Wirtschaftszeitung_29062020_Beilage-Wirtschaftskreuz
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<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
07<br />
„Wir sind sehr zuversichtlich“<br />
Auch in Münster wird an Corona-Medikamenten geforscht<br />
Masken, Maskottchen, Millionen<br />
Osnabrücker Unternehmer produzieren Schutzmasken<br />
Von Jenny Hagedorn<br />
Münster<br />
Weltweit wird nach einem<br />
Medikament gegen das Corona-Virus<br />
gesucht. Auch in<br />
Münster – und das sehr vielversprechend.<br />
Ein Virologe<br />
der Westfälischen Wilhelms<br />
Universität hat bereits vor<br />
Jahren ein Medikament entwickelt,<br />
das nun im Kampf<br />
gegen das Corona-Virus<br />
wichtig werden könnte. Im<br />
Interview erklärt Professor<br />
Stephan Ludwig vom Institut<br />
für Virologie der WWU<br />
Münster, warum er so große<br />
Hoffnungen in dieses Medikament<br />
setzt.<br />
Herr Ludwig, das von Ihnen<br />
mitentwickelte Medikament sollte<br />
eigentlich zur Behandlung von<br />
Atemwegserkrankungen im<br />
Zusammenhang mit Grippe<br />
eingesetzt werden.<br />
Wie sind Sie auf die Idee gekommen,<br />
es beim Corona-Virus zu testen?<br />
Grippe und Corona-Viren gehören<br />
beide zur Gruppe der RNA-Viren. Bei<br />
Grippeviren konnten wir nachweisen,<br />
dass unser Wirkstoff einen doppelten<br />
Nutzen entfaltet: Er hemmt die Viren<br />
und sorgt dafür, dass das Immunsystem<br />
nicht überschießt. Daraufhin haben<br />
wir das Medikament auch auf<br />
Wirkung gegen das Corona-Virus untersucht.<br />
Dort konnten wir den doppelten<br />
Nutzen ebenfalls nachweisen.<br />
Das Medikament war eigentlich auf<br />
der Stufe zur Phase-2-Studie, sollte<br />
Anfang des kommenden Jahres in einer<br />
klinischen Studie gegen Influenza<br />
erstmalig an Patienten getestet werden.<br />
Dieses werden wir nun bereits im<br />
Juli mit Covid 19 vorziehen. Dabei<br />
werden viele Daten erfasst, gesammelt<br />
und ausgewertet. Wenn das Medikament<br />
positiv anschlägt, könnte es im<br />
kommenden Jahr bereits bei ausgewählten<br />
Patienten eingesetzt werden.<br />
Was ist das Besondere an dem<br />
Medikament?<br />
Das Besondere ist sein zweigeteilter<br />
Wirkmechanismus. Einerseits bekämpft<br />
es den Erreger selbst. Andererseits<br />
wirkt es darüber hinaus gegen<br />
die Immunantwort der Zelle auf das<br />
Corona-Virus. Diese Immunantwort<br />
ist die Reaktion des Immunsystems<br />
auf die Konfrontation des Körpers mit<br />
den Corona-Viren. Von den etwa 140<br />
derzeitigen Wirkstoffentwicklungen<br />
auf der Welt haben nur eine Handvoll<br />
diese beiden Wirkmechanismen. Das<br />
hat also schon Seltenheitswert. Vor<br />
allem in einem späteren Verlauf der<br />
Erkrankung, in dem nicht mehr das<br />
Corona-Virus selbst, sondern das<br />
überschießende Immunsystem sich<br />
gegen den menschlichen Körper richtet,<br />
ist das wichtig.<br />
<br />
Welche Herausforderungen<br />
mussten Sie in den vergangenen<br />
Monaten bewältigen?<br />
Eine Herausforderung bestand darin,<br />
die Fachwelt von unserer These zu<br />
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa<br />
Professor Stephan Ludwig vom Institut für Virologie der WWU Münster.<br />
<br />
Foto: WWU Münster<br />
überzeugen: Diese besagt, wenn man<br />
den Viren ihre Vermehrungsgrundlage<br />
in den Zellen nimmt – also einen<br />
Faktor, den das Virus in der Zelle<br />
