Vom Marktflecken zum Mittelzentrum
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1. Hildegard Bibby: Die Radolfzeller Wirtschaftsgeschichte<br />
von den Anfängen bis heute im Überblick<br />
Die Frage, wann die Wirtschaftsgeschichte Radolfzells<br />
beginnt, lässt sich nicht genau beantworten.<br />
Beginnt sie mit der Ankunft Ratolds<br />
oder doch schon früher? Bevor er kam, sollen<br />
hier Hörige der Abtei Reichenau in Fischerhütten<br />
gelebt haben. Die Quelle beschreibt<br />
die Situation wie folgt:<br />
„Es war dies eine überaus schöne Stelle, vom<br />
Kloster zwei Meilen entfernt, jenseits des Sees<br />
gegen Nordwesten, mit Fischerhütten besetzt,<br />
sonst aber zu keinem Anbau geeignet. Diesen<br />
Platz begann Ratold herrichten zu lassen, mit<br />
Häusern sowie mit einer Kirche zur Ehre<br />
Gottes zu bebauen und diese Zellenanlage<br />
mit seinem Namen (ratoltescella) zu benennen,<br />
wie es bis heute der Fall ist“ 1<br />
Ratold kam nicht allein nach Radolfzell, in seiner<br />
Cella lebten und arbeiteten mit ihm<br />
Mönche und Kanoniker als Glaubens- und<br />
Lebensgemeinschaft. Die Gründung der Cella,<br />
der Bau der Kirche und die Beschaffung der<br />
Reliquien, zunächst von Senesius und Theopontus,<br />
später die des Veroneser Bischofs<br />
Zeno, lockten sowohl Gläubige und Pilger als<br />
auch Gewerbetreibende nach Radolfzell.<br />
Bischhof Ratold auf dem Hausherrenschrein. Zeitgenössische<br />
Abbildungen des Stadtgründers sind jedoch nicht überliefert.<br />
© Christof Stadler<br />
Wir dürfen uns die Siedlung aber nach wie vor<br />
nur als Gebiet um den Reichenauer Kellhof,<br />
die Cella, und einen kleinen Hörigenbereich<br />
vorstellen. Das Kloster Reichenau hatte ein<br />
Interesse an der Förderung von Handel und Gewerbe<br />
in der nahe gelegenen Ansiedlung und<br />
verlieh um 1100 das Marktrecht an Radolfzell.<br />
„Aus Marktbesuchern wurden Marktbewohner“.<br />
Menschen wurden angelockt, sich in Radolfzell<br />
anzusiedeln, sich langfristig niederzulassen<br />
und somit für eine kontinuierliche Wirtschaftsbelebung<br />
zu sorgen. Mit dem Marktrecht<br />
und einem Hafen konnte das günstig am<br />
Untersee gelegene Radolfzell seine wirtschaftliche<br />
Bedeutung etablieren. War das Marktrecht<br />
der eine Meilenstein in der Entwicklung<br />
der Cella Ratoldi, denn dadurch konnten sich<br />
die Radolfzeller aus der Vogtei-Herrschaft lösen,<br />
war das Stadtrechtsprivileg von 1267 der<br />
zweite. Die Stadtgemeinde, zu der neben dem<br />
„Kernbereich“ Äcker und Reben, Wiesen und<br />
Weiden, Gärten, Mühlen und Fischweiher gehörten,<br />
war geboren. Der Reichenauer Abt Albrecht<br />
von Ramstein verlieh den Radolfzellern<br />
1 Mone, Franz-Joseph (Hg.): Quellensammlung der badischen Landesgeschichte Band 1, 1848, S. 62ff.<br />
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