Hör mal | visAvie 02-2022
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porträt<br />
PORTRÄT<br />
Text: Claudia Wörner<br />
»ein<br />
helfersyndrom<br />
habe ich<br />
nicht.«<br />
jochen hallanzy, 63, hat 30 jahre als schulleiter der schule am<br />
wolfsbühl in wilhelmsdorf gewirkt. er hat die lange tradition<br />
wilhelmsdorfs als fachlicher leuchtturm der hörgeschädigtenpädagogik<br />
in südwürttemberg bewahrt und weiterentwickelt<br />
– zuletzt mit der überführung des förderschwerpunkts hören<br />
an die leopoldschule altshausen. mit ende des schuljahrs verabschiedete<br />
er sich in den ruhestand. das porträt.<br />
Bereits als Jugendlicher hat Jochen Hallanzy erfahren, dass<br />
es ihm liegt, Kinder anzuleiten und zu etwas hinzuführen.<br />
»Nach meiner Konfirmation habe ich mit der kirchlichen<br />
Jugendarbeit begonnen und sie hat mir sehr viel Spaß gemacht«,<br />
erinnert er sich. Für ihn sei schnell klar gewesen,<br />
dass es ihn beruflich ins Lehramt ziehe. Am Gymnasium<br />
habe er allerdings den permanenten Zeitdruck der Lehrer<br />
erlebt und ihm sei bewusst geworden, dass er das nicht will.<br />
»Um in kleinen Klassen mehr Zeit für den einzelnen Schüler<br />
zu haben, wählte ich die Sonderpädagogik«, schildert<br />
Hallanzy. Dass sein Vater ebenfalls Sonderpädagoge war,<br />
habe seine Berufswahl sicher auch mit beeinflusst.<br />
Bis heute habe er das Bedürfnis, Schwächeren unter die<br />
Arme zu greifen, auch außerhalb der Schule. »Ein Helfersyndrom<br />
habe ich aber nicht«, betont Hallanzy. Bedeute es<br />
doch, dass man sich zu sehr vereinnahmen lasse und nicht<br />
mehr auf sich selbst achte. Eher sieht er sich als Rettungsschwimmer.<br />
»Auf Abstand bleiben. Erst wenn der Mensch in<br />
Not vorm Untergehen ist, hilft er. Sonst ertrinkt er selbst.«<br />
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