Rheinkind_Ausgabe 3/2018
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RHEINKIND<br />
INTERVIEW<br />
MARIANNE SÄGEBRECHT:<br />
„Kinder sind mir heilig“<br />
Mit „Out of Rosenheim“ wurde sie berühmt, in „Rosenkrieg“ spielte sie gemeinsam<br />
mit Michael Douglas, später auch mit John Malkovich und Gérard Depardieu<br />
– doch auf die große Hollywood-Karriere verzichtete sie für ihre Familie.<br />
Heute lebt Marianne Sägebrecht am Starnberger See, wo sie die Natur gemeinsam<br />
mit ihren Tieren genießt und sich mit ihren Kräuterelixieren fit hält. Am<br />
13. September kommt sie erneut als Petterssons und Findus Nachbarin Beda<br />
auf die Leinwand und lässt Kinderaugen strahlen. Mit RHEINKIND sprach die<br />
Charakterdarstellerin, Mutter und Großmutter über ihr Leben.<br />
Sie spielen wieder die warmherzige, lebensfrohe und hilfsbereite Beda<br />
Andersson – wie authentisch ist diese Figur? Beda ist auf alle Fälle sehr authentisch.<br />
Für viele Kinder bin ich die Beda. Mein Herz geht auf, wenn mir die Kinder<br />
zurufen: „Beda, ich will mit dir leben!“. Beda ist respektvoll, sehr einfühlsam, sie<br />
schützt, akzeptiert und ist voller Liebe und Energie. Menschen zu helfen, sie zu unterstützen<br />
und auf einen besseren Weg zu führen. Das bin genau ich.<br />
Auch privat helfen Sie gern. Ja, ich bin Patin in einem Hospiz, helfe bei der Arbeit<br />
mit traumatisierten Menschen und ich gehe auch ins Jugendgefängnis. Dort haben<br />
die Jungs einmal ihre Geschichten aufgeschrieben und ich durfte sie verlesen – das<br />
war ganz toll und hat mich tief beeindruckt. Die kriminelle Energie dieser jungen,<br />
oft auch gut situierten Menschen – meist sind es Drogenfälle – auf etwas Positives<br />
zu lenken und ihnen somit bei der Resozialisierung zu helfen und ihnen mit Würde<br />
zu begegnen, hat auch mir viel gegeben.<br />
Im Film bereitet es Pettersson große Sorge, dass Findus ausziehen möchte<br />
– wie war es für Sie als Ihre Tochter auszog? Ich habe schon von meiner<br />
Mutter viel Freiheit bekommen und wusste daher, dass ich das auch meiner Tochter<br />
gewähren muss. Natürlich ist es nie leicht, sein Kind ziehen zu lassen. Es gibt da für<br />
mich eine ganz einfache Regel: zu früh ist schwierig, zu spät ist gefährlich. Mit Vertrauen<br />
in die Kinder und Zuspruch funktioniert diese Lebensphase aber ganz gut.<br />
Die Kinder haben Zukunftsvisionen und müssen ihre eigenen Erfahrungen machen.<br />
Ich habe ja eine Zeit lang mal mit meiner Schwester, meiner Mutter und meiner<br />
Tochter unter einem Dach gelebt. Dort haben wir gelernt, aufeinander Rücksicht zu<br />
nehmen und offen und tolerant zu sein. Nun lebt sogar meine Enkelin schon allein.<br />
Allerdings in einem Appartement in fußläufiger Nähe. Das ist natürlich deutlich<br />
schöner, als wenn sie irgendwo im Ausland leben würde.<br />
Findus ist so ein fröhliches, ausgelassenes Kerlchen – was ist Ihre schönste<br />
Kindheitserinnerung? Die Erinnerung an meinen Großvater, bei dem ich mit meiner<br />
Mutter bis zu meinem vierten Lebensjahr lebte. Er war Gärtner und zeigte und<br />
erzählte mir alles von seinen Pflanzen, Gewürzen, Heilkräutern und Tieren, aber<br />
auch von den vielen unterschiedlichen Menschen und Kulturen. Er sah auch aus<br />
wie ein Indianer!<br />
Sie haben jetzt schon viel für Kinder gedreht. Kinder sind mir heilig. Für Kinder<br />
etwas zu machen, erfüllt mich mit Glück. Kinder sind so feinfühlig – schon eine<br />
Stimme kann ihnen Angst machen. Deshalb wähle ich immer sehr bedacht meine<br />
Rollen aus. Ich könnte zum Beispiel nie eine Rolle spielen, die Kinder schlägt. Ich<br />
gebe immer meine Seele, mein Herz in jede Rolle. Ich spiele auch in Hollywood<br />
nur, wenn die Rolle gut ist und zu mir passt. Und ich hatte und habe kein Problem<br />
