Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Jagd</strong> & Gesellschaft<br />
Reviere im Fokus<br />
Oben:<br />
Die Autobahn<br />
bildet eine unüberwindbare<br />
Barriere – auf<br />
dem Wiesenstreifen<br />
brechen<br />
die Sauen.<br />
Rechts Mitte:<br />
Einziger noch<br />
offener, 200 m<br />
breiter Durchgang<br />
zwischen<br />
Aare und Kerngebiet<br />
vom Revier ab und die Bahnlinien Rupperswil –<br />
Lenzburg (Fernziel Zürich bzw. Bern) sowie Rupperswil<br />
– Wildegg (Strecke Aarau – Brugg) zerschneiden<br />
dieses zentral bzw. im nördlichen Teil. Jährlich befahren<br />
mehr als 250 000 Personen- und Güterzüge diese<br />
Strecken. Auf der Hauptverbindung Rupperswil –<br />
Lenzburg vergehen durchschnittlich keine drei Minuten<br />
ohne Durchfahrt einer Zugskomposition. Und<br />
damit nicht genug: Auch die Kantonsstrasse K112<br />
führt mit hohem Verkehrsaufkommen durch das Revier.<br />
Der kürzlich verstorbene Ehrenpächter Traugott<br />
Berner schreibt dazu in seinem Büchlein «Halali und<br />
Hörnerklang»: «Nach der Übernahme des <strong>Jagd</strong>reviers<br />
im Jahre 1970 hatten wir 1970, 1971 und 1972 –<br />
damals gab es im Kanton Aargau nicht einmal einen<br />
Drittel des heutigen Personenwagenbestandes! –<br />
auf der stark befahrenen Strasse nach Wildegg<br />
enorm viele Falltiere, 15 bis 18 pro Jahr. Wir gelangten<br />
an die Baudirektion und den Gemeinderat mit<br />
dem Gesuch, einen Schutzzaun entlang der 1,8 Kilometer<br />
langen Waldstrasse zu erstellen. Mit diesem<br />
Gemetzel könne es nicht weitergehen, sonst müssten<br />
wir uns überlegen, die Pacht aufzulösen.» Nach<br />
ein paar vergeblichen Anläufen kam die Bewilligung,<br />
doch die Kosten für das Material und die Erstellung<br />
des Zauns gingen voll zu Lasten der <strong>Jagd</strong>gesellschaft.<br />
Und so säumt dieser Zaun auch noch heute, bei wesentlich<br />
höherem Verkehrsaufkommen, die Strasse.<br />
Und sorgt dafür, dass auf dieser Strecke keine Wildtiere<br />
mehr überfahren werden, verbunden aber mit<br />
dem Nachteil, dass damit eine weitere Barriere im<br />
Revier aufgebaut wurde. Übrigens: Seit 2017 erfolgt<br />
der Unterhalt des Zauns durch und auf Kosten des<br />
Kantons.<br />
Foto: Karl-Heinz Volkmar<br />
Der Weg ins «Paradies»<br />
Der einzige Zugang für Wildtiere ins Kerngebiet ist<br />
ein noch nicht überbauter, 200 Meter breiter Landstreifen<br />
im Norden. Ausgangspunkt ist das Gebiet<br />
rund um die Aare, welche nicht nur die Reviergrenze<br />
bildet, sondern mit zahlreichen Aufwertungsmassnahmen<br />
zu einem kleinen <strong>Natur</strong>paradies für Wasservögel<br />
und Biber wurde. Bevor Reh, Fuchs und Sau<br />
jedoch das «Paradies Lenzhard» erreichen, müssen<br />
sie über die Eisenbahngeleise und die Kantonsstrasse<br />
wechseln. Das kann tödlich sein.<br />
Das Revier Lenzhard umfasst eine <strong>Jagd</strong>fläche von<br />
437 ha, davon 426 ha Wald, aufgeteilt in die drei Flächen<br />
Lenzhard, dem eigentlichen Kerngebiet mit gut<br />
300 ha, den nördlichen Teil Faarschachen entlang<br />
der Aare mit 80 ha und dem Zelgli südlich der Autobahn<br />
mit 40 ha. Es ist somit ein reines Waldrevier.<br />
Wo es noch ein paar offene Felder gibt – total 11 ha<br />
