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QUALITAS 02/2023

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€ 13,–<br />

AUSGABE <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3<br />

ZEITSCHRIFT FÜR QUALITÄT UND ENTWICKLUNG IN GESUNDHEITSEINRICHTUNGEN<br />

www.gesundheitswirtschaft.at<br />

Kein<br />

Spiel<br />

GESTALTUNG<br />

Führungskonzept Seite 6<br />

VERNETZUNG<br />

Altenpflege Seite 38<br />

AKKREDITIERUNG<br />

Rückführbare Diagnostik Seite 40<br />

In Zusammenarbeit mit: AIHTA – Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH | Albert Schweitzer Institut für Geriatrie und Gerontologie |<br />

ARGE PatientenanwältInnen | AUVA – Allgemeine Unfallversicherungsanstalt | ÄZQ – Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin | Barmherzige Brüder Österreich |<br />

Cochrane Österreich | Deutsches Netzwerk Gesundheitskompetenz | ebm-netzwerk.at | Geriatrische Gesundheitszentren der Stadt Graz | JOANNEUM RESEARCH<br />

HEALTH | Kepler Universitätsklinikum | Krankenhaus der Elisabethinen Graz | LKH Villach | NÖ Landesgesundheitsagentur | Plattform Patient:innensicherheit |<br />

samedi | SANICADEMIA – Internationale Fortbildungsakademie für Gesundheitsberufe | Thieme Compliance | Universität für Weiterbildung Krems – Department für<br />

Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie | Verein zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen | Weitmoser Kreis |<br />

MZ 21Z042322 M | Österreichische Post AG: A-8041 Graz, Kasernstraße 80/8/25 |<br />

www.gesundheitswirtschaft.at | ISSN 2224-0055


AUSGABE <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3/22.JG<br />

Inhalt<br />

EDITORIAL 3<br />

LEITARTIKEL 4<br />

Die Geschichte von Anbese<br />

FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT 6<br />

Das Führungskonzept: Der Schlüssel für<br />

nachhaltiges Wertemanangement<br />

DIGITALISIERUNG 18<br />

Das digitale Unterschriftencockpit –<br />

Digitalisierung neu gedacht<br />

PLATTFORM<br />

PATIENT:INNENSICHERHEIT 19<br />

Sicherheit. Für Patient:innen.<br />

Mit Patient:innen.<br />

FÜHRUNG VERSTEHEN 23<br />

Metakognition<br />

DNGK 32<br />

Gesundheitskompetenzforschung<br />

mit Blick auf die professionelle Pflege<br />

SAMEDI 35<br />

Mit E-Health interdisziplinär erfolgreich<br />

NÖ LANDESGESUNDHEITSAGENTUR 37<br />

Sichere Patientenidentifikation<br />

an der Schnittstelle PBZ und<br />

Klinikum Niederösterreich (NÖ) – Teil II<br />

GGZ 38<br />

Das Grazer Gesundheitsmodell –<br />

Vernetzungsangebote der Geriatrischen<br />

Gesundheitszentren der Stadt Graz<br />

AKKREDITIERUNG 40<br />

Rückführbare Diagnostik = Qualität<br />

COCHRANE 46<br />

Fehl- und Überversorgung in der<br />

Gesundheits- und Krankenpflege?<br />

BÜCHER 20<br />

NEUES 24<br />

IMPRESSUM 24<br />

SELTEN SO GEDACHT 44<br />

AIHTA 36<br />

Früherkennung und Versorgung<br />

peripartaler psychischer Erkrankungen<br />

in Österreich<br />

Streckenbilder dieser Ausgabe:<br />

R. Schaffler<br />

2 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


EDITORIAL<br />

Foto: M. Schaffler<br />

Kein Spiel<br />

Krisen, kritische Lagen im ganzen Land und Krieg ganz in der Nähe. Podiumsdiskussionen,<br />

Leitartikel und Kommentare, die allen Ernstes mit Überschriften nach<br />

der Art „Wie krank ist unser Gesundheitswesen wirklich?“ versehen daherkommen.<br />

Und dazwischen Organisationsprojekte, Arbeitsgruppen, QM-Team-Meetings,<br />

Strategieworkshops, Budgetplanungen, Bauprojekte, CIRS-Treffen, Innerbetriebliches<br />

Vorschlagswesen und Digitalisierungsaktivitäten.<br />

Aus der Zeit und aus den Zusammenhängen gefallen kommt man sich als Health<br />

Professional auf allen Ebenen nun manchmal oder öfter vor. Zum einen die gruselgrauen<br />

Medienberichte auf allen Kanälen zum Ende der Welt und auf der anderen<br />

Seite die tägliche Routine. Die ist ja noch unterzubringen, die meldet sich ja selbst<br />

und fordert einen. Der täglichen Lebenspraxis kommt man nicht aus …<br />

Was mich aber sehr verwundert, ist, dass in diesem Demotivationsnieselregen, der<br />

die zunehmend versiegelten Böden benetzt, einige – ja viele – Aktivisten in ihren<br />

eigenen Herzensangelegenheiten der Veränderung und stetigen Verbesserung –<br />

seien es QM, RM, EbM, Public Health, Vernetzung und Integration der Versorgung,<br />

Führung, interne Kommunikation und Digitalisierung, Organisationsentwicklung<br />

und Patientenorientierung u.v.m. – unbeirrt weitermachen.<br />

Gäbe es fürwahr nicht genügend akzeptable Erklärungen, Treffen, Arbeitspläne<br />

oder Aufgaben in diesen Zeiten auf Notbetrieb herunterzufahren!? Respekt vor allen,<br />

die das Erreichte in jeder Gesundheitseinrichtung nicht durch Aussetzen aufs<br />

Spiel setzen. Verneigung vor den mit Verve weiter getragenen und entwickelten<br />

Errungenschaften – in Struktur, Prozess und Ergebnis.<br />

Was derzeit rund um unser Gesundheitswesen passiert, ist kein Spiel. In dieser Situation<br />

die Freude, das Interesse und die Motivation, dran zu bleiben, zu bewahren,<br />

ist auch kein Spiel. Danke fürs Herzblut und Danke fürs Hirnschmalz.<br />

Ihr Roland Schaffler<br />

Chefredakteur<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

3


LEITARTIKEL<br />

Anbese<br />

Manche Menschen …<br />

… spüren den Regen.<br />

Andere werden einfach<br />

nur nass.<br />

Anbese ist 19 Jahre alt<br />

und stammt aus Äthiopien.<br />

Er lebt dort in einem<br />

Waisen haus. Er litt an einer<br />

schweren Skoliose.<br />

Stefan Schenk<br />

Fotos: Ina Aydogan<br />

Roger Dean Miller, 1936 –1992.<br />

Z<br />

unächst kannte ich ja nur ein<br />

Photo von seinem Rücken und<br />

ein halbes Röntgenbild. Es ist<br />

dem Engagement einer gemeinnützigen<br />

Organisation und im Besonderen Frau Ulrike<br />

Kientzl zu verdanken, dass ihm eine<br />

Behandlung in Österreich im Orthopädischen<br />

Spital Speising ermöglicht wurde.<br />

Eine derart schwere Skoliose verlangt<br />

nach einem außergewöhnlichen Konzept.<br />

Nur Monate davor hatten aktuelle Berichte<br />

in der internationalen Literatur mein Interesse<br />

geweckt: Alte Strategien werden mit<br />

moderner Technik kombiniert und lieferten<br />

solide, komplikationsarme Resultate. Kontaktaufnahme<br />

mit Ferran Pellisé in Barcelona,<br />

Recherche bei Ralf Stücker in Hamburg<br />

waren hilfreich bei der Konstruktion<br />

der entsprechenden technischen Hilfsmittel<br />

und gaben Sicherheit in der Erstellung<br />

des Behandlungsplanes.<br />

Halo-Traktion<br />

vor der Operation<br />

Wir haben sorgfältig abgewogen, ob wir<br />

in dieser schwierigen sozialen Situation<br />

eine Operation anbieten sollen. Das Risiko<br />

einer Komplikation schien bei dieser extremen<br />

Krümmung hoch. Dann folgte der<br />

erste Kontakt. Die Skoliose war eindrucksvoll:<br />

124° Hauptkrümmung und 110° Kyphose<br />

(Brust-Buckel).<br />

Ebenso beeindruckt hat mich die Persönlichkeit<br />

des jungen Mannes, seine Demut<br />

gegenüber der Erkrankung und seine Zuversicht.<br />

Die präoperative Halo-Traktion ist eigentlich<br />

eine alte Technik. In den Anfängen der<br />

Skoliosechirurgie standen noch nicht so<br />

kräftige und raffinierte Verankerungsmöglichkeiten<br />

an den Wirbeln zur Verfügung,<br />

wie sie aktuelle Schrauben-, Haken-, und<br />

Bandsysteme heute bieten können. Daher<br />

konnte die korrigierende Kraft während der<br />

Operation nicht so unmittelbar eingesetzt<br />

werden. Bei der Halo-Traktion nützt man<br />

Schwerkraft und Zeit: Der Patient wird an<br />

einem Ring (Halo), der am Schädel montiert<br />

wird, in die Länge gezogen. Über einen<br />

Zeitraum von einigen Wochen wird tagsüber<br />

im Rollstuhl oder Gehgestell, nachts<br />

im schräggestellten Bett mit steigenden<br />

4 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


LEITARTIKEL<br />

Ausgangssituation<br />

124° Skoliose, 110° Kyphose<br />

Nach drei Wochen Traktion konnte wie geplant<br />

eine Korrektur von ca. 1/3 erreicht<br />

werden: Skoliose 80°. Von dem postoperativen<br />

Ergebnis waren wir begeistert: Nur<br />

27° Restskoliose und normales Profil von<br />

der Seite gesehen, Körpergröße + 14 cm.<br />

Gewichten eine langsame Verringerung der<br />

Krümmung erreicht. Die folgende Operation<br />

wird dadurch handwerklich einfacher.<br />

Der zweite große Vorteil ist das deutlich reduzierte<br />

Risiko einer Querschnittslähmung<br />

während der OP, da sich das Rückenmark<br />

langsam an die Streckung gewöhnen<br />

kann. Die Kombination der „alten“ Halo-<br />

Traktion mit modernen Materialien ermöglicht<br />

erstaunliche Ergebnisse. Sie eignet<br />

sich für sehr schwere Fälle von Skoliose,<br />

insbesondere wenn gleichzeitig eine Kyphose<br />

(Buckel) vorliegt.<br />

Die schwere erste Woche nach der OP<br />

hatte Anbese gut überstanden. Nun<br />

musste ein weiterer wesentlicher Schritt<br />

folgen: Die veränderte Form muss vom<br />

Körper angenommen werden und in sein<br />

Schema und die Selbstwahrnehmung<br />

eingebaut werden. Dies gelingt mit Hilfe<br />

der Physiotherapie, setzt jedoch Schweiß<br />

und Disziplin des Patienten voraus. Mein<br />

Dank gilt dem gesamten Skoliose-Team:<br />

Anästhesie, Pflege, Physio- und Ergotherapie<br />

bis hin zur Administration. Alle haben<br />

ihren Anteil an diesem außergewöhnlichen<br />

Ergebnis.<br />

Mittlerweile ist Anbese wieder nach Äthiopien<br />

zurückgekehrt. Ich habe Nachricht<br />

erhalten, dass es ihm gut geht.<br />

Dr. Stefan Schenk<br />

Facharzt für Orthopädie<br />

www.drstefanschenk.at<br />

Die Zeit der Halo-Traktion hat Anbese<br />

mit großer Geduld ertragen. In dieser Zeit<br />

durfte er sogar die spitalseigene Schule<br />

besuchen und erste Deutschkenntnisse<br />

erwerben.<br />

Die Streckung hat, ganz wie geplant, die<br />

Krümmung deutlich reduziert. Dennoch<br />

mussten wir während der folgenden Operation<br />

alles aufbieten, was medizinisch,<br />

technisch und handwerklich zur Verfügung<br />

steht. Ideale anästhesiologische Betreuung,<br />

Neuromonitoring und reibungslose<br />

Teamarbeit sind Voraussetzung für einen<br />

Erfolg.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

5


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

Das Führungskonzept:<br />

Der Schlüssel für nachhaltiges<br />

Wertemanagement.<br />

Der auf den Krankenhäusern lastende Druck bringt es mit sich, dass patientenbezogene<br />