braucht, hemmt –, sich die Viren nicht<br />
weiter vermehren. Das gleicht einem Von Christoph Lützenkirchen<br />
Paradigmenwechsel. Daran schließt<br />
sich die zweite Herausforderung an: Osnabrück<br />
Wie setzt man das in einen weiteren Von heute auf morgen wurde<br />
Anwendungsansatz? Was uns in den<br />
in Deutschland eine Maskenpflicht<br />
in bestimmten Situati-<br />
kommenden Monaten darüber hinaus<br />
noch beschäftigen wird, ist außerdem<br />
die Finanzierung der Entwicklung. onen eingeführt. In der Region<br />
haben sich zahlreiche<br />
Denn eigentlich wollten wir viel später<br />
mit den klinischen Studien starten,<br />
Unternehmen und Privatper-<br />
mit der Maskenpro-<br />
die Gespräche mit den Investoren sind<br />
noch nicht final geführt und die Pha-sonese-2-Studien<br />
kosten Geld.<br />
duktion beschäftigt.<br />
Was macht die derzeitige Arbeit „Ich habe mir das zur Aufgabe gemacht,<br />
weil mich sowas triggert“, sagt<br />
so einmalig?<br />
Niemand unserer Mitarbeiter im La-Stefanibor hatte bisher ein Corona-Virus in werden, die ich neu denke. Die Anlei-<br />
Ludwig: „Es sollte eine Maske<br />
der Hand. Das war für uns alle ganz tungen, die man im Internet finden<br />
neu. Zudem mussten wir unter Hoch-konntesicherheitsbedingungen arbeiten. Das Inhaberin der Kostümwerkstatt in<br />
waren unbefriedigend.“ Die<br />
gesamte Team hat sich voller Motiva-Hagetion, mit Energie und Kreativität der hochwertigen Maskottchen. Diese lief<br />
a.T.W. verdient ihr Geld mit<br />
Aufgabe gewidmet, auch am Wochen-lauende viel gearbeitet. Da muss ich ein ohne Einschränkungen weiter.<br />
Ludwig auch während der Krise<br />
großes Lob aussprechen.<br />
Dennoch tüftelte die Schneiderin<br />
mehrere Nächte an ihrem Modell einer<br />
Sie wirken optimistisch. Maske. Sie sollte angenehm zu tragen<br />
Stephan Ludwig: Ja, wir sind sehr zu-seinversichtlich. In ersten Studien konn-ohne Gummibänder. Ludwig: „Außer-<br />
gut waschbar, ohne Nähte und<br />
ten wir die beschriebene doppelte dem sollten Sie möglichst jedem pas-<br />
Sie bestehen aus einem Vliesmate-<br />
Wirkungsweise an menschlichen Zel-senlen<br />
mit Virusisolaten von Corona-Pati-rialenten nachweisen. Wir konnten zei-Nachbarschaft beziehe. Der Vorteil<br />
das ich über eine Strickerei in der<br />
gen, dass sich die Viren nachhaltig von Vlies ist, dass man dadurch atmen<br />
zurückdrängen lassen. Somit steht kann.“ Insgesamt 2500 Stück ihrer<br />
laut der Zulassungsbehörde, dem Bun-Eigenschöpfundesinstitut für Arzneimittel und Medi-produziert, gut 500 davon wurden<br />
hat Stefanie Ludwig<br />
zinprodukte, weiteren Studien nichts verkauft. „Nun ist der Hype vorbei. Die<br />
mehr im Weg.<br />
restlichen Masken liegen jetzt hier. Ich<br />
In der Werkstatt der Hagenerin Stefanie Ludwig entstehen nicht nur<br />
Stoffmaskottchen, sondern jetzt auch Schutzmasken. <br />
Foto: Ludwig<br />
verkaufe sie nach und nach über einen<br />
Stand an der Straße, so wie man das<br />
von Eiern und Schnittblumen kennt“,<br />
sagt sie. Die Masken kosten fünf Euro<br />
das Stück.<br />
Produktion im<br />
großen Stil<br />
Im großen Stil ist das Osnabrücker<br />
Unternehmen Zender in die Produktion<br />
von Schutzmasken eingestiegen.<br />
„Als Automobilzulieferer haben wir<br />
ein hohes Know-how und langjährige<br />
Erfahrungen in der Verarbeitung von<br />
hochwertigen Textilien und Vliesstoffen.“,<br />
erklärt Norbert Borner, Geschäftsführer<br />
