität zu <strong>digital</strong>en Diensten. Banken<br />

setzen hierzulande aktuell noch weniger auf ein <strong>digital</strong>es<br />

Angebot. Um nun aber trotzdem auch die junge Zielgruppe<br />

langfristig binden zu können, braucht die Branche individuellere<br />

und ausgefeilte Service- und Beratungskonzepte.<br />

Weiterhin wurden die Erwartungen in punkto Zuverlässigkeit,<br />

Fairness und Transparenz nicht erfüllt. Bereits in<br />

den Vorjahren konnten Banken aus Deutschland in diesen<br />

Kategorien keine überzeugenden Ergebnisse erzielen. Insbesondere<br />

beim Thema Fairness fielen die Institute sogar<br />

noch zurück. Schuld an dieser Entwicklung sind versteckte<br />

Kosten bei Bankprodukten – dem Wunsch nach fairen und<br />

transparenten Gebührenmodellen werden hiesige Banken<br />

nach wie vor nicht immer gerecht. Was gilt es für die Banken<br />

in Deutschland also nun zu tun?<br />

Digitale und mobile Services ausbauen<br />

Insbesondere die Aussicht auf den Ausbau <strong>digital</strong>er Angebote<br />

sorgte bei den Befragten Bankkunden in Deutschland für<br />

positive Resonanz – die vorhandenen Angebote übertreffen<br />

sogar die erfragten durchschnittlichen Erwartungen. Die Erreichbarkeit<br />

der Bank über verschiedene Medien sowie die<br />

Angebote <strong>digital</strong>er Bezahlverfahren stellen die Bankkunden<br />

besonders zufrieden. Die klassische Bankfiliale erhält mehr<br />

und mehr Konkurrenz vonseiten <strong>digital</strong>er Services: Auch<br />

wenn wir im internationalen Vergleich noch zurückliegen,<br />

finden schon heute 70 Prozent der Kontakte, die deutsche<br />

Kunden mit ihren Bankinstituten haben, über elektronische<br />

Kanäle statt – Tendenz und Bedeutung weiter steigend. Besondere<br />

Treiber dieses Trends sind die Bankkunden im Alter<br />

zwischen 18 bis 25 Jahren. Die Nutzung mobiler Endgeräte<br />

– etwa zur Kontoverwaltung via App – gewinnt durch diese<br />

Gruppe zunehmend an Bedeutung. So finden bei den Millenials<br />

4,5 Kontakte über mobile Endgeräte statt. Bei Kunden


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 41<br />

der Generation X (37 bis 51 Jahre) sind es nur 2,7 Kontakte<br />

und bei den sogenannten Baby Boomern (52 bis 70 Jahre)<br />

im Durchschnitt lediglich ein Kontakt.<br />

In erster Linie finden <strong>digital</strong>e Leistungen des Online Bankings<br />

nun mobil statt. Bezahlen via Mobile Apps gehört in<br />

Deutschland aber nach wie vor zu den Nischen-Services.<br />

Gerade einmal neun Prozent der Befragten hierzulande nutzen<br />

regelmäßig entsprechende Applikationen zum Bezahlen<br />

über ihr mobiles Endgerät – anstelle von Bargeld, Schecks<br />

oder Kredit-/EC-Karten.<br />

Weltweit ist der Trend hin zu mobilen Geräten deutlich erkennbar<br />

und nachhaltig. Deutschland gehört – nicht zuletzt<br />

aufgrund seiner demografischen Struktur und einer vergleichsweise<br />

alten Gesellschaft – jedoch noch eher zu den<br />

Nachzüglern der <strong>digital</strong>en Entwicklung.<br />

Junge und jüngste Kunden frühzeitig binden<br />

Die Befragung unterstreicht einmal mehr, dass die Bereiche<br />

Beratung und individualisierte Angebote aus Kundensicht<br />

noch ausbaufähig sind. Insbesondere junge (18 bis 25 Jahre)<br />

und ältere (26 bis 36 Jahre) Kunden der Millenial-Generation<br />

kritisieren die mangelnde Unterstützung bei der<br />

Findung passender Kreditverträge sowie bei der Beratung<br />

von Anlagestrategien, die zu ihrer Lebenssituation passen.<br />

Eine Verbesserung dieser Punkte kann die Möglichkeit bieten,<br />

junge Kunden langfristig an das Unternehmen zu binden<br />

und ein Vertrauensverhältnis zu schaffen. Denn insbesondere<br />

diese Gruppe junger Kunden steht innerhalb der<br />

nächsten Jahre vor größeren finanziellen Entscheidungen.<br />

Die Chance, sich mit den richtigen Angeboten und guter<br />

Beratung eine nachhaltig treue Kundenbasis aufzubauen,<br />

ist also groß.<br />

Bezüglich der Nutzungsform der Anlageberatung zeigt sich<br />

ebenfalls eine Verschiebung hin zu neuen Kanälen. Bei den<br />

jüngeren Generationen verliert der Direktkontakt mit dem<br />

Anlageberater einer Bank weiter an Bedeutung. Stattdessen<br />

interessieren sie sich verstärkt für Anlagetipps über soziale<br />

Medien. Zudem sind sie für innovative, <strong>digital</strong>e Services wie<br />

Robo Advisory oder Online Coaching offen.<br />

Der direkte Zugang zu ihnen kann eine große Chance für<br />

eine nachhaltig funktionierende Kundenbeziehung darstellen.<br />

Voraussetzung ist allerdings, die jeweiligen Bedürfnisse<br />

frühzeitig zu antizipieren und maßgeschneiderte Services zu<br />

entwickeln und zielgruppengerecht anzubieten.<br />

Kundenloyalität als Wert erkennen<br />

Loyalität muss als Wert einer Bank verstanden werden und<br />

bedarf der entsprechenden Pflege – vor allem, wenn es um<br />

die Gruppe der jüngeren Kunden geht, die noch am Anfang<br />

ihrer Customer Journey steht, aber langfristig erfolgreich<br />

gebunden werden soll. Genau wie Vertrauen muss auch<br />

die Loyalität zunächst gewonnen werden. Das beginnt mit<br />

der Verbesserung der Service- und Customer-Experience,<br />

die gemäß der FIS-Studie insbesondere von den Millenials<br />

(18 bis 36 Jahre) als Kritikpunkte genannt wurden. So will<br />

etwa ein Viertel der Millenials Öffnungszeiten ihrer Bankfilialen,<br />

die sich nach ihrem Lebensrhythmus ausrichten und<br />

nicht umgekehrt. Für ebenfalls 25 Prozent der Millenials ist<br />

es von größter Wichtigkeit, einen Kredit zeitnah genug zur<br />

Verfügung gestellt zu bekommen, um hiermit besondere<br />

Gelegenheiten wahrnehmen zu können. Mit diesen Leistungen<br />

seitens der Banken können Vertrauen und Loyalität<br />

sukzessive aufgebaut werden.<br />

Aber auch Anerkennung und Belohnung des Kunden sollten<br />

stärker in den Vordergrund rücken. In diesem Kontext kommt<br />

den Kreditkarten-Bonusprogrammen eine Schlüsselrolle zu.<br />

Kunden, die exklusiv mit der Kreditkarte ihrer Hausbank<br />

Rechnungen begleichen, sind deutlich zufriedener, wenn es<br />

um die Wahrnehmung ihrer Bedürfnisse und Anliegen durch<br />

eine Bank geht. Auch auf diesem Wege lässt sich die Loyalität<br />

der Kunden steigern und nachhaltig pflegen.<br />

Die Kreditkarte der Hausbank spielt beim Thema Kundenbindung<br />

vor allem für die jüngere Zielgruppe eine entscheidende<br />

Rolle – sie erzielt als präferiertes Zahlungsmittel einen<br />

größeren Anteil an den Gesamtausgaben als bei älteren.<br />

Nur 13 Prozent benutzen exklusiv die Kreditkarte ihrer Hausbank.<br />

Und nur ein Viertel (26 Prozent) aller Deutschen besitzt<br />

aktuell überhaupt eine Kreditkarte. Mit Blick auf die neuen<br />

<strong>digital</strong>en Zahlungsmöglichkeiten – Stichwort „Instant Payments“<br />

– ist es wohl auch eher unwahrscheinlich, dass die<br />

Kreditkarte in Deutschland künftig einen ähnlich relevanten<br />

Status erhält wie aktuell in den USA.<br />

Autor<br />

Stefan Hirschmann<br />

Fazit<br />

Gemeinsam mit den US-Banken führen die deutschen<br />

Institute das globale Ranking der Kundenzufriedenheit<br />

an. Digitale Bankservices speziell für<br />

jüngere Kunden sind hierzulande allerdings noch<br />

nicht flächendeckend ausgeprägt. Bankkunden in<br />

Deutschland haben einen hohen Altersdurchschnitt<br />

und zeigen eine vergleichsweise geringe Affinität<br />

zu <strong>digital</strong>en Diensten. Noch.


42<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Freiheit treibt zu<br />

Höchstleistungen<br />

Dr. Dietmar Grichnik, Professor für Entrepreneurship und Direktor des Instituts für Technologiemanagement<br />

an der Universität St. Gallen, weiß aus seinen Forschungsarbeiten,<br />

wie stark das innere Spannungsverhältnis zwischen Möchten und Trauen auch den Schritt<br />

in die berufliche Selbstständigkeit blockiert. Doch er weiß auch um die innere Zufriedenheit,<br />

die aus der beruflichen Selbstständigkeit erwachsen kann.<br />

+Herr Prof. Grichnik, was steckt hinter dieser Zögerlichkeit,<br />

den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen?<br />

Grichnik: Die große Bremse ist die Angst, zu scheitern. Sie<br />

ist die Ausrede Nr. 1 dafür, nicht entschlossen den Versuch<br />

zu wagen, sich beruflich auf die eigenen Füßen zu stellen.<br />

Hinzu kommt, auch der gut funktionierende Arbeitsmarkt<br />

trägt trotz aller am Arbeitsplatz und um ihn herum gelegentlich<br />

empfundenen Misshelligkeiten seinen Teil dazu bei, die<br />

Komfortzone der festen Anstellung nicht zu verlassen. Und<br />

schließlich gibt es da ja auch noch die Bedenkenträger aus<br />

dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis. Ihr bremsender<br />

Einfluss sollte nicht unterschätzt werden.<br />

Dr. Dietmar Grichnik, Professor für Entrepreneurship<br />

und Direktor des Instituts für<br />

Technologiemanagement an der Universität<br />

St. Gallen.<br />

« Junge Entrepreneure<br />

sollten sich<br />

nicht risikoblind<br />

in das Abenteuer<br />

Selbstständigkeit<br />

stürzen.»


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 43<br />

+ Sich von den widersprüchlichen inneren und auch<br />

äußeren Stimmen blockieren zu lassen, ist schlichtweg<br />

falsch. Warum?<br />

Grichnik: Bei meiner Arbeit treffe ich viele Menschen, die<br />

den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. Viele berichten<br />

davon, zunächst oder auch längerfristig weniger zu<br />

verdienen als vorher, viel mehr arbeiten zu müssen, aber bei<br />

weitem zufriedener zu sein. Diese Zufriedenheit, die ganz<br />

stark auch aus der empfundenen Sinnhaftigkeit des eigenverantwortlichen<br />

selbstständigen Tuns erwächst, wiegt für<br />

sie langfristig doppelt und dreifach Mühen und Risiken der<br />

Selbstständigkeit auf.<br />

+ Risiko ist ein gutes Stichwort. Aber gibt es im Leben<br />

etwas, was nicht auf die eine oder andere Weise risikobehaftet<br />

ist? Macht nicht gerade die Auseinandersetzung<br />

mit, die Behauptung in und die Bewältigung von<br />

Risiken im Leben stärker?<br />

Grichnik: Richtig. Aber junge Entrepreneure sollten sich<br />

nicht risikoblind in das Abenteuer Selbstständigkeit stürzen,<br />

sondern dem Beispiel erfahrener Unternehmerinnen und<br />

Unternehmer folgen. Diese definieren einen ertragbaren<br />

Verlust, d. h. sie legen monetär, psychologisch und sozial<br />

einen für sie maximalen Zeit- und Kapitalbetrag fest, den sie<br />

bereit sind, zu verlieren. Das begrenzt das Risiko auf ein erträgliches<br />

Maß und ermöglicht den Schritt in das Ungewisse<br />

des unternehmerischen Neulands.<br />

+ Sie sagen, in jedem steckt etwas von einem Unternehmer.<br />

Was bringt Sie zu dieser Überzeugung?<br />

Grichnik: Wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen mit<br />

praktischen Erfahrungen. Beide haben mir gezeigt, als Unternehmer<br />

geboren wir niemand, doch jeder Mensch bringt<br />

die Voraussetzungen dazu mit. Beobachtungen von Kindern<br />

demonstrieren das. Kinder gehören für mich zu den unternehmerischen<br />

Wesen schlechthin. Ihre unerschöpfliche Kreativität<br />

beim Spielen, ihre Kommunikationsfähigkeit, aber<br />

auch ihre Risikotoleranz in ihren Spielen, das sind unternehmerische<br />

Eigenschaften par excellence. Leider nur lassen<br />

sich Viele im Laufe ihres Lebens diese Unternehmungslust<br />

und den Aktionsradius, in dem die Freude daran ausprobiert<br />

wird, nehmen. Das bedeutet aber nicht, sie ist gänzlich verloren.<br />

+ Aber gibt es nicht auch unterschiedliche Mentalitäten,<br />

die die einen mehr, die anderen weniger an der<br />

Selbstständigkeit Geschmack finden lassen?<br />

Grichnik: Und ob es die gibt! Selbstständigkeit verlangt die<br />

Bereitschaft, sich jenseits fester Arbeitszeiten zu engagieren<br />

und, bitteschön, sich auch zu strapazieren. Unter Mentalitätsgesichtspunkten<br />

verlangt Selbstständigkeit Durchhaltewillen<br />

und Verzicht. Und ein gerüttelt Maß an Ambiguitätsund<br />

Frustrationstoleranz. Man muss spannungsvolle unklare<br />

Situationen aushalten und Rückschläge wegstecken können.<br />

Das verlangt eine beachtliche Willenskraft, Zähigkeit<br />

und Zielstrebigkeit. Und, auch Mentalitätssache, die Leidenschaft<br />

für ein Projekt bzw. Produkt.<br />

+ Wovon hängt es unter dem Strich ab, wirklich Wind<br />

unter die Unternehmerflügel zu bekommen?<br />

Grichnik: Studien zeigen, die Wahrscheinlichkeit, sich in<br />

der Selbstständigkeit zu behaupten, wächst mit der Anzahl<br />

der Versuche. Diese bedingte Erfolgswahrscheinlichkeit<br />

wird also größer, je mehr Erfahrungen gemacht und verarbeitet<br />

werden. Wenn auch niemand Misserfolgserlebnisse<br />

besonders liebt, aus ihnen ist mehr zu lernen als aus Erfolgen.<br />

Was immer wieder vergessen wird: In Misserfolgen,<br />

in gemachten, erkannten und analysierten Fehlern verbirgt<br />

sich ein enormes Erkenntnis- und Weiterbildungspotenzial.<br />

Vorausgesetzt natürlich, man versinkt nicht in Frustrationen<br />

und Selbstvorwürfen, sondern macht sich dadran herauszufinden,<br />

was warum die Misserfolgsursache war.<br />

+ Das „Walk the Extra Mile!“ ist für Entrepreneure somit<br />

Arbeitsalltag. Und der Antrieb dazu ist die persönliche<br />

Gestaltungsfreiheit?<br />

Grichnik: Ja, diese Freiheit treibt sie zu Höchstleistungen<br />

an, aus denen sie hohes Selbstwirksamkeitsempfinden<br />

ziehen, das für sie Quell von Zufriedenheit und Glück ist.<br />

Diese Zusammenhänge sind von der psychologischen Forschung<br />

bestens belegt. Der Kraft- und Zeitaufwand für ein<br />

unternehmerisches Leben darf nicht bagatellisiert werden.<br />

Jeder muss mit sich selber ausmachen, welchen Einsatz er<br />

zu leis-ten bereit ist und für welchen Lebensentwurf er sich<br />

entscheidet. Ich kann gerade im Hinblick auf die tiefgreifende<br />

Veränderung der Berufswelt nur anregen, den Gedanken<br />

an die Möglichkeit der Selbstständigkeit nicht rundheraus<br />

aus seinen Überlegungen zu verbannen. Das Neue macht ja<br />

nicht nur gewohnte berufliche Tätigkeiten überflüssig, sondern<br />

die Entwicklung bringt auch neue berufliche Anforderungen<br />

mit sich und eröffnet aus denen heraus auch vielfältige<br />

neue berufliche Chancen.<br />

+ Herr Prof. Grichnik, haben Sie vielen Dank für dieses<br />

Gespräch.<br />

Interview: Hartmut Volk


44<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Re-Engineering<br />

Asset Management<br />

Mit Robo Advisory kratzt die Digitalisierung erst an der Oberfläche des Asset und Private<br />

Wealth Managements. Über technische Schnittstellen lassen sich Konten und Depots<br />

mit wenigen Klicks integrieren, mit entsprechenden Marktdaten verzahnen und<br />

analysieren – ein Quantensprung für Banken und ihre Kunden.<br />

Im Rahmen eines klassischen Anlageprozesses besucht<br />

der Kunde eine Bankfiliale. Hinter verschlossener Glastür<br />

stellt ihm ein Berater 30 Minuten lang Fragen. Hinter diesen<br />

Fragen steht ein Standardvorgehen, das in Einklang mit<br />

regulatorischen Vorgaben stehen muss. Durch geschulte<br />

Gesprächsführung und teilfundierte Antworten des Kunden<br />

gewinnt der Berater ein Gefühl für die finanzielle Situation<br />

des Kunden, für dessen Bedürfnisse und individuellen Erfahrungen<br />

mit Kapitalanlagen. Er schlägt ihm ein – meist von<br />

der Bank empfohlenes – Produkt auf Basis von einer von<br />

drei bis zehn Musterallokationen vor. Der Kunde erhält zum<br />

Abschluss ein Beratungsprotokoll. Nach erfolgreichem Abschluss<br />

kann er jeweils den aktuellen Status seiner Anlagen<br />

in seinem Online-Depotauszug erfassen.<br />

Wo liegt nun das Problem? Für den Kunden bleibt es oft unklar,<br />

ob die Anlageentscheidung richtig war. Er hat wenige<br />

Vergleichsmöglichkeiten und oft auch keinen Überblick über<br />

die Kosten und Anlageziele. Zudem wird nach Abschluss<br />

in der Regel keine Allokation vorgenommen, sofern sich<br />

die finanzielle Situation des Kunden ändert. Ihm bleibt das<br />

nagende Gefühl, ob er sich richtig entschieden hat. Doch<br />

auch die Bank ist unzufrieden. Die hohen Prozesskosten<br />

lohnen sich in Zeiten stetig sinkender Provisionen nur noch<br />

für hohe Anlagesummen. Obwohl über den Kunden viele<br />

Informationen vorliegen, wird im Anschluss kaum „Upselling“<br />

betrieben.<br />

1<br />

Stufe 1: Warum Robo Advice der Anfang ist<br />

Mehr laufende Transparenz für den Kunden und geringere<br />

Prozesskosten für die Bank bieten Robo Advisory-Lösungen.<br />

Der Prozess ist dabei im Wesentlichen<br />

derselbe, wie der oben beschriebene Offline-Prozess<br />

– nur online und mit laufender Vermögensübersicht<br />

in einem Dashboard. Die erste Robo-Generation <strong>digital</strong>isierte<br />

die Fondsdistribution im Mantel eines beratungsfreien<br />

Vertriebs. Knapp 18 Monate später folgte<br />

die zweite Generation, die eine vollstandardisierte Vermögensverwaltung<br />

im Mantel des § 32 KWG <strong>digital</strong>isierte.<br />

Beide Generationen <strong>digital</strong>isieren damit schon<br />

jetzt einen wichtigen Teil des Lösungsangebots für die<br />

Endkunden.<br />

2<br />

Stufe 2: Vermögen werden <strong>digital</strong><br />

Im Rahmen der aktuellen dritten Generation kommen<br />

Applikationen auf den Markt, die das bestehende Vermögen<br />

des Kunden <strong>digital</strong>isieren und analysieren. Über<br />

technische Schnittstellen (Application Programming Interfaces,<br />

APIs) lassen sich Konten und Depots mit wenigen<br />

Klicks integrieren, mit entsprechenden Marktdaten<br />

verzahnen und analysieren.<br />

Darüber hinaus lassen sich Vermögenswerte wie Häuser,<br />

gesetzliche und betriebliche Renten, Fondspolicen<br />

und alternative Vermögen erfassen und bewerten.<br />

Somit wird in wenigen Minuten eine <strong>digital</strong>e Vermögensübersicht<br />

abgebildet. Auf dieser Basis können<br />

Finanzdienstleister eigene <strong>digital</strong>e Applikationen zur<br />

Geldanlage bauen. So kann der Bankkunde beispielsweise<br />

nach seiner Depotverknüpfung eine zweite Meinung<br />

zu der Performance, den Kosten, dem Risiko und<br />

der Diversifikation in seinem Portfolio (Depotcheck)


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 45<br />

einholen oder einen dynamischen Sparplan oder eine<br />

dynamische Rentenplanung anlegen, die auch Konten<br />

und Depots bei anderen Banken im Blick behält. Anlageprodukte,<br />

Strategien und Markterwartungen erlangen<br />

gegenüber dem Kunden dadurch einen individuellen<br />

Charakter.<br />

3<br />

Stufe 3: Next Best Actions in einer <strong>digital</strong>en Vertriebssteuerung<br />

