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GIG Maerz2018

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6<br />

INTERVIEW<br />

Jetzt spricht:<br />

Frank Goosen<br />

(Schriftsteller und Kabarettist)<br />

Er prägte den Satz „Woanders ist auch scheiße“, ist immer in der Stadt geblieben,<br />

die Herbert Grönemeyer einst besang, schrieb Romane und Kabarettprogramme.<br />

Vor seiner Lesetour haben wir mit dem Bochumer über seine Heimatstadt,<br />

Absurditäten des Alltags, Musik und natürlich Fußball gesprochen.<br />

Frank Goosen<br />

Foto: philippwente.com<br />

Herr Goosen, als Kind wurde mir von meiner<br />

aus Buer stammenden Familie eingeimpft,<br />

dass der Bochumer gemeinhin etwas zur<br />

Überheblichkeit neige. Ist das so, oder bin ich<br />

da einem niederträchtigen Vorurteil aufgesessen?<br />

Einem niederträchtigen Vorurteil und einer Schutzbehauptung,<br />

weil von Gelsenkirchen aus gesehen<br />

Normalität wie Überheblichkeit aussieht. Aber mit<br />

solchen Generalisierungen soll man ja allgemein<br />

vorsichtig sein. Ich bemühe mich immer, mich nicht<br />

über Gelsenkirchen zu erheben, und spätestens<br />

beim Fußball muss ich dann ja sowieso die Klappe<br />

halten.<br />

Im Gegensatz zu vielen anderen Kreativen,<br />

die es dann doch irgendwann nach Berlin zog,<br />

sind Sie immer in Bochum geblieben. Was hat<br />

Bochum denn nun, was die als so sexy geltende<br />

Hauptstadt nicht hat?<br />

Die Tatsache, dass ich hier nie rausgekommen bin,<br />

verrät mehr über mich als über die Gegend. Ich<br />

halte mich gerne und häufig in anderen und vor<br />

allem großen Städten auf. Ich bin oft in Berlin,<br />

Hamburg oder München und finde das prima. Aber<br />

wohnen wollte ich immer nur hier.<br />

Manch‘ einer behauptet, dass Berlin versuche,<br />

das Ruhrgebiet zu imitieren...<br />

Nee, das ist ja eher umgekehrt. Was Berlin im<br />

Überfluss und das Ruhrgebiet etwas weniger hat,<br />

ist Selbstbewusstsein. Dieser Spruch „Wir sind arm,<br />

aber sexy“ könnte auch aufs Ruhrgebiet gemünzt<br />

sein. Wird er aber nicht, weil es auch nicht stimmt.<br />

Ein Grundunterschied zwischen dem Ruhrgebiet<br />

und Berlin ist die Bausubstanz. Ich hab’ mich mal<br />

hier in Bochum mit jemandem über die Gefahr<br />

der Gentrifizierung von Vierteln unterhalten und<br />

der meinte: „Guck Dir das doch hier mal an, das<br />

sind alles niedrige Siedlungshäuser aus den 50er<br />

Jahren. Da ziehen keine kreativen Latte-Macchiato-Mütter<br />

ein, weil da die vier Meter hohen Stuckdecken<br />

fehlen.“ Das ist schade. Die Geschichten<br />

liegen hier auf der Straße, und es gibt viel zu wenig<br />

Leute, die sie aufheben und erzählen.<br />

Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie statt<br />

in Bochum zum Beispiel in München aufgewachsen<br />

wären?<br />

14,27mm<br />

Die Frage ist insofern falsch gestellt, weil ich glaube,<br />

dass nicht die Gegend die Leute macht, sondern<br />

das familiäre Umfeld. Das sind immer so Fragen,<br />

die ich ungern beantworte, weil man dabei<br />

mit Klischees operiert. Man denkt, wenn ich in<br />

München aufgewachsen wäre, würde ich jetzt einen<br />

Kamelhaarmantel tragen. Dabei gibt es ja<br />

auch in München Proletarier und Kleinbürger.<br />

Stimmt es eigentlich, dass Ihnen schon im<br />

Alter von drei Jahren eine gewisse Geschäftstüchtigkeit<br />

zu eigen war? Sie sollen<br />

für eine Gesangsdarbietung Geld genommen<br />

haben.<br />

Das war im Speisesaal eines Hotels in Bad Godesberg,<br />

wo mein Oppa zur Kur war. Da hab‘ ich gesungen<br />

