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Weberei als episteme und die Genese der deduktiven Mathematik in ...

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scheiden<strong>der</strong> Mangel <strong>der</strong> Schrift. Er wird durch zahlreiche Analogieverhältnisse ausgeglichen,<br />

<strong>die</strong> sich auf den Ebenen des Stils, <strong>der</strong> Zusammenstellung <strong>der</strong> Gesprächspartner<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Verschachtelung <strong>der</strong> Dialoge f<strong>in</strong>den <strong>und</strong> <strong>der</strong> philosophischbegrifflichen<br />

Lektüre leicht entgehen. Die Analogie ermöglicht, von den verstrikkenden<br />

Untiefen sichtbarer E<strong>in</strong>drücke zur Ebene begrifflicher Beziehungen aufzusteigen,<br />

o<strong>der</strong> jedenfalls selbst dort e<strong>in</strong>e Vorstellung solcher Beziehung zu entwikkeln,<br />

wo ke<strong>in</strong> aussprechbares Verhältnis vorliegt – aus welchen Gründen auch<br />

immer. 28<br />

Für Hans Blumenberg gilt <strong>die</strong> Metapher nicht mehr <strong>als</strong> „Behelf <strong>in</strong> <strong>der</strong> noch nicht<br />

konsoli<strong>die</strong>rten Situation von Fachsprachen“, son<strong>der</strong>n wird auch bezogen „auf <strong>die</strong><br />

rückwärtigen Verb<strong>in</strong>dungen zur Lebenswelt <strong>als</strong> dem ständigen – obwohl nicht<br />

ständig präsent zu haltenden – Motivierungsrückhalt aller Theorie.“ 29 Die Erforschung<br />

<strong>der</strong> Metaphern <strong>und</strong> Tropen, <strong>die</strong> Metaphorologie o<strong>der</strong> Tropologie wäre<br />

demnach das ideale Instrument <strong>der</strong> Genealogie: „Die Metapher ... konserviert den<br />

Reichtum ihrer Herkunft, den <strong>die</strong> Abstraktion verleugnen muss.“ 30<br />

Als rhetorische Figur <strong>und</strong> Redeschmuck ist <strong>die</strong> Metapher <strong>die</strong> nachträgliche E<strong>in</strong>kleidung<br />

e<strong>in</strong>es Gedankens zwecks größerer Überzeugungskraft des Geschriebenen,<br />

gehört <strong>als</strong>o <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kategorie <strong>der</strong> Rechtfertigung. Solche Figuren werden tote Metaphern<br />

genannt <strong>und</strong> den lebendigen Metaphern gegenübergestellt, <strong>der</strong>en Bildlichkeit<br />

sich nicht völlig <strong>in</strong> Begrifflichkeit auflösen lässt. In mathematischen Texten<br />

gibt es lediglich tote Metaphern, etwa <strong>die</strong> Bezeichnung „Geschlecht e<strong>in</strong>er Fläche“<br />

für e<strong>in</strong>e Zahl zwischen 1 <strong>und</strong> ∞,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Anzahl verformungs<strong>in</strong>varianter Röhren ei-<br />

ner solchen Fläche im Raum angibt. Innerhalb des f<strong>in</strong>denden Denkens aber gilt <strong>die</strong><br />

Analogie, <strong>als</strong>o <strong>die</strong> Transformationsfunktion <strong>der</strong> Metapher, <strong>als</strong> e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten<br />

heuristischen Methoden <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>. 31 Durch sie lassen sich Regeln aus an<strong>der</strong>en<br />

Gebieten übertragen (metaphere<strong>in</strong>) <strong>und</strong> zu Sätzen <strong>und</strong> Satzzusammenhängen<br />

ausarbeiten. „Es kann sich auch um Formulierungen handeln, <strong>die</strong> an nichtmathematischen<br />

Symbolsystemen gewonnen werden, <strong>und</strong> <strong>der</strong>en <strong>Mathematik</strong>fähigkeit<br />

überhaupt erst erarbeitet werden muss.“ 32 Dabei wäre, wie Herbert Mehrtens<br />

schreibt, „<strong>die</strong> mathematische ,Analogie‘ immer <strong>der</strong> Rückgriff auf e<strong>in</strong>en übergeordneten<br />

,Logos‘, <strong>der</strong> im kont<strong>in</strong>genten, noch nicht regulierten Angrenzen syntaktischer<br />

Regelzusammenhänge für das Bezeichnen besteht.“ 33 Metaphern evozieren<br />

im Kontext solcher Entdeckungszusammenhänge ke<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nlichen Erfahrungen,<br />

28 Womit angedeutet se<strong>in</strong> soll, dass es verschiedene Gründe für Unaussprechlichkeit geben kann: e<strong>in</strong> religiöses<br />

Tabu, e<strong>in</strong>e bewusstes Verschweigen, e<strong>in</strong>e vere<strong>in</strong>barte Regel, e<strong>in</strong>e Schwierigkeit des Ausdrucks ...<br />

29 Blumenberg 1996a, 438.<br />

30 Blumenberg 1996a, 441.<br />

31 Eberhard Knobloch schreibt sogar, dass „<strong>die</strong> <strong>Mathematik</strong> das genu<strong>in</strong>e Gebiet <strong>der</strong> Analogie“ sei (Knobloch<br />

1989, 35; vgl. auch Mehrtens 1990, 490).<br />

32 Mehrtens 1990, 491.<br />

33 Mehrtens 1990, 498.<br />

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