Auf Basis von <strong>digital</strong>isierten Vermögenswerten und Profilen<br />

lässt sich darüber hinaus die Vertriebssteuerung,<br />

insbesondere die Generierung von Vertriebsanlässen,<br />

optimieren. So können Banken Events definieren, die<br />

eine vordefinierte Aktion zur Folge haben. Der Kundenbetreuer<br />

kann eigenständig definieren, wann der Kunde<br />

u. a. einen Optimierungsvorschlag erhält, zu einem<br />

Beratungsgespräch eingeladen wird oder eine Information<br />

erhält, immer wenn sein Portfolio nicht mehr der<br />

Anlagestrategie entspricht, der Markt volatiler wird, ein<br />

Kunde in einem Depot ein Risiko-Cluster hat, ein Stresstest<br />

Risiken aufdeckt, neue Anlageobjekte das Risiko-<br />

Rendite-Profil des Kunden besser treffen oder sich der<br />

Wert einer Immobilie stark verändert hat und der Kunde<br />

reagieren sollte. Sowohl Ereignisse als auch Aktionen<br />

können frei definiert werden auf Basis des Datenmodells,<br />

das sowohl Kundenvermögen als auch Marktdaten<br />

und Analysen umfasst.<br />

4<br />

Stufe 4: Intelligente, steuernde Applikationen<br />

In der Praxis verknüpft der Kunde mit wenigen Klicks<br />

seine Konten, Depots sowie seine erwarteten Rentenzahlungen<br />

aus betrieblicher Altersvorsorge, gesetzlicher<br />

Altersvorsorge (auch dies geht in einigen europäischen<br />

Ländern bereits via Schnittstelle) sowie privater Rentenversicherung.<br />

Nach einer Analyse seines prognostizierten<br />

Ausgabeverhaltens im Ruhestand (auf Basis seiner<br />

heutigen Ausgaben im Konto) erhält er einen Vorschlag<br />

für ein Mindestrentenziel.<br />

Die Applikation errechnet auf Basis seiner Sparfähigkeit<br />

und seines Rentenziels eine geeignete Anlagestrategie<br />

unter Berücksichtigung von Performance, Duration,<br />

Risiko, Kosten und Risikostreuung. Ergänzend kann<br />

er spielerisch in einem Online-Dialog weitreichende<br />

Entscheidungen wie ein Sabbatical, einen Hauskauf<br />

oder einen Hausverkauf durchspielen. Wenn sich die<br />

Pläne des Kunden ändern, sich sein Ausgabeverhalten<br />

im Konto verändert oder die Marktentwicklung es erfordert,<br />

adjustiert die Applikation dynamisch die Anlagestrategie.<br />

5<br />

Stufe 5: Regulierung wird <strong>digital</strong><br />

In Zukunft lassen sich auch regulatorische Pflichten<br />

stärker <strong>digital</strong>isieren. So erfordert beispielsweise die<br />

PSD2, dass Kunden die Souveränität über ihre Konten<br />

haben (XS2A) und diese auch dritten Parteien freigeben<br />

können. MiFID 2 erfordert die Erfassung eines Anlageprofils<br />

des Kunden bestehend aus finanzieller Situation,<br />

Risikotragfähigkeit, Kenntnissen und Erfahrungen sowie<br />

Risikoneigung. Zudem wird die Beschreibung klarer<br />

Zielmärkte für Anlageprodukte (Target Markets) zwingend,<br />

die in Einklang mit dem Kunden stehen (Suitability<br />

oder Appropriateness). In diesem Kontext können<br />

schon heute voll<strong>digital</strong>isierte Prüfungen der Angemessenheit<br />

von Anlagestrategien durchgeführt werden.<br />

Über eine Suitability-Monitoring-API in Echtzeit kann<br />

überwacht werden, ob eine Aktion im Portfolio oder die<br />

generelle Marktentwicklung im Einklang mit dem Anlageprofil<br />

des Kunden stehen. Sollte dies nicht der Fall<br />

sein, kann die Abweichung direkt an den Vermögensverwalter<br />

oder Kunden weitergegeben werden.<br />

6<br />

Stufe 6: Institutionelle Vermögen werden <strong>digital</strong><br />

In der institutionellen Geldanlage spielen u. a. Anlagerestriktionen<br />

eine wichtige Rolle. Während einige<br />

Anleger eher weiche Restriktionen auf Asset-Klassen-<br />

Ebene vorhalten, haben etwa Stiftungen thematische<br />

Schwerpunkte, konkrete Anlagekategorien oder Blacklisting-Vorgaben,<br />

die einen tiefen Drill Down in Fonds<br />

oder strukturierte Produkte erfordern. Auch in diesem<br />

Segment kann analytische Software die portfoliogestaltenden<br />

Prozesse <strong>digital</strong>isieren sowie ein <strong>digital</strong>es Abbild<br />

der Vermögenspositionen über intelligente Algorithmen<br />

mit Marktdaten erstellen.<br />

Autor<br />

Ralf R. Heim ist Co-CEO der Fincite GmbH.<br />

Fazit<br />

Durch Software-as-a-Service (SaaS) nutzen Banken,<br />

Versicherer und Asset Manager in zunehmendem<br />

Maße neue Möglichkeiten, um die Lösungsangebote<br />

für ihre Endkunden zu erweitern.<br />

Auf Basis von <strong>digital</strong>isierten Vermögenswerten<br />

und Kundenprofilen lässt sich die Vertriebssteuerung<br />

weitreichend optimieren sowie die Bank-<br />

Kunde-Beziehung individualisieren.


46<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Digitale Kreditvergabe<br />

an Städte<br />

und Gemeinden<br />

Die Nachfrage nach Kommunalkrediten aufseiten der deutschen Städte und Gemeinden<br />

ist nach wie vor groß. Eine neue Geschäftsidee aus der Schweiz ermöglicht institutionellen<br />

Investoren den Zugang zu öffentlich-rechtlichen Schuldnern über einen Online-Marktplatz.<br />

Jetzt soll das Geschäftsmodell auch in Deutschland ausgerollt werden.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 47<br />

Obwohl der Schuldenstand der deutschen Kommunen gegenüber<br />

dem 31. März 2016 um 1,4 Prozent auf 141,1 Mrd. €<br />

gesunken ist, ist die Nachfrage von Kommunen nach Kommunalkrediten<br />

in allen Laufzeiten weiterhin hoch. Die gesamten<br />

Schulden setzen sich zu zwei Dritteln aus langfristig<br />

finanzierten Investitionskrediten und zu einem Drittel aus<br />

kurz- und mittelfristigen Kassenkrediten zusammen. Kassenkredite<br />

werden zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen<br />

genutzt. Während früher nur Laufzeiten von bis zu<br />

einem Jahr erlaubt waren, werden heute teilweise auch<br />

längere Laufzeiten der Kassenkredite gewählt. Investitionskredite<br />

haben längere Laufzeiten und werden in der Regel<br />

getilgt.<br />

In der Finanzlage der einzelnen Städte gibt es große regionale<br />

Unterschiede. Während Investitionskredite bundesweit<br />

nachgefragt werden, sind Kassenkredite hauptsächlich<br />

in NRW, Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen verbreitet.<br />

Kommunalkredite können sowohl als Kreditverträge als<br />

auch als Schuldscheine oder Namensschuldscheine vergeben<br />

werden.<br />

Kommunalkredite stellen sowohl auf Angebots- wie auch<br />

auf Nachfrageseite ein sehr beliebtes Instrument dar. Eine<br />

unter mehr als 30 Städten, Gemeinden, Banken und institutionellen<br />

Kapitalgebern durchgeführte Umfrage zeigt<br />

jedoch, dass der bisherige manuelle Prozess der Kreditaufnahme<br />

und -vergabe als langwierig, teuer, intransparent<br />

und unsicher wahrgenommen wird. Da besteht Verbesserungspotenzial,<br />

um die Kommunalfinanzierung schlank und<br />

wettbewerbsfähig zu gestalten und Banken die Möglichkeit<br />

zu geben, einfach und direkt nach attraktiven Kreditvergabemöglichkeiten<br />

zu suchen.<br />

Innovation in der Kommunalfinanzierung<br />

Das Start-up Loanboox bringt Banken und andere institutionelle<br />

Investoren mit Städten und Gemeinden auf einer<br />

Online-Plattform zusammen. Seit dem Go-Live vor einem<br />

Jahr in der Schweiz wurde bereits ein Anfragevolumen von<br />

über 4 Mrd. € abgewickelt. Inzwischen sind 450 Schweizer<br />

Städte und Gemeinden sowie 140 institutionelle Kapitalgeber<br />

und Banken auf Loanboox aktiv.<br />

Basierend auf der Nachfrage im deutschen Markt wird das<br />

Start-up nun auch hier Kapitalgeber dabei unterstützen, attraktive<br />

und sichere Schuldner zu finden und gleichzeitig<br />

11.000 Städten und Gemeinden helfen, ihre Finanzierungsprozesse<br />

zu <strong>digital</strong>isieren und Darlehen einfach und günstig<br />

abzuschließen.<br />

Nach der Registrierung können Kreditnehmer mit wenigen<br />

Klicks eine Kreditanfrage erstellen. Dazu wird Folgendes<br />

angegeben: die Kredithöhe, die gewünschte Laufzeit, das<br />

Startdatum, die Tilgung sowie bis wann die Angebote benötigt<br />

werden.<br />

Die institutionellen Kapitalgeber und Banken sehen die Anfrage<br />

und können direkt und einfach ein Angebot abgeben.<br />

Zeitaufwand: rund zwei bis drei Minuten.<br />

Als Kapitalgeber kann entweder ein Standardvertrag verwendet<br />

werden, oder aber der eigene Vertrag wird hinterlegt,<br />

der im System <strong>digital</strong> verschlagwortet wird. Für Städte<br />

und Gemeinden sind die Konditionen und Vertragsklauseln<br />

aller Angebote übersichtlich auf einer Seite dargestellt und<br />

können auf einen Blick verglichen werden. Erfüllt eines der<br />

Angebote oder die Kombination mehrerer Angebote die<br />

Wunschkriterien, kann es direkt mit einem Klick über die<br />

Plattform abgeschlossen werden.<br />

Kosten fallen für die Kapitalgeber keine an, für Kreditnehmer<br />

nur beim erfolgreichen Abschluss über die Vermittlungsplattform,<br />

ein Basispunkt pro Laufzeitjahr, sprich 0,01<br />

Prozent des Kreditvolumens. Die Online-Plattform vermittelt<br />

zwischen Kapitalgebern und Kreditnehmern, ist selbst<br />

aber keine Vertragspartei. Auch die Kreditprüfung erfolgt<br />

direkt über die Kapitalgeber, die alle zur Kreditvergabe berechtigte,<br />

institutionelle Investoren sein müssen. Das Mindestvolumen<br />

für eine Finanzierung startet bei 500.000 €<br />

und ist nach oben offen. Es können Laufzeiten zwischen<br />

wenigen Tagen bis über 40 Jahre angefragt werden.<br />

Dank einfacher Filterfunktion (z. B. Laufzeiten, Volumina<br />

etc.) haben Kapitalgeber zudem die Möglichkeit, auch proaktiv<br />

nach Kreditvergabemöglichkeiten zu suchen, die optimal<br />

in ihr Portfolio passen.<br />

Autor<br />

Andreas Franke ist Geschäftsführer der Loanboox GmbH.<br />

Fazit<br />

Kommunalkredite können einfach und direkt über<br />

eine neue Online-Plattform erschlossen werden.<br />

Dabei werden Banken und andere institutionelle<br />

Investoren mit Städten und Gemeinden auf <strong>digital</strong>er<br />

Ebene zusammengebracht. Kosten fallen für<br />

die Kapitalgeber keine an, für Kreditnehmer nur<br />

beim erfolgreichen Abschluss über die Vermittlungsplattform.


48<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Mehr Umsatz mit<br />

E-Invoicing<br />

In Zeiten niedriger Zinsen klammern sich Banken an das rentable Geschäft mit Unternehmen.<br />

Durch neue Finanztechnologien lässt sich das Angebot für Firmenkunden sinnvoll<br />

ausbauen. So dürfte es für Banken attraktiv sein, auf Basis eines Kooperationsmodells<br />

ihren Geschäftskunden eine Digitalisierung der Rechnungsprozesse anzubieten.<br />

Banken können mit der Digitalisierung ihres Angebots nicht<br />

nur Kosten sparen, sondern ihren Umsatz steigern und<br />

gleichzeitig die Kundenbindung verbessern. Denn auch<br />

scheinbare Nischenprodukte werden von Firmenkunden<br />

zunehmend nachgefragt und müssen von Banken abgedeckt<br />

werden – sofern sie ihre Kunden halten wollen. So<br />

können Finanzinstitute ihren Geschäftskunden anbieten,<br />

den Rechnungsprozess für sie deutlich zu verschlanken. Mit<br />

E-Invoicing-Services erweitern sie ihr Produktportfolio entlang<br />

des Zahlungsverkehrsprozesses und können die Automatisierung<br />

von Zahlungsströmen optimieren. Der Vorteil<br />

für Banken: Sie haben durch dieses Zusatzangebot eine stabile<br />

Kundenbindung und bieten ihren Kunden einen echten<br />

Zusatzservice. Sie werden zu einem Full-Service-Provider<br />

entlang der gesamten finanziellen Wertschöpfungskette.<br />

Der Kunde muss sich nicht länger verschiedene Partner suchen<br />

und anfragen. Er kann sämtliche Dienstleistungen aus<br />

einer Hand beziehen.<br />

Elektronische Rechnungsverarbeitung als Bestandteil<br />

des Beratungsangebots<br />

Dazu müssen zunächst die zuständigen Firmenkundenberater<br />

zu E-Invoicing geschult werden. Anschließend sollten<br />

die entsprechenden Produkte und Services als fester Bestandteil<br />

in das Beratungs- und Lösungsangebot für Firmenkunden<br />

integriert werden. Die Kundenberater<br />

ermitteln dann den Bedarf für E-Invoicing<br />

jeweils in den persönlichen Gesprächen.<br />

Stimmen Wünsche und<br />

Anforderungen des<br />

Kunden mit dem Serviceangebot des Anbieters überein,<br />

führt die Bank den Kunden mit dem E-Invoicing-Provider<br />

zusammen und überlässt diesem die restliche Geschäftsabwicklung.<br />

Digitalisierung aller Unternehmensprozesse<br />

Der Digitalisierungsgrad der Unternehmenskunden ist<br />

noch immer sehr gemischt. Viele Unternehmen sind<br />

schon gut aufgestellt, bei anderen wiederum beschränkt<br />

sich die Digitalisierung quasi auf einen<br />

vorhandenen Internetzugang. Die elektronische<br />

Rechnungsverarbeitung ist ein grundlegender<br />

Bestandteil der Modernisierung von<br />

Geschäftsprozessen, die insgesamt ein<br />

oft ungenutztes Potenzial zur Prozessverschlankung<br />

und Kostensenkung<br />

birgt. Dabei wissen<br />

allerdings die wenigsten<br />

Unternehmen, dass<br />

ein reines PDF<br />

der Rechnung


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 49<br />

noch keine E-Rechnung darstellt. Hier Aufklärungsarbeit zu<br />

leisten und Unternehmen dabei zu unterstützen, sich bestmöglich<br />

aufzustellen, sollte zum Beratungsangebot einer<br />

Bank gehören. Indem sie die Digitalisierung ihrer Firmenkunden<br />

nicht nur begleiten, sondern aktiv mitgestalten, können<br />

sie sich als vertrauensvoller Berater etablieren, Kunden<br />

an sich binden und mit gutem Beispiel in eine <strong>digital</strong>e Zukunft<br />

vorangehen.<br />

Supply Chain Finance als Alternative<br />

zum Bankkredit<br />

Aktuell konzentrieren sich Banken<br />

auf Kooperationen mit<br />

FinTechs im Bereich des Zahlungsverkehrs.<br />

Auch andere<br />

Kernkompetenzen von Banken,<br />

wie Kreditvergabe und<br />

Liquiditätsbeschaffung, bleiben<br />

von der Innovationsfreude<br />

der FinTechs nicht länger<br />

unberührt. Dies gilt auch für<br />

Supply Chain Finance (SCF).<br />

Als Teildisziplin des Supply<br />

Chain Managements setzt<br />

SCF den Fokus auf die Optimierung<br />

von Finanzstrukturen<br />

und Geldflüssen. Ziel ist<br />

die Maximierung des Profits<br />

von einzelnen oder mehreren<br />

Unternehmen entlang einer<br />

Lieferkette. Grundvoraussetzung<br />

für die Nutzung von SCF ist die<br />

vorherige Umstellung der Rechnungsverarbeitung<br />

auf E-Invoicing. Erst die elektronische<br />

Verarbeitung von Rechnungsdaten und<br />

die Digitalisierung von Finanzprozessen macht<br />

die Nutzung von Supply-Chain-Finance-Ansätzen<br />

überhaupt möglich.<br />

Ob nun in Form von Dynamic Discounting, Reverse<br />

Factoring, auktionsbasierter Rechnungsfinanzierung<br />

oder Purchasing Cards: Für jede Variante von SCF findet<br />

sich das passende Einsatzszenario. Welche Option die richtige<br />

ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa wie<br />

viel Geld gebraucht oder wie schnell es benötigt wird. Einige<br />

dieser Ansätze sind nicht neu. Neu dagegen ist die fortlaufende<br />

Digitalisierung und Verknüpfung der Prozesse zu<br />

einem durchgehenden Wertschöpfungsprozess. Das vereinfacht<br />

den Einsatz im Tagesgeschäft für die Unternehmen<br />

enorm.<br />

Vorteile für kleine und mittelständischen Unternehmenskunden<br />

Insbesondere Mittelständler und Kleinunternehmer zögern<br />

häufig bei der Digitalisierung, da sie ein aufwändiges Projekt<br />

und einen langwierigen Umstellungsprozess befürchten.<br />

Die Angst vor kostspieligen Fehlentscheidungen sitzt tief.<br />

Ein weiteres Problem ist die Fehleinschätzung, E-Invoicing-<br />

Lösungen seien zu teuer und zu komplex für das Rechnungsvolumen,<br />

über das kleine und mittlere Unternehmen<br />

(KMU) verfügen. Dabei gibt es längst Lösungen, die speziell<br />

auf die Bedürfnisse des Mittelstands zugeschnitten sind und<br />

den kompletten Prozess der Rechnungsbearbeitung – vom<br />

Eingang über die Freigabe bis hin zur Verbuchung in beliebigen<br />

ERP-Systemen – abdecken.<br />

Für Unternehmen entsteht der Mehrwert der Digitalisierung<br />

nicht einzig durch die elektronische Rechnungsverarbeitung,<br />

sondern durch die Umstellung aller nachgelagerten Rechnungsprozesse.<br />

Beispielsweise ermöglicht der zuvor genannte<br />

SCF-Ansatz eine zusätzliche Zwischenfinanzierung.<br />

Durch SCF wird nicht nur die Liquidität im Unternehmen<br />

erhöht, sondern das Working Capital optimiert, Kosten werden<br />

reduziert und finanzielle Risiken verringert.<br />

Besonders KMU profitieren also entsprechend von Supply<br />

Chain Finance. Nicht selten hängt die Sicherung der eigenen<br />

Existenz davon ab, da gerade KMU immer wieder mit Liquiditätsengpässen<br />

zu kämpfen haben. Die neuen Formen der<br />

Zwischenfinanzierung erlauben es, dass Unternehmen nicht<br />

mehr bis zu 90 Tage auf ihr Geld warten müssen, sondern<br />

auf Knopfdruck eine Vor- oder Zwischenfinanzierung einzelner<br />

Rechnungen erhalten.<br />

Autor<br />

Marcus Laube ist Gründer und Geschäftsführer von Crossinx.<br />

Fazit<br />

Im Geschäftskundensegment bieten Finanzierungslösungen<br />

entlang der Lieferkette (Chain<br />

Finance) sowie elektronische Dokumenten- und<br />

Rechnungsprozesse für Banken eine Möglichkeit,<br />

das Angebot für Firmenkunden auszubauen. Ein<br />

E-Invoicing-Kooperationspartner kann die komplette<br />

Integration übernehmen, wodurch der<br />

technische Aufwand sowohl für das Finanzinstitut<br />

als auch für den Kunden komplett entfällt.


50<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Infos und Spaß dank<br />

der Mitarbeiter-<br />

App<br />

Kunden, aber auch Mitarbeiter erwarten heute mehr und mehr <strong>digital</strong>e Wege<br />

der Kommunikation und Zusammenarbeit. Auf der Suche nach einer zeitgemäßen und<br />

effizienten Kommunikationslösung für ein Institut, dessen 700 Mitarbeiter auf<br />

109.000 Quadratkilometern zwischen Ostsee und Erzgebirge verteilt sind,<br />

wurde die Lösung in einer Mitarbeiter-App gefunden.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 51<br />

Der Wunsch der Belegschaft nach einem Strategie vermittelnden<br />

und übersetzenden Kommunikationsmedium und<br />

einer insgesamt effizient gestalteten Kommunikation war<br />

stark ausgeprägt. Handlungsbedarf sahen die Mitarbeiter<br />

vorrangig in den Bereichen Effizienz und den technischen<br />

Möglichkeiten zur Darstellung von Informationen.<br />

Bis dato war die E-Mail der Dreh- und Angelpunkt zur Verbreitung<br />

und Beschaffung von Informationen. Ein Medium,<br />

das den schnellen, sachbezogenen, wenig emotionalen Instrumenten<br />

zuzuordnen ist und auf eine Identität stiftende<br />

Unternehmenskultur nur bedingt einzahlt. Darüber hinaus ist<br />

es nicht geeignet, standardisierte Kommunikationsprozesse<br />

und einen einheitlichen Informationsfluss zu bedienen.<br />

Diesen Umstand galt es zu verändern. In einem interdisziplinären<br />

Team, bestehend aus Mitgliedern der Abteilungen<br />

für Kommunikation, IT und Personal sowie des Betriebsrats,<br />

wurden Lösungen gesucht. Die Entscheidung fiel bewusst<br />

gegen eine gedruckte Mitarbeiterzeitung. Printprodukte dieser<br />

Art schaffen zwar ein Gefühl von Transparenz, jedoch<br />

sind sie langsam und kostenintensiv. Als zeitgemäße Lösung,<br />

die zum Selbstverständnis des Unternehmens passt,<br />

kam die Mitarbeiter-App auf den Plan.<br />

Alle Abteilungen an der Planung beteiligt<br />

Gemeinsam wurden Ideen diskutiert und Bedenken aus dem<br />

Weg geräumt. Eine Eigenentwicklung schied aufgrund des<br />

Planungshorizonts aus. Mit der Unterstützung des Vorstands<br />

und durch die Zusammenarbeit mit einem Start-up (Staffbase),<br />

das mobile Kommunikationskanäle nach dem Baukasten-Prinzip<br />

anbietet, wurde mit der Umsetzung der Idee<br />

begonnen. Die größten Herausforderungen stellten die<br />

Auflagen dar, die ein Finanzinstitut bei der Einführung eines<br />

moderenen Kommunikationsmediums erfüllen muss. Dazu<br />

gehören Gewährleistung der strengen Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

und der Informationssicherheit. Um sicherzustellen,<br />

welche Benutzerrollen und -rechte notwendig<br />

und wie diese zu verteilen sind, wurde eine umfassende Berechtigungsmatrix<br />

erstellt. Auch das unterstützende externe<br />

Unternehmen musste ein geeignetes IT-Sicherheitskonzept<br />

vorlegen. Die gesamte Entwicklungszeit erstreckte sich auf<br />

sechs Monate, die ohne die bürokratischen Rahmenbedingungen<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit kürzer ausgefallen<br />

wäre. Am Valentinstag <strong>2017</strong> konnte dann die Mitarbeiter-App<br />

HALLO#intern wie eine „Liebeserklärung an die Mitarbeiter“<br />

im gesamten Unternehmen ausgerollt werden.<br />

HALLO#intern im Einsatz<br />

Derzeit wird die App vor allem als interaktive und <strong>digital</strong>e Mitarbeiterzeitung<br />

genutzt. Diese ist, im Vergleich zum gedruckten<br />

Pendant, kostengünstiger und schneller. Informationen<br />

und Unternehmensnachrichten erreichen die Mitarbeiter,<br />

wenn sie aktuell und relevant sind. Dafür existieren sechs<br />

Rubriken: allgemeine Unternehmensnachrichten, Nachrichten<br />

vom Vorstand, Informationen des Betriebsrats, die<br />

Presseschau, „Kurz & Knapp” sowie „Bilder sagen mehr”.<br />

Außerdem wurde ein schwarzes Brett integriert. Darüber hinaus<br />

dient die App für Umfragen innerhalb der Belegschaft,<br />

beispielsweise zu Motiven für die Marketing-Unterlagen.<br />

Fünf Monate nach der Einführung beträgt die Nutzerquote<br />

bereits 90 Prozent. 62 Prozent davon lesen HALLO#intern<br />

täglich. Die Interaktionsquote liegt bei 12 Prozent. Der<br />

Hauptgrund für die gute Akzeptanz liegt in dem anwenderfreundlichen<br />

und selbsterklärenden Design. Somit entfallen<br />

aufwändige Schulungen und die Mitarbeiter entdecken<br />

HALLO#intern selbstständig.<br />

Die App ist auf allen im Unternehmen eingesetzten Geräten<br />

verfügbar: Android Smartphones/Tablets, iPhones/iPads und<br />

auch auf dem Desktop als WebApp, was die Akzeptanz zusätzlich<br />

erhöht.<br />

Durch ein strukturiertes Dashboard kann das Team aus abteilungsübergreifenden<br />

Redakteuren schnell alle relevanten<br />

Themen aufbereiten und auch mittels Push-Benachrichtigung<br />

die Kollegen informieren. Vom Vorstand bis zur Filialmitarbeiterin<br />

nutzen bereits alle die Anwendung, sodass<br />

es jetzt schon Wünsche nach weiteren Funktionen, wie beispielsweise<br />

einem Messenger-Service, gibt, um sich auch<br />

untereinander und vor allem über sichere Server austauschen<br />

zu können.<br />

Autorin<br />

Nancy Mönch, Leiterin Unternehmenskommunikation bei<br />

Sparda-Bank Berlin eG.<br />

Fazit<br />

Durch Transparenz, Professionalität, Interaktion<br />

und Nähe trifft die Mitarbeiter-App genau den<br />

richtigen Nerv und erfüllt den Anspruch der Belegschaft.<br />

Durch die frühzeitige Einbindung aller relevanten<br />

Abteilungen ist die Akzeptanz sehr hoch.<br />

Mit HALLO#intern wurde ein Kanal geschaffen,<br />

der zum Austausch unter den Kollegen einlädt, im<br />

Vergleich zur gedruckten Mitarbeiterzeitung deutlich<br />

wirtschaftlicher sowie aktueller ist und darüber<br />

hinaus auch Spaß macht.