Entscheidungen nicht nur durch die Bedürfnisse der Patienten, sondern auch durch die<br />

Bestandssicherungs-Interessen der Krankenhäuser geleitet werden. Die Krankenhaus-<br />

Mitarbeiter bedürfen deshalb der Unterstützung durch die organisationsethische Gestaltung<br />

der Organisation des Krankenhauses. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Konfigurierung<br />

des Führungskonzepts. Es liegt deshalb nahe, zunächst das Führungskonzept zu<br />

implementieren, bevor alle anderen Gestaltungs-Entscheidungen gefällt werden.<br />

Heinz Naegler<br />

1. Begründung des Themas<br />

Die Ergebnisse der Entscheidungen auf der Makro-Ebene, die<br />

unter anderem die finanziellen Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems<br />

prägen, sowie die Ergebnisse der Entscheidungen,<br />

die auf der Meso-Ebene im Zusammenhang mit der<br />

Umsetzung der Makro-Ebenen-Entscheidungen und der Gestaltung<br />

der Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems<br />

(Krankenhaus-Leitbild, Zielsetzung, Planung u.a.) durch die verschiedenen<br />

Instanzen des Krankenhaus-Leitungssystems gefällt<br />

werden, ragen weit in das klinische Kerngeschäft des Krankenhauses<br />

hinein 1 (siehe Abbildung 1); sie beeinflussen die Bedingungen<br />

und damit die Ergebnisse sowie die Qualität ärztlichen,<br />

pflegerischen und therapeutischen Handelns. Interessen, die<br />

von Instanzen auf der Makro- und auf der Meso-Ebene vertreten<br />

werden – einige von diesen wohl begründet –, reiben sich<br />

mit den Bedürfnissen der Patienten, für deren Befriedigung sich<br />

Ärzte, Pflegefachkräfte sowie Therapeuten auf der Mikro-Ebene<br />

einsetzen.<br />

Die finanziellen Rahmenbedingungen werden sich – zumindest<br />

in absehbarer Zeit – voraussichtlich nicht zum Besseren ändern.<br />

Die Verantwortlichen in den Krankenhäusern müssen sich deshalb<br />

fragen, wie sie mit diesem Druck angemessen umgehen<br />

wollen, um Nachteile für Patienten und Mitarbeitende nicht entstehen<br />

zu lassen. Sie müssen sich überlegen, wie sie die auf der<br />

Ebene des Krankenhaus-Leitungssystems fraglos vorhandenen<br />

Handlungsspielräume – trotz aller Einschränkungen 2 – nutzen<br />

wollen, um das skizzierte Problem lösen zu können.<br />

Wegen des erheblichen Druckes durch die finanziellen Rahmenbedingungen<br />

benötigen die für die Behandlung der Patienten<br />

verantwortlichen Akteure zusätzlich der organisationsethischen<br />

Unterstützung 3 . Es bedarf einer Institution, die das Handeln der<br />

Organisation Krankenhaus anhand ethischer Maßstäbe evaluiert<br />

4 . Es gilt, Mechanismen zu entwickeln und deren Anwendung<br />

zu sichern, damit bei den Entscheidungen auf der Meso-Ebene<br />

bedacht wird, welche Folgen diese auf den Handlungsspielraum<br />

der für die Patienten-Behandlung verantwortlichen Akteure und<br />

damit auf die Qualität der Behandlung 5 sowie auf die Nutzung<br />

der knappen Ressourcen haben. Die Organisationsethik regt<br />

an zu prüfen, ob die Bedingungen für die klinische Arbeit, ob<br />

die Strukturen und Prozesse des Krankenhauses so konfiguriert<br />

sind, wie die klinisch tätigen Akteure sie angesichts der zu verfolgenden<br />

Krankenhaus-Ziele und der notwendigen Umsetzung der<br />

für das Krankenhaus relevanten Werte benötigen. Sie verweist<br />

auf die Verantwortung der für die Gestaltung jener Bedingungen<br />

zuständigen Gremien bzw. Personen, die es den klinisch tätigen<br />

Akteuren ermöglichen, medizin- und pflegeethisch vertretbar zu<br />

entscheiden und zu handeln 6 .<br />

Es gilt, eine Organisation zu entwickeln, die ihrer – institutionell<br />

begriffenen – Verantwortung gegenüber den Patienten (und Mit-<br />

6 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

u.a. defizitäre<br />

Investitions-Finanzierung<br />

GESELLSCHAFTLICHE EBENE<br />

Gesetzliche<br />

u.a. Normen<br />

KRANKENHAUS-LEITUNGSSYSTEM<br />

Zielsetzung<br />

Planung<br />

Krankenhaus-<br />

Leitbild<br />

Führung<br />

KLINISCHER<br />

BEREICH<br />

Organisation<br />

Realisation<br />

Repräsentation<br />

Kontrolle<br />

Rendite-Erwartungen<br />

der Krankenhaus-Eigentümer<br />

Abb. 1: Der Einfluss der Makro- und der Meso-Ebenen-Entscheidungen auf die Bedingungen klinischer Arbeit 1a<br />

(mit freundlicher Genehmigung von Springer Nature)<br />

arbeitenden) nachkommen kann, für die nicht nur die Beziehung<br />

zwischen den Patienten und den diese behandelnden Akteuren,<br />

sondern auch die Beziehung zwischen den Patienten und der Institution<br />

Krankenhaus eine auf gegenseitigem Vertrauen gegründete<br />

Sorgebeziehung ist, in der das Bedachtsein auf das Wohl<br />

der Patienten eine zentrale Rolle spielt 7 .<br />

Die Bedingungen klinischer Arbeit werden durch die Entscheidungen<br />

im Zusammenhang mit allen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems<br />

geprägt. So wird durch die Gestaltung<br />

der Teilfunktion „Planung“ festgelegt, wer mit welchen Befugnissen<br />

an den jährlichen Leistungs- und Ressourcenplanungen beteiligt<br />

wird – Geschäftsführer allein (Top-Down-Verfahren) oder<br />

Geschäftsführer gemeinsam mit Leitenden Mitarbeitern (Gegenstromverfahren)<br />

– mit möglicherweise jeweils unterschiedlichen<br />

Ergebnissen, was den Umfang der jährlich zu erbringenden<br />

medizinischen und pflegerischen Leistungen und die dafür zur<br />

Verfügung gestellten Ressourcen anbelangt. Von zentraler Bedeutung<br />

ist aber die Teilfunktion „Führung“. Sie ist eine Art Querschnitts-Funktion:<br />

Im Zusammenhang mit der Gestaltung aller<br />

anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems werden<br />

Führungs-Entscheidungen gefällt. Die Gestaltung der Teilfunktion<br />

„Führung“ beeinflusst somit die Gestaltungs-Entscheidungen<br />

in allen anderen Teilfunktionen (siehe Abbildung 2). Sie<br />

ist damit von zentraler Bedeutung für die Arbeitsbedingungen<br />

im klinischen Bereich sowie für die Behandlungs-, Service- und<br />

Betriebsführungsqualität und -effizienz.<br />

Es gilt, ein Führungskonzept zu konfigurieren, das dem Einfluss<br />

der Führungskräfte 8 auf die Gestaltung der Teilfunktionen des<br />

Krankenhaus-Leitungssystems gerecht wird und das die Führungskräfte<br />

bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben unterstützt.<br />

Die Inhalte dieses Führungskonzepts und wie dieses<br />

zweckmäßigerweise entwickelt wird, werden mit diesem Beitrag<br />

vor- und zur Diskussion gestellt.<br />

Krankenhaus-Leitbild<br />

Zielsetzung<br />

TEILFUNKTION FÜHRUNG<br />

Planung<br />

Organisation<br />

Realisation<br />

Kontrolle<br />

Abb. 2: Teilfunktion Führung als Querschnittsfunktion<br />

Repräsentation<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

7


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

2. Weitere Vorgehensweise<br />

Der vorliegende Beitrag argumentiert dafür, die Personalführung<br />

als Schlüssel zu akzeptieren für die organisationsethisch orientierte<br />

Gestaltung der Organisation und damit für die Gestaltung<br />

der Arbeitsbedingungen auf der Mikro-Ebene des Krankenhauses.<br />

Er untersucht – beispielhaft – den Prozess und das Ergebnis<br />

der Gestaltung einzelner Element der Teilfunktion „Führung“ (Abschnitt<br />

4.). Dabei werden Antworten vor allem auf folgende Fragen<br />

gesucht:<br />

■ Welche für die Personalführung spezifischen, diese werden<br />

später als Grundpostulate 9 bezeichnet, sollten zusätzlich zu<br />

den für die Institution Krankenhaus relevanten Werte bei der<br />

Gestaltung des Führungskonzepts berücksichtigt werden?<br />

(Abschnitt 4.2.)<br />

■ Welche sollten die Inhalte zweier der ausgewählten Elemente<br />

des Führungskonzepts sein? (Abschnitt 4.3.)<br />

■ Welchen Einfluss hat die Gestaltung der Teilfunktion „Führung“<br />

auf die Gestaltung der anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems?<br />

(Abschnitt 4.4.)<br />

■ Zunächst aber wird danach gefragt, wie der Prozess der Gestaltungs-Entscheidungen<br />

organisiert sein sollte. (Abschnitt 3.3.)<br />

Offen bleiben muss vorliegend die Charakterisierung jener Entscheidungen,<br />

die im Zusammenhang mit der Gestaltung der anderen<br />

Teilfunktionen gefällt werden 10 .<br />

3. Die Entscheidungssituation<br />

der Krankenhaus-Akteure<br />

3.1. Ein Überblick<br />

Auf der Makro-Ebene des Gesundheitssystems werden Entscheidungen<br />

gefällt, die den Handlungsspielraum der im klinischen<br />

Bereich handelnden Akteure für das Fällen patientenbezogener<br />

Entscheidungen auf der Mikro-Ebene überwiegend<br />

mittelbar beeinflussen (siehe 2 in Abbildung 3). Zu den Ergebnissen<br />

dieser Makro-Ebenen-Entscheidungen zählt unter anderem<br />

das Ausmaß der Fördermittel, die in den Haushaltsplänen<br />

der Bundesländer für die Finanzierung der von den Krankenhäusern<br />

geplanten Investitionen vorgesehen sind. Ergebnisse der<br />

Makro-Ebenen-Entscheidungen sind auch die in dem aktuellen<br />

Fallpauschalen-Katalog für die verschiedenen Diagnosen ausgewiesenen<br />

Bewertungsrelationen; diese legen zusammen mit<br />

dem aktuellen Landesbasisfallwert die Kosten fest, die für das<br />

von einem Krankenhaus geplante Leistungsprogramm maximal<br />

verursacht werden dürfen.<br />

Die Ergebnisse dieser Art von Entscheidungen werden für Ärzte,<br />

Pflegefachkräfte u.a. in der Regel erst dann wirksam, wenn sie<br />

auf der Meso-Ebene durch die dafür zuständigen Instanzen des<br />

Krankenhauses umgesetzt worden sind. Die Ergebnisse dieser<br />

Art von Meso-Ebenen-Entscheidungen sind unter anderem die in<br />

den Wirtschaftsplänen und Abteilungsbudgets der Krankenhäuser<br />

ausgewiesenen Leistungs- und Ressourcenpläne und damit<br />

zentrale Dimensionen der Arbeitsbedingungen für den klinischen<br />

Bereich.<br />

Auf der Makro-Ebene werden zudem Entscheidungen gefällt, deren<br />

Ergebnisse die Arbeitsbedingungen der im klinischen Bereich<br />

tätigen Akteure unmittelbar beeinflussen (siehe 1 in Abbildung<br />

3). Dazu zählt zum Beispiel die (Muster-)Berufsordnung für die<br />

in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte; diese verlangt von<br />