– ist die <strong>Jagd</strong>ausübung wegen der Siedlungen massiv<br />
erschwert. Positiv, es gibt praktisch keine vermähten<br />
Kitze. «Spezialisierte» Geissen haben sich derart<br />
an die Siedlungen gewöhnt, dass sie in Sichtweite<br />
von Häusern und Büros ihre Kitze setzen. Und die<br />
Wildschweine kommen nachts aus dem Auengebiet<br />
der Aare und wühlen mit Genuss in den wenigen<br />
Maisäckern zwischen den Häusern.<br />
Dichtes Unterholz und Wegenetz<br />
Wegen Lothar und weiteren Winter- wie Sommerstürmen<br />
gibt es im Revier Lenzhard viel Jungwald.<br />
Und damit viel Lichteinfall auf den Boden, was zu<br />
einer entsprechend üppigen Vegetation und guter<br />
Deckung führt. Gute Deckung ist auch nötig, denn<br />
aufgrund des dichten Wegenetzes und des hohen<br />
Freizeitdruckes – rund 35 000 Menschen aus den<br />
umliegenden Gemeinden können im Lenzhard wandern<br />
und joggen – wäre ein guter Wildbestand gar<br />
nicht möglich. Gemäss Förster und Mitpächter Max<br />
Senn gibt es im ganzen Waldgebiet nur noch einen<br />
Zaun. Neuanpflanzungen von Hagebuche, Eiche,<br />
Kirschbaum und Lärche müssen aber mit Einzelschutz<br />
vor dem Verbiss bzw. Fegen durch Rehwild<br />
geschützt werden. Das Material dazu liefert der Forst,<br />
die <strong>Jagd</strong>gesellschaft leistet die Arbeit.<br />
Viel Arbeit geben auch der Bau und der Unterhalt<br />
der Hochsitze. Aus Sicherheitsgründen – auf den<br />
34 km Waldwegen muss man zu jeder Tages- und<br />
Nachtzeit mit Bikern, Joggern, Hündelern und weiteren<br />
Waldgängern rechnen – wird praktisch nur von<br />
Hochsitzen aus gejagt. Deshalb verfügt die <strong>Jagd</strong>gesellschaft<br />
Lenzhard über die stolze Anzahl von 83<br />
Kanzeln, Leitern und Drückjagdböcken.<br />
Von «Stockenten» und Zügen<br />
Zu einer erfolgreichen <strong>Jagd</strong> im Lenzhard gehören<br />
aber mehr als nur viele Hochsitze. Die Pächter dieses<br />
Reviers sollten über eine gewisse Nervenstärke und<br />
Gewandtheit im Umgang mit unseren erholungssuchenden<br />
Mitmenschen sowie keine Aversionen gegen<br />
Kiesgruben, Eisenbahnen und den Strassenverkehr<br />
haben. Letztere beiden übertönen jedes Geräusch,<br />
sodass der Ansitzjäger die anwechselnde<br />
Sau oder den treibenden Rehbock bestimmt nicht<br />
hört. Auch die insgesamt sechs aktiv betriebenen<br />
Kiesgruben im Revier sind kein berauschender Anblick.<br />
Und Jogger sowie Biker können unverhofft und<br />
jederzeit auf der Bildfläche erscheinen. Dazu erst<br />
noch regen Anteil am <strong>Jagd</strong>geschehen nehmen. Dies<br />
beweist eine frei rezitierte Geschichte von Obmann<br />
René Schärli: «Ich stellte schon seit längerer Zeit einem<br />
Rehbock nach, erfolglos. Eines Tages beschloss<br />
ich, es einmal tagsüber zu versuchen. Kaum hatte<br />
ich die Kanzel bestiegen, tauchte der Gesuchte auf<br />
und kam langsam näher. Da ein Klappern und Quaken<br />
eines sich nähernden Schofes von «Stockenten».<br />
Links:<br />
«Spezialisierte»<br />
Geissen setzen<br />
in Sichtweite von<br />
Häusern und<br />
Büros.<br />
Solche Kiesgruben<br />
sind kein<br />
Lebensraum für<br />
Wildtiere – Austritt<br />
unmöglich.<br />
Kanzel mit<br />
direktem ÖV-<br />
Anschluss<br />
12<br />
JAGD & NATUR<br />
JAGD & NATUR 13