52<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Vergabe von Marktplatzkrediten<br />

zur<br />

Kundenbindung<br />

Dass Banken ihr Angebot durch Kooperationen mit FinTechs sinnvoll erweitern<br />

können, ist keine neue Erkenntnis. Dass dadurch ausgerechnet das Filialgeschäft von<br />

Banken gestärkt wird dagegen schon. Das Beispiel Auxmoney zeigt, wie immer<br />

mehr Geldinstitute mit Kreditmarktplätzen kooperieren, um mehr Menschen<br />

in der eigenen Filiale einen Kredit anbieten zu können.<br />

Es ist ein Problem für die Gesamtwirtschaft und immer<br />

wieder ein Rückschlag für den Betroffenen: Insgesamt werden<br />

in Deutschland pro Jahr private Kreditanfragen in Höhe<br />

von bis zu 66 Mrd. € von klassischen Kreditgebern abgewiesen.<br />

Dies betrifft vor allem Selbstständige, Studenten<br />

oder Arbeitnehmer in der Probezeit. Damit verlassen jedes<br />

Jahr über zwölf Millionen Menschen ihre Bankfiliale ohne<br />

einen Kredit – und meist auch noch mit einem schlechten<br />

Gefühl. Ganz ähnlich geht es wohl vielen Beratern, die Kunden<br />

ablehnen müssen, die eigentlich durchaus kreditwürdig<br />

sind, aber nicht den pauschalen Risikovorgaben ihrer<br />

Bank entsprechen.<br />

Eine Lösung aus dem FinTech-Bereich ermöglicht den Banken<br />

einen Ausweg: Durch die Kooperation mit einem Kreditmarktplatz<br />

können sie Kunden, die sie bislang ablehnen<br />

müssen, doch noch zu einem Kredit verhelfen. Der Vorteil<br />

für die Bank: Mehr Kreditzugang bedeutet eine höhere Kundenzufriedenheit.<br />

Mehr Kredite bedeuten mehr Kundenbindung<br />

und Geschäft.<br />

Der Vorteil für den Kunden: Er bekommt den Kredit bei seiner<br />

eigenen Hausbank, zu der in der Regel ein langjähriges<br />

Vertrauensverhältnis besteht.<br />

Dies erfordert den Einsatz <strong>digital</strong>er Technologien und datenbasierter<br />

Scoring-Methoden bei der Bonitätsprüfung. Anhand<br />

vieler Datenpunkte werden potenzielle Kreditnehmer


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 53<br />

bei Auxmoney differenzierter und individueller angeschaut.<br />

Auf diese Weise können auch potenzielle Kreditnehmer<br />

zum Zug kommen, die bei Banken bislang aus verschiedenen<br />

Gründen ausgeschlossen werden. Die Institute nutzen<br />

diesen technologischen Fortschritt zurzeit noch kaum – damit<br />

drohen sie eine der größten Chancen der Digitalisierung<br />

im Kreditwesen zu verpassen.<br />

Schließlich können Kooperationen mit FinTechs für Banken<br />

durchaus eine praktikable Lösung sein, wenn es gelingt,<br />

deren <strong>digital</strong>es Angebot den eigenen Kunden zugänglich zu<br />

machen. Damit kann die Fähigkeit der Kreditmarktplätze,<br />

Kredite auch in Bereichen zu ermöglichen, in denen Banken<br />

deutlich restriktiver sind, zu einer Stärke der kooperierenden<br />

Bank werden. Banken, die sich für <strong>digital</strong>e Partnerschaften<br />

entscheiden, bleiben die zentrale Anlaufstelle<br />

für den Kunden und erweitern ihr Angebot im Sinne einer<br />

modernen Open-Banking-Strategie. Noch gibt es wenige<br />

Segmente, in denen klassische Geldinstitute und FinTechs<br />

zusammenarbeiten. Aber insbesondere bei der Kreditvergabe<br />

erkennen immer mehr Kreditinstitute die Vorteile solcher<br />

Kooperationsmodelle für sich.<br />

Kooperation mit Signalwirkung<br />

Wie eine Bank ihre eigene Kreditvergabe durch eine Kooperation<br />

erweitern und verbessern kann, zeigt etwa N26.<br />

Kunden der mobilen Bank können seit kurzem mit wenigen<br />

Klicks direkt in der N26-App einen Kredit über den Marktplatz<br />

Auxmoney abschließen. N26 kann so weiteren Kundengruppen<br />

einen schnellen und einfachen Zugang zu Krediten<br />

ermöglichen, die sonst nicht bedient werden könnten.<br />

Der gesamte Prozess von Antrag über Angebot, Prüfung<br />

und Bewilligung ist vollständig <strong>digital</strong>. Ein entsprechendes<br />

Kreditangebot erscheint innerhalb weniger Sekunden auf<br />

dem Handy des Kunden. Damit wird das Modell eines Kreditmarktplatzes<br />

auf das mobile Banking übertragen.<br />

Für die Bank entsteht dabei kein zusätzlicher IT-Aufwand,<br />

denn ihr wird eine webbasierte Softwarelösung zur Verfügung<br />

gestellt, die es auch dem Bankberater in der Filiale<br />

ermöglicht, mit dem Kunden von der Kreditanfrage bis zum<br />

Abschluss des Vertrags alle Schritte unmittelbar in der Geschäftsstelle<br />

durchzuführen. Dabei übernimmt der Berater<br />

durch eine Identitätsüberprüfung zugleich die Legitimation<br />

des Kunden. Der Kreditmarktplatz prüft die Bonität des Kreditnehmers<br />

mithilfe des eigenen datenbasierten Scoring-<br />

Verfahrens individuell und erstellt ein risikoadjustiertes<br />

Kreditangebot, das dem Bankberater unmittelbar zur Verfügung<br />

gestellt wird. Der Kunde kann den ausgedruckten<br />

Kreditvertrag direkt in der Filiale vor Ort rechtsgültig unterschreiben.<br />

Neue Kundengruppen erschließen<br />

Es gibt einige Beispiele, die zeigen, wie wertvoll bestimmte<br />

Gruppen, die nach den pauschalen Kriterien von der Kreditvergabe<br />

häufig ausgeschlossen sind, für Banken sein<br />

können. Dazu gehören etwa Kleinunternehmer. Zieht das<br />

Geschäft eines Kleinunternehmers erst einmal an, wird<br />

aus ihm schnell ein für die Bank attraktiver Kunde. Das ist<br />

nicht nur im Einzelfall interessant. So ist die Einbindung dieser<br />

Zielgruppen in die Kreditversorgung grundsätzlich von<br />

gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Relevanz: Die<br />

verbesserte Kapitalausstattung von Selbstständigen, Existenzgründern<br />

und Kleinunternehmern stärkt die regionale<br />

Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze.<br />

Eine weitere Zielgruppe stellen Studenten dar: Einem Studenten,<br />

der kurz vor seinem Abschluss steht und der einen<br />

Kredit benötigt, um ein Auslandssemester oder ein Praktikum<br />

im Ausland zu absolvieren, kann die Bank aufgrund ihrer<br />

strikten Risikovorgaben oft keinen Kredit anbieten – und<br />

verliert ihn möglicherweise dauerhaft als Kunden. Ein großer<br />

Fehler, immerhin ist der Student der Gegenwart der Akademiker<br />

der Zukunft – und damit nicht selten ein finanzstarker<br />

Kunde. Für eine Bank kann es also durchaus schmerzhaft


54<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Bevor Raffael Johnen vor zehn Jahren Auxmoney gründete, war er über sechs Jahre bei der<br />

Investmentbank Rothschild in den Bereichen Mergers & Acquisitions und Debt Advisory tätig, zuletzt<br />

als Vice President. Später gründete er Excellion Capital, eine in London ansässige Merchant<br />

Bank, die auf Corporate-Finance-Beratung und Principal Investments spezialisiert ist. Heute ist<br />

Auxmoney nach eigenen Angaben der führende Kreditmarktplatz in Kontinentaleuropa.<br />

sein, ihn dauerhaft als Kunden zu verlieren. Ähnliches gilt<br />

für junge Menschen, die noch nicht über eine langjährige<br />

Bonitätshistorie verfügen – neben Studenten können das<br />

auch Azubis und Berufsstarter sein – sowie Menschen mit<br />

schwankenden Einnahmen. Letzteres können beispielsweise<br />

Freelancer sein, die häufig über keine klassischen<br />

linearen Karriereverläufe verfügen, aber durchaus beruflich<br />

erfolgreich sind. Diese Personengruppe wird in der modernen<br />

Arbeitswelt immer größer und bedeutsamer. Zudem<br />

erschließen Banken den Markt für niedrige Kreditsummen,<br />

der bislang wenig attraktiv für sie ist. Durch die Kooperation<br />

mit einem Kreditmarktplatz können Banken zukünftig auch<br />

den Kreditbereich unter 6.000 € im Sinne ihrer Kunden profitabel<br />

abdecken.<br />

der Bank – und wird entsprechend weiterhin durch seinen<br />

Bankberater betreut und beraten. Dass die Bank ihren Kunden<br />

nicht mehr abweisen muss, sondern in der Lage ist,<br />

eine zeitgemäße, moderne Lösung anzubieten, fördert eine<br />

nachhaltige Kundenbindung. Das Angebot von Marktplatzkrediten<br />

in der Bankfiliale kann für Kunden ein zusätzliches<br />

Argument für den Besuch einer Filiale und ein Gespräch mit<br />

dem persönlichen Kundenberater sein. Persönliche Beratung<br />

und <strong>digital</strong>es Angebot verschmelzen. Das <strong>digital</strong>e Kreditangebot<br />

wird zu einem USP der Bank.<br />

Autor<br />

Raffael Johnen ist CEO und Mitgründer von Auxmoney.<br />

Der Kunde bleibt Bankkunde<br />

Erste Erfahrungen bei Kooperationen von Auxmoney mit<br />

Sparkassen und Genossenschaftsbanken zeigen hohe Akzeptanzraten<br />

für ursprünglich abgelehnte Kunden. Die Bank<br />

erweitert durch die Kooperation mit einem Online-Marktplatz<br />

ihr Angebotsportfolio – ohne das Risiko eines Kundenverlusts<br />

einzugehen. Entscheidend dabei ist für die Bank<br />

das Stichwort Kundenschutz: So werden dem Kunden durch<br />

den Kooperationspartner ausschließlich die vermittelten<br />

Kredite angeboten, aber keine weiteren Bankprodukte. Der<br />

Kreditnehmer bleibt auch nach Abschluss des Kredits Kunde<br />

Fazit<br />

Immer mehr Geldinstitute erkennen, dass sie<br />

durch Kooperationen mit FinTechs ihr eigenes Angebot<br />

erweitern und verbessern können. Im Kreditgeschäft<br />

zeigt sich, dass in Zusammenarbeit mit<br />

Kreditmarktplätzen in der Filiale mehr Menschen<br />

ein Zugang zu Krediten ermöglicht werden kann.<br />

In der Digitalisierung liegt somit großes Potenzial,<br />

dem Filialgeschäft neue Impulse zu verleihen.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 55<br />

Beim Schwärmen<br />

auch die Risiken<br />

sehen<br />

Angesichts anhaltend niedriger Zinsen und unruhiger Börsen suchen immer mehr<br />

Privatanleger nach alternativen Möglichkeiten, um ihr Geld renditeorientiert und sicher<br />

anzulegen. Unternehmen wiederum halten aufgrund verschärfter Bonitätsanforderungen<br />

vermehrt Ausschau nach neuen Finanzierungswegen. Bei Schwarmfinanzierungen<br />

werden beide Seiten fündig. Jedoch gilt es, einige Grundregeln zu beachten,<br />

um unnötige Risiken zu vermeiden.<br />

Selten zuvor in der Geschichte hatten es Anleger so schwer<br />

wie heute, attraktive Renditen für ihr Kapital zu erhalten.<br />

Seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 halten die Zentralbanken<br />

die Leitzinsen auf historisch niedrigem Niveau.<br />

Infolgedessen sind Realvermögensverluste bei klassischen<br />

Geldanlagen unvermeidlich. Wer sich damit nicht abfinden<br />

will, muss hinsichtlich seiner Finanzstrategie ausgetretene<br />

Pfade verlassen und offen für neue Optionen sein.<br />

Aber auch aufseiten der Finanzierungsnehmer ist das Umfeld<br />

schwieriger geworden. Die zunehmende Bankenregulierung<br />

erhöht die Eigenkapitalkosten der Banken und<br />

verschärft damit die Bonitätsanforderungen an den Mittelstand.<br />

Hinzu kommt, dass eigenkapitalnahe Finanzierungsangebote<br />

für klein- und mittelständische Unternehmen<br />

(KMU) ohnehin Mangelware sind. So kommt es zu Finanzierungsengpässen,<br />

und wichtige Projekte können nicht angeschoben<br />

werden. Vor diesem Hintergrund ist es auch für<br />

Unternehmen dringend erforderlich, sich nach Alternativen<br />

umzuschauen.<br />

Fündig werden beide Seiten immer häufiger beim Crowdfunding<br />

(deutsch: Schwarmfinanzierung). Anlegern bietet<br />

die Anlagevariante interessante Möglichkeiten für Investments<br />

in KMUs, wenn man bereit ist, für größere Chancen<br />

auch höhere Risiken in Kauf zu nehmen. Den Unternehmen<br />

bietet Crowdfunding einen neuen Finanzierungsweg – unabhängig<br />

von klassischen Intermediären, verbunden mit dem<br />

Vorteil, dass das gesammelte Geld wie Eigenkapital gewertet<br />

wird, sowie mit attraktiven Marketingeffekten.<br />

Die Idee hinter dieser Form der sogenannten Schwarminvestments<br />

ist einfach: Beim Crowdinvesting beteiligt sich<br />

eine Vielzahl von Anlegern (die „Crowd“) über eine Plattform<br />

an einem Unternehmen und erwirbt im Gegenzug einen<br />

Anspruch auf einen Anteil an dessen Gewinn. Auf einigen<br />

Plattformen finden insbesondere Start-ups und innovative<br />

Wachstumsunternehmen Investoren. Andere Anbieter<br />

haben sich auf etablierte mittelständische Unternehmen<br />

spezialisiert, weil deren Geschäftsmodelle sich bereits bewährt<br />

haben. Zudem gibt es mittlerweile eine Vielzahl von<br />

Crowdinvesting-Plattformen, die verschiedene Branchen<br />

bedienen, darunter vor allem Immobilien sowie grüne bzw.<br />

ökologische Projekte.<br />

Warum Crowdinvesting für Privatanleger immer beliebter<br />

wird, lässt sich leicht beantworten. Zum einen erlaubt die<br />

Anlageklasse Privatanlegern bereits mit geringen Anlagebeträgen<br />

in Mezzanine-Darlehen zu investieren und dabei von<br />

attraktiven Renditen zwischen vier und acht Prozent zu profitieren,<br />

die klassische Sichteinlagen bei weitem nicht bieten<br />

können. Zum anderen haben Anleger beim Crowdinvesting


56<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Crowdinvesting nicht frei von Risiken<br />

Bei allen Vorteilen des Crowdinvestings sollten jedoch auch<br />

die Risiken betrachtet werden, die, wie überall auf dem Kapitalmarkt,<br />

auch hier lauern. So droht Investoren dieser Anlageform<br />

im Insolvenzfall des Projektträgers unter Umständen<br />

ein Totalverlust ihres investierten Geldes. Der Grund dafür<br />

ist, dass ihr Kapital als Nachrangdarlehen eingesetzt wird.<br />

Scheitert dann ein Projekt, werden zunächst die Forderungen<br />

der Bank bedient und erst danach alle anderen Investoren.<br />

Damit es gar nicht erst soweit kommt, sollten Plattformen<br />

dafür Sorge tragen, dass Anleger ihre Investitionsentscheidung<br />

auf Basis transparenter Informationen treffen können.<br />

Zudem sollten die an einer Finanzierung interessierten Projektträger<br />

in jedem Fall vorab bezüglich ihrer Wirtschaftlichkeit<br />

überprüft werden, um insbesondere die Bonität sowie<br />

die Möglichkeit, dass sie sich die zu ihnen passenden Investmentoptionen<br />

aus einer Vielzahl von Plattform-Angeboten<br />

heraussuchen können. Beliebt sind dabei vor allem Angebote<br />

in Sachwerte aus den Bereichen Nachhaltigkeit und<br />

Immobilien. So bieten etwa auf nachhaltige Projekte ausgerichtete<br />

Plattformen wie LeihDeinerUmweltGeld.de oder<br />

GLS-Crowd.de Anlegern die Möglichkeit, in eine für sie sinngebende<br />

Geldanlage investieren zu können – etwa zum Ausbau<br />

erneuerbarer Energien, zur Steigerung der Energieeffizienz<br />

oder zur Reduzierung von klimaintensiven Emissionen.<br />

Die immer beliebteren Immobilien-Plattformen wiederum<br />

machen lukrative Bauprojekte, die bisher nur Großinvestoren<br />

vorbehalten waren, für die breite Masse zugänglich. Auch für<br />

Unternehmen liegen die Vorteile des Bürgerkredits auf der<br />

Hand: Sie profitieren durch die Plattform von einem attraktiven<br />

neuen Finanzierungsweg für ihr Wachstum und sind<br />

nicht mehr ausschließlich auf die komplexe Kapitalaufnahme<br />

über Banken angewiesen. Mitunter können so Projekte verwirklicht<br />

werden, die ansonsten an den strengen Eigenkapitalanforderungen<br />

der Banken für einen Kredit scheitern würden,<br />

da das über die Bürgerfinanzierung gesammelte Geld<br />

wirtschaftlich wie Eigenkapital gewertet wird. Ein weiterer<br />

Vorteil: Sie können ihre Kapitalstruktur diversifizieren und die<br />

Abhängigkeit von einzelnen Finanzierungsquellen reduzieren.<br />

Schwarmfinanzierungen sind darüber hinaus aber auch<br />

aus Marketinggesichtspunkten attraktiv, weil eine große Zielgruppe<br />

potenzieller positiver Multiplikatoren erreicht wird.<br />

die Ausfallwahrscheinlichkeit zu ermitteln. Ergänzt werden<br />

kann dies durch eine Strategie, von vornherein speziell auf<br />

renommierte Projektentwickler zu setzen, die bereits ähnliche<br />

Projekte erfolgreich umgesetzt haben.<br />

Sinnvoll kann dabei auch die Zuhilfenahme externer Partner<br />

sein. So greifen Plattformen wie LeihDeinerUmweltGeld bei<br />

der Projektauswahl u. a. auf das Urteil ihres Partners Allianz<br />

Climate Solutions (ACS) zurück. Die ACS ist ein Kompetenzzentrum<br />

für Klimawandel innerhalb der Allianz Gruppe mit<br />

Fokus auf Erneuerbare Energien, das in den letzten zehn<br />

Jahren mehr als 900 nationale und internationale Projekte<br />

mit einem Investitionsvolumen von über 9 Mrd. € geprüft


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 57<br />

und begleitet hat. Bewährt haben sich zudem Kooperationsmodelle<br />

wie das der auf nachhaltige Projekte spezialisierten<br />

GLS Crowd, bei denen ein fest in die Struktur der Plattform<br />

eingebundener Partner – in diesem Fall die GLS Bank – seine<br />

Expertise und sein Netzwerk einbringt, um geeignete<br />

Projekte zu identifizieren. Diese werden dann anhand bewährter<br />

Anlage- und Finanzierungsgrundsätze ausgewählt<br />

und der Plattform zur Vermittlung vorgeschlagen.<br />

Wieder andere Plattformen, wie die auf Immobilien spezialisierte<br />

Grundag.de, versuchen, das Risiko der Anleger<br />

zu mindern, indem sie nur solche Projekte zum Crowdfunding<br />

zulassen, die ausschließlich aus dem Eigenkapital des<br />

Projektentwicklers und aus dem Investment der Anleger<br />

finanziert werden – und nicht, wie sonst üblich, zu einem<br />

signifikanten Teil mit vorrangingen Bankdarlehen finanziert<br />

werden, die in wirtschaftlichen Notlagen zuerst bedient<br />

werden, bevor die Investoren einen Rückfluss erwarten<br />

können.<br />

Risiko selbst mindern<br />

Anleger sollten sich jedoch nicht allein auf die Risikovermeidungs-Strategien<br />