Ärztinnen und Ärzten ein bestimmtes Verhalten gegenüber den<br />

Patientinnen und Patienten, den Kolleginnen und Kollegen, anderen<br />

Partnerinnen und Partnern im Gesundheitswesen sowie in der<br />

Öffentlichkeit 11 .<br />

Auf der Meso-Ebene werden drei Arten von Entscheidungen gefällt,<br />

die den Spielraum des Handelns im klinischen Bereich beeinflussen:<br />

■ Von zentraler Bedeutung im Sinne organisationsethischer Arbeit<br />

ist die Identifizierung der für das Krankenhaus relevanten<br />

Werte und deren Festlegung in dem Krankenhaus-Leitbild. Diese<br />

sollen zum einen für das Verhalten der handelnden Akteure<br />

gegenüber den Patienten, der Umwelt des Krankenhauses und<br />

untereinander bestimmend sein (siehe 3 in Abbildung 3); sie<br />

sollen zum anderen als Entscheidungs-Kriterien berücksichtigt<br />

werden, wenn als Ergebnis diverser Gestaltungs-Entscheidungen<br />

die Strukturen und die Prozesse des Krankenhauses und<br />

damit auch die Arbeitsbedingungen für die klinisch tätigen Akteure<br />

gestaltet werden (siehe 4 in Abbildung 3).<br />

■ Um gewährleisten zu können, dass die Werte des Krankenhaus-Leitbildes<br />

umgesetzt werden (können), gibt das Krankenhaus-Management<br />

die dafür geeigneten und für die Teilfunktionen<br />

jeweils spezifischen Strukturen und Prozesse vor (siehe 4<br />

in Abbildung 3). Für die Teilfunktion „Führung“ sind das unter<br />

anderem die Struktur der Leitung und der Führungsstil.<br />

■ Ihren Beitrag zur Umsetzung der im Krankenhaus-Leitbild<br />

ausgewiesenen Werte leisten die Führungskräfte, indem sie<br />

die durch das Krankenhausmanagement festgelegten Werte<br />

und die durch die Gestaltungs-Entscheidungen gesetzten<br />

Normen bei ihrem Umgang mit ihren Mitarbeitenden berücksichtigen<br />

(siehe 5 in Abbildung 3). Indem sie zum Beispiel ein<br />

auf gegenseitigem Vertrauen basiertes Klima schaffen und ihre<br />

Mitarbeitenden so fördern, dass diese die ihnen zugewiesenen<br />

Entscheidungsbefugnisse, die Behandlung der Patienten zum<br />

Beispiel betreffend, selbständig wahrnehmen können (siehe 6<br />

in Abbildung 3).<br />

Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten fällen patientenbezogene<br />

Einzelfall-Entscheidungen auf der Mikro-Ebene. Sie orientieren<br />

8 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

Makro<br />

Meso<br />

STEUERUNGS-INSTRUMENTE<br />

■ Gesetzliche, finanzielle, technische usw. Normen<br />

■ Erwartungen des Krankenhaus-Eigentümers, eine angemessene<br />

Rendite betreffend<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

■ Festlegung der für das Krankenhaus<br />

relevanten Werte<br />

BEISPIELE<br />

■ Bundesländerspezifische Haushaltspläne mit Ausweis der<br />

für die Krankenhäuser vorgesehenen Fördermittel<br />

■ aG-DRG-Fallpauschalen-Katalog 2<strong>02</strong>3<br />

■ Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung –<br />

PpUGV vom 9. November 2<strong>02</strong>0<br />

■ medizinethische Prinzipien sowie Werte der Pflegeethik<br />

5<br />

6<br />

■ Gestaltung der Teilfunktionen des<br />

Krankenhaus-Leitungssystems durch<br />

Meta-Entscheidungen „Strukturen und<br />

Prozesse“<br />

■ Ausführungs-Entscheidungen beim Ausüben<br />

der Teilfunktionen des Krankenhaus-<br />

Leitungssystems, unter anderem bei der<br />

Personalführung<br />

■ dezentral geprägte Leitungsstruktur<br />

■ partizipative Führung<br />

■ Förderung eines vertrauensbasierten Klimas<br />

■ Förderung der Mitarbeiter<br />

■ Abschluss von Zielvereinbarungen<br />

Mikro ■ patientenbezogene Einzelfall-Entscheidung ■ Diagnostik, Therapieplanung, Pflegeplanung, Entlassplanung<br />

Abb. 3: Einflüsse Dritter auf die patientenbezogenen Einzelfall-Entscheidungen<br />

sich dabei an diversen Regelwerken – unter anderem an den Vorgaben<br />

des Krankenhaus-Leitbildes. Diese helfen ihnen, den Bedarf<br />

an medizinischen und pflegerischen Leistungen mit den begrenzt<br />

zur Verfügung stehenden Ressourcen ethisch und rechtlich<br />

vertretbar und ökonomisch sinnvoll zu decken 12 .<br />

3.2. Entscheidungen auf der Meso-Ebene<br />

Auf der Meso-Ebene werden die Entscheidungen gefällt, die das<br />

Wertesystem des Krankenhauses und die übrigen Dimensionen<br />

der Bedingungen klinischer Arbeit prägen – soweit diese nicht<br />

durch die auf der Makro-Ebene festgelegten Normen konfiguriert<br />

werden. Es werden Vorkehrungen getroffen, mit deren Hilfe<br />

sichergestellt werden kann, dass die für das Krankenhaus relevanten<br />

Werte im Krankenhaus-Alltag wirksam werden können.<br />

Dabei handelt es sich notwendigerweise um Entscheidungen in<br />

Bezug auf alle Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems.<br />

Nachstehend werden indessen nur – es wurde schon darauf hingewiesen<br />

– die führungskonzeptrelevanten Entscheidungen thematisiert.<br />

Krankenhaus-Leitbild<br />

Eine der ersten Aufgaben der für das Krankenhaus verantwortlichen<br />

besteht darin, die Werte zu identifizieren und festzulegen,<br />

die zum einen das Handeln der Krankenhaus-Akteure, deren<br />

Umgang mit Patienten, mit dem Krankenhaus-Umfeld und miteinander<br />

leiten. Sie sollen den im klinischen Bereich tätigen Ärzten,<br />

Pflegefachkräften sowie Therapeuten Orientierung geben<br />

für das Abwägen medizinisch- und pflegerisch-fachlicher sowie<br />

wirtschaftlicher Notwendigkeiten bei ihren Entscheidungen und<br />

Handlungen im Einzelfall. Die für das Krankenhaus relevanten<br />

Werte dienen zudem – im Sinne organisationsethischer Arbeit –<br />

als Kriterien für das Fällen jener Gestaltungs-Entscheidungen, mit<br />

deren Ergebnis die Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems<br />

und damit die Arbeitsbedingungen der Krankenhaus-Akteure<br />

gestaltet werden 13 .<br />

Zu diesen Normen sollten unter anderem die Mission des Krankenhauses,<br />

dessen institutioneller Sinn als Teil der Daseinsvorsorge<br />

zählen sowie die vier Prinzipien der biomedizinischen Ethik 14 ,<br />

die pflegeethischen Pflichten und Werte in der pflegerischen Versorgung<br />

15 , kostensensible Leitlinien 16 , Klug-Entscheiden-Empfehlungen<br />

der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 17 und<br />

Regeln für das Rationieren medizinischer Leistungen.<br />

Führung<br />

Mit der Entwicklung des krankenhausspezifischen Führungskonzepts<br />

werden die Rahmenbedingungen geschaffen für die Funktionstüchtigkeit<br />

des einer Führungskraft zugewiesenen Verantwortungsbereichs<br />

sowie für die Zusammenarbeit der weitgehend<br />

autonomen Organisationseinheiten des Krankenhauses 18 .<br />

Ob und inwieweit die für das Krankenhaus festgelegten Werte umgesetzt<br />

und die Unternehmensziele und die geplanten Größen erreicht<br />

werden, hängt auch von der Übereinstimmung ab zwischen<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

9


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

dem Verhalten, das von den Mitarbeitenden aufgrund ihrer Rolle<br />

erwartetet wird, und dem von diesen praktizierten Verhalten. Eine<br />

eventuell gegebene Diskrepanz soll durch spezifische Führungsleistungen<br />

des jeweiligen Vorgesetzten ausgeglichen werden 19 .<br />

Kontrolle<br />

Das Ergebnis der Tätigkeit der Mitarbeitenden des Krankenhauses<br />

wird durch einen Vergleich mit dem durch die Aufgabenerfüllung<br />

zu erreichenden Zustand kontrolliert. Bei sich abzeichnenden<br />

negativen Abweichungen wird durch steuernde Eingriffe in<br />

die Realisierung versucht, eine möglichst große Annäherung zwischen<br />

dem tatsächlich Erreichten und dem Ergebnis der Planung<br />

zu gewährleisten.<br />

Gegenstände der Kontrolle sind allerdings nicht nur die Ergebnisse<br />

medizinischer und pflegerischer sowie die der Tätigkeit anderer<br />

Berufsgruppen. Kontrolliert werden muss auch, ob die richtigen<br />

Vorkehrungen getroffen waren, damit die im klinischen Bereich<br />

tätigen Akteure das von ihnen erwartete Verhalten und die von<br />

ihnen erwarteten Leistungen realisieren können. Und es muss<br />

durch einschlägige Kontrollen sichergestellt werden, dass die für<br />

das Krankenhaus relevanten Werte umgesetzt werden und dass<br />

diese den Umgang der Krankenhaus-Akteure mit den Patienten<br />

sowie miteinander und mit der Umwelt des Krankenhauses auch<br />

angesichts des hohen auf den Krankenhäusern lastenden Drucks<br />

wirklich leiten 20 . Zu den Gegenständen der Kontrolle zählen deshalb<br />

alle Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems; aus<br />

Platzgründen wird hier eine Auswahl vorgestellt.<br />

■ Es wird kontrolliert, ob die für das Krankenhaus relevanten<br />

Werte bestimmt worden sind und ob das Krankenhausmanagement<br />

die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass die<br />

Werte wirksam werden können. Es wird zudem geprüft, ob die<br />

in dem Krankenhaus-Leitbild verankerten Werte noch den allgemeinen<br />

gesellschaftlichen Vorstellungen entsprechen, die<br />

seit der Festlegung der Werte möglicherweise andere geworden<br />

sind. So hat sich zum Beispiel das Verhältnis von Arbeit zu<br />

Privatleben über Generationen hinweg verändert; die in dem<br />

bestehenden Krankenhaus-Leitbild als Wert verankerten Bedürfnisse<br />

der Krankenhaus-Mitarbeitenden sollten deshalb gegebenenfalls<br />

einer Revision unterzogen worden sein.<br />

■ Es wird überprüft, ob bei den im Zusammenhang mit der Gestaltung<br />

der Teilfunktionen zu fällenden Gestaltungs-Entscheidungen<br />

die für das Krankenhaus relevanten Werte berücksichtigt<br />

und ob – sofern Werte geändert – die einschlägigen<br />

Gestaltungs-Entscheidungen korrigiert worden sind. Weil –<br />

zum Beispiel – die Bedürfnisse der Krankenhaus-Mitarbeitende<br />

andere geworden sind, sollte das Führungskonzept des<br />

Krankenhauses gegebenenfalls entsprechend angepasst worden<br />

sein.<br />

■ Es wird untersucht, ob bei den diversen Ausführungs-Entscheidungen,<br />

die Leistungs- und die Ressourcenplanung zum<br />

Beispiel betreffend, die dafür maßgeblichen Werte berücksichtigt<br />

worden sind.<br />

■<br />

Das ist für den Leistungsplan als Bestandteil klinischer Abteilungsbudgets<br />

zum Beispiel das Grundpostulat der Planung<br />

„Bedarfsgerechtigkeit“ 21 . Dessen Berücksichtigung<br />

stellt sicher, dass nur jene medizinischen Leistungen in einen<br />

Leistungsplan eingestellt werden, für die es einen medizinisch<br />

begründeten Bedarf gibt. Damit wird gewährleistet,<br />

dass es in Folge der Realisierung des Leistungsplans nicht<br />

zur Überversorgung von Patienten kommt; es kann weitgehend<br />

ausgeschlossen werden, dass Patienten ohne medizinische<br />

Notwendigkeit in die stationäre Behandlung aufgenommen<br />

werden, nur weil ein Leistungsplan umgesetzt<br />

werden muss, bei dessen Erarbeitung das Grundpostulat<br />

„Bedarfsgerechtigkeit“ nicht berücksichtigt worden ist.<br />

■<br />

Für die Personalplanung ist neben anderen Normen die<br />

Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung bestimmend. Indem<br />

diese bei der Personalplanung zugrunde gelegt wird,<br />

kann gewährleistet werden, dass in pflegeintensiven Krankenhausbereichen<br />

eine ausreichend hohe Zahl von Pflegefachkräften<br />

zur Verfügung steht, deren Überlastung damit<br />

weitgehend vermieden wird.<br />

■ Zu den Aufgaben der Kontrolleure gehört es festzustellen, ob<br />

die diversen Gestaltungs- und Ausführungs-Entscheidungen<br />

die Ergebnisse argumentativer, dialogischer Verständigungen<br />

sind.<br />

■ Schließlich gehört es zu den Aufgaben der Controller zu prüfen,<br />

ob die Führungskräfte bei ihren Führungs-(=Ausführungs-)Entscheidungen<br />

die in dem Führungskonzept festgelegten Werte<br />

berücksichtigen. So wird – zum Beispiel – kontrolliert, ob<br />

der Leitende Arzt entsprechend den Vorgaben des Führungskonzepts<br />

einen eher partizipativen Führungsstil praktiziert.<br />

Damit soll – unter anderem – sichergestellt werden, dass die<br />

Ärzte trotz des auf den Krankenhäusern lastenden finanziellen<br />

Drucks Patienten vorrangig an deren Wohlergehen orientiert<br />

behandeln 22 .<br />

Die Realisierung der Kontrolle ist eine große Herausforderung methodischer<br />

Art. Bei den jeweils zu berücksichtigenden Normen<br />

handelt es sich vor allem um Verhaltens-Normen. Deren Erfüllen<br />

kann einerseits – sehr aufwendig – mithilfe sogenannter Verhaltensbeobachtungsskalen<br />

