hallo-telgte_19-09-2020
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Leckere Tröpfchen<br />
Samstag, <strong>19</strong>. September <strong>2020</strong><br />
Die Weinmetropole an der Garonne<br />
Kulinarischer Trip<br />
nach Bordeaux<br />
Beim Blättern in den Bildern<br />
ihrer Kindheit fällt Aurélie<br />
Chopy nichts Gutes zur<br />
ihrer Heimatstadt ein. „Bordeaux<br />
war dreckig und<br />
schwarz“, erinnert sie sich.<br />
Über dem Glanz vergangener<br />
Zeiten lag eine Patina aus<br />
Vergessen, Gleichgültigkeit,<br />
Verwahrlosung. Die Handelsstadt<br />
an der Garonne im<br />
Südwesten Frankreichs war<br />
zwar, getragen von dem Geschäft<br />
mit den weltberühmten<br />
Bordeaux-Weinen, wirtschaftlich<br />
erfolgreich, doch<br />
von der Zeit zernagt und von<br />
Hafen- und Fabrikanlagen<br />
zersetzt.<br />
Um die Jahrtausendwende<br />
setzte<br />
allerdings das<br />
Großreinemachen<br />
ein, angetrieben<br />
von visionären<br />
Köpfen und Plänen für<br />
die Stadtentwicklung, umgesetzt<br />
von Kränen, Baggern<br />
und Abrissbirnen. Wo vorher<br />
Lagerhäuser am Fluss Garonne<br />
Blick und Zugang versperrten,<br />
entstanden nun Flanierpromenaden,<br />
Cafés, Restaurants<br />
und Boutiquen.<br />
„Die Atmosphäre hat sich<br />
komplett verändert“, sagt<br />
Stadtführerin Chopy und<br />
schwärmt: „Bordeaux ist für<br />
mich der komfortabelste<br />
Platz auf der Welt.“ Zum Fortkommen<br />
reichen ihr Fahrrad<br />
und Straßenbahn.<br />
Fusion<br />
aus Alt<br />
und Neu<br />
Bordeaux ist trendy geworden,<br />
erfasst vom Sog einer<br />
Aufbruchstimmung, wie sie<br />
auch in anderen Städten<br />
Europas herrscht, ob sie nun<br />
Tallinn oder Belgrad heißen.<br />
Dabei greifen Alt und Neu auf<br />
unterschiedlichste Art ineinander.<br />
Einerseits weitet sich die<br />
Moderne aus, zu sehen zum<br />
Beispiel im Viertel Bacalan,<br />
wo brandneue Straßenzüge<br />
und Wohnblocks entstehen<br />
und seit Mitte20<strong>19</strong> das Musée<br />
Mer Marine die Museumslandschaft<br />
mit einem Querschnitt<br />
durch die Schifffahrtsgeschichte<br />
bereichert.<br />
Auf der anderen Seite ist<br />
hier kein Baubestand zu schäbig,<br />
kein Hinterhof zu dunkel<br />
und kein Gebäude zu abgewrackt,<br />
als dass nicht eine<br />
Neunutzung in Betracht käme.<br />
So ist aus dem U-Boot-<br />
Bunker, den die deutschen Besatzer<br />
im Zweiten Weltkrieg<br />
bauten und nutzten, ein<br />
Kunstausstellungszentrum<br />
erwachsen, das mit den Bassins<br />
de Lumières ab MitteApril<br />
<strong>2020</strong> eine große Multimedia-Installation<br />
zeigen wird.<br />
Und ein Kasernengelände hat<br />
seine Umwidmung zum hippen<br />
Hotspot „Darwin“ mit<br />
Skateparks und urbaner<br />
Landwirtschaft erlebt.<br />
Die Entdeckung der alten<br />
Weinmetropole ist eigentlich<br />
eine Wiederentdeckung –<br />
denn schonfrüher schwärmten<br />
dieMenschen von ihr. Für<br />
den Dichter Marie-Henri Beyle<br />
alias Stendhal (1783-<br />
1842) war Bordeaux „unbestritten<br />
die schönste<br />
Stadt Frankreichs“. Und<br />
sein Zeitgenosse Victor<br />
Hugo (1802-1885)<br />
schwärmte: „Nehmen<br />
Sie Versailles, fügen Sie<br />
Antwerpen hinzu, und<br />
Sie haben Bordeaux.“<br />
Um die sechs Millionen<br />
Touristen strömen<br />
pro Jahr nach Bordeaux.<br />
Klassiker im Besichtigungsprogramm<br />
sind die<br />
Kathedrale, das Theater, der<br />
ersteigbare Turm der Basilika<br />
Saint-Michel, der Uhrturm<br />
Grosse Cloche und der Miroir<br />
d‘Eau, der „Wasserspiegel“, in<br />
dem die historischen Fassaden<br />
um den Börsenplatz baden.<br />
Auch das „flüssige Gold“, im<br />
Prinzip Bordeauxs größtes<br />
Wahrzeichen, beansprucht<br />
sein Recht: Das Weinmuseum<br />
Cité du Vin hat eine avantgardistische<br />
Form, welche die<br />
Dynamik des Weins in einem<br />
geschwenkten Glas symbolisiert.<br />
Draußen schillern Aluminium<br />
und Glas, im Museum<br />
warten Themenparcours<br />
und Kostproben in der<br />
Aussichtsetage. Als Nachhilfe<br />
in Sachen Bordeaux-Weine<br />
gibt es Degustationsworkshops.<br />
Die Pegelausschläge<br />
beim<br />
Flair schwanken.<br />
Schick geht<br />
es in den Weinbars<br />
der<br />
Markthalle<br />
Bacalan zu,<br />
charmant<br />
auf Altstadtplätzen,<br />
bodenständig<br />
auf dem Wochenmarkt<br />
Marché de Capucins.<br />
Da der Schnellzug<br />
nach Paris nur<br />
noch zwei Stunden<br />
braucht, scherzen<br />
Bor-<br />
manche,<br />
deaux sei nun<br />
eine Pariser<br />
Vorstadt. Doch das<br />
wird Bordeaux<br />
nicht gerecht. Es<br />
hat sich als<br />
Spitzendestination<br />
etabliert.<br />
(dpa)<br />
Bordeaux<br />
Anreise: Per Bahn oder Flugzeug.<br />
Direktflüge nach Bordeaux<br />
gibt es zum Beispiel ab Frankfurt/<br />
Main oder Berlin.<br />
Gesundheit: Informationen zur<br />
aktuellen Situation bietet das Auswärtige<br />
Amt inseinen Reise- und<br />
Sicherheitshinweisen im Internet.<br />
Informationen: Atout France -<br />
Französische Zentrale für Tourismus,<br />
Postfach 10 01 28, 60001<br />
Frankfurt ('069/74 55 56,<br />
E-Mail: info.de@france.fr,<br />
Internet: de.france.fr/de)<br />
„<br />
Bordeaux ist für<br />
mich der komfortabelste<br />
Platz auf der<br />
Welt.<br />
Aurélie Chopy, Stadtführerin„<br />
Foto: A3397<br />
Gero Breloer