der Plattformen verlassen, sondern zusätzlich<br />

selbst einige Vorsichtsmaßnahmen treffen. Genau<br />

wie bei Aktien lautet die erste Regel dabei, dass nur der<br />

Teil des eigenen Vermögens investiert werden sollte, den<br />

man entbehren kann. Dabei empfiehlt es sich, sein Kapital<br />

möglichst in mehrere Projekte zu verteilen, um so das Risiko<br />

von Zahlungsausfällen zu streuen. Zudem sollten sich Anleger<br />

über mögliche Risiken informieren und sich dabei einer<br />

Grundregel des Finanzmarkts bewusst sein: „Je höher das<br />

Risiko, desto höher auch die Rendite.“<br />

Um ein Gefühl für das Risiko eines Crowdinvestments zu<br />

bekommen, empfiehlt es sich, die Hintergründe des Projekts,<br />

in das man investieren möchte, kritisch zu hinterfragen.<br />

Zunächst sollte man sich die Plattform, auf der das<br />

Projekt gefundet wird, genau anschauen. Wichtige Aspekte<br />

sind dabei die Anzahl bereits erfolgreich gefundeter bzw.<br />

zurückgezahlter Projekte sowie ein Firmensitz in Deutschland.<br />

Je mehr erfolgreich gefundete Projekte die Plattform<br />

vorweisen kann, desto mehr kann man nämlich darauf vertrauen,<br />

dass sie über die nötige Expertise für Projektfinanzierungen<br />

verfügt. Ein Firmensitz in Deutschland wiederum<br />

erhöht die Wahrscheinlichkeit, im Fall der Fälle seine Ansprüche<br />

gerichtlich geltend machen zu können.<br />

Ebenso sollte man den Hintergrund des Projektentwicklers<br />

kritisch prüfen. Wenn dieser schon länger auf dem Markt aktiv<br />

ist und bereits mehrere vergleichbare Projekte erfolgreich<br />

realisiert hat, stehen die Chancen nämlich gut, dass auch<br />

weitere Finanzierungen durch ihn funktionieren werden.<br />

Sollte der erste Eindruck der Plattform und des Projektentwicklers<br />

positiv sein, stehen die Chancen relativ gut, dass<br />

etwaige Sorgen um den Erfolg des Projekts unbegründet<br />

sind. Dennoch sollte man seine Investitionsentscheidung<br />

nicht allein davon abhängig machen. Vielmehr lohnt sich ein<br />

weiterer kritischer Blick auf die Transparenz aller Projektbeteiligten.<br />

Denn nur, wenn sowohl von der Plattform als<br />

auch vom Projektentwickler alle Unterlagen zur Verfügung<br />

gestellt sowie Chancen und Risiken klar dargestellt werden,<br />

kann man sich ein realistisches Bild von der Attraktivität des<br />

einzelnen Projekts machen. Angaben, deren Vollständigkeit<br />

man unbedingt überprüfen sollte, umfassen die Projektbeschreibung,<br />

eine Übersicht der Konditionen sowie eine<br />

Aufstellung der Finanzkennzahlen inklusive Informationen<br />

zur Mittelverwendung sowie zur Mittelherkunft. Speziell bei<br />

Immobilen-Projekten sollte man zudem überprüfen, ob eine<br />

Baugenehmigung vorliegt und die Gesamtfinanzierung gesichert<br />

ist. Und ganz wichtig: Wenn man etwas nicht versteht,<br />

sollte man im Zweifel bei der Plattform nachfragen. Denn<br />

nur wenn man ein Projekt richtig versteht, kann man auch<br />

beurteilen, ob sich die Chancen gegenüber möglichen Risiken<br />

lohnen.<br />

Autor<br />

Johannes Laub ist Geschäftsführer und Mitgründer des<br />

FinTech-Unternehmens CrowdDesk.<br />

Fazit<br />

Angesichts niedriger Zinsen und schwankender<br />

Märkte suchen immer mehr Privatanleger nach<br />

alternativen Geldanlagen. Unternehmen wiederum<br />

halten vermehrt Ausschau nach neuen Finanzierungswegen.<br />

Bei Schwarmfinanzierungen werden<br />

beide Seiten fündig. Unternehmen profitieren<br />

dadurch, dass die durch ein Crowdinvesting<br />

vermittelten Darlehen sich positiv auf ihre Bonität<br />

auswirken. Im Extremfall wird somit durch<br />

ein erfolgreiches Crowdfunding eine klassische<br />

Bankenfinanzierung erst ermöglicht. Ein Mehrwert<br />

sind auch die Marketingeffekte, denn Crowdfunding<br />

erreicht eine große Zielgruppe potenzieller<br />

positiver Multiplikatoren. Investoren wiederum<br />

profitieren von einer transparenten Geldanlage, die<br />

eine Verzinsung zwischen vier und acht Prozent<br />

ermöglicht.


58<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Mit dem Schwarm-<br />

Vertrauen sorgsam<br />

umgehen<br />

Von Immobilen-Entwicklern, dem Mittelstand, Start-ups oder Kommunen: Finanzierungsbedürfnisse<br />

werden in Form von Crowdinvesting-Projekten immer öfter über den Schwarm<br />

abgewickelt. Trotz vieler Erfolgsgeschichten und hoher Marktwachstumsraten gilt es jedoch,<br />

in den kommenden Jahren noch einige offene Fragen zu klären, damit sich Crowdinvesting<br />

auch außerhalb der Nische nachhaltig etablieren kann.<br />

Zugegeben: Mit kumulierten Mittelzuflüssen von 107,9 Mio.€,<br />

die Crowdinvesting-Projekte aus Deutschland laut einer Statistik<br />

des Branchenportals Crowdfunding.de im Zeitraum Januar<br />

bis August <strong>2017</strong> einsammeln konnten, sind Schwarminvestments<br />

hierzulande weiterhin alles andere als ein<br />

Mainstream-Investment. Dass mit diesem Wert aber bereits<br />

jetzt das Gesamtvolumen des Vorjahrs 2016 (63,8 Mio. €) um<br />

mehr als 69 Prozent übertroffen worden konnte, zeigt die<br />

Wachstumsdynamik, die in diesem jungen Sektor derzeit<br />

beobachtet werden kann.<br />

Beim Begriff Crowdinvestment handelt es sich um einen<br />

rein im deutschen Sprachraum anzutreffenden Sammelbegriff<br />

für sämtliche, auf finanzielle Rendite abzielende Crowdfunding-Formen.<br />

Im Detail umfasst Crowdinvesting also sowohl<br />

Eigenkapital-Crowdfunding oder Hybrid-Crowdfunding<br />

als auch kreditbasiertes Crowdfunding. Von diesem Begriff<br />

nicht berücksichtigt sind spendenbasiertes Crowdfunding<br />

oder Crowdfunding-Modelle, die auf Belohnung der Investoren<br />

basieren – vor allem letztere Crowdfunding-Form wird<br />

aufgrund der Pionierarbeit der US-Plattform Kickstarter.com<br />

in der Öffentlichkeit besonders stark wahrgenommen.<br />

Crowdinvesting als Investment 2.0?<br />

Warum die Akzeptanz für Crowdinvesting auch hierzulande<br />

zunimmt, ist auf einen Mix an Alleinstellungsmerkmalen zurückzuführen,<br />

die im Vergleich zu konventionellen Kapitalmarktinstrumenten<br />

und in der richtigen Konfiguration sowohl<br />

dem Investor als auch dem Kapitalnehmer Vorteile bieten<br />

können: Kapitalnehmer haben im Rahmen von Crowdinvesting-Projekten<br />

die Möglichkeit, ihre Kapitalbeschaffung<br />

abseits von traditionellen Banken- und Kapitalmarktwegen<br />

zu diversifizieren und durch eine Vielzahl kleinerer Individual-Investments<br />

sowohl eine langfristige als auch direkte<br />

Kundenbindung zu erzielen. Beispielsweise ist es Getränkeproduzenten<br />

ohne Direkt-Vertrieb bislang schwergefallen,<br />

direkt mit ihren Endkunden in Kontakt zu treten. Zusätzlich<br />

werden Crowdinvesting-Projekte üblicherweise durch eine<br />

öffentliche Marketing-Kampagne unterstützt, was in einem<br />

zusätzlichen Werbeeffekt resultiert.<br />

Auf Investorenseite bestehen die Alleinstellungsmerkmale<br />

von Crowdinvestments einerseits aus einer vergleichsweise<br />

attraktiven Rendite und der Möglichkeit, sich am Erfolg von<br />

vertrauten, oftmals regionalen Unternehmen oder aber auch<br />

an jungen, innovativen Projekten unmittelbar zu beteiligen.<br />

Insbesondere der letzte psychologische Aspekt sollte langfristig<br />

nicht unterschätzt werden, da es üblicherweise eines<br />

der Hauptprobleme der konventionellen Finanzbranche ist,<br />

immaterielle Investments verständlich und greifbar zu vermitteln<br />

oder gar eine gewisse unternehmerische Freude<br />

beim Endinvestor auszulösen.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 59<br />

Informationsasymmetrien dürfen nicht missbraucht<br />

werden<br />

Crowdinvesting-Plattformen nehmen in der noch jungen Geschichte<br />

dieses Sektors eine essentielle Rolle ein, da sie als<br />

Scharnier zwischen Kapitalnehmer und Investor sowie als<br />

Sprachrohr der Branche fungieren. Bei zahlreichen Plattformen<br />

kann eine starke Fokussierung auf ex-ante-Vergütungen<br />

identifiziert werden. Plattformbetreiber erhalten ihre<br />

Vermittlungsprovision also oftmals direkt nach erfolgreicher<br />

Platzierung des versprochenen Finanzierungsziels und somit<br />

unabhängig davon, ob das Kapital nach Laufzeitende an den<br />

Investor zurückzahlt wird. Auch wenn bislang keine betrügerischen<br />

Absichten am Markt beobachtet werden konnten<br />

und stärkere regulatorische sowie Transparenzmaßnahmen<br />

immer effektiver dagegenwirken sollten, erinnern viele Vergütungskonzepte<br />

an ein Originate-to-Distribute-Geschäftsmodell,<br />

das bei missbräuchlicher Anwendung der gesamten<br />

Branche einen hohen Image-Schaden zufügen könnte.<br />

Aus diesem Grund ist es für die gesamte Crowdinvesting-<br />

Branche essentiell, potenzielle schwarze Schafe bereits<br />

frühzeitig durch einen immer stärkeren Fokus auf Transparenz<br />

zu entlarven. Sowohl einige der großen, etablierten<br />

Plattformen als auch spezialisierte Boutique-Plattformen,<br />

die immer öfter im Bereich des Immobilien-Crowdinvestings<br />

anzutreffen sind, gehen hier mit nachvollziehbaren Gutachten<br />

und konsequenter Öffentlichkeitsarbeit mit gutem<br />

Beispiel voran. Crowdcircus möchte diesen Prozess durch<br />

Vergleichsfunktionen und zukünftige Zertifizierungen nochmals<br />

beschleunigen und lädt auch andere Branchenmitglieder<br />

sowie öffentliche Einrichtungen dazu ein, sich an dieser<br />

Entwicklung zu beteiligen.<br />

Autor<br />

Sebastian Scholda ist Geschäftsführer und Gesellschafter der<br />

Crowdcircus GmbH, Betreiberin des in Baden bei Wien<br />

ansässigen Crowdinvesting- und Crowdfunding-<br />

Vergleichsportals CrowdCircus.com.<br />

Fazit<br />

Aus Sicht des Kapitalnehmers und des Investors<br />

existieren gute Gründe dafür, Crowdinvesting als<br />

Finanzierungsalternative stärker in Betracht zu ziehen.<br />

Allerdings gibt es in diesem Segment etliche<br />

ungeklärte Fragen und Informationsasymmetrien,<br />

denen mit Transparenz begegnet werden sollte.


60<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Crowdinvestment:<br />

Nachhaltigkeit und<br />

Anlegerschutz<br />

Über Crowdinvesting wird die private Geldanlage in Immobilien einfach, transparent und<br />

rentabel. Ein gutes Rendite-Risiko-Profil der ausgewählten Projekte ist dabei wesentlich,<br />

um Investoren langfristig zu überzeugen.<br />

Die Mehrheit der Deutschen steht Crowdfunding-Vorhaben<br />

kritisch gegenüber, das belegt eine Studie des Instituts für<br />

Demoskopie Allensbach aus dem Januar <strong>2017</strong>. Rund 60 Prozent<br />

der Befragten können sich demnach nicht vorstellen, via<br />

Crowdfunding zu investieren. Sie misstrauen den Schwarmfinanzierungs-Plattformen<br />

und zweifeln an deren Seriosität.<br />

Das heißt im Umkehrschluss, dass rund 40 Prozent der Befragten<br />

das Crowdfunding als geeignetes Mittel zur Vermögensanlage<br />

sehen – in Zeiten veränderter Märkte, der Niedrigzinspolitik<br />

und der Krise der Lebensversicherung eine gute<br />

Wahl. Denn Immobilien bieten grundsätzlich die notwendige<br />

Sicherheit für die private Geldanlage, doch waren die bisherigen<br />

Möglichkeiten für Anleger, über Fonds in Immobilien<br />

zu investieren, schwer zugänglich, intransparent und mit hohen<br />

Renditerisiken behaftet. Beim Crowdinvestment ist dies<br />

anders. Auf der Plattform ReaCapital finanzieren viele Privatanleger<br />

im Schwarm mit geringeren Summen Immobilienprojekte.<br />

In das Immobilienprojekt „Kardinal-Wendel-Gärten”<br />

im saarländischen Homburg konnten Privatanleger bereits<br />

ab 250 € investieren und erhielten dafür 5,5 Prozent Zinsen<br />

pro Jahr bei einer Laufzeit von 18 Monaten. Um Investoren<br />

nachhaltig von ausgewählten Immobilienprojekten und der<br />

jeweiligen Anlagestrategie zu überzeugen, bietet ReaCapital<br />

einen im deutschen Immobilien-Crowdfunding-Markt einzigartigen<br />

Schutz.<br />

Erstrangige Grundschuld erhöht Anlegerschutz<br />

Indem allen Investoren eine erstrangige Grundschuld auf<br />

eine Bestandsimmobilie der Unternehmensgruppe zur


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 61<br />

Verfügung gestellt wird, wird der Schutz für die Anleger<br />

erhöht. Als Konzernunternehmen der Reafina-Gruppe<br />

greift ReaCapital auf eine gebündelte Immobilienexpertise<br />

zurück und profitiert von den Erfahrungen aus zahlreichen<br />

erfolgreich umgesetzten Immobilienprojekten der gesamten<br />

Unternehmensgruppe. In der Regel identifizieren<br />

Crowdinvesting-Plattformen geeignete Immobilienprojekte<br />

für Privatinvestoren nach einer genauen Prüfliste. So prüfen<br />

bei ReaCapital das Asset Management und das hauseigene<br />

Ingenieurbüro die möglichen Anlageprojekte auf<br />

Herz und Nieren. Nur die überzeugenden Projekte werden<br />

schließlich auf der Plattform ReaCapital bekanntgegeben<br />

und vorgestellt.<br />

Für jedes angebotene Projekt wird den Investoren eine<br />

Realsicherheit zur Verfügung gestellt: Für die Privatanleger<br />

wird treuhänderisch eine erstrangige Grundschuld an einer<br />

Bestandsimmobilie der Reafina-Gruppe eingetragen. Dieses<br />

Angebot gilt für alle auf der Plattform angebotenen Projekte<br />

und wird zusätzlich zu den herkömmlichen Sicherungen<br />

der jeweiligen Projekte zur Verfügung gestellt. Während der<br />

kurzen Kapitalsammelphase werden die investierten Gelder<br />

der Anleger auf ein Konto eines zertifizierten Zahlungsdienstleisters<br />

eingezahlt. Sobald der Zielbetrag des Immobilien-Crowdprojekts<br />

erreicht wird und alle zuvor festgelegten<br />

Auszahlungskriterien erfüllt sind, weist ein eingesetzter<br />

Treuhänder die Auszahlung des Kapitals an den Darlehensnehmer<br />

an.<br />

Plattformen geboten. Für Privatinvestoren ist das durchaus<br />

problematisch, denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />

(BaFin) hat dieses Sicherheitsmodell für<br />

nicht zulässig erklärt, weil die Darlehen damit als Einlagengeschäft<br />

bewertet würden. Liegt dafür, wie in der Praxis<br />

üblich, keine gesonderte Erlaubnis vor, kann dies zu strafrechtlichen<br />

Konsequenzen führen, vor allem für Projektentwickler.<br />

Für Privatanleger sind diese Sachverhalte oft<br />

zu komplex, weshalb es ihnen schwerfällt, die Übersicht<br />

zu behalten und sie möglicherweise deshalb darauf verzichten,<br />

über Crowdfunding-Plattformen in Immobilien zu<br />

investieren. Anlegerschutz muss oberstes Ziel sein. Durch<br />

die erstrangige Grundschuld wird das Risiko bei den über<br />

ReaCapital finanzierten Immobilienprojekten deutlich verringert<br />

– gänzlich ausgeschlossen werden, kann es dennoch<br />

nicht.<br />

Auch Banken setzen auf Crowdinvesting<br />

Im Hinblick auf die Kooperation zwischen Banken und<br />

Crowdfunding-Plattformen zeichnet sich mehr und mehr<br />

eine Annäherung ab: In den vergangenen Monaten ist ein<br />

wachsendes Interesse von deutschen Kreditinstituten an<br />

Kooperationen mit FinTechs oder Crowdfunding-Plattformen<br />

zu konstatieren.<br />

Allerdings sind die Entscheidungsprozesse und -wege in<br />

Großbanken oft recht langwierig, sodass innovative Ideen<br />

nicht selten nach Monaten versanden.<br />

Viele Sicherungsmethoden am Markt sind nicht erlaubt<br />

In der Regel werden Crowd-Investitionen in Immobilien im<br />

deutschen Markt noch immer via Nachrangdarlehen vergeben.<br />

Leider wird diese Anlageform vom Gesetzgeber<br />

klar privilegiert – obwohl sie ein erhebliches Risiko für den<br />

privaten Anleger birgt: Denn die Crowd wird erst dann bedient,<br />

wenn die nicht-nachrangigen Kapitalgeber, wie etwa<br />

Banken, ausgezahlt worden sind. Um dieses Wagnis zu minimieren,<br />

gibt es einige Sicherungsinstrumente am Markt,<br />

die jedoch nicht immer halten, was sie versprechen und<br />

teilweise sogar unzulässig sind. Denn der Nachrangigkeit<br />

des Anlegergeldes darf nichts entgegenstehen, folglich<br />

darf und kann darüber hinaus keine unbedingte Absicherung<br />

garantiert werden. Sicherheiten, wie Bürgschaften der<br />

Gesellschafter oder Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft,<br />

sind daher aufsichtsrechtlich nicht erlaubt.<br />

Bei Crowdinvestment-Plattformen in Deutschland finden<br />

sich verschiedene Sicherungsinstrumente: Weit verbreitet<br />

ist die Privatbürgschaft durch Geschäftsführer bzw. Gesellschafter<br />

der Darlehensnehmerin. Bis Mai <strong>2017</strong> wurde<br />

diese Form der Absicherung bei 27 Projekten auf zwei<br />

Autor<br />

Lasse Kammer ist Geschäftsführer der ReaCapital.<br />

Fazit<br />

Durch Kooperationen mit Banken oder anderen<br />

Crowdinvestment-Plattformen kann neues Potenzial<br />

für Projektentwickler und Investoren geschaffen<br />

werden. Ein besonderes Gewicht wird auf den<br />

Schutz der Investoren und die Finanzierung von sozial-ökologischen<br />

Projekten gelegt, wie beispielsweise<br />

KiTAs oder besonders energieeffiziente<br />

Immobilien. Damit werden nachhaltig orientierten<br />

Privatanlegern ein hohes Maß an Anlegerschutz<br />

sowie nachhaltig orientierte Immobilienprojekte<br />

geboten.