gemessen werden 23 . Als Alternative<br />

bietet es sich an, die Mitarbeitenden des Krankenhauses regelmäßig<br />

zu befragen, um unter anderem herausfinden zu können,<br />

wie sie die Wahrnehmung der Verantwortung des Krankenhauses<br />

gegenüber den Patienten und die Unterstützung durch ihren Vorgesetzten<br />

bewerten, ob die in dem Krankenhaus-Leitbild festgehaltenen<br />

Werte im Krankenhaus-Alltag umgesetzt werden und ob<br />

das Krankenhausmanagement die Mitarbeitenden bei der Umsetzung<br />

der Krankenhaus-Werte unterstützt 24 .*<br />

* Die Unternehmensgruppe Johnson & Johnson befragt im Abstand von zwei Jahren die<br />

etwa 120.000 Mitarbeiter, um unter anderem herauszufinden, ob sich die Einstellungen und<br />

Haltungen der Mitarbeiter zu dem Leitbild des Unternehmens (Credo genannt) möglicherweise<br />

geändert haben und wie gut diese die in dem Credo festgehaltenen Verantwortlichkeiten<br />

wahrnehmen und ob sie die notwendige personelle und strukturelle Unterstützung als<br />

Voraussetzung für die Wahrnehmung der Verantwortung erhalten (Naegler, 2011, S. 239 f.).<br />

10 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

3.3. Zur Vorgehensweise bei Gestaltungs-<br />

Entscheidungen<br />

Die Ergebnisse der einschlägigen Gestaltungs-Entscheidungen<br />

sollen Ergebnisse einer argumentativen, dialogischen Verständigung<br />

sein, an der in der Regel der Geschäftsführer, die Leitenden<br />

Ärzte, die Leitenden Pflegefachkräfte sowie Vertreter möglichst<br />

aller Berufsgruppen, Leistungsbereiche und Hierarchieebenen<br />

beteiligt sind. Auf diese Weise lernen die genannten Akteure, ihre<br />

jeweiligen Beiträge zur bestmöglichen Patientenbehandlung und<br />

zur Sicherung des Krankenhaus-Bestandes gegenseitig zu schätzen.<br />

Die von den genannten Akteuren verfolgten, unterschiedlichen<br />

und zum Teil miteinander konkurrierenden Interessen werden<br />

offengelegt und zum Ausgleich gebracht. Dabei geht es nicht<br />

nur um den Ausgleich zwischen den Interessen des Krankenhauses<br />

und denen der klinischen Fachabteilungen, sondern auch um<br />

den Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen der klinischen<br />

Fachabteilungen untereinander.<br />

Nicht selten sind die erwähnten, an der argumentativen, dialogischen<br />

Verständigung beteiligten Akteure nicht hinreichend<br />

darauf vorbereitet. Das betrifft sowohl das Verständnis dafür,<br />

dass eine solche Verständigung überhaupt notwendig ist, als<br />

auch die Bereitschaft, sich daran beteiligen zu wollen, sowie die<br />

Fähigkeit für eine sachlich fundierte Diskussion. Die dafür Verantwortlichen<br />

kommen deshalb nicht umhin, in die Vorbereitung<br />

der Krankenhaus-Akteure für die Teilnahme an diesen Prozessen<br />

zu investieren.<br />

4. Das Führungskonzept<br />

4.1. Ziele der Personalführung<br />

Das Ziel der Personalführung ist es, die Rahmenbedingungen für<br />

die Funktionstüchtigkeit des einer Führungskraft zugewiesenen<br />

Verantwortungsbereichs sowie die Zusammenarbeit der weitgehend<br />

autonomen Organisationseinheiten des Krankenhauses 25 zu<br />

gewährleisten 26 . Das Ziel der Personalführung ist es, dazu beizutragen,<br />

dass die dem Krankenhaus gesetzten medizinischen und<br />

wirtschaftlichen Ziele realisiert werden. Das Ziel der Personalführung<br />

ist es zudem und vor allem, daran mitzuwirken, dass die<br />

Werte, denen sich das Krankenhaus verpflichtet hat, umgesetzt<br />

werden.<br />

Dazu bedürfen die Führungskräfte eines organisationsethisch<br />

ausgerichteten Führungskonzepts, eines Führungskonzepts also,<br />

dessen Konfiguration Personalführungs-(Einzelfall-)Entscheidungen<br />

im Sinne der weiter oben formulierten Personalführungs-Ziele<br />

unterstützt.<br />

4.2. Grundpostulate der Personalarbeit<br />

Die Bedingungen ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen<br />

Handelns werden in einem multipersonal und arbeitsteilig organisierten<br />

Krankenhaus durch Gestaltungs-Entscheidungen<br />

beeinflusst, die von einer Vielzahl von Gremien und/oder Personen<br />

gefällt werden. Nicht nur der Geschäftsführer, die Leitenden<br />

Ärzte und die Leitenden Pflegefachkräfte, sondern auch Vertreter<br />

anderer Berufsgruppen, medizinischer und nichtmedizinischer<br />

Leistungsbereiche und Hierarchieebenen verfolgen mit<br />

ihren Entscheidungen mitunter eigene und vielleicht auch miteinander<br />

konkurrierende Interessen. Hinzu kommt: Mit den im<br />

Zusammenhang mit der Gestaltung des Führungskonzepts zu<br />

fällenden Gestaltungs-Entscheidungen wird über die Verteilung<br />

von Macht und Verantwortung auf das Krankenhaus-Leitungssystem<br />

auf der einen Seite und die Gesundheitsversorgung auf<br />

der anderen sowie über das Maß an Eigenverantwortlichkeit und<br />

Selbst ständigkeit ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen<br />

Handelns entschieden.<br />

Um angesichts der damit skizzierten Komplexität der Organisation<br />

Krankenhaus die weiter oben charakterisierten Ziele der<br />

Personalarbeit erreichen zu können, bedarf es spezifischer Werte,<br />

die das Verhalten aller Akteure bei allen Personal-Entscheidungen,<br />

die diese auf der Meso-Ebene zu fällen haben, leiten.<br />

Die Entwicklung eines Führungskonzepts beginnt deshalb mit<br />

dem Identifizieren und der Festlegung der für das Krankenhaus<br />

relevanten Grundpostulate. In der Tabelle 1 sind einige Beispiele<br />

zusammengefasst 27 .<br />

Damit die Grundpostulate wirksam werden können, bedarf es<br />

deren Operationalisierung. Für jedes Grundpostulat sind Kriterien<br />

zu identifizieren, anhand derer die Qualität der Personalarbeit<br />

beurteilt werden kann. Beispielhaft sind in der Tabelle 2 für das<br />

Grundpostulat „Individualisierung“ jene Kriterien zusammengestellt<br />

28 .<br />

4.3. Gestaltung des Führungskonzepts<br />

4.3.1. Elemente des Führungskonzepts im Überblick<br />

Das Krankenhaus ist ein komplexes sozioökonomisches System,<br />

das multipersonal und arbeitsteilig organisiert ist. Angesichts dieser<br />

Struktur bedarf die Organisation Krankenhaus Regeln, deren<br />

Anwendung in diesem die zielgerichtete, die Hierarchieebenen,<br />

Leistungsbereiche und Berufsgruppen übergreifende Zusammenarbeit<br />

sichert. Diese Regeln sind die Bestandteile des Führungskonzepts,<br />

das üblicherweise aus folgenden Elementen besteht 29 :<br />

■ Führungsorganisation,<br />

■ Führungstechnik,<br />

■ Führungsstil,<br />

■ Führungsverhalten und<br />

■ Entwicklungs- und Lernperspektive.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

11


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

GRUNDPOSTULATE<br />

Patienten- und Mitarbeiterorientierung<br />

Erfolgs-/Qualitätsorientierung<br />

Flexibilisierung<br />

Individualisierung<br />

Sicherung der Akzeptanz<br />

Professionalisierung<br />

Nachhaltigkeit<br />

Stimmigkeit<br />

Begründungspflicht<br />

Berücksichtigung der Interessen<br />

der Personen und Instanzen, die von<br />

Personalführungs-Entscheidungen<br />

betroffen sind; Minimierung von<br />

Interessenkonflikten<br />

ERLÄUTERUNGEN<br />

Bei den im Zusammenhang mit der Personalführung zu fällenden Gestaltungs- und Ausführungs-Entscheidungen<br />

sollen die Erwartungen der Patienten berücksichtigt werden. Die Mitarbeiter erwarten, dass das<br />

Wahrnehmen der ihnen übertragenen Aufgaben zufriedenstellend, zumutbar, erträglich und ausführbar ist<br />

und dass ihre Bedürfnisse nach Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung berücksichtigt<br />

werden. Sie erwarten Chancengleichheit und Zugangsgerechtigkeit in Bezug auf den Zugang zu<br />

und auf die Teilnahme an jenen Gestaltungs-Entscheidungen, ihre Arbeitsbedingungen betreffend 1 .<br />

Die Teilfunktion Führung ist die Schlüsselfunktion für die ständige Verbesserung der Behandlungs-, Serviceund<br />

Betriebsführungsqualität und -effizienz. Sie soll dazu beitragen, dass der Bestand des Krankenhauses<br />

und damit das Angebot medizinischer Leistungen und qualifizierter Arbeitsplätze auf Dauer gewährleistet<br />

werden.<br />

Die Inanspruchnahme des Krankenhauses und die Bedingungen klinischer Arbeit ändern sich – mitunter<br />

kurzfristig. Die Personalarbeit soll dazu beitragen, dass die Krankenversorgung darauf eingestellt werden<br />

kann.<br />

Kollektive Regelungen sollen abgelöst werden durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, mit denen die<br />

individuellen Bedürfnisse des/der Mitarbeiters/in berücksichtigt werden.<br />

Alle Elemente des Personalkonzepts müssen so gestaltet werden, dass die Personalarbeit von allen seinen<br />

Adressaten als Unterstützung akzeptiert werden kann.<br />

Erfolgreiche Personalarbeit im Sinne der in Kapitel 4.1 genannten Zielsetzung setzt voraus, dass die Führungskräfte<br />

die dafür erforderlichen Personalführungs-Fähigkeiten ständig aktualisieren und ausbauen.<br />

Angesichts der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verlangt es nach einer ressourcenschonenden Ausrichtung<br />

der Personalarbeit.<br />

Die im Zusammenhang mit der Teilfunktion Führung zu fällenden Gestaltungs-Entscheidungen sind eng<br />

abzustimmen mit den im Zusammenhang mit den übrigen Teilfunktionen zu fällenden Gestaltungs-Entscheidungen.<br />

Alle Elemente des Führungskonzepts müssen sich aus der Sicht derer, die von den im Zusammenhang mit<br />

der Personalführung zu fällenden Gestaltungs- und Ausführungs-Entscheidungen betroffen sind, mit guten<br />

Gründen rechtfertigen lassen.<br />

Die Vertreter der verschiedenen Hierarchieebenen, Berufsgruppen und Leistungsbereiche haben, bezogen auf<br />

die Personalführung, unterschiedliche Interessen. Im Rahmen der Entwicklung des Führungskonzepts sollen<br />

diese offengelegt werden. Es soll ein Führungskonzept entwickelt werden, das Interessenkonflikte bei der<br />

