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MÄA-07-2021online

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TITELTHEMA

Münchner Ärztliche Anzeigen

ent*innen mit Impulskontrollstörungen

überdies solche mit einer

erstaunlichen Kreativität oder Hobbyismus,

also einer extensiven

Beschäftigung mit einem Hobby.

Wie lassen sich als negativ empfundene

Impulskontrollstörungen

kontrollieren?

Die aktuell empfohlene Vorgehensweise

ist, die Dopaminagonisten

langsam auszuschleichen. Das ist

nicht immer ganz trivial, denn viele

Patient*innen fühlen sich darunter

besser, sind kreativer, haben mehr

Antrieb. Außerdem droht das Dopaminagonisten-Entzugssymptom.

Daher muss man beim Ausschleichen

sehr vorsichtig vorgehen und

die Medikamente durch mehr Levodopa

ersetzen. Wenn das nicht

klappt, gibt es noch die Möglichkeit

einer Verhaltenstherapie – ähnlich

wie bei nicht von Parkinson betroffenen

Patient*innen mit einer Impulskontrollstörung.

Wie lassen sich andere, nichtmotorische

Symptome wie Schmerz in

den Griff bekommen?

Es wird häufig unterschätzt, wie

schmerzhaft die Erkrankung ist. Studien

zeigen, dass der Schmerzmittelgebrauch

bei Parkinson-Patient*innen

oft sogar höher ist als bei

Diabetiker*innen mit einer diabetischen

Polyneuropathie! Eine Ursache

dafür sind die Steifheit und mangelnde

Bewegungsfähigkeit. Weil sie

das Bein nachziehen, asymmetrische

Rücken- oder Schulterschmerzen

haben, wenden sich viele Patient*innen

mit einem nicht diagnostizierten

Parkinson zunächst an ihre

Orthopäd*innen. Bei vielen kommt

Foto: Schön Klinik

München Schwabing

es zu invasiven Eingriffen

an der Schulter – obwohl

Schulterschmerzen oft

das initiale Symptom

einer Parkinsonerkrankung

sind. Häufig sprechen

diese Schmerzen

aber direkt auf die Parkinsonmedikation

an.

Andere Schmerzen sind

sekundär durch den Parkinson

bedingt, wie etwa Haltungsstörungen,

z.B. die Kamptokormie,

bei der der Oberkörper manchmal

bis zu einem rechten Winkel nach

unten gebeugt ist. Das ist nicht nur

sehr stigmatisierend, sondern auch

sehr schmerzhaft. Eingriffe an der

Lendenwirbelsäule bei Parkinsonpatient*innen

stellen den einzigen

bekannten Risikofaktor für die Entwicklung

einer Kamptokormie dar.

Daher sollten solche Eingriffe bei

Parkinsonpatient*innen wohl überlegt

werden.

Auch starker Harndrang kann die

Folge einer Parkinsonerkrankung

sein.

Im Studium lernen wir die Trias:

Rigor, Akinese, Tremor. Doch nicht

motorische Symptome wie der

imperative Harndrang sind Symptome,

die die Lebensqualität noch

stärker negativ beeinflussen. Er tritt

praktisch bei allen Parkinsonpatient*innen

im Verlauf auf. Man kann

aber etwas dagegen tun, wenn man

das Symptom erkennt und darüber

spricht. Es gibt gute Medikamente.

Anticholinerge Medikamente werden

aus meiner Sicht jedoch zu schnell

eingesetzt. Wir nutzen stattdessen

lieber ein Beta3-Sympathomimetikum,

das sehr wenig beworben wird.

Eine gute Einstellung der Dopaminersatztherapie

in der Nacht ist

wichtig, und auch Urotherapeut*innen

können ganz pragmatisch helfen.

Daher haben wir in unserer Klinik

ein Team mit einer Neuro-Urologin

und einer Urotherapeutin.

Ist damit zu rechnen, dass Parkinson

irgendwann geheilt werden

kann?

Es tut sich sehr viel in der Forschung,

denn weltweit rechnen wir

mit einer Verdopplung der Häufigkeit

in den nächsten zehn Jahren. Die zellulären

Grundlagen und die Neurogenetik

verstehen wir immer besser.

Es gibt seltene monogene Ursachen

und viele Genvarianten, die mit

einem erhöhten Risiko einhergehen.

Parkinson ist aber keine Erbkrankheit

im herkömmlichen Sinne. Manche

Genvarianten erhöhen nur das

Risiko. Der Trend wird dahin gehen,

bei Parkinson möglichst früh auch

das genetische Risikoprofil zu ermitteln,

um zukünftig von Anfang an

direkt in den pathologischen Prozess

eingreifen zu können. Aktuell

müssen wir uns aber mit weniger

Glamourösem zufriedengeben: Wir

wissen, dass körperliche Aktivität

das Risiko überhaupt Parkinson zu

entwickeln, reduziert. Studien zeigen,

dass wir mit der geeigneten

Physiotherapie den Verlauf günstig

beeinflussen können. Deshalb sind

aktivierende Therapien von Anfang

an ein grundsätzlicher Pfeiler bei der

langfristigen Parkinson-Behandlung.

Daher haben wir 2020 gemeinsam

mit der AOK Bayern und dem Institut

für Biometrie und Epidemiologie der

LMU München, das Münchner Parkinson

Netzwerk Therapie (PaNTher),

als Modellvorhaben ins Leben gerufen.

Dabei behandeln speziell ausgebildete,

ambulant tätige, Physiotherapeut*innen

Parkinsonpatient*innen.

Die Physiotherapie erfolgt eingebettet

in Module, die speziell auf

das Krankheitsstadium und die individuelle

Symptome abzielen.

Das Gespräch führte Stephanie Hügler

Liebe Leserinnen

und Leser,

im Verlauf der Corona-Pandemie

ändert sich vieles täglich. Wir bitten

daher bei allen Beiträgen dazu um Verständnis,

falls manche Informationen

oder Aussagen wegen der zwischen

Redaktionsschluss und Erscheinungstermin

verstrichenen Zeit nicht mehr

aktuell sein sollten.

Die MÄA-Redaktion

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