62<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Smart Data im<br />

Risikomanagement<br />

Die Digitalisierung bietet so viele Möglichkeiten, vor allem aber die Chance,<br />

aus einer Vielzahl an Daten wertvolle Informationen zu gewinnen. Dies funktioniert<br />

auch bei der Minimierung von Fraud- und Bonitätsrisiken.<br />

Die Digitalisierung der Finanzindustrie muss häufig als Bedrohungsszenario<br />

für etablierte Banken herhalten: Die schwerfälligen<br />

Kreditinstitute mit ihren alten IT-Systemen müssen<br />

aufpassen, dass ihnen die innovationsstarken FinTechs nicht<br />

die Geschäftsgrundlage abgraben. So oder ähnlich lauten viele<br />

Aussagen im Finanzumfeld. Doch Digitalisierung bedeutet<br />

etwas ganz anderes: Mithilfe von Algorithmen und Codes<br />

lässt sich ein Schatz heben, der viel mehr Wert hat, als die<br />

Schwarz-Weiß-Malerei von Angreifern (FinTechs) und Establishment<br />

(Banken). Gemeint ist der gewaltige Berg an Daten,<br />

der in unserem Zeitalter entsteht. Denn längst reichen<br />

vorstellbare Bezeichnungen für Volumen bei den existierenden<br />

gewaltigen Datenmengen nicht mehr aus. Will man Forschern<br />

glauben, wird die weltweite Menge an Daten, die sich<br />

übrigens alle zwei Jahre verdoppelt, im Jahr 2<strong>02</strong>0 bei etwa<br />

40 Zettabyte liegen. Nur zum Vergleich: 40 Zettabyte entsprechen<br />

etwa 57 Mal der Anzahl an Sandkörnern aller Strände<br />

auf dem Globus.<br />

Während Big Data für den quantitativen Ansatz steht, also<br />

die Vielzahl von Daten, ist Smart Data die intelligente Verknüpfung<br />

mehrerer Datenpunkte. Mit der automatisierten<br />

Kontextualisierung von speziellen Merkmalen und Zusammenhängen<br />

lassen sich bereits heute treffsichere Aussagen<br />

beispielsweise zur Bonität treffen, aber auch präzise Vorhersagen<br />

über zukünftige Einnahmen und Geschäftsentwicklungen<br />

sind möglich.<br />

Was tun mit „Big Data“? Lasst uns „Smart Data“ daraus<br />

machen!<br />

Die Frage, die sich aufdrängt, lautet: Was passiert mit dem<br />

Datenberg? Vielfach ist hierauf noch keine Antwort gefunden<br />

worden. In vergleichsweise jungen Disziplinen wie dem<br />

E-Commerce werden große Datenmengen ausgewertet<br />

und damit beispielsweise Preise automatisiert an das Konsumverhalten<br />

von Online-Shoppern angepasst. Doch in der<br />

Kreditwirtschaft ist der Mehrwert, den Banken gemeinsam<br />

mit FinTechs erzielen können, keineswegs geringer: Die Institute<br />

verfügen über den Zugang zum Kunden bzw. zu Millionen<br />

von Daten, und FinTechs besitzen die Innovationskraft<br />

und die technischen Möglichkeiten, diese Daten sinnvoll zu<br />

nutzen. Genau hier wird aus „Big Data“ dann „Smart Data“.<br />

Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker<br />

Rudolf Dirk hat seit 2001 mehrere<br />

Unternehmen gegründet und war bis<br />

2014 Chief Information Officer (CIO)<br />

der Sofort AG. Im April gründete er die<br />

FinTecSystems GmbH.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 63<br />

Das Gehaltskonto: Basis für <strong>digital</strong>e Bonitätsprüfung<br />

und neue Mehrwertdienste<br />

Bei dem Smart-Data-Ansatz steht das Gehaltskonto im Mittelpunkt.<br />

Denn nichts ist besser geeignet zur Echtzeit-Bonitätsbewertung<br />

als das eigene Gehaltskonto, auf dem Zahlungen<br />

ein- und ausgehen, Daueraufträge eingerichtet sind<br />

und laufende Verpflichtungen (z. B. Unterhaltszahlungen etc.)<br />

erkennbar werden. Die intelligente Verknüpfung der Kontodaten<br />

lässt nun u. a. folgende Fragestellungen zu: Lebt der<br />

Konsument über bzw. unter seinen Verhältnissen? Ist der<br />

Antragssteller aufgrund seines Sparpotenzials sogar in der<br />

Lage, höhere Raten zu bezahlen oder einen höheren Kredit<br />

abzuschließen? Mit einer Kontextualisierung von Informationen<br />

aus dem Online Banking können Banken also einerseits<br />

ihr Angebot um neue Services erweitern und andererseits<br />

ihr Betrugsrisiko reduzieren. Ohne eine Bonitätsprüfung in<br />

Echtzeit wären Ad hoc-Online-Kredite wie von Smava, Cashpresso<br />

oder N26 nicht möglich. Laut Bankenfachverband<br />

(Bfach) haben Kreditbanken 2016 mehr als 7 Mrd. € an die<br />

Verbraucher „online“ verliehen – ein Zuwachs von knapp<br />

23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Entwicklung wird<br />

u. a. durch neue Services wie das VideoIdent-Verfahren und<br />

die <strong>digital</strong>e Bonitätsprüfung beschleunigt. Kernelemente der<br />

<strong>digital</strong>en Bonitätsprüfung sind der Kontozugang (XS2A), die<br />

Kategorisierung von Umsatzdaten sowie die Veredelung der<br />

Daten mit Risikomerkmalen. Die Kategorisierung ist dabei<br />

vor allem für Banken, Zahlungsabwickler und FinTechs interessant:<br />

Neben einem Online-Sofort-Kredit lassen sich mit<br />

der <strong>digital</strong>en Bonitätsprüfung weitere innovative Dienste wie<br />

etwa Zahlungsabsicherung, Personal Finance Management<br />

(PFM) und Multibanking-Funktionalität, Forderungsmanagement,<br />

Umschuldung bzw. Kreditablösung ableiten.<br />

Rückgang von Rücklastschriften durch Kategorisierung<br />

und Veredelung<br />

Die Veredelung der Daten mit Risiko-Merkmalen, der XS2A<br />

oder die Kategorisierung sind auch für Risikomanager in<br />

Banken interessant, denn damit lassen sich Fraud-Risiken<br />

reduzieren: Über eine Cashflow-Analyse lässt sich hieraus<br />

der beste Zeitpunkt für den Einzug der Kreditraten ableiten<br />

– die Gefahr von Rücklastschriften durch eine Kontounterdeckung<br />

wird dadurch erheblich minimiert. Ferner lässt sich<br />

hierüber einschätzen, inwieweit der Kreditnehmer in der<br />

Lage ist, die zukünftigen Kreditraten zurückzuzahlen. Die<br />

Plausibilisierung von Arbeitgeber und Gehalt, die Validierung<br />

von Transferzahlungen (Überweisungen zwischen zwei eigenen<br />

Konten) bis hin zur vollständigen Kategorisierung von<br />

bestehenden Verträgen (z. B. Leasing, Versicherungen, Handy<br />

usw.) ist über eine Analyse im Online Banking möglich.<br />

Dies zeichnet ein komplettes Bild über die Finanzsituation<br />

des Antragsstellers.<br />

Autor<br />

Dirk Rudolf, Geschäftsführer und Gründer<br />

FinTecSystems GmbH.<br />

Fazit<br />

Auf Basis eines <strong>digital</strong>en Kontoblicks, der durch die<br />

europäische Zahlungsrichtlinie PSD2 auch rechtlich<br />

eingebettet wird, können zusätzliche Informationen<br />

mit Relevanz für die Compliance und das<br />

Risikomanagement generiert werden.<br />

Innovative und technologische Unternehmen<br />

können als Enabler Banken und andere Finanzunternehmen<br />

mit ihren präzisen Analysen beim<br />

<strong>digital</strong>en Wandel unterstützen. Vor allem die europäische<br />

FinTech-Industrie gehört zu den wenigen<br />

Bereichen, in denen die Europäer dem Silicon<br />

Valley mindestens ebenbürtig sind – es wäre zu<br />

wünschen, dass dies so bleibt.


64<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Sofortkredit<br />

per App<br />

Ein Großteil der Bankgeschäfte wird mittlerweile online und zunehmend mobil abgewickelt.<br />

Auch die Kreditaufnahme der Privathaushalte verlagert sich. Je einfacher, schneller und<br />

bequemer ein Angebot, desto stärker spricht es die Zielgruppe der Millennials an.<br />

Aber nicht nur im B2C-Bereich ist die Kreditsofortvergabe erfolgreich: Auch E-Commerce-<br />

Firmen und Banken greifen auf Co-Branding-Lösungen zurück.<br />

Konsumenten informieren sich vor Kreditabschluss immer<br />

häufiger online, vergleichen Konditionen und schließen den<br />

Kredit dann auch online bzw. mobil ab. Auf einem Kreditvergleichsportal<br />

wurden 2016 bereits über 40 Prozent der Kredite<br />

mobil via Smartphone oder Tablet beantragt. Kreditnehmer<br />

wünschen sich heute einen unkomplizierten, <strong>digital</strong>en<br />

und vor allem schnellen Antragsprozess.<br />

Das FinTech Cashpresso vermittelt Rahmenkredite, die der<br />

Kunde komplett online am Computer oder per App, medienbruchfrei,<br />

voll automatisiert und innerhalb von zehn Minuten<br />

abschließen kann. Das Geschäftsmodell beruht darauf, dem<br />

Kreditnehmer die höchstmögliche Convenience zu bieten,<br />

die zum aktuellen Zeitpunkt erreichbar ist. Dafür wird die<br />

im Online Banking bereits etablierte Bequemlichkeit auf die<br />

Kreditvergabe übertragen. Der Antragsprozess ist schnell<br />

und die Handhabung der App bzw. des Online-Kontos möglichst<br />

intuitiv.<br />

Angeboten wird ein Verfügungsrahmen von 1.500 €. Cashpresso<br />

ist Vermittler der Kredite und Inhaber der Kreditplattform.<br />

Die Deutsche Handelsbank steht im Hintergrund und<br />

fungiert als Kreditgeber und -finanzierer. Neben dem Vertrieb<br />

der Kredite verantwortet Cashpresso die technische<br />

Abwicklung, die Kundenanbindung inklusive Bonitätsprüfung,<br />

den Kundenservice, das Controlling und das Forderungsmanagement.<br />

Die Deutsche Handelsbank ist für die<br />

Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Prüfung des Risikomodells<br />

zuständig.<br />

Für ausbezahlte Beträge wird ein effektiver Jahreszins fällig.<br />

Dabei ist alles inklusive, es fallen keinerlei weitere Gebühren<br />

an. Kontoführung, Ratenanpassungen, Mahnungen<br />

und Rücklastschriften sind gebührenfrei. Zudem wird ein<br />

zinsfreier Zeitraum angeboten, in dem Kunden den Kredit<br />

völlig kostenfrei nutzen können. Die Raten können flexibel<br />

angepasst werden, solange sie fünf Prozent des Kreditbetrags<br />

bzw. eine Untergrenze von 20 € nicht unterschreiten.<br />

Im Online-Portal oder in der App sind für Kunden jederzeit<br />

der in Anspruch genommene Kreditrahmen und die darauf<br />

nominell anfallenden Zinsen bei gegebener Rate ersichtlich.<br />

Die Raten sind variierbar.<br />

Funktionsweise des Cashpresso-Kredits<br />

Der Antragsprozess via App und Online-Portal ist identisch<br />

und in weniger als zehn Minuten abzuschließen. Kunden<br />

laden die App aus dem jeweiligen Store oder steuern die<br />

Webseite an. Als erstes geben sie ihre E-Mail-Adresse an<br />

und bestätigen diese. Im nächsten Schritt folgt die Angabe<br />

persönlicher Daten wie Name, Geburtsdatum und Adresse.<br />

Anhand dieser Angaben folgt der Bonitätscheck bei Auskunfteien<br />

wie der Schufa. Fällt die Prüfung positiv aus, ist das<br />

Cashpresso-Konto eröffnet. Danach wird die Telefonnummer<br />

angegeben, ein Passwort gewählt und ein Referenzkonto<br />

für die Aus- und Rückzahlungen angegeben – ein IBAN-<br />

Scanner vereinfacht den Prozess. In manchen Fällen wird<br />

zusätzlich zur Prüfung der Auskunfteien das Referenzkonto<br />

analysiert. Hier wird auf den Access-To-Account-Service von<br />

FinTecSystems aus München zurückgegriffen. Auf Grundlage<br />

der durch den Kontoblick gewonnenen Information wird<br />

die finale Kreditentscheidung getroffen.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 65<br />

Jörg Skornschek, Daniel Strieder und<br />

Michael Handler (v. l. n. r.) – Gründer von Cashpresso.<br />

Ist die Kreditentscheidung positiv, werden Kunden direkt<br />

zur Videoauthentifizierung weitergeleitet. Dort werden sie<br />

aufgefordert, den Personalausweis oder Reisepass vor die<br />

Webcam bzw. die Smartphone-Kamera zu halten. Die Prüfung<br />

wird durch die Eingabe einer via SMS zugesandten TAN<br />

abgeschlossen. Im Anschluss unterzeichnet der Kunde den<br />

Rahmenkreditvertrag mittels qualifizierter elektronischer Signatur<br />

und kann über den Kreditrahmen verfügen und Geld an<br />

jedes beliebige Konto im SEPA-Zahlungsraum überweisen.<br />

Kunden- und Zielgruppen<br />

36 Prozent der Online-Banker nutzten ihr Smartphone für<br />

Bankgeschäfte. In der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen<br />

waren es 42 Prozent, unter den 30- bis 49-Jährigen 38 Prozent.<br />

Jeder dritte Mobile-Banking-Nutzer verwendet eine<br />

App. Cashpresso spricht diese onlineaffine Zielgruppe an.<br />

Der Fokus der Ansprache liegt auf Studenten, jungen Selbstständigen<br />

und Online-Shoppern, die Produkte im Internet<br />

erwerben und auch dort direkt finanzieren wollen.<br />

Diese Zielgruppendefinition spiegelt sich auch in den reellen<br />

Nutzerzahlen wider. Bereits 50 Prozent der Cashpresso-Kunden<br />

schließen den Kredit über die Smartphone-App ab. Mit<br />

der im Smartphone integrierten Kamera lässt sich die Videoidentifizierung<br />

besonders einfach durchführen. Der typische<br />

Kunde ist ein Millennial, also zwischen 1980 und 2000 geboren,<br />

männlich und wird über Online-Marketing-Maßnahmen<br />

auf das Angebot aufmerksam. Über die Hälfte der Kunden<br />

(54 Prozent) ist unter 30 Jahren alt. 22 Prozent liegen im<br />

Alterskorridor von 31 bis 40 Jahren, 14 Prozent zwischen 41<br />

und 50 Jahren. 10 Prozent der Kunden sind über 50. 60 Prozent<br />

der Kreditnehmer sind Männer.<br />

Der Kredit ist nicht zweckgebunden. Die angegebenen<br />

Verwendungszwecke bei der Überweisung auf das Referenzkonto<br />

deuten, der Häufigkeit nach geordnet, auf die<br />

Überbrückung finanzieller Engpässe, die Finanzierung von<br />

Möbeln, Autoreparaturen, Urlaub und den Kauf von Elektronik,<br />

wie Smartphones oder Laptops, hin. Ein wachsender<br />

Anteil der Kunden kommt über Webshops, auf denen das<br />

Kreditangebot direkt im Einkaufsprozess als Zahlungs- bzw.<br />

Finanzierungsmittel angeboten wird.<br />

Ziel ist der Ausbau der Marke zur persönlichen E-Commerce-Wallet<br />

für den Internetnutzer und Online-Shopper. Das<br />

zweite Geschäftsfeld im Kontext der Geschäftsausweitung<br />

sind Bankenkooperationen. Noch im Jahr <strong>2017</strong> soll die erste<br />

Co-Branding-Lösung für einen <strong>digital</strong>en Sofortkredit mit einer<br />

deutschen Bank an den Markt gehen.<br />

Autor<br />

Daniel Strieder ist Mitgründer und CEO von Cashpresso.<br />

Fazit<br />

Mobile Banking wird die klassische Bankfiliale als<br />

Vertriebsweg perspektivisch ablösen. Das Vertrauen<br />

in die Hausbank ist zwar nach wie vor hoch<br />

– Kunden informieren sich jedoch immer mehr<br />

im Netz. Um als Bank hier weiterhin kompetitiv<br />

zu sein, muss man nicht nur der jungen Zielgruppe<br />

einen klaren Mehrwert bieten, sei es in der<br />

persönlichen Beratung oder durch das Angebot<br />

verbesserter <strong>digital</strong>er Services. Der unkomplizierte<br />

Sofortkredit ist hier ein wichtiger Baustein beim<br />

Andocken der nächsten Generation an eine Bank.


66<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Digitale Geschäftsmodelle<br />

in der<br />

Cloud<br />

Banken stehen vor der Herausforderung, die eigenen Kundenbeziehungen und -kanäle<br />

auszubauen, die Beratungsqualität zu verbessern und gleichzeitig Prozesse zu optimieren<br />

und Kosten zu sparen. Sie müssen Mitarbeitern mobiles und vernetztes Arbeiten<br />

ermöglichen und dabei höchsten Anforderungen an die Datensicherheit genügen.<br />

Die Basis dafür sind intelligente Cloud-Infrastrukturen.<br />

Zu den allseits bekannten Herausforderungen für die deutschen<br />

Banken zählen neben der Niedrigzinspolitik der EZB<br />

steigende regulatorische Anforderungen sowie – vor allem<br />

im Zahlungsverkehr – branchenfremde Konkurrenten. Neobanken<br />

ohne eigenes Filialnetz drängen in den Markt, und<br />

<strong>digital</strong>e Newcomer setzen neue Maßstäbe mit schlanken<br />

Mobile-Banking-Angeboten. Der Erfolg von Spezialisten und<br />

FinTechs bedroht das Geschäft der klassischen Universalbanken.<br />

Angesichts des Vordringens <strong>digital</strong>er Plattformen<br />

müssen sich die Kreditinstitute fragen, wie sie die eigenen<br />

Kundenbeziehungen und -kanäle ausbauen und gleichzeitig<br />

Prozesse optimieren und Kosten sparen können.<br />

Für die Mehrheit der Banken ist die weitere Verbesserung<br />

der Beratungsqualität derzeit eine zentrale Aufgabe. Gleichzeitig<br />

müssen sie neue Kundenerwartungen mit höchsten<br />

Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit in<br />

Einklang bringen. Die Verknüpfung aller Kanäle zu durchgängigen<br />

Prozessen und ein exzellentes IT-gestütztes<br />

Kundenmanagement werden dabei zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.<br />

Denn der voll vernetzte Verbraucher erwartet<br />

nicht nur <strong>digital</strong>isierte Prozesse, sondern vor allem auch ein<br />

nahtloses <strong>digital</strong>es Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg.<br />

Betrachtet man all die Anwendungen, die heute auf einem<br />

Smartphone laufen, ist das fast schon antiquiert. Die Welt<br />

ist inzwischen solchermaßen von Computern durchdrungen,<br />

dass die Frage akut wird, wie die Mensch-Maschine-Interaktion<br />

einfacher und intuitiver gestaltet werden kann. An dieser<br />

Stelle wird das Thema Sprache zum wichtigen Treiber.<br />

Kundenbedürfnisse präzise vorhersagen<br />

Digitale Assistenten sind auch für Banken ein wichtiges<br />

Thema, weil sich mit ihnen der Kundenservice deutlich<br />

verbessern lässt. Smarte Chatbots und virtuelle Agenten<br />

ermöglichen einen Rund-um-die-Uhr-Service und schaffen<br />

gleichzeitig neue Freiräume für Mitarbeiter.<br />

Bots können heute längst nicht nur simple Standardfragen<br />

beantworten. Sie durchkämmen zum Beispiel<br />

selbstständig interne und externe Quellen nach relevanten<br />

Informationen und unterstützen Banken<br />

dabei, einen 360-Grad-Blick auf ihren Kunden zu<br />

entwickeln. Mithilfe der intelligenten Verknüpfung<br />

von internen Finanz- und Kundendaten<br />

und Erkenntnissen aus Social Media und dem<br />

Nutzerverhalten im <strong>digital</strong>en Raum lassen<br />

sich Kundenbedürfnisse präzise vorhersagen<br />

und entsprechende Angebote sowie<br />

passgenaue Empfehlungen ableiten.<br />

Die Einbindung von sogenannten Robo<br />

Advisern in der Vermögensberatung kann<br />

gerade auch für kleinere Banken eine<br />

deutliche Entlastung und gleichzeitig einen<br />

echten Qualitätssprung bedeuten.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 67<br />

Banken können Kunden aber auch einen persönlichen Finanz-<br />

Assistenten zur Seite stellen, der dessen Zahlungsziele,<br />

Liquidität und künftige Verpflichtungen genau kennt und<br />

ihn zum Beispiel an Termingeschäfte erinnert, ihn über Zahlungseingänge<br />

informiert oder Überweisungen erledigt.<br />

Die <strong>digital</strong>e Transformation verändert aber nicht nur die Interaktion<br />

mit den Kunden, sondern auch die Arbeitswelt<br />

massiv. Angesichts von steigender Komplexität und erhöhter<br />

Geschwindigkeit in der <strong>digital</strong>en Welt müssen Unternehmen<br />

schneller und beweglicher werden. Teamarbeit wird immer<br />

wichtiger, auch wenn Teamkonstellationen häufiger wechseln<br />

und Teams oft nur noch virtuell zusammenarbeiten.<br />

Gleichzeitig wünschen sich vor allem jüngere Mitarbeiter,<br />

flexibler und selbstbestimmter zu arbeiten. Darauf müssen<br />

sich Arbeitgeber einstellen und neue Formen der vernetz-<br />

ten Zusammenarbeit ermöglichen – indem sie die richtigen<br />

Rahmenbedingungen schaffen, Mitarbeitern geeignete<br />

Collaboration-Tools zur Verfügung stellen und den ortsunabhängigen<br />

Zugriff auf sämtliche Informationen<br />

ermöglichen.<br />

Intelligente Cloud-Infrastrukturen<br />

In Zukunft werden uns Maschinen dabei helfen, produktiver<br />

zusammenzuarbeiten, effizienter zu werden und<br />

bessere Entscheidungen zu treffen. Die Basis dafür sind<br />

intelligente Cloud-Infrastrukturen. Denn ohne die Skalierbarkeit<br />

und Verfügbarkeit von Rechenleistung aus der Cloud lassen<br />

sich weder neue Formen der vernetzten Wissensarbeit<br />

realisieren, noch <strong>digital</strong>e Geschäftsmodelle umsetzen oder<br />

die riesigen, in den Instituten verfügbaren Datenmengen<br />

sinnvoll nutzen – zum Beispiel bei der Berechnung von Risikomodellen.<br />

Bisher musste hier oft auf Modellvarianten verzichtet<br />

werden, um Ergebnisse in sinnvoller Zeit zu erzielen.<br />

In der Cloud lassen sich die bestehenden Modelle günstiger<br />

und schneller berechnen, beziehungsweise bei gleichem<br />

Zeit- und Budgetaufwand die Qualität deutlich steigern.<br />

Letztlich ist Cloud Computing die Basis aller <strong>digital</strong>en Zukunftskonzepte,<br />

und diese Erkenntnis setzt sich auch in der<br />

Finanzbranche zunehmend durch. Laut Sopra Sterias „Bran-<br />

chenkompass Banking <strong>2017</strong>“ nutzen aktuell 59 Prozent der<br />

Institute private beziehungsweise hybride Cloud-Lösungen,<br />

19 Prozent beziehen Services aus einer Public<br />

Cloud. Bei weiteren 21 Prozent ist die Nutzung<br />

öffentlicher Clouds in Planung.<br />

Das ist kein Zufall. Schließlich haben<br />

führende Cloud-Anbieter ihr Angebot<br />

deutlich ausgeweitet und an die spezifischen<br />

Bedürfnisse unterschiedlichster<br />

Branchen angepasst. Damit<br />

können jetzt auch die umfangreichen Anforderungen an Datenschutz,<br />

Risikomanagement und Service-Level im Finanzsektor<br />

erfüllt werden. Auf Kunden aus besonders datensensiblen<br />

Bereichen, die eine lokale Cloud-Lösung bevorzugen,<br />

ist (beispielweise) die Microsoft Cloud Deutschland zugeschnitten.<br />

Dabei werden die Kundendaten ausschließlich in<br />

Deutschland gespeichert und sind vor Herausgabeverlangen<br />

ausländischer Behörden oder richterlichen Anordnungen<br />

zusätzlich durch ein besonderes Datentreuhändermodell<br />

geschützt.<br />

Als Datentreuhänder überwacht und kontrolliert T-Systems<br />

jeden physischen und technischen Zugriff auf die Kundendaten,<br />

mit Ausnahme des Zugriffs durch den Kunden selbst.<br />

Für die lokalen und weltweiten Cloud-Angebote gelten<br />

höchste Sicherheitsstandards. Microsoft beispielsweise investiert<br />

rund 1 Mrd. US-$ jährlich in die physische Sicherheit<br />

seiner Rechenzentren und den umfassenden Schutz von<br />

Kundendaten, Produkten und Services.<br />

Dezentrale Transaktionen nachvollziehbar steuern<br />

Wenn es darauf ankommt, dezentrale Anwendungsfälle<br />

und Transaktionen sicher, transparent und nachvollziehbar<br />

zu steuern, spielt die Blockchain ihre Stärken aus. Bei Banken<br />

finden sich schon jetzt viele innovative Ansätze, neue<br />

Geschäftsmodelle auf Blockchain-Basis zu etablieren. Es gilt<br />

aber häufig schon aus regulatorischen Gründen, bestehende<br />

Prozesse und Systeme zu optimieren und zu integrieren.<br />

Unser Ansatz umfasst daher die Integration einer Vielzahl<br />

von Blockchain-Lösungen in das bestehende Geschäft und<br />

bietet je nach Anforderungen an Sicherheit, Performance,<br />

Monitoring und Regulation verschiedene Optionen. Das<br />

nutzt beispielsweise die Bank of America Merrill Lynch, um<br />

den Standby-Letter-of-Credit-Prozess zu optimieren.<br />

Zur Verfolgung des Ziels, technologische Innovation rund um<br />

maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz und Spracherkennung<br />

zu demokratisieren, erhalten Kunden über eine<br />

Schnittstelle Zugang zu diesen Cloud-Infrastrukturen. Die<br />

Interoperabilität der Systeme steht neben der Sicherheit<br />

an oberster Stelle. So werden Ökosysteme aufgebaut, geöffnet<br />

und für andere nutzbar gemacht. Die Anwendungen<br />

sollen auf allen Betriebssystemen verfügbar sein. Denn Vernetzung,<br />

Kooperation und technologische Offenheit gehören<br />

zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg der<br />

Digitalen Transformation.<br />

Autorin<br />

Sabine Bendiek, Vorsitzende der Geschäftsführung von<br />

Microsoft Deutschland.