Umsetzung der Personalführung minimiert.<br />

Förderung der argumentativen,<br />

dialogischen Verständigung<br />

Förderung der Mündigkeit der<br />

Adressaten des Führungskonzepts<br />

Zwei Akteursgruppen bedürfen der Förderung: Diejenigen, die Gestaltungs- und/oder Ausführungs-Entscheidungen<br />

im Zusammenhang mit der Entwicklung bzw. der Umsetzung des Führungskonzepts fällen, müssen<br />

offen sein zum Dialog, zur argumentativen Auseinandersetzung mit den Adressaten des Führungskonzepts.<br />

Von Letzteren wird erwartet, dass sie imstande und bereit sind, ihre Anliegen sachgerecht zu präsentieren<br />

und zu begründen.<br />

Die Adressaten des Führungskonzepts müssen befähigt werden, auf der Basis einer kritischen Loyalität Aktivitäten<br />

des Krankenhauses infrage zu stellen und für richtig gehaltene Revisionen auch gegen Widerstand<br />

zur Geltung zu bringen.<br />

1 Brand, 2<strong>02</strong>1, S. 212<br />

Tab. 1: Grundpostulate der Personalarbeit<br />

12 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

KRITERIEN<br />

Vergütung<br />

Arbeitszeit<br />

Personalentwicklung<br />

Personalführung<br />

Personaleinsatz<br />

ERLÄUTERUNGEN<br />

Die Arbeitgeber machen zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch, Teile des Entgelts an die Verwirklichung<br />

vereinbarter Ziele zu knüpfen. Oder: Bereitschaftsdienste werden unter Berücksichtigung der Wünsche der<br />

Ärzte entweder durch Freizeitausgleich oder finanziell vergütet (siehe auch Beispiel in Kapitel 4.3.2.a).<br />

Die Arbeitszeit lässt sich unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten auf die Bedürfnisse der<br />

Mitarbeiter ausrichten.<br />

Anstelle standardisierter Laufbahnmodelle werden individuelle auf die spezifischen Fähigkeiten und Bedürfnisse<br />

des Mitarbeiters ausgerichtet.<br />

Die Führungskraft bedenkt bei allen ihren Führungs-Entscheidungen die individuellen Bedürfnisse und Interessen<br />

des zu führenden Mitarbeiters und dessen individuelle Fähigkeiten.<br />

Die Mitarbeiter werden an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen beteiligt; sie können damit ihre spezifischen<br />

Bedürfnisse geltend machen. Sie werden so eingesetzt, dass die Wahrnehmung der ihnen übertragenen<br />

Aufgaben für sie auf Dauer zufriedenstellend, erträglich und ausführbar ist.<br />

Tab. 2: Kriterien des Grundpostulats Individualisierung (Beispiele)<br />

Führungskonzepte gibt es nicht von der Stange 30 . Führungskonzepte<br />

müssen von innen heraus, aufbauend vor allem auf dem<br />

der Personalführung im Krankenhaus zu Grunde liegenden Menschenbild<br />

und den für das Krankenhaus relevanten Werten und<br />

unter Berücksichtigung der für das Führungskonzept bestimmenden<br />

Ziele und Grundpostulate entwickelt werden. Der Entwicklungsprozess<br />

wird initiiert und getragen von dem Krankenhausmanagement<br />

in der obersten Leitungsebene.<br />

Aus Gründen des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Platzes<br />

können hier nicht alle Elemente des Führungskonzepts vorgestellt<br />

werden. Im Fokus des hier präsentierten Textes stehen – wegen<br />

ihrer zentralen Bedeutung für die Gestaltung der anderen Teilfunktionen<br />

des Krankenhaus-Leitungssystems – die Führungsorganisation<br />

und der Führungsstil.<br />

4.3.2. Führungsorganisation<br />

Im Zusammenhang mit der Gestaltung der Führungsorganisation<br />

sind zwei Gestaltungs-Entscheidungen zu fällen:<br />

a) Zentralisation versus Dezentralisation<br />

von Leitungsaufgaben<br />

Die Befugnis, Leitungsentscheidungen zu fällen und deren Ergebnis<br />

anderen zur Ausführung anzuweisen, und die damit im Zusammenhang<br />

stehenden Führungsaufgaben werden als Ergebnis<br />

einer einschlägigen Gestaltungs-Entscheidung entweder in einer<br />

Zentrale an der Spitze des Unternehmens zusammengefasst oder<br />

möglichst weitgehend den unteren Leitungsebenen zugeordnet.<br />

Die Zentralisierung der Leitungsaufgaben fördert – so wird geschlussfolgert<br />

– deren wirksamere Koordination in Hinblick auf die<br />

Durchsetzung unternehmerischer Entscheidungen. Die Dezentralisierung<br />

der Leitungsaufgaben dagegen erfolgt mit dem Argument,<br />

dass aufgrund der – sachlich und räumlich zu interpretierenden<br />

– Nähe der Leitenden zu dem zu lösenden Problem dieses<br />

schneller und sachlich fundierter gelöst werden kann; die Fähigkeit<br />

des Krankenhauses, die Bedürfnisse der Patienten ethisch<br />

vertretbar zu berücksichtigen sowie auf neue Herausforderungen<br />

und auf Änderungen der Rahmenbedingungen zeit- und sachgerecht<br />

zu reagieren, wird gestärkt.<br />

Die Dezentralisierung der Leitungsaufgaben hat einen intensiven<br />

Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Leitungsebenen<br />

zur Folge; Spannungen zwischen den verschiedenen Leitungsebenen<br />

werden abgebaut 31 . Die Mitarbeitenden nehmen die<br />

Dezentralisierung der Leitungsaufgaben als Befriedigung ihrer Bedürfnisse<br />

nach Wertschätzung, Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung<br />

32 wahr.<br />

Ein Beispiel:<br />

Die Bereitschaftsdienstleistungen der Krankenhaus-Ärzte werden<br />

entweder finanziell oder durch Freizeitausgleich vergütet. Wer<br />

darüber befinden soll, welche der Vergütungsformen praktiziert<br />

werden soll, wird mit dem Ergebnis einer Gestaltungs-Entscheidung<br />

festgelegt: Entweder wird die Ausführungs-Entscheidung,<br />

die Entscheidung nämlich, welche Vergütungsform bei welchem<br />

Arzt praktiziert werden soll, dem Geschäftsführer oder den Leitenden<br />

Ärzten, den Vorgesetzten der Bereitschaftsdienst leistenden<br />

Ärzte, zugewiesen. Letzteres hat den Vorteil, dass die Leitenden<br />

Ärzte bei den zu fällenden Ausführungs-Entscheidungen sowohl<br />

die ihnen bekannten Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen<br />

können – vor allem die älteren Ärzte bevorzugen den<br />

Freizeitausgleich, weil sie diesen für ihre Erholung benötigen.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

13


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

Die Leitenden Ärzte wissen aber auch um die Wirkungen der mitarbeiterorientierten<br />

Entscheidungen auf das Wohl der Patienten:<br />

Weil bei der Vergütung durch Freizeitausgleich eine größere Zahl<br />

von Ärzten eingesetzt werden muss, können die Patienten während<br />

der Dauer ihrer stationären Behandlung nicht immer nur von<br />

einem Arzt betreut werden; eine auf Vertrauen basierende Sorgebeziehung<br />

zwischen Patient und Arzt kann möglicherweise nicht<br />

entwickelt werden. Während den Leitenden Ärzten auf der Grundlage<br />

ihrer Kenntnis der Patienten-Bedürfnisse und der Bedürfnisse<br />

ihrer Mitarbeitenden ein Ausgleich dieser Interessen zur Zufriedenheit<br />

der jeweils Betroffenen gelingt – mit positiver Wirkung für das<br />

Image der Abteilung und/oder für das Krankenhaus insgesamt –,<br />

würde dieses bei einer dem Geschäftsführer zugewiesenen Ausführungs-Entscheidung<br />

vermutlich eher nicht möglich sein.<br />

b) Delegation von Leitungsaufgaben<br />

Zusätzlich zu der Zentralisierung oder Dezentralisierung der Leitungsaufgaben<br />

ist festzulegen, ob und in welchem Ausmaß zur<br />

Entlastung der Führungskräfte bestimmte Entscheidungs- und<br />

Kontrollaufgaben an Mitarbeitende der Führungskräfte delegiert<br />

werden 33 . Zwei Arten der Delegation kommen dafür in Betracht:<br />

■ Die Befugnis, Entscheidungen zu fällen und gegebenenfalls<br />

Dritten zur Umsetzung anzuweisen, wird vollständig an Mitarbeitende<br />

übertragen. Die Mitarbeitenden agieren im Auftrag<br />

und im Namen ihres Vorgesetzten.<br />

■ Zur Entlastung der Führungskraft wird die Vorbereitung der<br />

Entscheidungen Mitarbeitenden zugewiesen. Das Fällen der<br />

Entscheidungen und das Veranlassen der Umsetzung durch<br />

Dritte verbleiben bei der Führungskraft.<br />

4.3.3. Führungsstil<br />

Der Führungsstil manifestiert sich in einer spezifischen Art von<br />

Vorgesetzten-Mitarbeitenden-Beziehung, in einem Informationsaustausch,<br />

der dazu dient, die möglicherweise unterschiedlichen<br />

Interessen der Krankenhaus-Mitarbeitenden und die des Krankenhauses<br />

zu überwinden und auf die Umsetzung der für das<br />

Krankenhaus festgelegten Werte und auf die Realisierung der<br />

dem Krankenhaus vorgegebenen Ziele hin abzustimmen 34 . Die im<br />

Krankenhaus-Alltag zu beobachtenden, sehr unterschiedlichen<br />

Formen dieser Art von Zusammenarbeit zwischen den Führungskräften<br />

und den von ihnen geführten Mitarbeitenden lassen sich<br />

– etwas vereinfachend – als sieben Grundformen von Führungsstilen<br />

beschreiben (siehe Tabelle 3) 35 . Die Spannweite reicht von<br />

einem mehr auf die Führungskraft bezogenen – als autoritär bezeichneten<br />

– bis hin zu dem als partizipativ betitelten Führungsstil,<br />

bei dem der Entscheidungsprozess durch einen Mitarbeitenden<br />

bzw. eine Gruppe von Mitarbeitenden geprägt wird.<br />

Von der Art der Zusammenarbeit zwischen den Führungskräften<br />

und den von diesen geführten Mitarbeitenden hängt es ab, ob<br />

überhaupt bzw. in welchem Ausmaß den Bedürfnissen der Mitarbeitenden<br />

nach Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung<br />

und Selbstentfaltung (siehe Grundpostulat Mitarbeiterorientierung<br />

in Tabelle 1) entsprochen wird. So kann davon ausgegangen werden,<br />

dass mittels der Art der Zusammenarbeit zwischen der Führungskraft<br />

und ihren Mitarbeitenden, die sich eher als autoritärer<br />

Führungsstil beschreiben lässt, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden<br />

nicht oder nur unzureichend befriedigt werden. Die Mitarbeitenden<br />

werden ihre Arbeitssituation hingegen positiv bewerten<br />

und sich deshalb mit großer Einsatzfreude für das Umsetzen der<br />

für das Krankenhaus relevanten Werte und für das Erreichen der<br />

vereinbarten Ziele eintreten, wenn diese eine Folge der Zusammenarbeit<br />

ist, die mehr als partizipativer Führungsstil charakterisiert<br />

werden kann.<br />

Die Art des im Krankenhaus-Alltag praktizierten Führungsstils<br />

hängt einerseits von der jeweiligen Entscheidungssituation ab; sie<br />

wird aber vor allem bestimmt durch die Ausprägung der Eigenschaften<br />

der jeweils handelnden Führungskräfte und Mitarbeitenden<br />

(siehe Tabelle 4). Deshalb: Wenn die dafür Verantwortlichen<br />

– Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat und Geschäftsführung<br />

vor allem – gewährleisten wollen, dass die Interaktion und die Kommunikation<br />

zwischen den Vorgesetzten und deren Mitarbeitenden<br />

so umgesetzt werden, dass ein respektvolles Miteinander ermöglicht<br />

36 , dass den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entsprochen<br />

