Blick ins Buch-System Des Terrors
Das System des Terrors 1933 – 1945 Das posthistorische Werk des Philatelisten Claus Geissler beschreibt anschaulich anhand unzähliger Belege, wie das Postsystem unter der Terror-Herrschaft durch die Nationalsozialisten geprägt wurde.
Das System des Terrors 1933 – 1945
Das posthistorische Werk des Philatelisten Claus Geissler beschreibt anschaulich anhand unzähliger Belege, wie das Postsystem unter der Terror-Herrschaft durch die Nationalsozialisten geprägt wurde.
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DAS SYSTEM DES TERRORS<br />
CLAUS GEISSLER<br />
1933 – 1945<br />
Zwangslager im nationalsozialistischen Deutschland<br />
und in den von Deutschland okkupierten Ländern<br />
anhand post- & zeitgeschichtlicher Belege
Zeichung aus dem Sternlager Bergen-Belsen von Louis Asscher
DAS SYSTEM<br />
CLAUS GEISSLER<br />
DES TERRORS<br />
1933 – 1945<br />
Zwangslager im nationalsozialistischen Deutschland und in den von Deutschland<br />
okkupierten Ländern anhand post & zeitgeschichtlicher Belege<br />
NATZWEILER-<br />
STRUTHOF<br />
Hamburg<br />
Bremen NEUENGAMME<br />
Nijmegen<br />
ESTERWEGEN<br />
RAVENS-<br />
BRÜCK<br />
BERGEN-BELSEN<br />
SACHSENHAUSEN<br />
VUGHT-<br />
HERZOGENBUSCH<br />
Berlin<br />
Strassburg<br />
MITTELBAU-<br />
DORA<br />
DACHAU<br />
BUCHENWALD<br />
Weimar<br />
Nürnberg<br />
München<br />
Nordhausen<br />
FLOSSENBÜRG<br />
Prag<br />
Posen<br />
KULMHOF<br />
GROSS-ROSEN<br />
Breslau<br />
THERESIENSTADT<br />
MAUTHAUSEN<br />
STUTTHOF<br />
Danzig<br />
ŁÓD<br />
AUSCHWITZ<br />
TREBLINKA<br />
Warschau<br />
TSCHENSTOCHAU<br />
Krakau<br />
SIEDLCE<br />
SOBIBOR<br />
Lublin<br />
MAJDANEK<br />
BELZEC<br />
STANISLAU<br />
Die wichtigsten Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager<br />
Besonderer Dank für Unterstützung gilt Peter Fischer und Annegret Hols für das Lektorat,<br />
Ingo Gerhold und Anne Wagemans für Gestaltung und Layout und meiner Ehefrau für Schreibarbeiten,<br />
dem Scannen und Bearbeiten der Belege sowie dem Ertragen meiner zeitweisen Ungeduld und Nervosität.
Zeichung aus dem Sternlager Bergen-Belsen von Louis Asscher
Einleitende Worte des Herausgebers<br />
Ulrich Felzmann<br />
Bei der Multilateralen Briefmarkenausstellung „Hertogpost 2017“ bin ich zum ersten Mal auf die<br />
einzigartige Ausstellungssammlung „Post aus Orten des <strong>Terrors</strong> 1933 – 1945-Besonderheiten der<br />
KZ-Post“ von Herrn Claus Geissler aufmerksam geworden. Die vielfältige und tiefgehende<br />
Auseinandersetzung mit diesem verheerenden Kapitel deutscher Geschichte anhand postgeschichtlicher<br />
Dokumente bewegte und beeindruckte mich zutiefst. Die internationale Jury<br />
prämierte diese außergewöhnliche Sammlung angesichts der detailreichen Darstellung post- und<br />
zeitgeschichtlicher Zeugnisse über die kalte <strong>System</strong>atisierung einer Schreckensherrschaft mit der<br />
höchsten dort verliehenen Auszeichnung „Groß-Gold“.<br />
Neben der Post von Inhaftierten, die aus den von den Nationalsozialisten errichteten Lagern und<br />
Ghettos heraus von den dortigen Schrecken und Gräueltaten zeugt, zeigt die Sammlung auch<br />
anschaulich, wie effektiv die „neuen Herrscher“ den besetzten Gebieten ihr postalisches <strong>Terrors</strong>ystem<br />
mit Hilfe von Stempeln, Marken und Formularen überstülpten. Gezielte Zensur durch<br />
