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Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 138 (2022) (Leseprobe)

Das seit 1880 kontinuierlich herausgegebene Jahrbuch ist zentrales Forum für Fragen der Geschichte des Protestantismus in Österreich und der Habsburgermonarchie. Der vorliegende 138. Band versammelt Beiträge zu den ›Erweckungsbewegungen‹ des 19. Jahrhunderts vornehmlich auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Sie widmen sich den Netzwerken der ›Erweckten‹ und ihren Kontakten nach Österreich, den Einflüssen der Basler Mission sowie den Anfängen der methodistischen Bewegung und nehmen mit Martin Boos und Ferdinand Carl Kühne zwei Protagonisten der oberösterreichischen ›Erweckungsbewegungen‹ in den Blick. Mit den Tagebuchaufzeichnungen der oberösterreichischen Pfarrerswitwe Julie Blank wird ein eindrückliches Zeugnis ›erweckter‹ Frömmigkeit präsentiert.

Das seit 1880 kontinuierlich herausgegebene Jahrbuch ist zentrales Forum für Fragen der Geschichte des Protestantismus in Österreich und der Habsburgermonarchie. Der vorliegende 138. Band versammelt Beiträge zu den ›Erweckungsbewegungen‹ des 19. Jahrhunderts vornehmlich auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Sie widmen sich den Netzwerken der ›Erweckten‹ und ihren Kontakten nach Österreich, den Einflüssen der Basler Mission sowie den Anfängen der methodistischen Bewegung und nehmen mit Martin Boos und Ferdinand Carl Kühne zwei Protagonisten der oberösterreichischen ›Erweckungsbewegungen‹ in den Blick. Mit den Tagebuchaufzeichnungen der oberösterreichischen Pfarrerswitwe Julie Blank wird ein eindrückliches Zeugnis ›erweckter‹ Frömmigkeit präsentiert.

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Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

Aufklärung über Gebühr betont« 4 worden sei. Gäbler sieht den Begriff ›Erweckungsbewegung‹<br />

statt<strong>des</strong>sen als e<strong>in</strong>e »historiographische Notlösung« und fordert<br />

auf, ›Erweckungsbewegung‹ als »Sammelbezeichnung <strong>für</strong> Erneuerungsbemühungen«<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong> gesamten <strong>Protestantismus</strong> <strong>des</strong> 18. und 19. Jahrhunderts zu<br />

verstehen. 5 In se<strong>in</strong>en Bemühungen um e<strong>in</strong>en Neuansatz identifiziert Gäbler fünf<br />

charakteristische Kennzeichen der ›Erweckungsbewegung‹, <strong>die</strong> sowohl <strong>in</strong> Europa<br />

als auch <strong>in</strong> Nordamerika <strong>die</strong> ›Erweckungsbewegung‹ theologisch kennzeichnen:<br />

e<strong>in</strong> »prophetisches Motiv«, das e<strong>in</strong>e »Zeitanalyse« mit der »Heilsgeschichte« <strong>in</strong> Beziehung<br />

setze, e<strong>in</strong> »chiliastisches Motiv« (entweder <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Prämillennialismus<br />

oder <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Postmillennialismus), e<strong>in</strong> »universalistisches Motiv«, e<strong>in</strong><br />

»<strong>in</strong>dividualistisches Motiv« sowie e<strong>in</strong> »soziatives Motiv«. 6 Der Historiker Hartmut<br />

Lehmann weist darüber h<strong>in</strong>ausgehend zu Recht auf <strong>die</strong> Wechselwirkung und Interdependenzen<br />

zwischen aufkommender Säkularisierung und der Erweckungsbewegung<br />

h<strong>in</strong> 7 und tritt da<strong>für</strong> e<strong>in</strong>, auch ›Erweckung‹ ähnlich wie ›Pietismus‹ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

typologischen S<strong>in</strong>n zu fassen. 8<br />

Dieser typologische Ansatz wird auch <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Beitrag aufgenommen. ›Erweckungsbewegung‹<br />

stellt somit e<strong>in</strong> transnationales, <strong>in</strong> weiten Teilen auch transkonfessionelles<br />