wird und dass die Ziele der Personalführung verwirklicht werden<br />

können, dann dürfen sie die Art der Zusammenarbeit zwischen<br />

den Führungskräften und ihren Mitarbeitenden nicht den jeweils<br />

gegebenen Umständen – Ausprägung der Führungskräfte- und<br />

Mitarbeitenden-Eigenschaften – überlassen. Sie müssen von den<br />

Führungskräften und den von diesen geführten Mitarbeitenden, –<br />

wenn es die Art der Entscheidungs-Situation zulässt, – das Praktizieren<br />

eines partizipativen Führungsstils fordern. Sie müssen die<br />

Führungskräfte und deren Mitarbeitende dafür gewinnen, diese<br />

Art der Zusammenarbeit leben zu wollen. Und sie müssen Führungskräfte<br />

und Mitarbeitende – soweit erforderlich – ermuntern,<br />

an geeigneten Maßnahmen der Personalentwicklung, sowohl im<br />

Sinne der Einstellungs- als auch der Fähigkeitsentwicklung, teilzunehmen,<br />

um damit ihre Kompetenzen so zu vervollkommnen,<br />

dass sie den partizipativen Führungsstil praktizieren wollen und<br />

können.<br />

4.4. Die Teilfunktion Führung als<br />

Querschnittsfunktion<br />

Mit Blick auf die Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems<br />

ist die Teilfunktion „Führung“ eine Querschnittsfunktion. Die Gestaltungs-Entscheidungen,<br />

die anderen Teilfunktionen betreffend<br />

(siehe Abbildung 2), werden durch Führungskräfte gefällt – von<br />

Führungskräften, die dabei an die in dem Führungskonzept festgelegten<br />

Regeln gebunden sind. Die Gestaltung der Teilfunktionen<br />

des Krankenhaus-Leitungssystems werden mithin beeinflusst<br />

durch die Gestaltung der Teilfunktion „Führung“ und das dadurch<br />

geprägte Verhalten der Führungskräfte und das ihrer Mitarbeiten-<br />

14 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

FÜHRUNGSSTIL-GRUNDFORMEN<br />

Die Führungskraft entscheidet, gibt ihre Entscheidung bekannt und ordnet sie durch Befehl zur Durchführung an. Sie gibt nicht nur das<br />

zu erreichende Ziel, sondern auch die für die Zielerreichung notwendigen Realisierungsschritte vor. Sie kontrolliert nicht nur, ob das Ziel<br />

erreicht worden ist, sondern auch, ob die Realisierungsschritte sach- und zeitgerecht durchgeführt wurden.<br />

autoritärer<br />

Führungsstil<br />

Die Führungskraft entscheidet, wirbt für diese Entscheidung und ordnet sie durch Befehl zur Durchführung an. Sie gibt nicht nur das zu<br />

erreichende Ziel, sondern auch die für die Zielerreichung notwendigen Realisierungsschritte vor. Sie kontrolliert nicht nur, ob das Ziel<br />

erreicht worden ist, sondern auch, ob die Realisierungsschritte sach- und zeitgerecht durchgeführt wurden.<br />

Die Führungskraft präsentiert ihre Lösungsalternativen und bittet um weitere Vorschläge. Danach entscheidet sie und ordnet das Ergebnis<br />

zur Durchführung an. Sie gibt nicht nur das zu erreichende Ziel, sondern auch die für die Zielerreichung notwendigen Realisierungsschritte<br />

vor. Sie kontrolliert nicht nur, ob das Ziel erreicht worden ist, sondern auch, ob die Realisierungsschritte sach- und zeitgerecht<br />

durchgeführt wurden.<br />

Die Führungskraft präsentiert ihre noch wenig konkreten Lösungsalternativen und ermuntert die Mitarbeiter, diese zu konkretisieren und<br />

gegebenenfalls zu ergänzen. Sie entscheidet und ordnet das Ergebnis zur Durchführung an. Die Führungskraft kontrolliert das Ergebnis<br />

des Realisierungsprozesses.<br />

Die Führungskraft beschreibt das zu lösende Problem und bittet um Lösungsvorschläge. Sie entscheidet, begründet das Ergebnis ihrer<br />

Entscheidung und ordnet danach das Ergebnis zur Durchführung an. Die Führungskraft kontrolliert das Ergebnis des Realisierungsprozesses.<br />

Die Führungskraft beschreibt das zu lösende Problem und benennt die Rahmenbedingungen zur Lösung des Problems. Die Mitarbeiter<br />

lösen das Problem und setzen das Ergebnis der Entscheidung nach Abstimmung mit der Führungskraft um. Die Führungskraft kontrolliert<br />

das Ergebnis des Realisierungsprozesses.<br />

Die Führungskraft legt die Grenzen fest, innerhalb derer die Mitarbeiter frei agieren, und koordiniert den Problemlösungsprozess. Die<br />

Mitarbeiter definieren das Problem, suchen die passenden Lösungsalternativen, entscheiden und setzen das Ergebnis um. Die Führungskraft<br />

kontrolliert das Ergebnis des Realisierungsprozesses.<br />

partizipativer<br />

Führungsstil<br />

Tab. 3: Führungsstil-Grundformen 35a (mit freundlicher Genehmigung der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft)<br />

KRITERIEN<br />

Eigenschaften der Führungskraft<br />

Eigenschaften der geführten<br />

Mitarbeiter<br />

Eigenschaften der Situation<br />

AUSPRÄGUNG<br />

■ Verhalten gegenüber ihren Mitarbeitern<br />

■ Ausmaß des Vertrauens in die Mitarbeiter<br />

■ Ausmaß des Entscheidungsspielraums, der den Mitarbeitern gewährt wird<br />

■ Zuordnung der Entscheidungs- und/oder Vollzugsverantwortung<br />

■ Vorgabe des Ziels oder Vorgabe der Realisierungsschritte im Detail<br />

■ Ergebniskontrolle oder Kontrolle der Realisierungsschritte<br />

■ Art der Autoritätsausübung (Weisungen durch Befehl oder durch Empfehlungen bzw. Anregungen)<br />

■ Befugnisse in Hinblick auf Belohnung und Bestrafung<br />

■ Erfahrungen in Entscheidungsprozessen<br />

■ Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen<br />

■ Bedürfnisse der Mitarbeiter nach Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung<br />

■ Art des Problems<br />

■ Rahmenbedingungen für die Lösung des Problems<br />

Tab. 4: Kriterien, die den anzuwendenden Führungsstil bestimmen 37<br />

(mit freundlicher Genehmigung der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft)<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

15


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

den. Von der Gestaltung der Teilfunktion „Führung“ hängt es demnach<br />

ab, ob die Umsetzung der dem Krankenhaus vorgegebenen<br />

Werte in das alltägliche Handeln der Krankenhaus-Akteure – und<br />

zwar bezogen auf die anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-<br />

Leitungssystems – gewährleistet werden kann.<br />

Ein Beispiel:<br />

Die Gestaltung der Teilfunktion „Planung“ wird im Regelfall durch<br />

den Geschäftsführer initiiert. Welche Akteure an dem Gestaltungsprozess<br />

außer dem Geschäftsführer mit welchen Befugnissen<br />

beteiligt werden, hängt weitgehend von der Art des in dem<br />

Krankenhaus vorgegebenen und praktizierten Führungsstils ab.<br />

■ Haben sich die dafür zuständigen Gremien für einen mehr autoritären<br />

Führungsstil entschieden und damit dem Geschäftsführer<br />

erlaubt, Gestaltungs-Entscheidungen weitgehend allein<br />

ohne die Beteiligung der von diesen Entscheidungen Betroffenen<br />

zu fällen, kann – muss aber nicht – damit gerechnet werden,<br />

dass der Geschäftsführer den ihm eingeräumten Handlungsspielraum<br />

nutzt und den Planungsprozess allein nach<br />

seinen eigenen Vorstellungen gestaltet.<br />

Es kann – muss aber nicht – angenommen werden, dass unter<br />

diesen Voraussetzungen der Planungsprozess im Sinne des<br />

Top-Down-Verfahrens organisiert wird mit der Folge: Die für<br />

die Umsetzung der Planung Verantwortlichen werden in die<br />

jährliche Leistungs- und Ressourcenplanung eher nicht einbezogen;<br />

die Umsetzung der in dem Krankenhaus-Leitbild festgehaltenen<br />

Werte ist möglicherweise nicht gewährleistet.<br />

■ Wenn dagegen von den Führungskräften das Praktizieren<br />

eines partizipativen Führungsstils verlangt wird und damit die<br />

Mitarbeitenden des Geschäftsführers – das sind die Leitenden<br />

Ärzte, die Leitenden Pflegefachkräfte u.a. – in die Entscheidung<br />

über die Gestaltung des Planungsprozesses im Sinne einer argumentativen,<br />

dialogischen Verständigung einbezogen werden<br />

müssen, und wenn von den Gestaltungs-Entscheidern verlangt<br />

wird, dass diese bei ihren Entscheidungen das Grundpostulat<br />

der Planung „Mitarbeiterorientierung“ berücksichtigen, kann<br />

davon ausgegangen werden, dass die Planung als Gegenstromverfahren<br />

organisiert wird. Die für die Umsetzung der<br />

Planungsergebnisse Verantwortlichen sind an dem Planungsprozess<br />

maßgeblich beteiligt und prägen dessen Ergebnis. Die<br />

Umsetzung der für das Krankenhaus relevanten Werte und die<br />

Realisierung der Planungsergebnisse sollten unter diesen Bedingungen<br />

im Regelfall gewährleistet sein.<br />

■ Nicht selten werden in einem Krankenhaus zwar die Kernfunktionen<br />

des Krankenhaus-Leitungssystems – dazu zählt unter<br />

anderem die Teilfunktion „Planung“ 38 – organisationsethisch<br />

ausgerichtet gestaltet; ein Führungskonzept dagegen fehlt. Angesichts<br />

dieser Voraussetzungen werden die Planungsprozesse<br />

zwar möglicherweise im Sinne des Gegenstromverfahrens<br />

organisiert und praktiziert; dem Leitenden Arzt einer klinischen<br />

Abteilung, der an diesem Planungsprozess mitwirkt, ist es aber<br />

unbenommen, ob er seine Mitarbeitenden, die das Ergebnis<br />

der Planung umsetzen müssen, in die Planung einbezieht (partizipativer<br />

Führungsstil) oder nicht (autoritärer Führungsstil).<br />

Damit wird deutlich, dass der Gestaltung der Teilfunktion „Führung“<br />

bei der Gestaltung der Organisation Krankenhaus eine<br />

Schlüsselrolle zukommt. Von der Konfiguration der Teilfunktion<br />

„Führung“ hängen die Art der Gestaltung aller anderen Teilfunktionen<br />

des Krankenhaus-Leitungssystems und damit die Art der<br />

Ausführung der im Rahmen der Teilfunktionen wahrzunehmenden<br />

Aufgaben ab. Wenn die dafür Verantwortlichen – das sind vor<br />

allem die Gesellschafterversammlung, der Aufsichtsrat und die<br />

Geschäftsführung – sicherstellen wollen, dass trotz des erheblichen,<br />

auf den Krankenhäusern lastenden finanziellen Drucks eine<br />

medizin- und pflegeethisch vertretbare Behandlung der Patienten<br />

gewährleistet werden soll, dann müssen sie zuerst die Teilfunktion<br />

„Führung“ entsprechend gestalten. Sie müssen als Ergebnis einer<br />

argumentativen, dialogischen Verständigung mit den von dem Ergebnis<br />

der Gestaltung Betroffenen und damit auf der Grundlage<br />

einer auf gegenseitigem Vertrauen und auf gegenseitiger Wertschätzung<br />

etablierten Zusammenarbeit zwischen den genannten<br />

Akteuren die Leitungsstruktur dezentralisieren und die Führungskräfte<br />

verpflichten, partizipativ zu führen.<br />

5. Fazit<br />

Der auf den Krankenhäusern und auch auf deren Mitarbeitenden<br />

lastende finanzielle Druck bringt es mit sich, dass patientenbezogene<br />

Entscheidungen durch Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten<br />

nicht nur durch die Bedürfnisse der Patienten, sondern<br />

auch durch die Bestandssicherungs-Interessen der Krankenhäuser<br />

geleitet werden. Dieser Entwicklung entgegenwirken zu<br />

wollen durch die Aufforderung an die genannten Akteurinnen und<br />

Akteure, nur medizin- und pflegeethisch vertretbare Leistungen<br />

zu erbringen 39 , wird nur teilweise erfolgreich sein können. Die<br />

Mitarbeitenden des Krankenhauses bedürfen, um entsprechend<br />

handeln zu können, der Unterstützung durch die organisationsethisch<br />

ausgerichtete Gestaltung der Organisation Krankenhaus<br />

als Ganzes.<br />

Die Teilfunktion des Krankenhaus-Leitungssystems „Führung“<br />

spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Von der Konfigurierung<br />

des Führungskonzepts hängt es ab, wie die anderen<br />

Teilfunktionen gestaltet und ob die Arbeitsbedingungen für den<br />

klinischen Bereich des Krankenhauses so beschaffen sind, dass<br />

Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten patientenbezogene Entscheidungen<br />

primär an den Bedürfnissen der Patienten orientieren,<br />

dabei aber auch das Bedürfnis des Krankenhauses, dessen<br />

Bestand nachhaltig zu sichern, berücksichtigen können. Von der<br />

16 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


FÜHRUNG & WERTEMANAGEMENT<br />

Art des Führungskonzepts hängt es ab, ob nicht nur die Arzt-Patienten-Beziehung,<br />

sondern auch die Krankenhaus-Patienten-Beziehung<br />

eine treuhänderische Sorgebeziehung ist, ob das Wohl<br />

der Patienten als Leitmotiv des Handelns aller Krankenhaus-Akteure<br />

wirksam ist.<br />

Literatur:<br />

1 Kettner M (2005): Wozu Organisationsethik im Krankenhaus?, in: Krukemeyer MG et al.<br />

(Hg.): Krankenhaus und soziale Gerechtigkeit, Schattauer, Stuttgart 2005, 30-38<br />

