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Jagd & Natur Ausgabe Juni 2018 | Vorschau

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<strong>Jagd</strong> & Gesellschaft<br />

Reviere im Fokus<br />

Oben:<br />

Die Autobahn<br />

bildet eine unüberwindbare<br />

Barriere – auf<br />

dem Wiesenstreifen<br />

brechen<br />

die Sauen.<br />

Rechts Mitte:<br />

Einziger noch<br />

offener, 200 m<br />

breiter Durchgang<br />

zwischen<br />

Aare und Kerngebiet<br />

vom Revier ab und die Bahnlinien Rupperswil –<br />

Lenzburg (Fernziel Zürich bzw. Bern) sowie Rupperswil<br />

– Wildegg (Strecke Aarau – Brugg) zerschneiden<br />

dieses zentral bzw. im nördlichen Teil. Jährlich befahren<br />

mehr als 250 000 Personen- und Güterzüge diese<br />

Strecken. Auf der Hauptverbindung Rupperswil –<br />

Lenzburg vergehen durchschnittlich keine drei Minuten<br />

ohne Durchfahrt einer Zugskomposition. Und<br />

damit nicht genug: Auch die Kantonsstrasse K112<br />

führt mit hohem Verkehrsaufkommen durch das Revier.<br />

Der kürzlich verstorbene Ehrenpächter Traugott<br />

Berner schreibt dazu in seinem Büchlein «Halali und<br />

Hörnerklang»: «Nach der Übernahme des <strong>Jagd</strong>reviers<br />

im Jahre 1970 hatten wir 1970, 1971 und 1972 –<br />

damals gab es im Kanton Aargau nicht einmal einen<br />

Drittel des heutigen Personenwagenbestandes! –<br />

auf der stark befahrenen Strasse nach Wildegg<br />

enorm viele Falltiere, 15 bis 18 pro Jahr. Wir gelangten<br />

an die Baudirektion und den Gemeinderat mit<br />

dem Gesuch, einen Schutzzaun entlang der 1,8 Kilometer<br />

langen Waldstrasse zu erstellen. Mit diesem<br />

Gemetzel könne es nicht weitergehen, sonst müssten<br />

wir uns überlegen, die Pacht aufzulösen.» Nach<br />

ein paar vergeblichen Anläufen kam die Bewilligung,<br />

doch die Kosten für das Material und die Erstellung<br />

des Zauns gingen voll zu Lasten der <strong>Jagd</strong>gesellschaft.<br />

Und so säumt dieser Zaun auch noch heute, bei wesentlich<br />

höherem Verkehrsaufkommen, die Strasse.<br />

Und sorgt dafür, dass auf dieser Strecke keine Wildtiere<br />

mehr überfahren werden, verbunden aber mit<br />

dem Nachteil, dass damit eine weitere Barriere im<br />

Revier aufgebaut wurde. Übrigens: Seit 2017 erfolgt<br />

der Unterhalt des Zauns durch und auf Kosten des<br />

Kantons.<br />

Foto: Karl-Heinz Volkmar<br />

Der Weg ins «Paradies»<br />

Der einzige Zugang für Wildtiere ins Kerngebiet ist<br />

ein noch nicht überbauter, 200 Meter breiter Landstreifen<br />

im Norden. Ausgangspunkt ist das Gebiet<br />

rund um die Aare, welche nicht nur die Reviergrenze<br />

bildet, sondern mit zahlreichen Aufwertungsmassnahmen<br />

zu einem kleinen <strong>Natur</strong>paradies für Wasservögel<br />

und Biber wurde. Bevor Reh, Fuchs und Sau<br />

jedoch das «Paradies Lenzhard» erreichen, müssen<br />

sie über die Eisenbahngeleise und die Kantonsstrasse<br />

wechseln. Das kann tödlich sein.<br />

Das Revier Lenzhard umfasst eine <strong>Jagd</strong>fläche von<br />

437 ha, davon 426 ha Wald, aufgeteilt in die drei Flächen<br />

Lenzhard, dem eigentlichen Kerngebiet mit gut<br />

300 ha, den nördlichen Teil Faarschachen entlang<br />

der Aare mit 80 ha und dem Zelgli südlich der Autobahn<br />

mit 40 ha. Es ist somit ein reines Waldrevier.<br />

Wo es noch ein paar offene Felder gibt – total 11 ha<br />

