ADELVon Mühen undFreuden einerGründungKöln-Mülheim. Die alte Backsteinfassadeund die Fenster aus den Siebzigern mutenwenig nach orientalischer Shisha-Bar an.Das ändert sich etwas, nachdem mirder junge Inhaber Adel die Tür zu seinerBar öffnet.DAS ISTADELALTER:23 JahreBERUF:Shisha-Bar-BesitzerGESCHÄFTS-VORHABEN:Shisha-BarWOHNORT:Köln-Mühlheim8 Wege in die SelbständigkeitIQ_Broschüre_Gründerportraits_2020_A4_final.indd 8 19.08.20 11:24
Es ist 12:30 Uhr, eineinhalb Stunden bevor derAfghane seine Gäste empfängt. Heute wurdehier zwar noch keine Wasserpfeife geraucht, eshängt aber noch ein starker süßlicher Geruchvom Vorabend in der Luft. Das Gefühl von 1001Nacht stellt sich auch nach Betreten der Bar nicht ein.Aber das soll es auch gar nicht. Shisha-Bars wollen heuteweniger orientalisch sein, sondern modern und urban.Dazu zählt auch die Bar von Adel. Die Rollos sind nochunten, im Halbdunkel der Bar leuchtet blau-violettes Neonlicht,im Hintergrund dröhnt Deutschrap aus den Boxen.Bänke aus Leder und Milchglastische, die neongrün,blau und violett aufleuchten, runden die Lounge-Atmosphäreder Bar ab. Vor acht Monaten hat sich der jungeFamilienvater mit der Shisha-Bar seinenTraum erfüllt. Bis dahin war es jedochein langer Weg.Geboren und aufgewachsen ist Adel imIran. Einen iranischen Pass hat er jedochnicht. Als Afghane mit Migrationshintergrundhat man es nicht leicht im Iran, umes vorsichtig auszudrücken. Zugewanderteaus Afghanistan haben hier selteneine Chance auf Bildung und geregelteArbeit. Wenn sie arbeiten, dann unter oftlebensgefährlichen Bedingungen aufBaustellen, ohne Sozialversicherung, füreinen Hungerlohn. Viele von ihnen sindnoch Kinder, nicht älter als 14 Jahre. So erging es auchAdel, bevor er mit nur 16 Jahren den Entschluss fasste,den Iran zu verlassen. Auf eigene Faust ohne seine Familie.Ein Jahr dauerte es, bis er 2014 in Deutschland ankam.Schon zwei Jahre später holte er hier das nach, wasihm im Iran verwehrt geblieben war – seinen Schulabschluss.Direkt im Anschluss absolvierte er ein einjährigesPraktikum als Fliesenleger. Die Arbeit machte ihm soviel Spaß, dass er danach im selben Betrieb eine Ausbildunganfing. „Ich arbeite gern mit den Händen. EinenSchreibtischjob könnte ich mir nicht vorstellen“, sagtAdel. Mit Freude und Motivation trat er seine Ausbildungan, zählte in der Berufsschule zu den Klassenbesten. Dochdann erwischte es den engagierten Afghanen kalt. Vonheute auf morgen wurde ihm gekündigt – noch in derProbezeit. „Das war ein großer Schock. Ich hatte Spaß ander Arbeit, verstand mich mit meinen Kollegen gut undhatte Bestnoten in der Schule“, erinnert sich Adel. EineErklärung bleibt der Betrieb ihm bis heute schuldig. Adelvermutet, dass es an einem anderen Lehrling, der in einemhöheren Lehrjahr war, gelegen haben könne. Dieserhabe zu Beginn seiner Lehre auch gut gearbeitet, späteraber sehr häufig gefehlt. „Vielleicht dachte der Chef, ichkönnte genauso werden“, glaubt Adel. Seit der bösenDieser Einewollte ichsein.Überraschung stand für ihn fest, dass er keine Ausbildungmehr machen will. Zu groß war die Angst, dass ihmso etwas erneut wiederfahren könne und er am Ende seineZeit für nichts verschenkt hätte. Also beschloss er, seineigener Chef zu werden. Als Inhaber einer Shisha-Bar.„Ich selber rauche gerne Wasserpfeife, sie ist Teil unsererKultur. Außerdem habe ich gern Menschen um michund bin gerne Gastgeber“, erklärt Adel. Beim Jobcentererkundigte er sich, welche Leistungen er für eine Gründungin Anspruch nehmen kann. Dort bekam er auch dieEmpfehlung für ActNow. Der Sachbearbeiter wies ihnnoch darauf hin, dass es von 200 potenziellen Gründernnur einer schaffe. „Dieser Eine wollte ich sein“, so Adel. ImFrühjahr 2018 startete er das Training bei ActNow. DenBusinessplan hatte er schon nach einigenWochen mit Hilfe des Trainings erstellt.Bis er dafür aber das Okay vomJobcenter bekam, vergingen Monate. Immerwieder hieß es, ein bestimmtes Dokumentwürde fehlen und wenn er esbeim nächsten Mal nachreichte, verlangteman noch ein weiteres. „In Adels Fallwaren vier Institutionen zuständig, dieteils unterschiedliche Fragen geklärt habenmussten“, so Julia Siebert, die dasErstberatungsgespräch mit Adel geführthat. „Neben der Tragfähigkeit des Unternehmensging es neben weiteren Aspektenauch um den regionalen Bedarf seines Angebotes.Und jede Institution, jede Ansprechperson hat nochmaleine eigene Logik und Schwerpunktsetzung. Das ist fürdie Ratsuchenden natürlich wie ein Spießrutenlauf, beidem auch wir nicht immer alle Anforderungen kennen.“Zermürbend sei es gewesen, aber ans Aufgeben habe ernicht gedacht. Zu Beginn des Jahres fand er endlich ein geeignetesLadenlokal – mit einer Lüftung und zwei Toiletten.Das war die Voraussetzung. Mit dem Darlehen vomJobcenter und Geld, das ihm Freunde liehen, richtete er dieehemalige Kneipe nach seinem Geschmack ein. SeinenGästen gefällt es. Nach fast zwei Monaten blieb schließlichetwas von den Einnahmen für ihn übrig. Momentan erledigter alle Arbeiten noch selbst – vom Einkaufen, über denService, bis zur Reinigung. Irgendwann, so hofft er, kann ereine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter einstellen. Aufdie Frage, ob er stolz auf das bisher Erreichte sei, entspanntsich die ernste Miene des jungen Barinhabers. Mit einemMal wirkt er nicht mehr müde und frustriert, sondern zufrieden,wie jemand, der angekommen ist. „Ich habe meinZiel erreicht. Wenn morgen ein Gesetz kommt, das Tabakverbietet und ich meine Bar schließen muss, dann kann ichdamit leben. Ich habe gelernt, wenn ich mir ein Ziel setze,kann ich es erreichen.“Förderprogramm IQ 9IQ_Broschüre_Gründerportraits_2020_A4_final.indd 9 19.08.20 11:24