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Festschrift zur Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2018 im Sächsischen Landtag

Festschrift zur Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2018 im Sächsischen Landtag mit allen Reden zum Nachlesen

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einen wichtigen Beitrag für ein konkurrenzfähiges und sicheres Europa<br />

leisten.<br />

Wir haben in <strong>der</strong> jüngsten Zeit Dutzende weitere gemeins<strong>am</strong>e<br />

Groß projekte gemeistert. Ich möchte nur an den Hochwasserschutz<br />

erinnern, aber auch an die grenzübergreifende Polizeiarbeit, die auf<br />

dem mo<strong>der</strong>nsten polizeilichen Vertrag Europas basiert sowie an die<br />

grenzüberschreitenden Rettungsdienste <strong>im</strong> Gesundheitswesen. Das<br />

sind Leistungen, meine D<strong>am</strong>en und Herren, die die fund<strong>am</strong>entalsten<br />

Grundwerte nicht nur Europas, son<strong>der</strong>n unserer ges<strong>am</strong>ten Zivilisation<br />

betreffen: Schutz von Leben, Gesundheit und Sicherheit. Und wir<br />

machen dies hier auf Augenhöhe, und das ist doch eine wahrhaft<br />

tolle Leistung!<br />

Natürlich war das Alles aus <strong>der</strong> geschichtlichen, europäischen Sicht,<br />

geschweige denn vom Nachbarland aus betrachtet, keine Einbahnstraße<br />

aus Deutschland über die Grenze o<strong>der</strong> in die Welt. Auch die Oppositionellen<br />

in an<strong>der</strong>en Ostblockstaaten haben <strong>zum</strong> Mauerfall kräftig o<strong>der</strong><br />

sogar maßgeblich beigetragen, stellvertretend für alle seien hier nur<br />

unsere tschechische Charta 77 sowie die polnische Solidarność erwähnt.<br />

Und: Auch die Hilfe <strong>der</strong> westlichen Län<strong>der</strong> ist hier ohne Zweifel<br />

stark zu betonen. Jedoch <strong>der</strong> Mauerfall bleibt für die demokratische<br />

Welt auf <strong>im</strong>mer symbolisch und die deutsche Wie<strong>der</strong>vereinigung hoffnungs-<br />

und wegweisend.<br />

Sei es mir noch kurz gestattet, etwas ganz Persönliches zu erzählen:<br />

Dank meiner Schwester und <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung habe ich heute einen<br />

wirklich hervorragenden deutschen Schwager, den ich wirklich sehr<br />

mag, und zwei tolle kleine Neffen, die perfekt und selbstverständlich<br />

beide Sprachen sprechen und mit Fingerspitzengefühl von allein ganz<br />

genau erkennen, wie <strong>der</strong> Hase bei <strong>der</strong> deutschen und wie bei <strong>der</strong> tschechischen<br />

Omi läuft. Ist das nicht <strong>im</strong> wahrsten Sinne eine wun<strong>der</strong>bare<br />

Verwandlung, aus dem Leben an <strong>der</strong> Todesgrenze und <strong>der</strong> Angst in ein<br />

Leben voller Freude und Zukunft?<br />

Sie, die Bürger <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland, und auch wir können<br />

gemeins<strong>am</strong> zu Recht stolz sein auf alles, was wir geleistet haben!<br />

Obwohl es vielen als unmöglich schien, die »Altlasten des tiefen Misstrauens«<br />

<strong>der</strong> Vor-, Kriegs- und Nachkriegszeit überwinden zu können,<br />

haben wir es gemeistert, und somit können wir mit einem weiteren<br />

Produkt <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung <strong>zum</strong> Vorbild für die an<strong>der</strong>en werden.<br />

Hier denke ich vor allem an die aktuelle Lage in Europa, die stark von<br />

einer Erosion des Vertrauens gekennzeichnet ist: Begriffe wie Krise,<br />

Brexit, Migration o<strong>der</strong> Terrorismus seien hier erwähnt. Gefragt sind heute<br />

Mut, Engagement und viel Kraft, kein naives, son<strong>der</strong>n real positives<br />

Denken, kein Blick in die Vergangenheit, son<strong>der</strong>n ein gemeins<strong>am</strong>er Blick<br />

nach vorne.<br />

Ich befürchte jedoch, dass dies alles nicht in einem ausreichenden<br />

Maße vorhanden ist. Wir denken heutzutage lei<strong>der</strong> oft zuerst an das,<br />

was uns spaltet, was uns nicht gelungen ist, was eine negative Folge hat<br />

o<strong>der</strong> haben könnte. Wir dürfen diesem Gefühl <strong>der</strong> Frustration auf keinen<br />

Fall nachgeben, denn <strong>der</strong> Populismus und eine s<strong>im</strong>ple Besserwisserei<br />

gedeihen nur dort, wo Demokratie, Solidarität und gesellschaftlicher<br />

Zus<strong>am</strong>menhalt geschwächt sind.<br />

Wir sollen, wir müssen <strong>zur</strong>ück zu den Grundwerten, zu denen auch<br />

eine verständliche Kommunikation gehört. Nicht nur die Entscheidungsträger,<br />

die Politiker, müssen verstehen, son<strong>der</strong>n noch wichtiger, diese<br />

müssen von den Leuten auch verstanden werden!<br />

Viele Leute sorgen sich heute mit Recht um die Zukunft. Um diese<br />

Krise des Vertrauens zu überwinden, brauchen wir – wie es bei <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong> vereinigung und <strong>der</strong> historischen deutsch-tschechischen Versöhnung<br />

war – wie<strong>der</strong> mehr Empathie und Begegnungen <strong>der</strong> Bürger auf<br />

und bei verschiedensten Ebenen und Gelegenheiten. Zus<strong>am</strong>mensein ist<br />

das Gebot <strong>der</strong> Stunde, wie Sie es bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung und wir<br />

gemeins<strong>am</strong> bei <strong>der</strong> tschechisch-deutschen Versöhnung gezeigt haben.<br />

Hier soll Europa unseren guten Beispielen folgen und sich durch unseren<br />

Weg inspirieren lassen, <strong>der</strong> nicht auf Schadenfreude, Androhungen<br />

o<strong>der</strong> Ignoranz, son<strong>der</strong>n auf Offenheit und Zus<strong>am</strong>menarbeit aufgebaut<br />

ist, auf dem Bemühen, um ein gegenseitiges Verständnis und Vertrauen<br />

auf Augenhöhe.<br />

Und noch eine Lehre aus <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung sollten wir beson<strong>der</strong>s<br />

in den heutigen <strong>Tag</strong>en entstauben und auffrischen: Wir selbst<br />

müssen wie<strong>der</strong> kräftig ran! Kein an<strong>der</strong>er wird uns helfen, we<strong>der</strong> von nah<br />

noch von fern, wir, je<strong>der</strong> von uns ist gefragt, sich zu engagieren und die<br />

Ärmel hochzukrempeln! Keine Lethargie, kein Aufgeben, keine Gleichgültigkeit!<br />

Engagement und fleißige Arbeit – nur so werden wir uns<br />

wie<strong>der</strong> behaupten können, nur so kommen unsere Erfolge <strong>zur</strong>ück, meine<br />

sehr verehrten D<strong>am</strong>en und Herren!<br />

| 32 | Festrede von Tomáš Jan Podivínský<br />

Festrede von Tomáš Jan Podivínský | 33 |

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