damit, eine Rolle abzulehnen, wenn sie nicht in mein Lebenskonzept passt.<br />
Filme von Percy Adlon. Die großen Kollegen waren immer sehr respektvoll und<br />
professionell. Ich habe mit meiner Empathie schnell meine Position im Team gefunden<br />
und pflege bis heute freundschaftliche Kontakte in Hollywood.<br />
Mit welchen Werten wurden Sie großgezogen und welche standen bei<br />
Ihrer Erziehung ganz oben? Ich bin eine christliche Botschafterin, eine heidnische<br />
Katholikin und finde eigentlich in allen Religionen etwas für mich. Im<br />
Buddhismus zum Beispiel finde ich viel, das meinen Überzeugungen entspricht.<br />
Ich hatte tolle Pfarrer, die mich an die Hand genommen und begleitet haben.<br />
Ich finde es toll, dass Papst Franziskus immer an Ostern, vor der anbefohlenen<br />
Füße-Waschung der Kardinäle in ein Gefängnis geht und dort, wie dieses Jahr<br />
drei Insassen, als Geste der Vergebung deren Füße wäscht. Dienen, ohne seinen<br />
Stolz zu verlieren, ist die höchste Form von Demut. Jeder Mensch ist in seiner<br />
Einzigartigkeit von Gott bestellt und wir müssen das annehmen und damit umgehen.<br />
Was war eine große Herausforderung in Ihrem Leben? Ich habe schon mit<br />
19 geheiratet und bin mit 23 Jahren Mutter einer Tochter geworden. Daniela<br />
war 7, als ich mich von ihrem Vater scheiden ließ. Das war natürlich nicht leicht.<br />
Eine Trennung bereitet den Kindern immer große Schmerzen. Ich habe daher die<br />
Freundschaft zu meinem Ex aufrechterhalten, habe seine neue Partnerin und die<br />
zwei Töchter aus dieser Ehe in mein Leben gelassen und habe Vater und Tochter<br />
zusammengeführt. Eifersucht, das Ego und die Gier, alles haben zu wollen, zerstört<br />
alles. Mama und Papa sollten dem Kind erhalten bleiben. Mein Ex-Mann<br />
Fritz wurde vom Schöpfer für die Vater-Position ausgesucht. Das ist mir heilig.<br />
Wenn Sie an die Zukunft denken – welche Ängste oder Wünsche haben<br />
Sie? Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich blicke auf ein erfülltes Leben zurück<br />
und sehe jeden neuen Tag als Geschenk an. Ich bin dem Himmel so nahe, dass<br />
ich mit Ruhe und Gelassenheit meine Zukunft gestalte. Ich möchte einmal mit<br />
einem Lächeln im Gesicht, absoluter Liebe, ohne Schmerzen und ohne Groll<br />
einschlafen. Doch jetzt freue ich mich erst einmal auf meine bevorstehende<br />
Reise ins südamerikanische Surinam. Seit meinem fünften Lebensjahr fühle ich<br />
mich durch die Übermittlung meines Großvaters, Gärtner und Schamane, eng<br />
mit dem Regenwald und diesem für mich magischen Land verbunden. Im März<br />
nächsten Jahres werde ich die Reise in mein magisches Seelen-Land zum ersten<br />
Mal antreten.<br />
Sie haben als nicht ausgebildete Schauspielerin mit Größen wie Michael<br />
Douglas, Danny de Vito, Kathleen Turner und vielen anderen gespielt.<br />
War das schwierig? Ich habe schon mit 12 Jahren im vollsten Vertrauen des katholischen<br />
Pfarrers sonntags die Briefe der Apostel in der vollbesetzten, sonntäglichen<br />
Kirche gelesen, ein Theaterstück über Judas mit den Mitschülern inszeniert,<br />
war jahrelang amtierendes Theater-Mitglied in der Realschule. Mit der von mir<br />
aufgestellten multikulturellen Regenbogen-Theaterrevue „Opera Curiosa“ waren<br />
wir auch in Hamburg über sieben Jahre sehr erfolgreich. Dann erst kamen die<br />
Name: Marianne Sägebrecht Geburtstag: am 27.8.45 in Starnberg Sternzeichen: Jungfrau<br />
Kinder: Tochter Daniela (50 J.) und Enkeltochter Alina (25 J.) Filme: u.a. „Zuckerbaby“<br />
(1985), „Out of Rosenheim“ (1987), „Rosalie Goes Shopping“ (1988), „Der Rosenkrieg“<br />
(1989), „Asterix und Oberlix gegen Caesar“ (1999), „Frau Holle“ (2008), „Pettersson &<br />
Findus“ (2014 - <strong>2018</strong>)<br />
Fotos: Goran Nitschke