und dann an den Tischen Geld eingesammelt.<br />

Also ich hab’ nie was dagegen gehabt, für<br />

meine Kunst entlohnt zu werden.<br />

Sie betonen gerne, dass Sie in Ihrem Leben<br />

noch nie so richtig gearbeitet hätten. Ist das<br />

nicht Koketterie? Sie haben in der Vergangenheit<br />

schließlich etliche Romane, Kurzgeschichten<br />

und Kabarettprogramme<br />

geschrieben<br />

Das zählt ja im Ruhrgebiet nicht<br />

als Arbeit. Ich habe einfach<br />

immer das gemacht, was ich unheimlich<br />

gerne mache. Und dafür<br />

krieg‘ ich mittlerweile ganz gut<br />

Geld. Arbeit in dem Sinne, wie<br />

ich das hier bei den Erwachsenen<br />

gesehen habe, als ich klein<br />

war, ist das ja für mich nicht.<br />

Wer Ihre Romane gelesen hat, weiß, dass Sie<br />

sehr Musik-affin sind. Was hören Sie so?<br />

Das kommt drauf an. Ich stehe auf einer soliden<br />

Basis aus Beatles, Rolling Stones und Bob Dylan.<br />

Ich habe gern handgemachte Musik, bin aber jetzt<br />

im Alter auch ein bisschen kompromissbereiter<br />

und in meinem Musikgeschmack toleranter geworden,<br />

als ich es früher war. Ich steh‘ auf Gitarrenbands,<br />

also die Arctic Monkeys finde ich ganz stark<br />

oder auch The Vaccines. Aber es ist eine Tatsache,<br />

dass keine Musik einen jemals wieder so berühren<br />

wird wie die, die man in seiner Jugend<br />

gehört hat.<br />

In Ihrem Bühnenprogramm „Was ist da los?“<br />

beschäftigen Sie sich mit Absurditäten des<br />

Alltags. Was steht in Ihrer persönlichen Absurditäten-Rangliste<br />

ganz oben?<br />

Zum Beispiel komische Schilder an Kneipen. Ich<br />

hab’ in München mal ein Schild gesehen, da stand<br />

17,0mm<br />

drauf: „Bitte nicht das Personal ablecken“. Also,<br />

wenn man das schon sagen muss, dann kann man<br />

auf das „Bitte“ doch auch verzichten. Auf einem<br />

Hotelzimmer hatte ich mal einen Klopapierhalter<br />

mit einem Aufkleber, auf dem stand: „Fühlen Sie<br />

sich jünger als Sie sind“. Und zwar ohne Satzzeichen.<br />

Das hat mich wahnsinnig gemacht. Das sind<br />

so Dinge, über die kann ich mir sehr verquere Gedanken<br />

machen.<br />

Sie waren bis zum<br />

Dezember letzten<br />

Jahres im Aufsichtsrat<br />

des VFL<br />

Bochum. Was haben<br />

Sie aus dieser<br />

Zeit an positiven,<br />

aber auch negativen<br />

Erfahrungen<br />

mitgenommen?<br />

Oh, das ist ein weites<br />

Feld. Das habe ich für<br />

mich noch gar nicht so<br />

„Ich habe einfach<br />

immer das gemacht,<br />

was ich unheimlich<br />

gerne mache.“<br />

..............................<br />

Das Herz schlägt für den<br />

Heimatverein - Foto: Volker Wiciok<br />

Termine:<br />

06.03. RE - Festspielhaus<br />

richtig geordnet, weil das sehr<br />

emotional zu Ende gegangen ist.<br />

Es waren sieben zum Teil sehr intensive<br />

Jahre, in denen wir oft gegen<br />

den Abstieg gespielt haben.<br />

Als positiv habe ich bestimmte<br />

Begegnungen wahrgenommen.<br />

Und dass ich Einblick bekommen habe, wie so etwas<br />

funktioniert. Zu den negativen Erfahrungen gehören<br />

die Lügen und Intrigen, die ich mitbekommen<br />

habe und irgendwann nicht mehr ertragen<br />

konnte. Zurzeit überwiegt bei der inneren Rückschau<br />

das Negative.<br />

13.03. OS - Lagerhalle,<br />

jew. 20 Uhr<br />

24.04. UN - Lindenbrauerei,<br />

19.30 Uhr<br />

Was kommt als nächstes? Das Amt des Oberbürgermeisters<br />

von Bochum?<br />

Wenn ich etwas ausschließen kann, dann das, dass<br />

ich irgendwas mit Karneval zu tun hab’ oder dass<br />

ich Politiker werde.<br />

Interview: Alexandra Mai

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