68<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Bots in<br />

der Banklehre<br />

Künstliche Intelligenz befindet sich auf dem Weg von der Nischen- zur Massenbewegung.<br />

Vor dem Einsatz müssen viele Roboter allerdings erst noch die Schulbank drücken.<br />

Virtuelle Bankberater benötigen eine ähnliche Ausbildung wie ihre menschlichen<br />

Kollegen, bevor sie qualifizierte Finanzauskünfte geben können.<br />

Branchenübergreifend befasst sich fast<br />

jedes zweite Unternehmen mit KI-Technologien<br />

in verschiedenen Unternehmensbereichen.<br />

Das zeigt die Studie<br />

„Potenzialanalyse Künstliche Intelligenz“<br />

von Sopra Steria Consulting. Finanzdienstleister<br />

sind hier keine Nachzügler.<br />

Banken setzen auf KI-Disziplinen wie Robotic<br />

Process Automation (RPA), Knowledge<br />

Management Software, <strong>digital</strong>e<br />

Assistenten und Predicitive Analytics.<br />

Die Institute sehen den künftigen<br />

Nutzen von künstlicher Intelli-<br />

genz vor allem im Kontakt<br />

mit ihren Kunden. Produkte<br />

sollen individueller, die<br />

Kundenansprache genauer<br />

und das Erlebnis besser<br />

werden.<br />

Aus Bots werden Kundenberater<br />

In Zukunft werden Roboter<br />

somit verstärkt aus der Deckung<br />

des Backoffice<br />

kommen und selbst<br />

mit Kunden interagieren.<br />

Sie unterstützen<br />

heute bereits in Wertpapierfragen<br />

in Form<br />

von Robo Advisory. Die Kunden<br />

nehmen die Maschinen<br />

allerdings noch nicht als Be-<br />

rater-Äquivalent war – noch.<br />

Mit KI-Anwendungen gekoppelt,<br />

werden Systeme kontinuierlich<br />

dazulernen können.<br />

Sie werden aus unstrukturierten<br />

Kundenanfragen per Text<br />

oder Sprache die relevanten<br />

Informationen erkennen und<br />

selbsttätig antworten. Mit<br />

einem Mix aus der KI-Kernkompetenz,<br />

der schnellen Datenanalyse,<br />

und wachsender<br />

sozialer Kompetenz haben<br />

die Maschinen tatsächlich<br />

das Vermögen, sich zu einer<br />

seriösen Ergänzung, in Teilen<br />

sogar zur Alternative, in der<br />

Kundenbetreuung zu entwickeln.<br />

Kompetente Beratung<br />

außerhalb der Filialöffnungszeiten<br />

ist ein Ziel, das viele Banken<br />

im Sinn haben. Zudem hat kein physischer Kundenbe-<br />

treuer jedes Detail der Vertragsbedingungen im Kopf.<br />

Die neuen Assistenten können hier ihre Stärken in<br />

der Informationsverarbeitung ausspielen und quasi in<br />

Echtzeit einen Bedarf erkennen sowie Empfehlungen<br />

aussprechen. 20 Prozent der Institute beschäftigen


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 69<br />

sich bereits mit diesem Einsatzgebiet für künstliche Intelligenz.<br />

Damit allerdings aus Bots Berater für Bankkunden<br />

werden, braucht es zwei Dinge: Zunächst muss die Technik<br />

das Gesprochene des Kunden verstehen. Das bedeutet, KI-<br />

Lösungen müssen entschlüsseln, was der Kunde von der<br />

Bank möchte. Darüber hinaus muss ein virtueller Bankberater<br />

so menschlich wie möglich kommunizieren und handeln<br />

können. Beide Voraussetzungen zu erfüllen, ist äußerst<br />

komplex. Und hier zeigt sich, dass sich künstliche Intelligenz<br />

von der menschlichen noch stark unterscheidet: Das<br />

menschliche Gehirn ist immer noch der leistungsfähigste<br />

Supercomputer, den es derzeit gibt. Mit ungefähr zehn Billionen<br />

analogen Operationen pro Sekunde verarbeitet das<br />

Gehirn massiv parallel Informationen. Derzeitige Supercomputer<br />

funktionieren anders: mit sehr viel schnellerem Takt,<br />

dafür aber weniger vernetzt. In der Rechenleistung ist die<br />

derzeitige Computergeneration noch signifikant schwächer<br />

als das Gehirn. Aber die künstliche Intelligenz holt auf: Die<br />

Rechenleistung hat sich seit den 1960er Jahren rasant entwickelt.<br />

Derzeit sind etwa drei Prozent der Leistung des Gehirns<br />

technisch abbildbar. Das rangiert irgendwo zwischen<br />

Regenwurm und Springmaus. Experten erwarten jedoch<br />

um das Jahr 2030 herum eine 100-prozentige Abbildung des<br />

menschlichen Gehirns.<br />

Der Mensch als Maßstab<br />

Die reine Rechenpower reicht heute bereits für die Lösung<br />

komplexer Aufgabenstellungen, beispielsweise die Echtzeitverarbeitung<br />

audiovisueller Signale bei gleichzeitiger Berechnung<br />

komplexer numerischer Simulationen mit vorgegebenen<br />

regelbasierten Rahmenbedingungen. Konkret: ein ganz<br />

normales Beratungsgespräch bei einem Finanzdienstleister.<br />

Das bedeutet allerdings längst nicht, dass die künstlich-intelligenten<br />

Berater durch ihre reine Rechenleistung topqualifiziert<br />

für den Job des Bankberaters sind. Setzt man sich das<br />

ambitionierte Ziel einer virtuellen Bankberatung rund um die<br />

Uhr, an jedem Ort und in einer hochqualitativen Form, dann<br />

gibt es nur einen Maßstab, an dem sich Banken orientieren<br />

sollten: den erfahrenen, erfolgreichen Bankberater aus<br />

Fleisch und Blut. Er ist die Benchmark, wenn es darum geht,<br />

Informationen zu verarbeiten und im Dialog mit dem Kunden<br />

die passende Antwort zu finden: Der virtuelle Bankberater<br />

muss also visuell sehr ähnlich dem Menschen, akustisch angenehm<br />

und gut verständlich sowie inhaltlich klar und deutlich<br />

unterstützt von Informationsgrafiken sein.<br />

Knackpunkt Sprachsteuerung und Affective Computing<br />

In einer der kommenden KI-Ausbaustufen führen Kunde und<br />

Bot ein natürliches Gespräch. Das lässt sich unterstützen,<br />

indem die KI-Lösung die Wahrscheinlichkeit möglicher Dialoge<br />

berechnet. Durch Machine Learning wird das Ergebnis<br />

laufend verbessert. Nachfragen bei Unsicherheit verstärken<br />

den vom Menschen gewohnten Dialog. Denn auch im Gespräch<br />

mit dem Bankberater aus Fleisch und Blut gibt es<br />

Unklarheiten, die durch Rückfragen gelöst werden.<br />

Zu einem echten Kundenversteher werden die künstlich-intelligenten<br />

Bankmitarbeiter erst, wenn sie auch Emotionen<br />

erkennen, interpretieren und daraus die richtigen Schlüsse<br />

ziehen. Emotionen wie Offenheit oder Zurückhaltung lassen<br />

sich etwa aus dem Sprachstil und Satzkonstruktionen ableiten.<br />

Eine phonetische Analyse ermöglicht das Erkennen von<br />

Gefühlen wie Nervosität, Ärger und Angst. Wichtig ist, diese<br />

Informationen in einen Kontext zu anderen Daten wie Geschlecht<br />

und Beruf zu setzen, damit ein 360-Grad-Bild des<br />

Kunden und seiner Situation entsteht. Diese Komponente<br />

sozialer Kompetenz ist selbst für manchen Menschen eine<br />

Herausforderung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass<br />

sich Lösungsmodule zur Identifikation von Emotionen im<br />

Vergleich zur Spracherkennung und Gesprächsführung in einem<br />

recht frühen Entwicklungsstadium befinden.<br />

Das Azubi-Programm für Watson & Co.<br />

Der menschliche Bankberater durchläuft ein langes Ausbildungsprogramm,<br />

bevor er seine Kunden umfassend beraten<br />

kann. Diese Lehrjahre sollten Banken auch der künstlichen<br />

Intelligenz zugestehen. Sie wird mit Basismethoden<br />

ausgeliefert und muss sich im Anschluss Fachwissen und<br />

Gepflogenheiten aneignen. Auf dem Lehrplan stehen beispielsweise<br />

gesellschaftliches Basiswissen für den Smalltalk,<br />

die Funktionsweise von Bankprodukten, Methoden der<br />

Risikobewertungen und ökonomische Zusammenhänge.<br />

Dieses Wissen bietet derzeit keiner der KI-Plattformanbieter.<br />

Hinzu kommen die spezifischen Angebote eines Finanzdienstleisters,<br />

Verkaufsstrategien, Informationen aus<br />

früheren Kundenkontakten – und schließlich die notwendige<br />

Dokumentation der Beratung und des Transaktionsauftrags,<br />

inklusive Beratungsbögen, Produktanträgen und Ausführungsanweisungen.<br />

Die Anwendung des gelernten Wissens<br />

geschieht beim menschlichen Azubi anfänglich in bewusst<br />

einfachen Kundensituationen, beispielsweise am Serviceschalter<br />

und der Kasse. Schaut man auf die derzeit üblichen<br />

Testeinsatzfelder für KI-Technologie, lässt sich das gleiche<br />

Ausbildungsmuster erkennen. Viele Unternehmen verwenden<br />

Chatbots mit teils beeindruckendem Antwortverhalten<br />

im Kundenservice auf ihren Websites. Auf dieser Grundlage<br />

verbessert der KI-Azubi einzelne Fähigkeiten in komplexen<br />

Kundensituationen. Der Weg zum menschlichen Vorbild<br />

führt über vier Lernstufen (siehe Kasten).


70<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Lehrplan für künstliche Intelligenz<br />

Vier Lernstufen auf dem Weg zum virtuellen Kundenberater:<br />

1. Hidden Support<br />

Der KI-Berater unterstützt den Menschen und ist<br />

für den Kunden nicht wahrnehmbar. Der Berater<br />

erhält Faktenwissen zu komplexen Beratungssituationen<br />

sowie Vorschläge, wie er den Beratungsprozess<br />

fortsetzen soll. Das funktioniert jedoch nicht<br />

regelbasiert und statistisch, sondern kognitiv. Auf<br />

diese Weise lernt der KI-Azubi die erfolgversprechendste<br />

Reaktion in spezifischen Kundensituationen.<br />

Der Lernprozess enthält im Idealfall regelmäßiges<br />

„Feedback“ des menschlichen Beraters<br />

(supervised) und wird ergänzt durch eigene Lernmechanismen<br />

(z. B. Backpropagation).<br />

2. Co-Advisory<br />

Der Kunde wird vom menschlichen und vom virtuellen<br />

Finanzexperten gemeinsam beraten. Dieses<br />

Szenario trägt der Annahme Rechnung, dass viele<br />

Kunden beim ersten Aufeinandertreffen mit dem<br />

KI-Berater unsicher sind. Eine geführte Benutzung<br />

überwindet die natürliche Hemmschwelle, mit<br />

dem virtuellen Berater zu interagieren.<br />

3. Virtual Advisory<br />

Auf dieses Szenario arbeitet das gesamte Ausbildungsprogramm<br />

hin. Der Kunde verständigt<br />

sich eigenständig mit dem virtuellen Berater. Ein<br />

menschlicher Bankmitarbeiter erfüllt im Hintergrund<br />

lediglich seine wichtige Kontroll- und Überwachsungsfunktion.<br />

4. Agent-2-Agent<br />

Die bisherige Betrachtung geht grundsätzlich davon<br />

aus, dass der Kunde seine finanziellen Interessen<br />

selbst vertritt. Aber auch auf der Kundenseite ist<br />

es denkbar, dass der Kunde seinen „Virtual Personal<br />

Assistant“ zur Bank schickt, der ihm die Auseinandersetzung<br />

mit finanziellen Fragestellungen<br />

abnimmt. In welchem Maße dieser persönliche<br />

Assistent autonom agiert, bestimmt der Kunde<br />

selbst.<br />

Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und das Kundenerlebnis<br />

Bevor der virtuelle Berater quasi autonom eingesetzt<br />

werden kann, müssen Banken darüber hinaus überzeugende<br />

Antworten auf einige grundsätzliche Fragen finden.<br />

Eine betrifft die Zukunft des Berufs des Bankberaters:<br />

Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt des menschlichen<br />

Beraters sicher beeinflussen und sein Aufgabenfeld verändern.<br />

Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass alle Kunden<br />

auf eine Beratung durch den Menschen verzichten werden,<br />

auch wenn der absolute Bedarf zurückgehen dürfte. Für die<br />

Bankmitarbeiter, die bisher in der Beratung gearbeitet haben,<br />

werden aller Voraussicht nach neue Aufgaben entstehen,<br />

beispielsweise das Coaching, die Verbesserung sowie die<br />

Kontrolle der virtuellen Beratung. Insbesondere die Weiterentwicklung<br />

der Beratungsinhalte wird eine ureigene Domäne<br />

des menschlichen Geists bleiben. Sie erfordert Kreativität,<br />

eine Eigenschaft, die der künstlichen Intelligenz bisher noch<br />

nicht zugeschrieben wurde. Unklar ist auch, in welcher physischen<br />

Gestalt virtuelle Berater dem Kunden begegnen werden.<br />

Derzeit spricht viel für eine Beratung über Smartphone,<br />

Tablet und Laptop. All diese Geräte sind mit Bildschirm und<br />

Lautsprecher sowie Kamera und Mikrofon ausgestattet. Bis<br />

Roboter fachlich so gut beraten können wie der Mensch,<br />

werden weitere Geräte zur Darstellung technisch ausgereift<br />

sein: 3-D-Brillen und Augmented-Reality-Projektionen wie<br />

Microsoft Hololens werden ihren Exotenstatus verloren haben.<br />

Denkbar ist, dass holografische Projektionen den Berater<br />

auf dem heimischen Sofa sitzen lassen und so für eine<br />

entspannte Gesprächsatmosphäre sorgen.<br />

Autor<br />

Martin Stolberg ist Director Banking bei Sopra Steria Consulting.<br />

Fazit<br />

Die zukünftige Rechenleistung wird die realitätsnahe<br />

Abbildung von virtuellen Beratungsleistungen<br />

möglich machen. Und es kann davon ausgegangen<br />

werden, dass viele Versuche unternommen<br />

werden, einzelne Teile des Beratungsprozesses zu<br />

<strong>digital</strong>isieren. Die gute Nachricht für alle Skeptiker<br />

ist, dass allein der Mensch und Kunde darüber entscheidet,<br />

welche Art der Beratungsleitung er akzeptiert.<br />

Die gute Nachricht für Technik-Euphoriker ist,<br />

dass der virtuelle Berater über die Kundenberatung<br />

hinaus schnell weitere Aufgaben lernen wird.


Advertorial<br />

Blockchain reduziert<br />

Aufwand für Know-Your-<br />

Customer-Verfahren<br />

Banken und andere Finanzinstitute führen für bestimmte Neukunden eine obligatorische<br />

Legitimationsprüfung durch. Ziel ist, Gelwäsche und Terrorfinanzierung zu verhindern. Dieses<br />

Verfahren, KYC-Verfahren genannt, hat einen Mangel: Personen- und Unternehmensdaten<br />

werden wiederholt erfasst – zum Leidwesen der Kunden. Der Einsatz der Blockchain-<br />

Technologie ermöglicht, den Aufwand zu reduzieren.<br />

Derzeit läuft das KYC-Verfahren häufig so ab, dass Daten,<br />

die ein Kreditinstitut bereits aufgenommen und verifiziert<br />

hat, von einem anderen Institut erneut aufgenommen und<br />

überprüft werden. Das Ergebnis sind identische Prozesse,<br />

die Kunden bei unterschiedlichen Parteien durchlaufen, aber<br />

deckungsgleiche Ergebnisse hervorbringen. Das erzeugt für<br />

die Institute vermeidbare Aufwände und nervt die Kunden,<br />

die sich der Know-Your-Customer-Prozedur mehrfach unterziehen<br />

müssen.<br />

Einmalige Datenaufnahme durch Trusted Parties<br />

Banken können diese ineffiziente Datenaufnahme vermeiden.<br />

Die Erfassung der Kundeninformationen sowie ihre<br />

Prüfung auf Echtheit übernehmen so genannte Trusted Parties.<br />

Das können zum Beispiel Behörden sein, die bereits die<br />

Authentizität von Identitäten sicherstellen. Im Ergebnis durlaufen<br />

Kunden das KYC-Verfahren ein einziges Mal, beispielsweise<br />

mit dem Ausstellen des Personalausweises oder dem<br />

Eintrag ins Handelsregister. Sie erhalten einen beglaubigten<br />

Datensatz, den sie allen Stellen überlassen, die zum KYC-<br />

Verfahren verpflichtet sind. Die Prozedur wird auf die Weise<br />

deutlich abgekürzt. Die Institute sparen sich zudem die lästigen<br />

Fragen zur Geldwäscheprävention und Terrorismusfinanzierung<br />

und können sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren.<br />

Blockchain schafft die technologischen Voraussetzungen<br />

Die Anforderungen an ein derartiges Verfahren lassen sich<br />

technisch mit einer Blockchain-Lösung umsetzen. Die Trusted<br />

Parties bilden in diesem Fall ein Konsortium, das das<br />

ausschließliche Recht zur Blockerzeugung hat. Eine Trusted<br />

Party erfasst und verifiziert Identitäts- und Geschäftsdaten<br />

und speichert diese verschlüsselt ab. Die Authentizität einer<br />

Identität bleibt damit jederzeit überprüfbar. Die verschlüssel-<br />

ten Identitätsdaten werden in einem für den Kunden erzeugten<br />

Smart Contract festgehalten. So kann ausschließlich der<br />

Kunde als Besitzer seine Daten einsehen, löschen und an<br />

von ihm ausgewählte Unternehmen freigeben. Transaktionen<br />

helfen dabei, die Interaktion von Kunden, verpflichteten<br />

Unternehmen – zum Beispiel Banken – sowie Trusted Parties<br />

chronologisch und nachvollziehbar abzuspeichern.<br />

Vereinfachte Kontoeröffnung<br />

In der Praxis, wie bei der Kontoeröffnung, helfen technische<br />

Komponenten beim Erfassen biometrischer Merkmale. Im ersten<br />

Schritt scannt zum Beispiel eine Kamera das Gesicht des<br />

Kunden. Der bestätigt seine Identität mit seinem Fingerabdruck<br />

und genehmigt den Zugang zu seinen beglaubigten Identitätsdaten.<br />

Der Bankmitarbeiter erhält im dritten Schritt die für die<br />

Kunde-Bank-Beziehung relevanten Daten aus der Blockchain.<br />

Von der Vision zum Prototyp<br />

Bislang ist dieses vereinfachte KYC-Verfahren noch eine<br />

Idee. Bis zum fertigen Protyp fehlen noch einige Voraussetzungen,<br />

beispielsweise rechtliche Grundlagen, wer Trusted<br />

Party sein darf. Dazu kommen technische und organisatorische<br />

Bedingungen, um alle Compliance-Anforderungen<br />

zu erfüllen. Wichtig bei jeder Blockchain-Anwendung ist zu<br />

prüfen, ob die grundlegenden Bedingungen für den Einsatz<br />

der Technologie erfüllt sind und wie sich mögliche Show-<br />

Stopper beseitigen lassen.<br />

Autor<br />

Mustafa Cavus ist IT-Architekt bei Sopra Steria Consulting.<br />

Der studierte Informatiker hat sich auf die Themen Blockchain<br />

und Big Data spezialisiert.