und Gesellschafter von<br />
Zender Germany. Schon Anfang April<br />
begann man, die ersten Masken herzustellen.<br />
Die Planungen dafür liefen allerdings<br />
bereits, seit im März ein Hilferuf<br />
aus Italien in Osnabrück einging.<br />
Die Zender-Muttergesellschaft sitzt im<br />
norditalienischen Caorle. Erste Prototypen<br />
wurden hergestellt und Labortests<br />
durchgeführt. Schnell erhielten<br />
die Osnabrücker eine Zulassung des<br />
Bundesinstituts für Arzneimittel und<br />
Medizinprodukte (BfArM) zum in Verkehr<br />
bringen sogenannter Corona-SARS-Cov-2-Pandemieatemschutzmasken.<br />
Die Masken sind zum Selbstund<br />
Fremdschutz geeignet und kommen<br />
in Einrichtungen des Gesundheitswesens<br />
zum Einsatz. Sie werden<br />
auch als ‚FFP2‘ oder ‚FFP3‘ Masken<br />
bezeichnet. Zukünftig will Zender zudem<br />
einfachere OP-Masken in hoher<br />
Stückzahl herstellen.<br />
„Anfang April sind wir mit fünf Produktionslinien<br />
an den Start gegangen,<br />
zurzeit sind es 15“, sagt Geschäftsführer<br />
Borner. Von der manuellen Produktion<br />
stellt Zender aktuell auf eine<br />
vollautomatische Produktion um. Dafür<br />
investiert das Unternehmen in<br />
Millionenhöhe. Mit Hilfe der Automatisierung<br />
will man wöchentlich mehrere<br />
Millionen unterschiedlicher Maskentypen<br />
am Standort Osnabrück herstellen.<br />
Mit seinem neuen Geschäftsbereich<br />
konnte Zender wegbrechende Aufträge<br />
der Autoindustrie kurzfristig<br />
kompensieren. Vor der Krise beschäftigte<br />
das Unternehmen in Osnabrück<br />
50 Mitarbeiter, aktuell sind es 300.<br />
Dennoch ist man kontinuierlich auf<br />
der Suche nach qualifiziertem Fachpersonal<br />
aus der Textilverarbeitung.<br />
„Inzwischen haben wir stabile Kundenkontakte<br />
für die Masken aufgebaut“,<br />
sagt Lena Guth. Die Produktion<br />
in Deutschland werde sehr begrüßt.<br />
Kurze Wege wirkten in der Krise beruhigend.<br />
Der Markt zeige Bereitschaft,<br />
die Masken auch dauerhaft abzunehmen.<br />
Weben, Beschichten, Laminieren,<br />
Heytex aus Bramsche entwickelt und<br />
produziert technische Textilien. Das<br />
Unternehmen bietet ab Lager thermofixierte<br />
Polyesterwirkware zur Produktion<br />
von Behelfs-Mund-Nase-Masken<br />
an. Das Material passe sich der<br />
Gesichtskontur besser an als Webware,<br />
heißt es bei Heytex. Es ist den<br />
Angaben zufolge kochfest und kann<br />
bei 90°C gewaschen werden. Außerdem<br />
haben die Bramscher auch fertig<br />
konfektionierte Behelfs-Mund-Nasen-Masken<br />
im Angebot.<br />
Masken für den<br />
Rosenhof<br />
Mit den Masken des neu gegründeten<br />
Osnabrücker Labels „Wear to go“ sollen<br />
nicht nur ihre Träger geschützt,<br />
sondern auch der Veranstaltungsort<br />
Rosenhof gerettet werden. Initiatorin<br />
ist die Rosenhof-Betreiberin Goldrush<br />
Productions. Ganz in schwarz, mit<br />
Bananen, mit einem Schnäuzer oder<br />
der Aufschrift „Ich komm zum Glück<br />
aus Osnabrück“ – zahlreiche Motive<br />
zieren die Atemschutzmasken von<br />
Wear to go. Hergestellt werden sie von<br />
dem Textilunternehmen Backdrop,<br />
das sonst Bühnenvorhängen anfertigt.<br />
Das Bramscher Siebdruckunternehmen<br />
DressDruck hat das Bedrucken<br />
der Masken übernommen. Gemeinsam<br />
soll es gelingen, den Rosenhof zu<br />
retten. Die Masken können nur online<br />
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