– ist die <strong>Jagd</strong>ausübung wegen der Siedlungen massiv<br />

erschwert. Positiv, es gibt praktisch keine vermähten<br />

Kitze. «Spezialisierte» Geissen haben sich derart<br />

an die Siedlungen gewöhnt, dass sie in Sichtweite<br />

von Häusern und Büros ihre Kitze setzen. Und die<br />

Wildschweine kommen nachts aus dem Auengebiet<br />

der Aare und wühlen mit Genuss in den wenigen<br />

Maisäckern zwischen den Häusern.<br />

Dichtes Unterholz und Wegenetz<br />

Wegen Lothar und weiteren Winter- wie Sommerstürmen<br />

gibt es im Revier Lenzhard viel Jungwald.<br />

Und damit viel Lichteinfall auf den Boden, was zu<br />

einer entsprechend üppigen Vegetation und guter<br />

Deckung führt. Gute Deckung ist auch nötig, denn<br />

aufgrund des dichten Wegenetzes und des hohen<br />

Freizeitdruckes – rund 35 000 Menschen aus den<br />

umliegenden Gemeinden können im Lenzhard wandern<br />

und joggen – wäre ein guter Wildbestand gar<br />

nicht möglich. Gemäss Förster und Mitpächter Max<br />

Senn gibt es im ganzen Waldgebiet nur noch einen<br />

Zaun. Neuanpflanzungen von Hagebuche, Eiche,<br />

Kirschbaum und Lärche müssen aber mit Einzelschutz<br />

vor dem Verbiss bzw. Fegen durch Rehwild<br />

geschützt werden. Das Material dazu liefert der Forst,<br />

die <strong>Jagd</strong>gesellschaft leistet die Arbeit.<br />

Viel Arbeit geben auch der Bau und der Unterhalt<br />

der Hochsitze. Aus Sicherheitsgründen – auf den<br />

34 km Waldwegen muss man zu jeder Tages- und<br />

Nachtzeit mit Bikern, Joggern, Hündelern und weiteren<br />

Waldgängern rechnen – wird praktisch nur von<br />

Hochsitzen aus gejagt. Deshalb verfügt die <strong>Jagd</strong>gesellschaft<br />

Lenzhard über die stolze Anzahl von 83<br />

Kanzeln, Leitern und Drückjagdböcken.<br />

Von «Stockenten» und Zügen<br />

Zu einer erfolgreichen <strong>Jagd</strong> im Lenzhard gehören<br />

aber mehr als nur viele Hochsitze. Die Pächter dieses<br />

Reviers sollten über eine gewisse Nervenstärke und<br />

Gewandtheit im Umgang mit unseren erholungssuchenden<br />

Mitmenschen sowie keine Aversionen gegen<br />

Kiesgruben, Eisenbahnen und den Strassenverkehr<br />

haben. Letztere beiden übertönen jedes Geräusch,<br />

sodass der Ansitzjäger die anwechselnde<br />

Sau oder den treibenden Rehbock bestimmt nicht<br />

hört. Auch die insgesamt sechs aktiv betriebenen<br />

Kiesgruben im Revier sind kein berauschender Anblick.<br />

Und Jogger sowie Biker können unverhofft und<br />

jederzeit auf der Bildfläche erscheinen. Dazu erst<br />

noch regen Anteil am <strong>Jagd</strong>geschehen nehmen. Dies<br />

beweist eine frei rezitierte Geschichte von Obmann<br />

René Schärli: «Ich stellte schon seit längerer Zeit einem<br />

Rehbock nach, erfolglos. Eines Tages beschloss<br />

ich, es einmal tagsüber zu versuchen. Kaum hatte<br />

ich die Kanzel bestiegen, tauchte der Gesuchte auf<br />

und kam langsam näher. Da ein Klappern und Quaken<br />

eines sich nähernden Schofes von «Stockenten».<br />

Links:<br />

«Spezialisierte»<br />

Geissen setzen<br />

in Sichtweite von<br />

Häusern und<br />

Büros.<br />

Solche Kiesgruben<br />

sind kein<br />

Lebensraum für<br />

Wildtiere – Austritt<br />

unmöglich.<br />

Kanzel mit<br />

direktem ÖV-<br />

Anschluss<br />

12<br />

JAGD & NATUR<br />

JAGD & NATUR 13

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