Phänomen 9 dar, das <strong>in</strong> der Interdependenz mit der Aufklärung<br />

4<br />

Ulrich Gäbler, »Erweckung« – Historische E<strong>in</strong>ordnung und theologische Charakterisierung,<br />

<strong>in</strong>: Auferstehungszeit. Erweckungsprediger <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts, hg. von Dems. (München<br />

1991) 161–186, hier 165. Ähnlich <strong>die</strong> Kritik von Peter van Rooden, The Concept of an International<br />

Revival Movement around 1800. PuN 16 (1990) 155–172. In se<strong>in</strong>em Standardwerk<br />

zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Evangelikalismus <strong>in</strong> Großbritannien zeigt David Bebb<strong>in</strong>gton auf, wie <strong>die</strong><br />

Erweckungsbewegung von der Aufklärung u. a. <strong>in</strong> ihrem Optimismus, Pragmatismus sowie<br />

ihrem humanitären E<strong>in</strong>satz stark bee<strong>in</strong>flusst wurde. Vgl. hierzu: David Bebb<strong>in</strong>gton, Evangelicalism<br />

<strong>in</strong> Modern Brita<strong>in</strong>. A History from the 1730s to the 1980s (London u. a. 1989) 55–71.<br />

5<br />

Ulrich Gäbler, Erweckungsbewegung. EKL3 1 (Gött<strong>in</strong>gen 1986) 1081–1088, hier 1081.<br />

6<br />

Vgl. hierzu Ders., »Erweckung« – Historische E<strong>in</strong>ordnung (wie Anm. 4) 169–178.<br />

7<br />

Hartmut Lehmann, Neupietismus und Säkularisierung. Beobachtungen zum sozialen Umfeld<br />

und politischen H<strong>in</strong>tergrund von Erweckungsbewegung und Geme<strong>in</strong>schaftsbewegung,<br />

<strong>in</strong>: Protestantische Weltsichten, hg. von Dems. (Gött<strong>in</strong>gen 1998) 84–91. Vgl. ferner: Hartmut<br />

Lehmann, Der Platz der Erweckungsbewegung <strong>in</strong> der Geschichtsschreibung zur deutschen<br />

<strong>Geschichte</strong>, <strong>in</strong>: Zwischen Aufklärung und Moderne. Erweckungsbewegung als historiographische<br />

Herausforderung. Religion – Kultur – Gesellschaft. Stu<strong>die</strong>n zur Kultur- und Sozialgeschichte<br />

<strong>des</strong> Christentums <strong>in</strong> Neuzeit und Moderne, hg. von Thomas K. Kuhn/Veronika<br />

Albrecht-Birkner (Münster 2017) 13–26.<br />

8<br />

Vgl. hierzu Hartmut Lehmann, Erweckungsbewegung as Religious Experience or Historiographical<br />

Construct. The Case of Ludwig Hofacker, <strong>in</strong>: Religiöse Erweckung <strong>in</strong> gottferner Zeit.<br />

Stu<strong>die</strong>n zur Pietismusforschung, hg. von Dems. (Bauste<strong>in</strong>e zu e<strong>in</strong>er europäischen Religionsgeschichte<br />

im Zeitalter der Säkularisierung 12, Gött<strong>in</strong>gen 2010) 120–131, hier 130f. Vgl. ferner:<br />

Thomas Hahn-Bruckart, Transfergeschichtliche Ansätze <strong>in</strong> der Erforschung von Erweckungsbewegung,<br />

<strong>in</strong>: Kuhn/Albrecht-Birkner (Hg.), Zwischen Aufklärung und Moderne<br />

(wie Anm. 7) 43–62.<br />

9<br />

Es kann <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Beitrag nicht näher darauf e<strong>in</strong>gegangen werden, dass es spätestens zur Mitte<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts wieder zu e<strong>in</strong>er gegenläufigen und verstärkten Konfessionalisierung <strong>in</strong><br />

den ›erwecklichen‹ Kreisen kam.<br />

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