Schwärzung von Textpassagen, dem Öffnen und der teilweisen Vernichtung von Briefen und<br />
Paketen lässt erahnen, dass die Unterdrückung der Inhaftierten und der Bewohner besetzter<br />
Gebiete bis <strong>ins</strong> Kle<strong>ins</strong>te systematisiert durchgeführt wurde.<br />
Nach mehrfacher Betrachtung der Ausstellungssammlung ergab es der Zufall, dass ich beim<br />
Palmares-Abend Herrn Geissler glücklicherweise persönlich zu dieser Auszeichnung gratulieren<br />
und ihm meine außerordentliche Anerkennung aussprechen konnte. Nach eingehendem Gespräch<br />
über die Sammlung und die dahinterstehende Thematik wurde am nächsten Tag die Idee<br />
zur Herausgabe dieses <strong>Buch</strong>es geboren. Weitere Gespräche auf der Internationalen Briefmarkenmesse<br />
in Sindelfingen folgten und nach einem Besuch an seinem Wohnort in Berlin wurde mir<br />
erst ersichtlich, wie umfangreich die gesamte Sammlung neben den in s’Hertogenbosch gezeigten<br />
Belegen wirklich war. Auch bekam ich in Berlin die Möglichkeit geboten, die ursprüngliche<br />
Rohfassung des Ihnen vorliegenden Werkes zum ersten Mal lesen zu dürfen.<br />
Zurück in Düsseldorf nahm das <strong>Buch</strong> zügig Gestalt an. Dank des couragierten E<strong>ins</strong>atzes der<br />
Mitarbeiter des Auktionshaus Felzmann, die genau wie ich beeindruckt von dem Lebenswerk<br />
Herrn Geisslers keine Mühen scheuten, das Projekt mit großem Engagement zum Abschluss zu<br />
bringen, wurde aus dem Manuskript schließlich das Werk, das Sie nun in Ihren Händen halten.<br />
Herausgefordert von dem Anspruch, den gewaltigen Umfang dieser außergewöhnlichen Sammlung<br />
zwischen zwei <strong>Buch</strong>deckel zu fassen, ist es für alle Beteiligten weitaus mehr als nur ein<br />
Projekt gewesen, das zum Abschluss gebracht werden musste.<br />
Meinen Mitarbeitern und mir war es eine Ehre, an dieser einzigartigen Publikation mitzuarbeiten.<br />
Ich möchte mich recht herzlich bei Herrn Geissler für das entgegengebrachte Vertrauen und die<br />
gute Zusammenarbeit bei diesem bedeutsamen <strong>Buch</strong>projekt bedanken!<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
4<br />
Vorbemerkungen 7<br />
1. Dirigent Und Orchester <strong>Des</strong> <strong>Terrors</strong> 15<br />
1.1. Heinrich Himmler und seine Handlanger 19<br />
1.2. Überblick über die Lagerorganisation 36<br />
1.2.1. Der Lagerkommandant 37<br />
1.2.2. Politische Abteilung 40<br />
1.2.3. Schutzhaftlager 41<br />
1.2.4. Standortverwaltung 41<br />
1.2.5. Sanitätswesen 45<br />
1.3 Postverkehr der Lager-SS 49<br />
2. Der KZ-Lagerkomplex - seine Entwicklung, Reorganisation & sein Ende 52<br />
2.1. Erste Phase 1933 bis 1935 52<br />
2.1.1. Preussen 52<br />
2.1.2. Bayern 64<br />
2.1.3. Sachsen 69<br />
2.1.4. Württemberg 78<br />
2.2. Zweite Phase 1936 bis 1938 80<br />
2.2.1. KZ Sachsenhausen 82<br />
2.2.1.1. Unternehmen Bernhard 87<br />
2.2.2. KZ <strong>Buch</strong>enwald 91<br />
2.2.3. KZ Flossenbürg 96<br />
2.2.4. Österreich 101<br />
2.2.5. KZ Mauthausen 104<br />
2.2.6. KZ Gusen 105<br />
2.3. Dritte Phase 1939 bis 1941 108<br />
2.3.1. KZ Ravensbrück 116<br />
2.3.2. KZ Hinzert 122<br />
2.3.3. KZ Auschwitz 124<br />
2.3.4. KZ Hamburg-Neuengamme 136<br />
2.3.5. KZ Natzweiler 140<br />
2.3.6. KZ Groß-Rosen 143<br />
2.3.7. KZ Stutthof 146<br />
2.3.8. KZ Lublin/Majdanek 149<br />
