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Die betongewordene Staatlüge - Friedrich Schorlemmer

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Zweifellos wurde die Mauer in einer außerordentlich angespannten weltpolitischen Lage gebaut.<br />

Der Kalte Krieg erreichte einen neuen Höhepunkt. Man denke an die mißglückte Aktion der Amerikaner<br />

in der Schweinebucht auf Kuba und den anhaltenden Schock Amerikas nach dem ersten sowjetischen<br />

Sputnik 1957 und Gagarins Flug in den Weltraum am 12. 4. 1961 und nicht zuletzt an<br />

die atomare Hochrüstung. Schließlich wurden die Super-H-Bomben zu jener Zeit konstruiert, die in<br />

den Folgejahren explodierten. In der Atmosphäre!<br />

<strong>Die</strong> freiheitliche Welt und der abgeschriebene Osten<br />

<strong>Die</strong> Amerikaner fanden sich mit der Festschreibung des Status quo ab, indem sie die Ostdeutschen<br />

abschrieben; solange ihre Interessen in Westberlin nicht tangiert waren, wollten sie nicht eingreifen<br />

und einen Atomkrieg riskieren. Für Westberlin fühlten sie sich verantwortlich, nicht für den sowjetischen<br />

Sektor und auch nicht für die Ostdeutschen.<br />

So sehr in der DDR viele entsetzt und der Alternative beraubt waren, so wenig ist zu leugnen, dass<br />

es eine ausreichende Zahl von DDR-Bürgern gab, die dies begrüßten, unterstützten und an den Bau-<br />

und Sicherungsmaßnahmen mit Überzeugung – 300prozentig – teilnahmen. Wenn man heute sagt,<br />

Honecker habe die Mauer gebaut, so muss doch mit Brecht gefragt werden: „Hatte er nicht wenigstens<br />

einen Maurer bei sich?“<br />

<strong>Die</strong> westlichen Alliierten akzeptierten den Status quo, und diese Form von „Stabilisierung“ machte<br />

allmählich eine Veränderung möglich, weil die Grundangst vor dem Verlust der DDR – als Vorposten<br />

seitens der Sowjetunion und dem Verlust der Macht seitens der SED – gebannt schien. <strong>Die</strong><br />

SED-Führung erzwang sich mit der Mauer geradezu die Position eines nolens volens anerkannten<br />

Verhandlungspartners. Wollte man den Menschen helfen, musste man mit den Machthabern reden<br />

und dafür in Kauf nehmen, dass sie aufgewertet wurden. <strong>Die</strong> DDR wurde geradezu panisch anerkennungssüchtig<br />

und wollte das sozialistische Experiment – von außen ungestört – vollenden. <strong>Die</strong>s<br />

erwies sich als Trugschluss. Aber wer im Osten und im Westen hätte sagen können, wie lange das<br />

System existieren würde?! Es sah jedenfalls auch noch im Sommer 1989 nicht danach aus, als ob<br />

das System aufgeben könnte. Und es sah schon gar nicht danach aus, als ob die 40 Jahre geduckten<br />

Ostdeutschen so massenhaft aufmucken und eine friedliche Revolution zu Stande bringen könnten!<br />

<strong>Die</strong> Westmächte – voran die Amerikaner – setzten in den dramatischen Herbstmonaten 1961 alles<br />

daran, die Lage zu beruhigen, vor allem die Gefühlsaufwallungen der Westberliner abzubauen und<br />

forderten Willy Brandt dazu auf, nachdem dieser einen dringenden Appell an John F. Kennedy geschrieben<br />

hatte. <strong>Die</strong>ser entsandte seinen Vizepräsidenten und kam selber erst im Juni 1963 nach<br />

Westberlin, um dort seine bewegende Rede zu halten – die meistens reduziert wird auf diesen einen<br />

deutsch gesprochenen Satz: „Ich bin ein Berliner“. Kennedy sagte:<br />

„Vor 2.000 Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: ‚Ich bin ein Bürger<br />

Roms!‘ Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: ‚Ich bin<br />

ein Berliner!‘ Wenn es in der Welt Menschen geben sollte, die nicht verstehen oder die nicht<br />

zu verstehen vorgeben, worum es heute in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt<br />

und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen.<br />

Es gibt Leute, die sagen, dem Kommunismus gehöre die Zukunft. Sie sollen nach Berlin<br />

kommen! Und es gibt wiederum andere in Europa und anderen Teilen der Welt, die behaupten,<br />

man könne mit den Kommunisten zusammenarbeiten. Auch sie sollen nach Berlin kommen!<br />

Und es gibt auch einige wenige, die sagen, es treffe zwar zu, dass der Kommunismus ein böses<br />

und ein schlechtes System sei; aber gestatte es ihm, wirtschaftlichen Fortschritt zu erreichen.<br />

Aber lasst auch sie nach Berlin kommen!<br />

Ein Leben in der Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber: Wir<br />

hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran<br />

zu hindern, woanders hinzugehen.<br />

Sie leben auf einer verteidigten Insel der Freiheit …<br />

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