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Februar-April 2009<br />

14<br />

Nebenwidersprüche<br />

Kommunen: Selbstermächtigung oder -isolierung?<br />

D<br />

ie weitverbreiteste Mär über die<br />

„Kommune“ beginnt in etwa so:<br />

„Hinter sieben Bergen, bei den sieben<br />

Zwergen ...“ und wird von einer urbanesken<br />

Bohemé kolportiert, für die „revolutionär“<br />

höchstens noch ein Prädikat<br />

für eine neue Kneipe auf der gewohnten<br />

Partymeile bedeutet. Sachlich betrachtet,<br />

<strong>ist</strong> die förderal organisierte, kommunale<br />

Selbstverwaltung dagegen der real<strong>ist</strong>ischste<br />

Gegenentwurf zum modernen Flächenstaat<br />

mit seinen zähen und korruptionsanfälligen,<br />

zentralen Verwaltungsapparaten.<br />

Und die politische Vorstellung eines<br />

Netzwerkes dezentraler, unabhängiger<br />

Kommunalverwaltungen, die vielfältige,<br />

vitale Austauschbeziehungen miteinander<br />

pflegen, <strong>ist</strong> tatsächlich älter und h<strong>ist</strong>orisch<br />

weitaus wirksamer gewesen, als die krude<br />

Idee eines allumfassenden, beständig mehr<br />

Ohnmacht produzierenden, römischen<br />

Leviathans. Sei es nun im politischen Leitbild<br />

der griechischen Polis, in den vormittelalterlichen<br />

Chr<strong>ist</strong>engemeinden, in<br />

den unzähligen neuzeitlichen Siedlungsbewegungen,<br />

im Städtebundgedanken, in<br />

den Anschauungen der frühen Sozial<strong>ist</strong>Innen,<br />

in der Kibbuzim-Bewegung der Neo-<br />

Israeliten oder etwa in der Bolo-Bolo-Utopie<br />

der Anarch<strong>ist</strong>Innen. Immer dann,<br />

wenn man ernsthaft die politische Mit-<br />

# stellt Freiräume und politische<br />

Mitbestimmung durch lokale<br />

Autonomie potentiell sicher<br />

# setzt kapital<strong>ist</strong>ische Arbeitsverhältnisse<br />

ausser Kraft<br />

# einzig h<strong>ist</strong>orisch bewährte<br />

Antwort gegen den Zentralismus<br />

von Staat und Kapital<br />

# global taugliches Mittel für<br />

die Probleme der Entwicklungszusammenarbeit<br />

von<br />

„Nord“ und „Süd“<br />

PRO<br />

PRO<br />

Ich Ich bin bin DAFÜR, DAFÜR, DAFÜR, weil weil ...<br />

...<br />

Ist Ist mir mir EGAL, EGAL, EGAL, weil weil ...<br />

...<br />

bestimmung und damit zwingend verbunden,<br />

die Verantwortung der gemeinschaftlich<br />

organisierten Individuen,<br />

also die Selbstermächtigung<br />

jedes Einzelnen,<br />

ins Zentrum politischer<br />

Überlegungen<br />

rückt, wird mensch letztlich<br />

bei der Vorstellung eines<br />

Netzwerkes selbstverwalteter<br />

Kommunen enden.<br />

Nicht anders der antikapital<strong>ist</strong>ische<br />

Kampf des Kommunismus<br />

der Arbeiter UND Bauern, deren revolutionärer<br />

Fixstern nachwievor die Pariser<br />

Commune von 1871 <strong>ist</strong>. In diesem modernen<br />

Idealbild kommunaler Selbstverwaltung<br />

spielt die direkte Kontrolle der<br />

landwirtschaftlichen Grundversorgung<br />

ebenso eine Schlüsselrolle wie die gemeinschaftliche<br />

Verfügung über Werkzeuge<br />

bzw. Produktionsmittel, um Güter des<br />

alltäglichen Bedarfs herstellen und/oder<br />

mit anderen Kommunen tauschen zu können,<br />

und so eben von den zentralen<br />

Verteilungsmechanismen des korrupten<br />

Staates bzw. des ausbeutenden Kapitals<br />

unabhängig zu sein. Man mag die Möglichkeiten<br />

solcherart lokaler Autonomie<br />

vor dem Hintergrund eines ausdifferenzierten,<br />

omnipräsenten Rechtsstaates aktuell<br />

ungünstig einschätzen, allein diese<br />

Einsicht entbindet uns nicht von der politischen<br />

Verantwortung, für zukünftige<br />

Generationen die Experimentierräume zu<br />

erkämpfen und zu verteidigen, die sie<br />

dereinst befähigen werden, zu besseren<br />

politischen Verhältnissen miteinander<br />

fortzuschreiten.<br />

Das politische Ideal der Kommune <strong>ist</strong><br />

deshalb nicht nur für die weitere Entwicklung<br />

der sterbenden Industrienationen<br />

von entscheidender Bedeutung. Es <strong>ist</strong><br />

auch eine zentrale Kategorie, wenn in Zukunft<br />

wirklich Ernst gemacht werden soll<br />

mit einer auf Gegenseitigkeit beruhenden<br />

Entwicklungszusammenarbeit zwischen<br />

PR PR PRO PR PR<br />

mehr<br />

und weniger<br />

technisch<br />

bzw. kulturell entwickelten Regionen rund<br />

um den Globus. Das Leitmotiv aufklärerischer<br />

Exportschlager sollte deshalb nicht<br />

Nation-Building sondern vielmehr Kommunen-Building<br />

heissen. Die Kommune<br />

<strong>ist</strong> dabei jedoch gleichzeitig keine universelle<br />

Lösung mit genauen Parametern,<br />

sondern lediglich eine gemeinsame Richtung.<br />

Der Grad und die Art und Weise<br />

der jeweiligen Kommunalisierung muss<br />

von Gruppe zu Gruppe und von Region<br />

zu Region nach eigenen Ansprüchen und<br />

Herausforderungen selbst bestimmt werden.<br />

Das betrifft ihre Größe, um politische<br />

Mitbestimmung und individuelle<br />

Selbstbestimmung zu gewährle<strong>ist</strong>en, das<br />

betrifft das Maß an landwirtschaftlicher<br />

und energetischer Subs<strong>ist</strong>enz, um eine unabhängige<br />

Grundversorgung sicher zu stellen,<br />

und das betrifft die Menge an betrieblicher<br />

Gemeinschaftsproduktion, um<br />

durch Austausch alle weiteren Bedürfnisse<br />

befriedigen zu können, ohne dass die<br />

Arbeit hierfür zur Qual wird.<br />

Die selbstverwaltete Kommune, ob nun<br />

als Aussteigerprojekt müder Großstädter<br />

oder als Genossenschaft von Bauern und<br />

Bäuerinnen, ob als besetzte Fabrik oder<br />

Kleingärtner-Syndikat, <strong>ist</strong> also nachwievor<br />

die einzige vernünftige Antwort, die<br />

mensch den revolutionären Ge<strong>ist</strong>ern dieser<br />

Erde geben kann, wenn sie nach mehr<br />

Selbstbestimmung, mehr politischer Mitbestimmung<br />

und damit nach mehr lokaler<br />

Autonomie verlangen. (clov)<br />

... ...<br />

...

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