2.4. Vierte Phase 1942 bis 1945 155<br />
2.4.1. KZ Grini und KZ Mysen 157<br />
2.4.2. KZ Niederhagen/Wewelsburg 159<br />
2.4.3. KZ Arbeitsdorf 162<br />
2.4.4. KZ Herzogenbusch (Vught) 165<br />
2.4.5. KZ Bergen-Belsen 167<br />
2.4.6. KZ Mittelbau-Dora 170<br />
2.4.7. KZ Riga-Kaiserwald 174<br />
2.4.8. KZ Kauen 175<br />
2.4.9. KZ Plaszów 176<br />
2.4.10. KZ Belzec 179<br />
2.4.11. KZ Salispils 181<br />
2.4.12. Jugend-KZ Moringen (für Jungen) 183<br />
2.4.13. Polen-Jugend-KZ Litzmannstadt/Łód 185<br />
2.4.14. Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck 187<br />
3. Der Opfer-Postverkehr der KZ-Lager in seiner Postalischen Vielseitigkeit 190<br />
3.1. Die Briefpost 190<br />
3.1.1. Die Postkontrolle/Postzensur 217<br />
3.1.2. Besonderheiten im Postverkehr 226<br />
3.1.2.1. Kassiber 226<br />
3.1.2.2. Okkulte SS Forschungsgeme<strong>ins</strong>chaft<br />
„Deutsches Ahnenerbe e.V.“ & das KZ <strong>Buch</strong>enwald 226
3.1.2.3. Kunst in der Häftlingspost 228<br />
3.1.2.4. U-Verlagerung (Untertage-Verlagerung) 232<br />
3.1.2.5. Das Ende der Briefpost 236<br />
3.2. Zeitungsbezug 242<br />
3.3. Die Geldpost 244<br />
3.4. Telegramm-Post 250<br />
3.5. Paket-Post 252<br />
3.5.1. Besonderheiten im Paketverkehr 258<br />
3.5.2. Sonderaktion Prag & Inhaftierung von Studenten 260<br />
3.5.3. Rot-Kreuz-Pakete 262<br />
4. KZ-Lager als Arbeitsreservoir der SS für die deutsche Kriegswirtschaft 266<br />
5. Das Netz des <strong>Terrors</strong> 272<br />
5.1. Arbeitserziehungslager 272<br />
5.1.1. Niederlande 272<br />
5.1.2. Belgien 273<br />
5.2. Zwangsarbeitslager für Juden 274<br />
5.2.1. Polizeihaftlager oder Erweiterte Polizeigefängnisse 275<br />
5.2.2. „Polizeigefängnis Theresienstadt“ - Die Kleine Festung 275<br />
5.3. Sammellager oder Durchgangslager 282<br />
5.3.1. Sammellager Westerbork 282<br />
5.3.2. Sammellager Sint Michielsgestel/Niederlande 283<br />
5.3.3. Durchgangslager Amersfoort/Niederlande 284<br />
5.3.4. Sammellager Mecheln in Belgien 285<br />
5.4. KZ in den mit Deutschland verbündeten Ländern oder in militärisch besetzten<br />
Gebieten – eine nicht zu unterschätzende Nebenwelt 287<br />
5.4.1. Spanien - KZ Miranda de Ebro 287<br />
5.4.2. Frankreich 287<br />
5.4.2.1. Lager Gurs 288<br />
5.4.2.2. Camp de Récébédou 289<br />
5.4.2.3. Camp de Noé 289<br />
5.4.3. Italien 290<br />
5.4.3.1. Lager Padua 290<br />
5.4.3.2. Deutsches Polizei- & Durchgangslager „Fossoli“ 290<br />
5.4.4. Kroatien 291<br />
5.4.4.1. KZ Danica 292<br />
5.4.4.2. KZ Jasenovac und Stara Gradiska 292<br />
5.4.4.3. Kinder-KZ in Sisak 293<br />
6. Ghettoisierung - Euthanasie - Holocaust 294<br />
6.1. Ghettoisierung 294<br />
6.1.1. Ghetto in Łód 296<br />
6.1.2. Ghetto Warschau 306<br />
6.1.3. Ghetto Theresienstadt 311<br />
6.2. Ghettoisierung - vorwiegend ein osteuropäisches Problem 323<br />
6.2.1. Ghetto Brzesko 324<br />
6.2.2. Ghetto Modliborzyce 324<br />
6.2.3. Ghetto Siedliszcze (Siedlce) 325<br />
6.2.4. Ghetto Krakau 325<br />
6.2.5. Ghetto Stanislau (Stanislawow) 326<br />
6.2.6. Ghetto Tschenstochau 326<br />
6.3. Ghetto außerhalb Europas - Shanghai 327<br />
6.4. Euthanasie 330<br />
6.5. Holocaust – die industrielle Ermordung der Juden Europas 337<br />
Quellen 349<br />
Zu beachtende Punkte beim Sammelgebiet KZ- & Lagerpost 350<br />
Zum <strong>Buch</strong> & Autor 351<br />
5
Impressum<br />
Autor:<br />
Claus Geissler<br />