72 <strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Banking im<br />

Kontext<br />

Der Wettbewerb im Privatkundengeschäft hat sich in den letzten Jahren weiter<br />

verschärft. Dafür sorgen nicht nur die Retailbanken selbst, sondern auch eine ganze Reihe<br />

branchenfremder Anbieter. Wer hier die Oberhand behalten will, der muss sich schon ein<br />

bisschen mehr einfallen lassen als traditionelles Marketing mit Fernsehspots<br />

und Sponsoring. Das Zauberwort heißt: Banking im Kontext.<br />

Die Kundenansprache der Kreditinstitute ist<br />

relativ statisch: Noch immer werden große<br />

Teile der Werbebudgets für klassische Marketingkampagnen<br />

in Form von Fernsehspots, Sportsponsoring,<br />

Print- und Plakatwerbung verwendet. Nach dem<br />

Gießkannenprinzip werden mit hohen Streuverlusten Produktbotschaften<br />

in die Welt gesendet. Der Fokus der Banken<br />

liegt auf den eigenen Produkten und nicht auf dem Kunden.<br />

Der kommt dann zur Bank, wenn er das beworbene Produkt<br />

braucht. Oft genug kommt er aber auch gar nicht mehr.<br />

Next Best Offer allein reicht nicht<br />

Natürlich merken auch die Banken, dass sie damit allein immer<br />

weniger Kunden erreichen in einer Welt, die mehr denn<br />

je Wert auf Individualität legt. Auf der Grundlage von Data<br />

Analytics – also der systematischen Auswertung ihrer Kundendaten<br />

– versuchen sie, Kunden individueller anzusprechen.<br />

Wie man es z. B. von Amazon kennt, wird per Next<br />

Best Offer ein passendes Produkt angeboten. Das ändert<br />

allerdings nur wenig am Grundproblem: Produktfokus statt<br />

Kundenfokus. Menschen wollen sich lebensnotwendige,<br />

nützliche oder schöne Dinge kaufen, Reisen oder einen ruhigen<br />

Lebensabend genießen. Finanzen sind in diesem Zusammenhang<br />

lediglich Mittel zum Zweck, ein notwendiges<br />

Übel, mit dem man sich nur beschäftigt, wenn es unbedingt<br />

sein muss. Wer im Wettbewerb erfolgreich sein möchte,<br />

darf deshalb nicht darauf warten, dass die Kunden dank<br />

einer Produktwerbung zu ihm kommen. Er muss vielmehr<br />

geräuschlos bereitstehen, wenn der Kunde ihn braucht.<br />

Was Banking im Kontext bedeutet<br />

Dazu müssen sich die Banken die typische Customer Journey<br />

ihrer Kunden anschauen – insbesondere jene für die<br />

Konsumwünsche der Kunden. Die relevante Frage lautet<br />

dann: „Wann und in welchem Kontext braucht mich der Kunde?“<br />

Das bedeutet einen grundlegenden Kulturwandel für<br />

die Kreditinstitute. Die Bank tritt mit ihren Produkten in den<br />

Hintergrund und muss es schaffen, sich unauffällig und vor<br />

allem nahtlos als Dienstleister in Prozesse einzubinden und<br />

dem Kunden einen konkreten Mehrwert bieten. Dabei ist es<br />

essentiell, den Fokus auf eine gute User Experience (UX) zu<br />

richten. Wie so etwas ganz konkret aussehen kann, zeigen<br />

einige spezialisierte Banken und Finanzdienstleister schon<br />

seit Jahren erfolgreich im Handel.<br />

Bequeme Kredite im Handel<br />

Ob nun bei Consumer Elektronik, im Möbelhaus oder beim<br />

Kfz-Händler: Viele Dinge, die Menschen sich leisten wollen,<br />

sind ziemlich teuer. Wie teuer, das realisieren viele Kunden<br />

erst dann, wenn sie ganz konkret vor der Kaufentscheidung<br />

stehen. Konsumentenkredite sind hierfür mittlerweile auch<br />

in Deutschland immer häufiger die bequeme Lösung. Wer in<br />

Kooperation mit dem Händler direkt am Point of Sale einen<br />

schnellen und unkomplizierten Kreditabschluss ermöglicht,<br />

hat im Wettbewerb die Nase vorn. Die Konkurrenz wartet hier<br />

meist vergeblich darauf, dass der Kunde noch einmal zu ihm<br />

in die Filiale kommt, um ein Vergleichsangebot einzuholen.<br />

Was in der analogen Welt gilt, trifft in der <strong>digital</strong>en Welt ebenso<br />

zu. Der Platzhirsch im deutschen eCommerce, Amazon,


6. - 12. NOV<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

2 0 1 7<br />

73<br />

bewirbt zwar nur prominent eine Kreditkarte. Viele mittlere<br />

und große Online-Händler bieten aber selbstverständlich<br />

Ratenkredite oder 0-Prozent-Finanzierungen im Check-Out-<br />

Prozess an. Dank automatisiertem Scoring-Verfahren im<br />

Hintergrund bemerkt der Kunde nicht mehr als nötig vom<br />

eigentlichen Finanzierungsprozess, der für ihn ohnehin nur<br />

notwendiges Übel ist.<br />

Payment im Messenger<br />

Auch im Payment-Bereich wird Banking im Kontext von den<br />

Kunden honoriert. Wer die Pizzarechnung mit seinen Freunden<br />

aufteilen möchte, muss mittlerweile nicht mehr mit der<br />

IBAN hantieren, sondern kann auf Apps für Peer-to-Peer-<br />

Payment (P2P) zurückgreifen. Letztlich ist das aber nur eine<br />

moderne Form der Produktfokussierung.<br />

In den USA und Asien ist man hier bereits weiter. Dort ist<br />

es seit einiger Zeit möglich, solche Zahlungen direkt über<br />

gängige Messenger-Apps wie Facebook oder WeChat zu<br />

versenden. Auch Whatsapp arbeitet an einer entsprechenden<br />

Funktion. Während der Kunde also mit seinen Freunden<br />

über den netten gestrigen Abend chattet, kann im selben<br />

Medium die ausgelegte Zeche beglichen werden. In Asien,<br />

das in diesem Feld wegweisend ist, können im Messenger<br />

sogar Telefonrechnungen oder die Urlaubsreise direkt bezahlt<br />

werden. Aus dem Bankenprodukt Payment wird eine<br />

reine Funktion, die in den Hintergrund rückt.<br />

Zahlen mit Händler-Apps<br />

Ein anderer Ansatz sind proprietäre Apps großer Ketten oder<br />

Plattformen, in denen ebenfalls Payment-Funktionen nahtlos<br />

und quasi unsichtbar integriert sind. Wer etwa die App<br />

des Kaffeeriesen Starbucks installiert, um Angebote und<br />

Coupons zu nutzen, der kann damit auch bezahlen. Gleiches<br />

gilt für das in Deutschland sehr beliebte Loyalty-Programm<br />

Payback. Mit dessen weit verbreiteter App kann der Nutzer<br />

nicht nur Punkte sammeln, sondern mittlerweile bei einigen<br />

Partnern gleichzeitig bezahlen. Auch Plattformen wie Mytaxi,<br />

Uber oder Airbnb haben Bezahlfunktionen in ihre Apps<br />

eingebaut. So wird es dem Kunden so einfach und bequem<br />

wie möglich gemacht, nichts soll vom eigentlichen Nutzererlebnis<br />

ablenken. Die Banken selbst verlieren hier komplett<br />

ihre Sichtbarkeit und werden zu einem reinen Dienstleister<br />

im Hintergrund degradiert.<br />

Was Banken tun können<br />

Dieser Bedeutungsverlust ist für viele Kreditinstitute bedrohlich,<br />

denn ohne Sichtbarkeit ist eine markenbildende<br />

Differenzierung im Wettbewerb nur schwer möglich. Ihre<br />

Produkte verkommen zu einer reinen Commodity, einem<br />

Tobias Baumgarten ist Spezialist für <strong>digital</strong>es<br />

Banking und FinTech-Experte. Zudem ist er<br />

Botschafter der FinTech Week Hamburg <strong>2017</strong>.<br />

beliebigen und austauschbaren Basisgut, bei dem nur noch<br />

der günstigste Preis zählt. Was also können Banken tun, um<br />

auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben?<br />

Zunächst ist es wichtig, diesen tiefgreifenden Wandel der<br />

Branche überhaupt einmal zu erkennen. Einige Dienste wie<br />

das Payment werden als Erlösbringer für die Banken an Bedeutung<br />

verlieren. Deshalb ist es wichtig, hier seine Prozesse<br />

auf maximale Effizienz zu trimmen. Das gilt umso mehr vor<br />

dem Hintergrund der PSD2-Richtlinie, durch die Drittanbieter<br />

die Infrastruktur der Banken für eigene Angebote nutzen


74<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

können. Um selbst wieder aktiv am Kunden erfolgreich zu<br />

sein, müssen sich die Banken weiter verändern. Auf Basis<br />

der Kundendaten können ganz neue Mehrwertdienste angeboten<br />

werden, bei denen nicht mehr das Banking selbst<br />

im Vordergrund steht. Idealerweise werden Banken selbst<br />

zu Ökosystemen oder Plattformen. So könnte es für Banken<br />

eine Option sein, Immobilienportale zu kaufen oder zu<br />

gründen und darum herum ein Ökosystem aufzubauen. Das<br />

Angebot muss den Kunden erreichen, sobald er auf Google<br />

nach „Haus kaufen“ sucht, ihm Ratschläge rund um die<br />

Immobiliensuche bieten, Marktwertanalysen und Informationen<br />

zum Stadtteil oder Kiez und ganz am Ende des Prozesses<br />

gleich einen Finanzierungsvorschlag unterbreiten.<br />

Auch auf notwendige oder sinnvolle Versicherungen kann<br />

in diesem Zusammenhang hingewiesen werden, allerdings<br />

immer mit dem Fokus auf den jeweiligen Kunden, nicht<br />

auf Produkte. Auch im Firmenkundengeschäft erscheint<br />

der Fokus auf eine ganzheitliche Lösung für den Kunden<br />

erfolgversprechend. Anstatt dem Kunden ein Geschäftsgirokonto<br />

zu verkaufen, könnten Banken eine ganzheitliche<br />

Buchhaltungslösung bieten – mit Buchhaltung, Steuerberatungssoftware<br />

und natürlich Zahlungsfunktionen. So bieten<br />

die Institute einen echten Mehrwert für die Kunden und<br />

setzen ihre Banking-Angebote in den Kontext.<br />

Autor<br />

Tobias Baumgarten<br />

Fazit<br />

Mit dem bisherigen produktfokussierten Banking<br />

werden die Kreditinstitute ihre Kunden künftig<br />

immer weniger erreichen. Für ihre Kunden sind die<br />

Produkte der Banken eben nur Mittel zum Zweck,<br />

nötig zur Erfüllung ihrer Konsumwünsche. Nur<br />

wer das begreift und seine Dienste aus einem<br />

Kundenfokus heraus kontextbasiert anbietet, wird<br />

auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben.<br />

7. BuB-Fachtagung<br />

Niedrigzinsen und kein Ende: Bankentgelte<br />

im Spannungsfeld zwischen Rentabilität und<br />

Verbraucherschutz<br />

am Donnerstag, 23. November <strong>2017</strong>, 10:00 bis 16:30 Uhr in Köln<br />

Das Jahresevent im Bankrecht mit Referentinnen und Referenten vom BGH, aus der Politik,<br />

dem Verbands- und dem Großbankbereich.<br />

Weitere Informationen unter www.bub-fachtagung.de.<br />

Information und Anmeldung: Stefan Lödorf | <strong>02</strong>21/5490-133 | events@bank-verlag.de<br />

Jetzt<br />

anmelden<br />

events@<br />

bank-verlag.de<br />

www.bub-fachtagung.de


6. - 12. NOV<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

2 0 1 7<br />

75<br />

Die Plattformisierung<br />

des<br />

Bankings<br />

Plattform-Banking, Banking-as-a-Service oder Banking-as-a-Platform: Dass<br />

die Bankenwelt sich auf die eine oder andere Weise plattformisiert, steht außer Frage.<br />

Aber die Begriffsvielfalt zeigt, dass noch längst nicht klar ist, welche Art von<br />

Plattform sich überhaupt durchsetzen wird.<br />

Im Sinne der Plattform-Ökonomie verbindet eine „echte“<br />

Plattform Produzenten und Konsumenten, ohne selbst die<br />

Produktionsmittel zu besitzen. Dabei können die Plattform-<br />

Teilnehmer sowohl Konsumenten als auch Produzenten<br />

sein. Plattformen produzieren ihren Wert, indem sie Produzenten<br />

und Konsumenten zusammenbringen, die Werte<br />

austauschen möchten. Die Matching-Funktionen monetarisieren<br />

sie auf eine passende Weise: durch Plattformgebühren,<br />

Provisionen, Werbung, Zusatzservices u. a. Als<br />

Beispiele erscheinen an dieser Stelle die Poster Childs der<br />

Plattform-Ökonomie: Uber, Airbnb, Facebook, Google, in<br />

Teilen ihres Geschäfts auch Amazon und Apple. In der Kreditwirtschaft<br />

beobachten wir heute drei Arten von Banking-<br />

Plattformen:<br />

1. Banking-as-a-Service-Plattformen (BaaS-Plattformen), fast<br />

synonym dazu Banking-as-a-Plattform<br />

2. Einseitige Banking-Plattformen<br />

3. Zweiseitige Banking-Plattformen<br />

Banking-as-a-Service-Plattformen<br />

BaaS-Plattformen bieten Nicht-Banken die Möglichkeit, Finanzprodukte<br />

oder -services anzubieten, für die eine Banklizenz<br />

notwendig ist. BaaS-Plattformen arbeiten ähnlich wie<br />

Software-as-a-Service-Modelle, die über Software hinaus<br />

transaktionelle Geschäftsprozesse bieten, z. B. Webshop-<br />

Anbieter.<br />

Die Rolle von Banking-Plattformen ist jedoch breiter als<br />

die von SaaS-Anbietern: Über die Technik hinaus bieten<br />

sie ihren Kunden die Bankenlizenz und das Regulierungsframework<br />

rund um Themen wie Kundenlegitimierung<br />

(KYC), Geldwäscheverhinderung, Kundeninformation usw.<br />

Je nach Fokus bieten die BaaS-Plattformen klassische<br />

Bankprodukte wie Konten, Depots, Zahlungsprozesse,<br />

Wertpapiertransaktionen oder Kreditprozesse an, zum Teil<br />

auch komplexere Dienstleistungen wie Vermögensverwaltungen.<br />

BaaS-Plattformen spielen eine tragende Rolle bei der Digitalisierung<br />

der Finanzbranche. Nahezu jedes FinTech arbeitet<br />

im Hintergrund mit einem BaaS-Anbieter zusammen,<br />

um sein Geschäftsmodell umzusetzen. Dies gilt für Robo-<br />

Advisors, Kreditmarktplätze, (Peer-to-Peer-) Payment-Anbieter,<br />

Zinsportale oder andere Start-up-Geschäftsprozess-<br />

Elemente, die eine Banklizenz benötigen.<br />

Aus Kundensicht sorgen BaaS-Plattformen dafür, dass Finanzfunktionen<br />

sich immer mehr in Lebenskontext einbetten,<br />

dass sie sich bei Unternehmen immer tiefer in ihre<br />

Geschäftsprozesse integrieren. So können Konsumenten<br />

heute am <strong>digital</strong>en Point of Sale sehr einfach Kredite in Anspruch<br />

nehmen, per Knopfdruck in Fonds investieren oder<br />

Geld einfach direkt an Freunde transferieren. Unternehmen<br />

sind in der Lage, Zahlungsfunktionen direkt mit der Erbringung<br />

von Leistungen, etwa Stromlieferungen, Maschinen-<br />

Aktivitäten oder Transporten, zu verbinden.


76<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

BaaS-Anbieter unterscheiden sich von klassischen Banken<br />

durch ihre technische Infrastruktur, die sie über APIs für<br />

Partner öffnen, und durch ihre regulative Adaptivität, um<br />

auch innovative Geschäftsmodelle innerhalb des gesteckten<br />

Regulierungsrahmens umzusetzen. Dabei ist die API<br />

als Pflicht, die regulative Adaptivität als Kür zu sehen. Eine<br />

API macht eine Bank noch lange nicht zu einer Plattform –<br />

sie ist lediglich eine notwendige technische Voraussetzung.<br />

Trotz ihrer weiter wachsenden Bedeutung für die Digitalisierung<br />

der Bankenwelt sind BaaS-Plattformen keine Plattformen<br />

im Sinne der Plattform-Ökonomie. Sie ermöglichen<br />

Banking für Nicht-Banken, verbinden aber nicht Finanzproduzenten<br />

und Finanzkonsumenten. BaaS-Plattformen<br />

betreiben in Deutschland etwa die Wirecard Bank, Solaris<br />

Bank, FinTech Group Bank AG oder Sutor Bank; jeweils mit<br />

unterschiedlichen Schwerpunkten.<br />

Einseitige Banking-Plattformen<br />

Das inverse Modell zu BaaS- sind einseitige Banking-<br />

Plattformen. Sie treten gegenüber ihren Kunden als eine<br />

„vollständige“ Bank auf, integrieren aber auf verschiedene<br />

Weise Angebote von Partnern, um ihren Kunden neue, <strong>digital</strong>e<br />

Services anzubieten. Architektonisch und konzeptionell<br />

geht dies schon in Richtung einer „echten“ Plattform.<br />

Allerdings sind die Grenzen zwischen Plattform und <strong>digital</strong>isierten<br />

Banken mit traditionellen Geschäftsmodellen,<br />

die Partner lediglich als Produktanbieter oder Dienstleister<br />

integrieren, fließend.<br />

Auch in der Vergangenheit boten Banken Finanzprodukte<br />

anderer Anbieter, etwa von Fondsgesellschaften oder<br />

Versicherungen, an. Ebenso setzen sie Lösungen von externen<br />

Technologie-Anbietern ein. Der Integration von Fin-<br />

Techs wie Figo als Schnittstellen-Anbieter oder Zinspilot<br />

bzw. Deposit Solution als Zinsportal macht die Deutsche<br />

Bank beispielsweise nicht zu einer Banking-Plattform. Wesentlich<br />

weiter in Richtung echter Plattform bewegt sich<br />

die Neo-Bank N26, die ihre Produktpartner offen als externe<br />

Anbieter in ihre mobile Banking-Plattform integriert.<br />

Als Faustregel, inwieweit eine einseitige Plattform tatsächlich<br />

eine Plattform im plattform-ökonomischen Sinn ist, ist<br />

die Art von Kundenbeziehungen, die sie unterhält. Gibt es<br />

vertragliche Beziehungen nur zwischen der Bank und dem<br />

Kunden, aber keine zwischen Kunde und Produzent, handelt<br />

es sich eher um die <strong>digital</strong>isierte Form einer traditionellen<br />

Bank, nicht um eine Plattform-Bank.<br />

Zweiseitige Banking-Plattformen<br />

Wenn originäre Banking-Plattformen im Sinne der Plattform-Ökonomie<br />

direkte Kundenbeziehungen zwischen<br />

Konsumenten und Produktanbietern vermitteln, haben<br />

Banking-Plattformen vor allem zwei Aufgaben: In der Richtung<br />

Produzenten ermöglichen sie, als Banking-as-a-Service-Plattform<br />

Finanzprodukte und -prozesse anzubieten.<br />

In Richtung der Konsumenten sorgen sie dafür, dass diese<br />

die für sie passenden Produkte und Prozesse sehr einfach<br />

nutzen können.<br />

« Nicht jede Bank<br />

muss eine Plattform<br />

sein – aber<br />

alle Banken werden<br />

plattförmig<br />

durch PSD2.»<br />

In der Regel müssen Kunden für die Nutzung von Finanzprodukten<br />

umfangreiche Identifizierungs-, Dokumentations-<br />

und Informationsprozesse durchlaufen, sei es bei<br />

der Eröffnung eines Kontos, bei der Anlage in Fonds und<br />

Wertpapieren oder bei der Beantragung von Krediten.<br />

Diese Aufgaben übernimmt zentral die Banking-Plattform.<br />

So müssen die Konsumenten diese Prozesse nur einmal<br />

durchlaufen, auch wenn sie Angebote von verschiedenen<br />

Anbietern nutzen wollen.<br />

Für Konsumenten bedeutet dies eine ganz neue Freiheit<br />

und Einfachheit bei der Auswahl von passenden Finanzprodukten,<br />

solange deren Produzenten an die Banking-<br />

Plattform angeschlossen sind. Umgekehrt erhalten die<br />

Produzenten die Möglichkeit, ihre Kunden durch kooperative<br />

Cross-Selling-Aktionen mit komplementären Plattform-<br />

Produzenten weiter zu monetarisieren und ihre eigene Attraktivität<br />

durch das ergänzende Angebot dieser Partner zu<br />

steigern. In diesem Sinn wird jeder Plattform-Produzent ein<br />

Art eigene Micro-Plattform.<br />

Entscheidend für den Erfolg einer zweiseitigen Banking-<br />

Plattform ist neben der Technologie das Eco-System an<br />

Produzenten, das erstens in seinem Zusammenwirken


6. - 12. NOV<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

2 0 1 7<br />

77<br />

Plattform-Produzenten in Anspruch nehmen. Erste gemeinsame<br />

Aktionen der Plattform-Produzenten mit dem Ziel<br />

Kunden auszutauschen, sind bereits gelaufen.<br />

Hartmut Giesen ist Business Development Manager bei<br />

der Hamburger Sutor Bank. Er ist zudem Gründer und<br />

Geschäftsführer der NextFin GmbH sowie Herausgeber<br />

und Autor des Next Finance Blog. Von 1995 bis 20<strong>02</strong> war<br />

er Vorstand der TEMA Technologie Marketing AG. Giesen<br />

ist einer der Botschafter der FinTech Week Hamburg <strong>2017</strong>.<br />

Die Rollen der Bank – eine starke Marke ist<br />

entscheidend<br />

Ein Narrativ der aktuellen Banking-Plattform-Diskussion ist,<br />

dass die Banken durch die Plattformisierung der Branche<br />

ihren Status und ihre Rolle verlieren und zu anonymen<br />

Finanz-Enablern werden. Dies mag eventuell für reine<br />

BaaS-Plattformen richtig sein – obwohl auch da die Marke<br />

der Bank im Hintergrund wichtig sein kann –, für ein- oder<br />

zweiseitige Banking-Plattformen ist es sicher falsch. Sie<br />

spielen als zentraler Hub des Eco-Systems und als Vertrauensanker<br />

für die Kunden eine tragende Rolle, die über das<br />

Anbieten von Plattform-Services weit hinausgeht.<br />

Die Markenstärke der Bank ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren<br />

für eine Banking-Plattform. Genau dies lässt<br />

sich bei allen anderen erfolgreichen Plattformen beobachten:<br />

Die Plattform-Unternehmen Airbnb, Facebook oder<br />

Google gehören zu den Unternehmen mit den höchsten<br />

Markenwerten weltweit. Umgekehrt ist es deshalb für<br />

Uber extrem schädlich, dass das Renommee durch das<br />

Verhalten des CEOs und die offensichtlich repressiv-diskriminierende<br />

Firmenkultur gelitten hat.<br />

kundenattraktiv sein und zweitens kollaborativ voneinander<br />

profitieren sollte. Je größer das Eco-System aus kollaborativen<br />

Produzenten wird, desto attraktiver wird die gesamte<br />

Anlage-Plattform sowohl für Finanz-Produzenten als auch<br />

für die Finanz-Konsumenten.<br />

Case Study: Sutor Anlage-Plattform als „echte“ Plattform<br />

Wie der Aufbau eines solchen Eco-Systems funktioniert,<br />

lässt sich zurzeit an der Entwicklung der Anlage-Plattform<br />

der Sutor Bank beobachten. Hier haben sich auf der einen<br />

Seite Produkt-FinTechs angesiedelt, etwa das Zinsportal<br />

Zinspilot, das Altersvorsorge-Start-up Fairr.de oder der<br />

Robo Advisor Growney. Auf der anderen Seite der Plattform<br />

kommen nun Start-ups hinzu, die ihren Kunden durch<br />

Algorithmen und vereinfachte Prozesse das Sparen und<br />

Anlegen erleichtern und dabei auch auf die Angebote der<br />

Produkt-Produzenten zugreifen. Für alle Plattform-Produzenten<br />

gilt, dass die Kunden, die sie akquirieren, ihnen<br />

gehören. Da die Kunden jedoch alle bei der Sutor Bank<br />

legitimiert sind und dort ihre Depots oder Konten haben,<br />

können sie sehr einfach die Produkte der jeweils anderen<br />

Autor<br />

Hartmut Giesen<br />

Fazit<br />

Nicht jede Bank muss ein dezidiertes Plattform-<br />

Geschäftsmodell umsetzen. Genauso wie Hotels<br />

und Airbnb oder Handelsplattformen und <strong>digital</strong>e<br />

Einzelhändler koexistieren, werden Traditionsund<br />

Plattform-Banken koexistieren. Neben der<br />

Digitalisierung gibt es jedoch einen zweiten Treiber,<br />

der jede Bank zumindest ansatzweise plattförmig<br />

werden lässt. Die PSD2 zwingt ab 2018 Banken,<br />

ihre Systeme für Kontoinformations- und<br />

Zahlungsauslösedienste über Schnittstellen zu<br />

öffnen. Dadurch werden Banken per Regulierung<br />

zu Banking-Plattformen transformiert, auf die Dritt-<br />

Unternehmen Zugriff haben. Zumindest für den<br />

Umgang mit der PSD2 benötigen Banken deshalb<br />

eine Plattformstrategie.