1a Naegler H (2<strong>02</strong>2): Die Rolle des Controllings im Rahmen einer Organisationsethik des<br />

Krankenhauses, Ethik in der Medizin 4, 549 – 571<br />

2 Sachs I (1994): Handlungsspielräume des Krankenhausmanagements.<br />

Bestandsaufnahme und Perspektiven, Deutscher Universitäts Verlag, Wiesbaden<br />

3 Marckmann G (2<strong>02</strong>1): Ökonomisierung im Gesundheitswesen als organisationsethische<br />

Herausforderung. Ethik in der Medizin 2: 189-201<br />

4 Rabe M (2012): Ethische Reflexion und Entscheidungsfindung in der<br />

intensivmedizinischen Praxis, Salomon F (Hrsg.): Praxisbuch Ethik in der<br />

Intensivmedizin. Konkrete Entscheidungshilfen in Grenzsituationen, 2., aktualisierte und<br />

erweiterte Auflage, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, 29-39<br />

5 Woellert K (2<strong>02</strong>1): Praxisfeld Klinische Ethik. Theorie, Konzepte, Umsetzung<br />

am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinisch Wissenschaftliche<br />

Verlagsgesellschaft, Berlin<br />

6 Woellert K (2<strong>02</strong>3): Versorgungsqualität braucht Organisations- und Führungsethik,<br />

Riedel A., Lehmeyer S. (Hrsg.): Ethik im Gesundheitswesen, Springer Reference<br />

Pflege – Therapie – Gesundheit, Berlin – Heidelberg, 955-976. Zugang: https://<br />

www.amazon.de/Ethik-Gesundheitswesen-Springer Reference Pflege/<br />

dp/3662586797?asin=3662586797&revisionId=&format=4&depth=1, Zugriff: 24.1.2<strong>02</strong>3<br />

7 Naegler H (2<strong>02</strong>1): Medizin auf der Grundlage einer treuhänderischen Sorgebeziehung.<br />

Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2: 93-99<br />

8 Woellert K (2<strong>02</strong>3): Versorgungsqualität braucht Organisations- und Führungsethik,<br />

Riedel A., Lehmeyer S. (Hrsg.): Ethik im Gesundheitswesen, Springer Reference<br />

Pflege – Therapie – Gesundheit, Berlin – Heidelberg, 955-976. Zugang: https://<br />

www.amazon.de/Ethik-Gesundheitswesen-Springer Reference-Pflege/<br />

dp/3662586797?asin=3662586797&revisionId=&format=4&depth=1, Zugriff: 24.1. 2<strong>02</strong>3<br />

9 Scholz Chr (2014): Personalmanagement. Informationsorientierte und<br />

verhaltenstheoretische Grundlagen, 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag<br />

Franz Vahlen, München<br />

10 Naegler H (2<strong>02</strong>2): Die Rolle des Controllings im Rahmen einer Organisationsethik des<br />

Krankenhauses. Ethik in der Medizin 4: 549-571<br />

11 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte - MBO-Ä<br />

1997 (2011) - in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011 in<br />

Kiel, Kiel<br />

12 Marckmann G (2015): Kostensensible Leitlinien als Instrumente einer expliziten<br />

Leistungssteuerung im Gesundheitswesen: ethische Grundlagen, Marckmann G (Hrsg.):<br />

Kostensensible Leitlinien. Evidenzbasierte Leistungssteuerung für eine effiziente und<br />

gerechte Gesundheitsversorgung, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,<br />

Berlin, 31-53<br />

13 Marckmann G; Maschmann J, (2014): Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und<br />

Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus. Zeitschrift für Evidenz,<br />

Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 3: 157-165<br />

14 Beauchamp TL; Childress JF (2019):, Principles of Biomedical Ethics, 8th Edition,<br />

Oxford University Press Inc, New York<br />

15 International Council of Nurses (2<strong>02</strong>1): Der ICN-Ethikkodex für Pflegefachpersonen,<br />

überarbeitet 2<strong>02</strong>1, CN - International Council of Nurses; Franke A (2017): Pflegeethik.<br />

Die Pflege zwischen Dienstleistung und Moral, GRIN Verlag, Norderstedt. Zugang:<br />

https://www.grin.com/document/427539, Zugriff: 27.10.2<strong>02</strong>2<br />

16 Marckmann G (2015): Kostensensible Leitlinien als Instrumente einer expliziten<br />

Leistungssteuerung im Gesundheitswesen: ethische Grundlagen, Marckmann G (Hrsg.):<br />

Kostensensible Leitlinien. Evidenzbasierte Leistungssteuerung für eine effiziente und<br />

gerechte Gesundheitsversorgung, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,<br />

Berlin, 31-53<br />

17 Hasenfuß G et al. (2017): Gegen Unter- und Überversorgung, Deutsche Gesellschaft<br />

für Innere Medizin (Hrsg.): Initiative „Klug entscheiden“, Deutsches Ärzteblatt 113,<br />

Sammelband, 6-9<br />

18 Grossmann R (1993): Leitungsfunktionen und Organisationsentwicklung im<br />

Krankenhaus, Badura B et al. (Hrsg.): System Krankenhaus. Arbeit, Technik und<br />

Patientenorientierung, Juventa Verlag, Weinheim und München, 301-321; Garbsch<br />

M (2012): Systemische Führungsentwicklung. Verknüpfung von Führungskräfte- und<br />

Organisationsentwicklung am Beispiel eines Krankenhauses, Carl-Auer-Systeme<br />

Verlag, Heidelberg<br />

19 Staehle WH (1999): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive,<br />

8., überarb. Aufl., Verlag Franz Vahlen, München<br />

20 Marckmann G (2<strong>02</strong>1): Ökonomisierung im Gesundheitswesen als organisationsethische<br />

Herausforderung, Ethik in der Medizin 2, 189-201<br />

21 Naegler H (2<strong>02</strong>2): Das Gestalten der Pflegedienst-Arbeitsbedingungen. Eine<br />

organisationsethische Herausforderung, Pflegewissenschaft 5, 295-308<br />

22 Marckmann G; Maschmann J (2014): Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und<br />

Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus, Zeitschrift für Evidenz,<br />

Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 3, 157-165<br />

23 Domsch M; Gerpott TJ (1985): Verhaltensorientierte Beurteilungsskalen. Eine Analyse<br />

von Varianten eines Ansatzes zur Verbesserung der Methodik der Leistungsbeurteilung<br />

von Mitarbeitern, Die Betriebswirtschaft 6, 666-689<br />

24 Marckmann G; Maschmann J (2014): Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und<br />

Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus, Zeitschrift für Evidenz,<br />

Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 3, 157-165; Rechkemmer K (2<strong>02</strong>0):<br />

Innere Qualität: Theoretische Konzeption, Management und Politik, Vandenhoeck<br />

& Ruprecht, Göttingen; Naegler H (2011): Management der sozialen Verantwortung<br />

im Krankenhaus. Corporate Social Responsibility als nachhaltiger Erfolgsfaktor,<br />

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin<br />

25 Grossmann R (1993): Leitungsfunktionen und Organisationsentwicklung im<br />

Krankenhaus, Badura B et al. (Hrsg.): System Krankenhaus. Arbeit, Technik und<br />

Patientenorientierung, Juventa Verlag, Weinheim und München, 301-321.<br />

26 Garbsch M (2012): Systemische Führungsentwicklung. Verknüpfung von<br />

Führungskräfte- und Organisationsentwicklung am Beispiel eines Krankenhauses, Carl-<br />

Auer-Systeme Verlag, Heidelberg<br />

27 In Anlehnung an Scholz Chr. (2014): Personalmanagement. Informationsorientierte und<br />

verhaltenstheoretische Grundlagen, 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag<br />

Franz Vahlen, München; Marckmann G (2<strong>02</strong>1): Ökonomisierung im Gesundheitswesen<br />

als organisationsethische Herausforderung, Ethik in der Medizin 2, 189-201<br />

28 Scholz Chr. (2014): Personalmanagement. Informationsorientierte und<br />

verhaltenstheoretische Grundlagen, 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag<br />

Franz Vahlen, München<br />

29 von Eiff W (2000): Führung und Motivation in Krankenhäusern. Perspektiven und<br />

Empfehlungen für Personalmanagement und Organisation, Verlag W. Kohlhammer<br />

GmbH, Stuttgart<br />

30 von Eiff W (2000): Führung und Motivation in Krankenhäusern. Perspektiven und<br />

Empfehlungen für Personalmanagement und Organisation, Verlag W. Kohlhammer<br />

GmbH, Stuttgart<br />

31 Naegler H (2019): Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführern und Chef-Ärzten<br />

verbessern, das Krankenhaus 1, 39-45<br />

32 Staehle WH (1999): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive,<br />

8., überarb. Aufl., Verlag Franz Vahlen<br />

33 Holtbrügge D (2018): Personalmanagement, 7., überarbeitete und erweiterte Auflage,<br />

Springer-Verlag GmbH, Berlin<br />

34 Neuberger D (1977): Organisation und Führung, Verlag W. Kohlhammer GmbH,<br />

Stuttgart<br />

35 Tannenbaum R; Schmidt WH (1973): How to Choose a Leadership Pattern. Should a<br />

manager be democratic or autocratic or something in between?, Harvard Business<br />

Review 3, 162-168.<br />

35a Naegler H; Garbsch M (2<strong>02</strong>1): Personalmanagement im Krankenhaus, 5., erweiterte<br />

und aktualisierte Auflage, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin<br />

36 Burmeister Chr (2<strong>02</strong>1): Organisationsethik in Einrichtungen des Gesundheitswesens,<br />

Ethik in der Medizin 2, 153-158<br />

37 Bühner R (2005): Personalmanagement, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage,<br />

R. Oldenbourg Verlag, München-Wien und Naegler H; Garbsch M (2<strong>02</strong>1):<br />

Personalmanagement im Krankenhaus, 5., erweiterte und aktualisierte Auflage,<br />

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin<br />

38 Naegler H (2011): Management der sozialen Verantwortung im Krankenhaus. Corporate<br />

Social Responsibility als nachhaltiger Erfolgsfaktor, Medizinisch Wissenschaftliche<br />