Layout und Gestaltung:<br />
Ingo Gerhold & Anne Wagemans<br />
Lektorat:<br />
Peter Fischer & Annegret Hols<br />
Herausgeber:<br />
Auktionshaus Ulrich Felzmann GmbH & Co. KG<br />
Copyright:<br />
Auktionshaus Ulrich Felzmann GmbH & Co. KG<br />
Druck:<br />
Meister Print & Media GmbH Kassel<br />
ISBN:<br />
978-3-9815244-2-0<br />
Für Irrtümer, Satz- und Druckfehler übernimmt das Auktionshaus keine Haftung.<br />
© Auktionshaus Ulrich Felzmann GmbH & Co. KG, Immermannstraße 5, D-40210 Düsseldorf,<br />
Telefon: +49 (0)211 550440, Fax: +49 (0)211 5504411, E-Mail: info@felzmann.de<br />
Bildherstellung und Texterfassung: Ingo Gerhold und Anne Wagemans<br />
Weiterverarbeitung, Layout, Druckvorlagen:<br />
Auktionshaus Ulrich Felzmann GmbH & Co. KG, Immermannstraße 51, D-40210 Düsseldorf<br />
Das Werk, e<strong>ins</strong>chließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Auktionshauses Felzmann und des<br />
Autors unzulässig. Dies gilt <strong>ins</strong>besondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.<br />
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Vorbemerkungen<br />
Das <strong>System</strong> des <strong>Terrors</strong> 1933 bis 1945<br />
Zwangslager im nationalsozialistischen Deutschland und in den von<br />
Deutschland okkupierten Ländern anhand philatelistischer Belege<br />
Vorbemerkungen<br />
Als Hitler in den letzten Wochen und Tagen der Weimarer Republik immer mehr die Macht<br />
von reaktionären, konservativen und royalistischen Kräften der Großindustrie, des Finanzwesens<br />
und der Agrar- und Militärdynastien angeboten wurde, griff er zu und sah sich am vorläufigen<br />
Ziel seiner weitreichenden Pläne und Absichten, die er bereits in den zwanziger Jahren in seinem<br />
<strong>Buch</strong> „Mein Kampf“ niedergeschrieben hatte.<br />
Dazu gehörten u.a.:<br />
––<br />
Nur der „Starke“ hat das Recht zu überleben.<br />
––<br />
Im Ringen mit der „Roten Front“ muss der Marxismus vernichtet werden.<br />
––<br />
Der Jude ist der große Hetzer zur restlosen Zerstörung Deutschlands, sein Ziel ist die<br />
Bolschewisierung Deutschlands.<br />
––<br />
Der völkische Staat kann nur geschaffen werden durch den stahlharten Willen einer<br />
einzigen Bewegung, die sich durchgesetzt hat.<br />
So wurde der 30. Januar 1933 zum „Tag der Machtergreifung“, der eigentlich ein Tag der<br />
Machtübergabe war.<br />
Zur Durchsetzung und Umsetzung dieser Pläne bediente sich Hitler vor allem der von ihm<br />
geschaffenen zwei verbrecherischen Terrororganisationen, der SA (Sturmabteilung), die 1933<br />
fast die Stärke von einer halben Millionen Mitglieder hatte, und der SS (Schutzstaffel), die am<br />
Beginn ihrer Existenz nur eine Unterabteilung der SA war.<br />
Als offizieller Anlass für die Abschaffung der noch vorhandenen Reste der Weimarer Demokratie<br />
diente der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933. Noch in derselben Nacht gab Hermann<br />
Göring den Befehl zur Verhaftung von 4.000 kommunistischen Funktionären. Er verbot die<br />
gesamte kommunistische Presse und vernichtete die noch vorhandenen Reste kommunistischer<br />
Organisationen und zeigte damit, dass der neue Staat rigoros gegen alles vorgehen wird, was sich<br />
der „deutschen Revolution“ in den Weg stellen will.<br />
Bereits einen Tag später, am 28. Februar 1933, wurde die „Verordnung des Reichspräsidenten<br />
