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Eröffnungsrede zur Ausstellung HORST KERSTAN – KERAMIK, in ...

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näherer Betrachtung schon mal als noble Demut, etwa so wie e<strong>in</strong><br />

Graubraun <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Silbergrau übergeht.<br />

Mit den Schöpfungen des Holzofenbrands nicht zu verwechseln s<strong>in</strong>d<br />

die des Gasofenbrands aufgrund ihrer farbigen Glasuren. Am kras-<br />

sesten ist der Kontrast gegenüber den Stücken, die sich an klassi-<br />

sche ch<strong>in</strong>esische Vorbilder anlehnen. Nicht nur die kannelierten<br />

unter ihnen strahlen etwas von gebieterischer physischer Präsenz,<br />

ja Würde aus. Dabei handelt es sich nicht um höfische, sondern <strong>in</strong><br />

der Praxis des kle<strong>in</strong>en Mannes erprobte Formen, die abgeflachte<br />

Flasche e<strong>in</strong>es Pilgers etwa, die am Gürtel befestigt werden konnte,<br />

oder die Flasche der Seeleute, standfest genug, um nicht beim ers-<br />

ten Wellengang umzukippen. Trotzdem ist die Glasur geradezu aris-<br />

tokratisch schön. Um die Möglichkeiten des kräftigroten Ochsen-<br />

bluts oder des tiefblauen Kobalt, des blaßgrünen Seladons oder des<br />

blaßblauen Chün-Himmelstons auszukosten, bedarf es eigentlich ei-<br />

ner Lupe. Und wer sich <strong>in</strong> den schwarzbraun gesprenkelten Temmoku<br />

versenkt, wundert sich nicht mehr, daß dessen Varianten <strong>in</strong> der<br />

Töpferei des Fernen Ostens mit so poetischen Namen belegt worden<br />

s<strong>in</strong>d wie Ölflecken-, Teestaub- oder Hasenfellglasur.<br />

Heiterer freilich ist die Gruppe der an Fruchtformen, z.B. Kale-<br />

bassen, angelehnten Gefäße mit dem Schmelz ihres rahmweißen Man-<br />

tels, der von E<strong>in</strong>griffen andersfarbiger Glasur dynamisiert wird,<br />

was sich beschränken kann auf e<strong>in</strong>, zwei Tupfen. Unwillkürlich<br />

denkt man an die Schönheitsflecken auf den weiß gepuderten Gesich-<br />

tern der Kokotten des französischen Rokoko. Aber s<strong>in</strong>d nicht auch<br />

die japanischen Geishas weiß und rosa geschm<strong>in</strong>kt wie Porzellanpup-<br />

pen? Der fem<strong>in</strong><strong>in</strong>-erotische Akzent führt uns weiter <strong>zur</strong> nächsten<br />

Kerstan’schen Werkgruppe: die figürlichen Keramiken. Den sanften<br />

Kurvenschwung der Fruchtformen f<strong>in</strong>den wir bei ihnen wieder. Zu-<br />

sätzlich jedoch e<strong>in</strong>en hier gemalten, dort gravierten Materialde-<br />

kor, Tupfen, Rillen, keilschriftartige Vertiefungen als Verbeugung<br />

vor der weiblichen Putzsucht. Mit ihren Knopfaugen und stilisier-<br />

ten Frisuren s<strong>in</strong>d diese Plastiken absolut zeitgenössisch und doch<br />

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