78<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Digitales Working<br />

Capital<br />

Traditionelle Bankfinanzierungsmöglichkeiten haben sich für KMUs in den letzten Jahren<br />

stark verändert. Regulatorische Anforderungen, individuelle Risiko-Strategien und hohe<br />

Faktorkosten haben die Kreditvergabe im KMU-Segment verkompliziert und verteuert.<br />

Alternative Finanzierungsinstrumente werden Marktanteile gewinnen, wenn sie einfacher,<br />

schneller und günstiger sind – das geht am besten <strong>digital</strong>.<br />

Die Digitalisierung spielt unbestritten<br />

eine zunehmend wichtige<br />

Rolle in Gesellschaft<br />

und Industrie. Beim Thema<br />

Finanzierung stehen<br />

Firmenkunden jedoch<br />

nach wie vor persönlich<br />

am Schalter. Was für die<br />

Bank eine Chance ist, ist<br />

für den Kunden sicher kein<br />

<strong>digital</strong>es Erlebnis. Natürlich<br />

sucht der Kunde an dieser<br />

Stelle eine Finanzierung und<br />

kein <strong>digital</strong>es Erlebnis – aber was,<br />

wenn beides gleichzeitig möglich ist?<br />

Kein <strong>digital</strong>es Produkt und kein FinTech wird klassische Finanzierungsprodukte<br />

vollständig ersetzen können – weder<br />

lang- noch kurzfristig. Aber eine passende Ergänzung bzw.<br />

Alternative sind sie schon heute, z. B. zur Finanzierung des<br />

Working Capitals.<br />

Working Capital im Wachstumsmarkt Mittelstand<br />

Working Capital und damit letztlich Liquidität ist auch in Zeiten<br />

historisch niedriger Zinsen überraschenderweise ein<br />

gefragtes und knappes Gut. Während mit zunehmender<br />

Unternehmensgröße nicht nur neue Finanzierungsmöglichkeiten<br />

aus dem Unternehmen heraus entstehen (z. B.<br />

Cash-Pooling) und auch Banken für Kunden in größeren<br />

Umsatzklassen sehr attraktive Working-Capital-Lösungen


6. - 12. NOV<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

2 0 1 7<br />

79<br />

« Kein <strong>digital</strong>es<br />

Produkt und kein<br />

FinTech wird klassische<br />

Finanzierungsprodukte<br />

ersetzen<br />

können.»<br />

bieten, bleibt ein Kundensegment nicht gut versorgt: die<br />

KMUs. Dabei sind deutsche KMUs ein echter Wachstumsmarkt,<br />

seit Jahren wächst Ihre Anzahl sehr zuverlässig und<br />

liegt aktuell – je nach Klassifizierung – bei rund 2,2 Mio.<br />

Bankbasierte Working-Capital-Lösungen für KMU<br />

Für das nach wie vor am dynamischsten wachsende Segment<br />

der deutschen Wirtschaft besteht im Bereich Working<br />

Capital offensichtlich eine Produktlücke: Wird gefragt, über<br />

welche Instrumente die KMUs ihr Working Capital finanzieren,<br />

dann geben etwa 40 Prozent den Kontokorrent-Kredit<br />

der Hausbank als primäre Finanzierungsquelle an. Gestiegene<br />

regulatorische Anforderungen sowie individuelle<br />

Risiko-Überlegungen der einzelnen Banken, aber auch die<br />

Kleinteiligkeit des KMU-Geschäfts in Kombination mit hohen<br />

Faktorkosten sind sicher Gründe dafür, warum Banken<br />

in diesem Segment neben dem Kontokorrent-Kredit kaum<br />

aktiv Produkte anbieten.<br />

Factoring hat sich am Markt als Alternative etabliert<br />

Bei genauerer Betrachtung des Umlaufvermögens und insbesondere<br />

beim Thema Einkauf von Waren und Vorleistungen<br />

– flächendeckend einer der zentralen Treiber des Working<br />

Capitals – lässt sich feststellen, dass sich Factoring<br />

für das verkaufende Unternehmen am Markt als Alternative<br />

etabliert hat. Das einkaufende Unternehmen bleibt jedoch<br />

weitgehend unbespielt. Das liegt vor allem daran, dass das<br />

einkaufende Unternehmen zum Zeitpunkt des Warenkaufs<br />

noch keinen Vermögenswert besitzt, der verkauft, abgetreten<br />

oder verpfändet werden könnte.<br />

Ein Bankprodukt zur effizienteren Working-Capital-Nutzung<br />

müsste daher auf schon bestehende, aber noch freie Sicherheiten<br />

abstellen, die in den meisten Fällen jedoch<br />

nicht zur Verfügung stehen bzw. nicht zur Verfügung gestellt<br />

werden sollen. Die zu kaufende Ware selbst scheidet<br />

hierbei als Sicherheit aus, da sie durch den üblichen Eigentumsvorbehalt<br />

bis zur vollständigen Bezahlung dem liefernden<br />

Unternehmen gehört. Die Sicherheitenstellung ist<br />

daher ein weiterer Grund für das eingeschränkte Angebot<br />

der Banken im Bereich der Working-Capital-Finanzierung<br />

für KMUs.<br />

Alternative Finanzierungsinstrumente für einkaufende<br />

Unternehmen<br />

Viele KMU-Kunden stehen daher vor einem ähnlichen bzw.<br />

sogar bekannten Problem: Wachstumsphasen, attraktive<br />

Zusatzaufträge oder saisonale Produktionsspitzen lassen<br />

sich mit klassischen Bankfinanzierungsprodukten nicht<br />

immer vollständig realisieren. Häufig ist der Kontokorrent-


80<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

Kredit nicht ausreichend, eine Nutzung der Linie nicht vorteilhaft<br />

oder aus Flexibilitätsgründen nicht gewollt. Genau<br />

hierfür gibt es einfache, schnelle und günstige Finanzierungsalternativen:<br />

FinTechs haben sich in diesem Bereich<br />

etabliert und wollen eine höhere Marktdurchdringung und<br />

eine höhere Bekanntheit alternativer Finanzierungsinstrumente<br />

erreichen.<br />

Marktanteile von Einkaufsfinanzierern<br />

bleiben überschaubar<br />

Factoring, als bekanntestes alternatives<br />

Finanzierungsinstrument,<br />

verbessert ausschließlich<br />

die Liquidität<br />

des verkaufenden Unternehmens.<br />

Weniger<br />

bekannt – aber mindestens<br />

genauso sinnvoll –<br />

ist die Gegenseite: die<br />

Einkaufsfinanzierung.<br />

Marktanteile von Einkaufsfinanzierern<br />

sind<br />

heute noch überschaubar<br />

(ähnlich dem Factoring vor<br />

etwa zehn Jahren), steigen<br />

jedoch proportional zum<br />

Bekanntheitsgrad. Im Markt<br />

für Einkaufsfinanzierung gibt es<br />

FinTech-Anbieter mit komplett <strong>digital</strong>en<br />

Modellen, die sicher die besten Chancen<br />

haben, sich über Preis, Geschwindigkeit und Kundenkomfort<br />

von Banken und anderen alternativen Anbietern zu<br />

differenzieren.<br />

Eine effizientere Nutzung des Working Capitals wird für<br />

den mittelständischen Firmenkunden somit ohne eine<br />

komplizierte Stellung von Sicherheiten noch am selben Tag<br />

per Klick möglich. Wachstumsphasen und attraktive Zusatzaufträge<br />

können durch die schnelle und flexible Erweiterung<br />

der eigenen Liquidität viel besser bewältigt werden<br />

– inklusive <strong>digital</strong>em Erlebnis.<br />

Wirkung <strong>digital</strong>er Working Capital-Lösungen<br />

Eine Einkaufsfinanzierung wirkt auf das einkaufende Unternehmen<br />

wie zusätzlicher Liquiditätsspielraum, nur in Form<br />

von vorfinanzierten Waren bzw. Vorleistungen. Der Einkaufsfinanzierer<br />

agiert als Zwischenhändler: Er kauft die Ware<br />

vom verkaufenden Unternehmen auf eigene Rechnung und<br />

verkauft die gleiche Ware mit langem Zahlungsziel an das<br />

einkaufende Unternehmen weiter. Das einkaufende Unternehmen<br />

kann nun innerhalb des gewährten Zahlungsziels<br />

seine Endprodukte fertigen und verkaufen, den Einkaufsfinanzierer<br />

bezahlt das einkaufende Unternehmen mit dem<br />

aus den Waren generierten Endprodukt-Umsätzen. Für das<br />

verkaufende Unternehmen wirkt die Einkaufsfinanzierung<br />

wie ein Factoring. Gestellte Rechnungen werden direkt und<br />

vollständig ohne Sicherheitseinbehalt bezahlt,<br />

Mahn- und Inkassowesen entfallen bei<br />

sinkendem Verwaltungsaufwand und<br />

besseren Liquiditäts-Kennzahlen.<br />

Vorteile für die Hausbank<br />

Auch für die vermittelnde<br />

Bank kann der Einsatz<br />

eines alternativen Finanzierungsinstruments<br />

auf<br />

Kundenseite Vorteile<br />

bringen: kein zusätzliches<br />

Risiko im Obligo,<br />

ein vorteilhaftes Geschäft<br />

für den Kunden<br />

und eine Provision für<br />

die Bank. Eine Kooperation<br />

zwischen Bank und<br />

Einkaufsfinanzierer kann<br />

demnach eine sinnvolle und profitable<br />

Möglichkeit sein, ein <strong>digital</strong>es<br />

Erlebnis mit dem vertrauensvollen<br />

Kundenzugang der Bank zu verbinden.<br />

Autor<br />

Dr. Stefan Fenner ist Gründer und Geschäftsführer<br />

der entrafin GmbH, Frankfurt.<br />

Fazit<br />

Alternative Finanzierungsinstrumente werden für<br />

Firmenkunden künftig ein noch wichtigeres Instrument<br />

zur effizienteren Nutzung ihres Working<br />

Capitals. Digitale Anbieter bieten Kunden hierfür<br />

die besten Bedingungen und werden am stärksten<br />

von einer absehbar steigenden Marktdurchdringung<br />

profitieren.


<strong>02</strong> | <strong>2017</strong> 81<br />

Lückenlose<br />

Kontrolle minimiert<br />

das Risiko<br />

Die Nutzung von Open Sources nimmt zu. Gerade Finanzinstitute stehen vor einem ernsthaften<br />

Dilemma, wenn es um Open-Source-Sicherheit und ihre Rolle beim Schutz von<br />

Kundeninformationen oder der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften geht. Daher ringen<br />

Entwicklungsmanager in diesen Unternehmen darum, die Open-Source-Komponenten, die<br />

in ihre Anwendungen gelangt sind, und die daraus erwachsenden Sicherheitsprobleme in<br />

Codebasen zu identifizieren und zu beseitigen.<br />

Auch die größten Finanzdienstleister kämpfen mit den<br />

Konsequenzen aus zwei besorgniserregenden Entwicklungen.<br />

Zum einen wird die Software-Lieferkette zunehmend<br />

komplexer und beinhaltet eine Mischung von Inhouse- und<br />

Third-Party Open Source Code über eine Vielzahl von Anwendungen<br />

und Geräte hinweg. Zum anderen gibt es eine wachsende<br />

Zahl von Schwachstellen in jeglicher Software – jede<br />

eine potenzielle Einstiegsstelle für Hacker.<br />

Die Unternehmen können indes nicht verifizieren, inwieweit<br />

sie durch Open-Source-Sicherheitsrisiken gefährdet sind.<br />

Gleichzeitig verschärfen viele Behörden und Regierungen<br />

die Compliance-Standards zur finanziellen Cyber-Sicherheit:<br />

Die ISO 27000-Familie internationaler Standards verlangt<br />

die kontinuierliche Bewertung des Informationssicherheitsrisikos<br />

und die Priorisierung der Beseitigungsmaßnahmen<br />

basierend auf dem Risikolevel, und Basel II adressiert operationelle<br />

Risiken im Zusammenhang mit Systemsicherheit,<br />

Hackerschaden, Informationsdiebstahl und Softwaresystem-<br />

Fehlern. Mit ihrem Inkrafttreten im Mai 2018 verlangt die<br />

EU-Datenschutzgrundverordnung das proaktive Bestreben,<br />

Prozesse zur regelmäßigen Bewertung und Überprüfung<br />

der Anwendungssicherheit zu schaffen. Die Nichteinhaltung<br />

kann zu Geldbußen in Höhe von bis zu 20 Mio. € oder vier<br />

Prozent des Jahresumsatzes des gesamten Unternehmens<br />

sowie zur Restriktion der Datenverarbeitung bis zum Erreichen<br />

einer Lösung führen.<br />

Verringerung der Gefährdung der<br />

Anwendungssicherheit<br />

Die Aufgabe für die Entwicklungsmanager lautet daher: Verstehen<br />

Sie, wo der Code anfällig ist, und handeln Sie, bevor<br />

Kundendaten verloren gehen. Das Konzept besteht darin, das<br />

Gefahrenpotenzial künftig zu minimieren, indem der Open-<br />

Source-Code ab dem Moment kontrolliert wird, in dem er ins<br />

Unternehmen kommt. Es lässt sich ein strukturierter Prozess<br />

für die Verwaltung von Open-Source-Komponenten etablieren<br />

– von der Entwicklung bis zur Produktion – und sobald<br />

Schwachstellen erkannt werden, sind diese zu beseitigen.<br />

Die Aufgabe, die Kontrolle über Open Source zu gewinnen,<br />

erscheint nicht leicht. Verschiedene und dezentralisierte Prozesse<br />

zum Tracking von Open-Source-Komponenten und ein<br />

Mangel an Einblick, was die Code-Entwickler in ihre Projekte<br />

einbringen, untergraben das Vorhaben. Ein paar zentrale Entscheidungen<br />

sind nötig, um die Sicherheitslage grundlegend<br />

zu ändern, ohne die Entwicklungsteams zu hemmen.<br />

Schritt 1: Verwaltung von Open-Source-Code automatisieren<br />

Führende Finanzinstitute haben längst erkannt, dass sie die<br />

Anwendungssicherheitsrisiken minimieren müssen und das,<br />

ohne die agile Entwicklung zu beeinträchtigen, denn diese<br />

ermöglicht den Einsatz innovativer Finanzlösungen. Durch<br />

einen tieferen Einblick und die Kontrolle über die Bausteine


82<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

der Applikationen haben Sicherheits-, Risiko- und Entwicklungsteams<br />

maßgeblichen Einfluss auf die <strong>digital</strong>e Integrität<br />

der Anwendungen hinter der Geschäftsidee. Die Automatisierung<br />

des Open-Source-Management-Prozesses ist das<br />

Vehikel, um dies zu erreichen.<br />

Schritt 2: Detaillierte Inventarlisten von Open-Source-<br />

Code anlegen<br />

Um verlässliche Anwendungssicherheit zu haben, müssen<br />

die Unternehmen sicherstellen, dass sie ein genaues Profil<br />

der Open-Source-Komponenten und deren Abhängigkeiten<br />

innerhalb ihrer Anwendungen haben. Dies schafft ein Abbild<br />

der kompletten Open-Source-Landschaft. Wenn also Sicherheitslücken<br />

veröffentlicht werden, können Sicherheits-, Risiko-<br />

und Entwicklungsteams auf die riskanten Anwendungen<br />

und die betroffenen Open-Source-Komponenten hingewiesen<br />

werden. Die Ergebnisse: Schnelle und effektive Beseitigung<br />

und eine stärkere Position gegenüber einer Verletzung<br />

der Datensicherheit.<br />

Schritt 3: Schwachstellen identifizieren,<br />

priorisieren und beseitigen<br />

Mit einem Open-Source-Inventar sind Unternehmen darauf<br />

vorbereitet, Risiko-Komponenten zu identifizieren und lokalisieren,<br />

sobald Schwachstellen entdeckt werden. So kann die<br />

Bedrohungslage durch jede Schwachstelle eingeschätzt und<br />

nach Risikograden eingestuft werden, um Prioritäten bei den<br />

Beseitigungsmaßnahmen der Entwicklungsteams zu setzen.<br />

Aufgrund der Automatisierungs- und Managementmechanismen,<br />

die durch Schritt 1 eingeführt wurden, können diese<br />

Aktivitäten schnell und reibungslos erfolgen. Dabei ist nur<br />

der unbedingt notwendige Fokus von den Beteiligten erforderlich<br />

und resultiert in einer beschleunigten Behebung<br />

und Limitierung der Gefährdung durch Exploits und Lücken.<br />

Berichte werden automatisch innerhalb von Stunden nach<br />

jedem Scan generiert und verteilt, sodass Sicherheits- und<br />

Risikoteams die Ergebnisse überprüfen und mit den Entwicklungsteams<br />

daran arbeiten können, auf neuere und sichere<br />

Versionen zu aktualisieren oder die gefährdeten Komponenten<br />

durch sichere Alternativen zu ersetzen.<br />

Schritt 4: Gefährdungen über den ganzen Entwicklungsprozess<br />

beobachten<br />

Bei der Weiterentwicklung ihrer Open-Source-Sicherheitsverfahren<br />

haben Finanzdienstleister die Möglichkeit, ihre Risikoexposition<br />

zu reduzieren und gleichzeitig ihren Entwicklungsprozess<br />

zu optimieren. Durch die Integration automatisierter<br />

Open-Source-Management-Lösungen im Software-Entwicklungszyklus<br />

(Software Development Life Cycle, SDLC) können<br />

sie häufig und bereits frühzeitig anfällige Komponenten<br />

identifizieren und beseitigen, bevor diese in Serie gehen oder<br />

von vornherein verhindern, dass Komponenten mit bekannten<br />

Schwachstellen in die Anwendung gelangen. Für Finanzdienstleistungsunternehmen<br />

bedeutet dies, dass sie alles<br />

tun, was möglich ist, um Ihre sensiblen Finanzinformationen<br />

und Identität zu schützen.<br />

Ein persistenter Ansatz funktioniert<br />

Ohne eine prozedurale und strategische Herangehensweise<br />

an die Open-Source-Anwendungssicherheit sind die Finanzdienstleister<br />

und FinTech-Unternehmen Risiken ausgesetzt<br />

und sehen sich mit erheblichen Konsequenzen bei Nichteinhaltung<br />

der Vorschriften konfrontiert. Ohne eine leistungsfähige<br />

und skalierbare Lösung für dieses Problem öffnen diese<br />

Unternehmen Tür und Tor für Bedrohungen durch Hacker;<br />

Ausfallzeiten der Applikation, verlorene Daten, Geldbußen im<br />

Zusammenhang mit Non-Compliance und ein beschädigtes<br />

Markenimage.<br />

Das Fehlen eines Prozesses für Open-Source-Software- und<br />

Schwachstellen-Management hat einen signifikanten Einfluss<br />

auf das Geschäft. Es ist ein persistenter, integrierter<br />

Ansatz für Open-Source-Anwendungssicherheit nötig, um<br />

das Risiko zu minimieren. Die Integration mithilfe geeigneter<br />

Tools während des gesamten SDLC ermöglicht einen<br />

ständigen Einblick in den Open-Source-Code innerhalb der<br />

kritischen Anwendungen, damit Schwachstellen behoben<br />

werden können, noch bevor die Applikation in Serie geht,<br />

während ein rascher und automatischer Alarm bei neuen<br />

Schwachstellen das Zeitfenster für Hacker schließt.<br />

Autor<br />

Patrick Carey, Vice President Product Strategy bei<br />

Black Duck Software.<br />

Fazit<br />

Das Sicherheitsmanagement von Open-Source-<br />

Anwendungen bietet eine stark verbesserte<br />

Sicherheitslage bei Anwendungen. Es fördert die<br />

Sichtbarkeit von Open Source in der Codebasis,<br />

spart Ressourcen durch Effizienz und Automatisierung<br />

und unterstützt Richtlinien, die Finanzinstitute<br />

bei der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und<br />

Audits vorteilhafter positionieren.


Sponsoren<br />

Reputationsrisiken meistern – aber wie?<br />

Erkennen – Bewerten – Handeln<br />

Das RepRisk Forum ist eine Veranstaltung des Institute of Operational Risk (IOR) und der Zeitschrift<br />

RISIKO MANAGER. Experten von Banken und Versicherungen, aus anderen Branchen, von<br />

der Aufsicht und der Beratung widmen sich der Analyse des derzeitigen Stands im Reputationsrisiko-Management<br />

und erörtern die vor den Beteiligten liegenden Herausforderungen.<br />

Das RepRisk Forum dient generell der Förderung persönlicher Kontakte und dem intellektuellen<br />

Austausch mit Geschäftspartnern und Kollegen sowie dem Transfer von Fachwissen und der Identifizierung<br />

zukunftsrelevanter Themen im RepRisk-Management.<br />

Information & Anmeldung:<br />

Stefan Lödorf | Bank-Verlag GmbH<br />

Telefon: <strong>02</strong>21/5490-133 | events@bank-verlag.de<br />

Jetzt<br />

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