zum Schutz von Volk und Staat“ (Reichstagsbrandverordnung) erlassen. Mit dieser Verordnung<br />
wurden wichtige Artikel der Weimarer Reichsverfassung aufgehoben, z.B.<br />
––<br />
Unverletzlichkeit der Wohnung durch Anordnung von Hausdurchsuchungen<br />
––<br />
Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis (Artikel 117)<br />
––<br />
Meinungsfreiheit (Artikel 118)<br />
––<br />
Versammlungsfreiheit (Artikel 129)<br />
––<br />
Recht auf Eigentum (Artikel 153)<br />
7
Vorbemerkungen<br />
„Amtlich geöffnet“ - Brief vom 15. Mai 1933.<br />
Damit war die Lizenz zum Terror ausgestellt. Es wurden die Schleusen geöffnet für die Ausschaltung<br />
jedes wirklichen oder nur vermuteten Gegners des Nationalsozialismus. Die ausufernde Willkür<br />
unterschiedlichster Partei- und Staatsorgane bediente sich dabei des Vorwandes der sogenannten<br />
„Schutzhaft“. Von ihr wurde während der Zeit des Nationalsozialismus v. a. von der SA, der<br />
Gestapo und der SS massenhaft Gebrauch gemacht.<br />
Sie diente nicht, wie demagogisch behauptet wurde, Betroffene vor dem „Volkszorn“ zu schützen,<br />
sondern war Vorwand für die Verfolgung politisch oder anderweitig missliebiger Personen.<br />
Oftmals wurden dabei von NS-Aktivisten alte Rechnungen beglichen.<br />
In den späteren Dreißigerjahren wurden zunehmend Konzentrationslager eingerichtet. Zunächst<br />
in Österreich, später in Polen, Frankreich, in der Tschechoslowakei, den Niederlanden, in<br />
Belgien, Lettland, Estland, Litauen und selbst auf der kleinen britischen Kanal<strong>ins</strong>el Alderney.<br />
In der Zeit von 1933 bis 1945 wurden so etwa 2,3 Millionen Männer, Frauen und Kinder in die<br />
Konzentrationslager verschleppt, wovon fast 1,7 Millionen ihr Leben verloren. Fast 1 Million von<br />
den Toten waren Juden, die in Auschwitz ermordet wurden.<br />
8
Vorbemerkungen<br />
Brief vom 9.9.1933 aus dem Polizeigefängnis München, Ettstraße,<br />
mit der Aufschrift „aus der Schutzhaft“ und zensiertem Briefinhalt.<br />
Der Absender des hier abgebildeten Briefes, Otto Gies, gehörte zu einem Club katholischer Adliger,<br />
die mit der Politik und dem Auftreten Hitlers nicht einverstanden waren und sich versammeln<br />
wollten, um ihr zukünftiges Verhalten gegenüber dem Nationalsozialismus abzustimmen. Beim<br />
bayerischen Innenminister Wagner und dem Polizeipräsidenten Himmler führte das zu großer<br />
Unruhe und zu Verhaftungen von Mitgliedern dieses Clubs, der sich „Bund Neudeutschland“<br />
nannte. Otto Gies wurde drei Monate im Polizeigefängnis München, Ettstraße, inhaftiert; die<br />
Anklage wegen Hochverrats wurde am 28. März 1934 fallengelassen.<br />
Zunächst traf es Mitglieder linker Organisationen (KPD, SPD, Gewerkschaften), später auch<br />
Angehörige christlicher Konfessionen und Vereinigungen (Zeugen Jehovas, Mitglieder der<br />
katholischen Jugendbewegung) sowie rassistisch verfolgte Minderheiten (Juden, Sinti und Roma)<br />
oder zwar „deutschblütige“, aber sogenannte „geme<strong>ins</strong>chaftsfremde“ Elemente (Homosexuelle,<br />
Alkoholiker, Prostituierte, „Bummelanten“, u.a. soziale Minderheiten). Dabei stützte sich die<br />
politische Polizei auf Listen, die in den Wochen zuvor angelegt worden waren.<br />
In großem Umfang kamen so Personen, die sich aus politischen oder weltanschaulichen<br />
Überzeugungen gegen das Regime stellten, später auch Personen aus ethisch-rassistischen Gründen<br />
oder auch nur, da sie als „geme<strong>ins</strong>chaftsfremd“ etikettiert wurden, in die Fänge eines ganzen<br />
9
Vorbemerkungen<br />
Geflechtes von etwa 42.500 Zwangslagern, wie eine mehrjährige Studie des amerikanischen<br />
Holocaust Memorial Museums in Washington erbracht hat. Dazu zählten die 24 Konzentrations-<br />
Hauptlager mit etwa 1.000 Außenlagern. Zur Nebenwelt der Konzentrationslager zählten aber auch<br />
Polizeihaftlager, Arbeitserziehungslager, Kriegsgefangenenlager, Zwangsarbeitslager (oftmals auch<br />
als „Geme<strong>ins</strong>chaftslager“ oder „Wohnlager“ bezeichnet), Durchgangslager, Strafgefangenenlager,<br />
Jugendschutzlager, SS-Sonderlager, Zigeunerlager, Internierungslager, Vernichtungslager oder wie<br />
sie sonst noch genannt wurden. Die unterschiedliche Benennung der Lager weist vor allem in den<br />
frühen Jahren auf den oft improvisierten Charakter des NS-<strong>Terrors</strong> hin.<br />
Viele dieser Lager sind mit Post- und anderen Belegen nachzuweisen.<br />
E<strong>ins</strong>chreibebrief vom 4.6.1943 aus dem Jugendschutzlager Uckermark<br />
mit rotem Briefstempel nach Templin. (Aus Katalog 21. Auktion Schlegel.)<br />
Vordruck-Faltbrief vom 11.3.1944 aus dem Jugendschutzlager Uckermark.<br />
10
Vorbemerkungen<br />
Wer vermutet schon, dass es sich beim „Jugendschutzlager“ Uckermark um ein KZ für Kinder<br />
und Jugendliche (Mädchen) handelte. Es lag in unmittelbarer Nähe des Frauen-KZ Ravensbrück.<br />
In ihm wurden von 1942 bis 1945 ca. 1.200 Mädchen und junge Frauen inhaftiert.<br />
In der Dienstordnung des Lagers heißt es dazu: „Der Lagerkommandant des Frauen-KZ Ravensbrück ist<br />
zugleich Kommandant des Jugendschutzlagers Uckermark“. Damit ist sein Charakter eindeutig fixiert.<br />
Zum <strong>System</strong> der Zwangslager gehörten auch solche, die in den von Deutschland besetzten Ländern<br />
Europas (Frankreich, Kroatien, Italien, Serbien, Norwegen, Niederlande, u.a.) existierten und<br />
von Deutschen direkt geleitet oder in engster Zusammenarbeit mit Landesbediensteten und<br />
Landesbehörden dieser Länder geführt wurden.<br />
Häftlings-Vordruck-Faltbrief vom 24.6.1944 aus dem<br />
Judendurchgangslager Westerbork in den Niederlanden nach Amsterdam.<br />
Die Errichtung des Lagers Westerbork wurde bereits 1939, noch vor dem Zweiten Weltkrieg, von<br />
den Niederlanden beschlossen, um die große Anzahl von jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland<br />
und Österreich aufzufangen. Ab 9. Oktober 1939 wurden die ersten Juden im Lager interniert.<br />
Auch nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in den Niederlanden am 10. Mai 1940<br />
wurde das Lager im Rahmen der Besatzungspolitik weiter von den Niederlanden genutzt. Erst<br />
ab 1. Juli 1942 kam das Lager direkt unter deutsche Verwaltung. Kurz darauf begannen die<br />
Deportationen in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibór, <strong>ins</strong>gesamt von 1942<br />
bis 1944 über 107.000 Personen.<br />
Nicht unerwähnt in diesem Zusammenhang dürfen die „Vorhöfe zur Hölle“ - die Ghettos -<br />
bleiben, in denen Juden aus ganz Europa zusammengezogen wurden, um anfangs ihre Arbeitskraft<br />
auszubeuten, die aber eigentlich „Sammelplätze“ oder „Wartesäle“ vor der Deportation in die<br />
Vernichtungslager waren.<br />
11