Verlagsgesellschaft, Berlin<br />

39 „Am Krankenbett wird nicht gerechnet“ Klinikum Dortmund, Unser Kodex. Zugang:<br />

https://www.klinikumdo.de/kliniken-zentren/kliniken-abteilungen-m-z/urologie/<br />

urologischer-kodex, Zugriff: 6.2.2<strong>02</strong>3)<br />

PROF. DR. HEINZ NAEGLER<br />

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin<br />

heinz.naegler@arcor.de<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

17


DIGITALISIERUNG<br />

Das digitale Unterschriftencockpit –<br />

Digitalisierung neu gedacht<br />

D<br />

ie Pandemie hat auch in der Arbeitswelt<br />

deutliche Spuren hinterlassen.<br />

Bemerkenswert war<br />

auf jeden Fall der Sprung ins Homeoffice.<br />

Während dieser für viele Leute heute Vorteile<br />

bringt, weil es zum Beispiel manchen<br />

mehr Flexibilität ermöglicht, hat er auch<br />

eintrainierte Organisationsmuster auf die<br />

Probe gestellt.<br />

Besonders in der Digitalisierung wurden<br />

so – mehr oder weniger freiwillig – mit<br />

unerwarteter Geschwindigkeit Fortschritte<br />

gemacht. Wenn plötzlich die direkten<br />

Kontakte eingeschränkt werden, stellt sich<br />

in so manchen Bereichen alles auf den<br />

Kopf: Wie erreiche ich meine Kolleginnen<br />

und Kollegen, wenn ich eine Frage habe?<br />

Wie komme ich an Unterlagen, die ich für<br />

meine Arbeit brauche? Wie komme ich an<br />

notwendige Unterschriften?<br />

Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft<br />

wurde damit als große Organisation<br />

mit vielen Prozessbeteiligten vor<br />

eine dringende Aufgabe gestellt: Unterschriften<br />

werden oft benötigt – unabhängig<br />

davon, ob es um Kleinigkeiten geht,<br />

wie die Unterzeichnung eines Protokolls,<br />

oder wichtige Workflows, wie die Freigabe<br />

von Investitionen. Das Team „Personalsysteme<br />

und -verrechnung“ in der „OE IT-<br />

Infrastruktur und Administrative Systeme“<br />

hat mit einer adäquaten Lösung schnellstmöglich<br />

reagiert. Dabei beschränkt sich<br />

die Herausforderung, diese Prozesse zu<br />

digitalisieren, nicht nur auf Unterschriften,<br />

die ad hoc benötigt werden. Es stellen<br />

sich viele Fragen: Wie binde ich Personen<br />

außerhalb des Unternehmens ein? Wie<br />

funktionieren die Stellvertreterregelungen?<br />

In welcher Funktion unterschreibe ich? …<br />

Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft<br />

hat diese Umstellung nun hinter<br />

sich. Und obwohl sie die größte Arbeitgeberin<br />

der Steiermark ist, war der Integrationsaufwand<br />

aufgrund von optimaler<br />

Schnittstellenintegration und gutem User<br />

Interface überschaubar.<br />

Die Lösung der POS Solutions GmbH, die<br />

bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft<br />

in Verwendung ist, bindet<br />

sich nahtlos in die bestehende IT-Infrastruktur<br />

ein. Beim Öffnen des hauseigenen<br />

Unternehmensportals – ein browserba-<br />

18 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


PLATTFORM PATIENT:INNENSICHERHEIT<br />

siertes Intranet – kann das Unterschriftencockpit<br />

direkt geöffnet werden. Des Weiteren<br />

sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

sofort über den klassischen Windows-Einstieg<br />

am IT-Endgerät authentifiziert.<br />

In der Lösung sind die wichtigsten Prozesse<br />

sofort griffbereit:<br />

■ Hochladen von Dokumenten.<br />

■ Zugriff auf zu unterschreibende Dokumente<br />

und ihre Weiterleitung.<br />

■ Unterschrift mittels direkter Authentifizierung<br />

des Systems oder per Hand<br />

auf einem Gerät mit Touchscreen wie<br />

bei einer Paketannahme.<br />

■ Integration der Handysignatur als qualifizierte<br />

Unterschrift.<br />

Alle berechtigten Mitarbeiter können diese<br />

Lösung sofort verwenden. Somit bietet es<br />

einen einfachen Zugang zu dieser modernen<br />

Lösung.<br />

Der erste Fokus lag auf den wichtigen HR-<br />

Prozessen, wobei nun der Vollbetrieb der<br />

Lösung erreicht und zur Verwendung in<br />

sämtlichen Prozessen des Unternehmens<br />

bereit ist. Der Umstieg auf die digitale Welt<br />

hat sich mit dem System als deutliche<br />

Verbesserung gezeigt. Die Unterschriften<br />

können auch an externe Personen geschickt<br />

werden, selbst wenn sie diese Lösung<br />

nicht in ihrem Unternehmen einsetzen.<br />

Stellvertretungen können mit einem<br />

Klick für bestimmte Personen selbst aktiviert<br />

und deaktiviert werden.<br />

Die Mitarbeiter werden aktiv per E-Mail<br />

über neu zu signierende Dokumente informiert<br />

und können entweder mittels<br />

der elektronischen Unterschriftenmappe<br />

in einem Arbeitsschritt oder per Klick auf<br />

den im E-Mail übermittelten Link die Dokumente<br />

abarbeiten. Die Zeiten von gestapelten<br />

Unterschriftenmappen, Postwegen<br />

und administrativen Vorarbeiten wirken,<br />

als lägen sie schon sehr weit zurück.<br />

Kontakt:<br />

Ing. Franz Kokoth MSc<br />

Teamleiter Personalsysteme- und verrechnung,<br />

Steiermärkische Krankenanstalten -<br />

gesellschaft m.b.H.<br />

franz.kokoth@kages.at<br />

Sicherheit. Für Patient:innen.<br />

Mit Patient:innen.<br />

Patienten- und Mitarbeitersicherheit werden<br />

bei uns auch 2<strong>02</strong>3 großgeschrieben!<br />

Rückblick auf den 2. Aktionstag Second Victim<br />

Gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien, dem Wiener Gesundheitsverbund<br />

und dem Verein Second Victim veranstalteten wir am 11. Mai 2<strong>02</strong>3 den<br />

zweiten Aktionstag Second Victim im Van Swieten Saal in Wien. Dabei wurde sowohl<br />

das Phänomen Second Victim theoretisch beleuchtet als auch ein Einblick<br />

in bestehende Angebote aus der Praxis gegeben. Abgerundet wurde die Veranstaltung<br />

mit einer Podiumsdiskussion. Impressionen dazu sowie die Nachlese<br />

einiger Präsentationen finden Sie hier: www.plattformpatientensicherheit.at/<br />

bildung-2<strong>02</strong>3<br />

Patientenbeteiligung –<br />

das Motto des Internationalen<br />

Patientensicherheitstages<br />

Heuer steht beim Internationalen Tag der Patientensicherheit am 17. September<br />

2<strong>02</strong>3 die Einbeziehung und Beteiligung von Patientinnen und Patienten im Fokus.<br />

In unserer Landkarte können aber selbstverständlich auch wieder alle anderen<br />

Anstrengungen und Aktivitäten, die zur Erhöhung von Patienten- und/oder Mitarbeitersicherheit<br />

beitragen, eingetragen und somit sichtbar gemacht werden.<br />

Die orange Beleuchtung von Gesundheitseinrichtungen und anderen Gebäuden<br />

streben wir auch heuer wieder an – machen Sie mit, make it orange! Nähere Infos<br />

dazu finden Sie unter www.patientensicherheitstag.at<br />

Tagung der Österreichischen<br />

Plattform Patient:innensicherheit<br />

In Kooperation mit dem Wiener Gesundheitsverbund und dem Institut für<br />

Ethik und Recht in der Medizin findet am 13. Oktober 2<strong>02</strong>3 die Jahrestagung<br />

im Veranstaltungszentrum der Klinik Floridsdorf und online statt. Wir bieten<br />

heuer die einzige deutschsprachige Tagung zum Thema Patienten- und Mitarbeitersicherheit<br />

an und feiern dabei auch das 15-Jahr-Jubiläum der Österreichischen<br />

Plattform Patient:innensicherheit! Die Teilnahme ist kostenlos, eine<br />

Anmeldung jedoch notwendig. Im Rahmen der Tagung werden der Austrian<br />

Patient Safety Award 2<strong>02</strong>3 sowie der neu ausgelobte Journalist:innenpreis verliehen.<br />

Alle Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie unter<br />

www.plattformpatientensicherheit.at<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

19


BÜCHER<br />

HR-Strategie:<br />

Demografie als Chance<br />

Alter – Gesundheit – Diversität<br />

In vielen Unternehmen geht bis zum Ende der<br />

laufenden Dekade bis zu einem Drittel der Belegschaft<br />

in den Ruhestand. Zugleich sinkt die Zahl<br />

verfügbarer Nachwuchskräfte. Unternehmen stehen<br />

damit vor großen Herausforderungen. Dieses<br />

Buch beleuchtet in zwei wissenschaftlichen Beiträgen<br />

den Gesamtkontext und präsentiert aktuelle<br />

Forschungsergebnisse. Aus der betrieblichen<br />

Praxis unterschiedlicher Unternehmensgrößen<br />

und -branchen werden in zehn spannenden Beiträgen<br />

innovative Lösungskonzepte vorgestellt.<br />

Zudem werden konkrete Umsetzungshilfen in<br />

den Themenbereichen Demografiemanagement,<br />

Gesundheitsmanagement und Altersdiversität<br />

präsentiert und Zukunftsperspektiven entwickelt.<br />

Mit zahlreichen Best Practice-Beispielen.<br />

Erfolgreiche Teams in<br />

der Selbstorganisation<br />

Sechs Aufgaben, damit Teams<br />

arbeitsfähig werden – und welche Rolle<br />

Führung dabei spielt<br />

Dieses Grundlagenwerk hilft Teams und ihren<br />

Führungskräften, sich auf die entscheidenden<br />

Herausforderungen zu konzentrieren, damit<br />

Selbstorganisation gelingen kann – jenseits von<br />

ihrer nicht selten in der Praxis vorgenommenen<br />

Idealisierung.<br />

Es basiert auf einem Forschungsprojekt mit neun<br />

Teams und deren Führungskräften aus fünf Organisationen.<br />

Darin zeigen sich sechs Aufgabenfelder,<br />

die selbstorganisierte Teams bewältigen<br />

müssen, um funktional und arbeitsfähig zu sein:<br />

mit den Außengrenzen des Teams umgehen;<br />

den Zusammenhalt wahren und für Kontinuität<br />

Karlheinz Schwuchow / Joachim Gutmann:<br />

HR-Strategie: Demografie als Chance /<br />

Alter – Gesundheit – Diversität; Haufe-<br />

Lexware GmbH & Co. KG; www.haufegroup.<br />

com/de; ISBN: 978-3-648-16507-2<br />

Brinkmann / Schattenhofer: Erfolgreiche<br />

Teams in der Selbstorganisation – Sechs<br />

Aufgaben, damit Teams arbeitsfähig werden<br />

– und welche Rolle Führung dabei spielt;<br />

Verlag Franz Vahlen GmbH; www.vahlen.de;<br />

ISBN: 978-3-8006-6691-1<br />

Heidemarie Haeske-Seeberg: Leitfaden<br />

Qualitätsmanagement im Krankenhaus –<br />

Umsetzungshinweise entlang der Qualitätsmanagement-Richtlinie<br />

des G-BA;<br />

Kohlhammer-Verlag; www.kohlhammer.de;<br />

ISBN: 978-3-17-041576-8<br />

sorgen; der Zusammenarbeit eine Form geben;<br />

Führungsaufgaben verteilen und mit Führung<br />

umgehen; Mitgliedern als Personen einen Platz<br />

geben; Reflexion – aus den eigenen Erfahrungen<br />

lernen. Darüberhinaus werden Gestaltungsprinzipien<br />

der Teamführung vorgestellt. Denn<br />

darin sind sich die interviewten Teams und Führungskräfte<br />

einig: Selbstorganisation benötigt<br />

Führung. Sie muss präsent sein, ohne das Tun<br />

der Teammitglieder zu stoppen; sie soll stärken,<br />

ohne zu stören. Entstanden ist eine Landkarte für<br />

den Schritt in die Selbstorganisation, die Rahmenbedingungen<br />

vorstellt, die Teams und ihre<br />

Führungskräfte stärken und dabei helfen, diese<br />

bewusst und erfolgreich zu gestalten.<br />

Leitfaden Qualitätsmanagement<br />

im Krankenhaus<br />

Umsetzungshinweise entlang der Qualitätsmanagement-Richtlinie<br />

des G-BA<br />

Heidemarie Haeske-Seeberg zitiert in ihrem<br />

Handbuch alle für Krankenhäuser relevanten Bestandteile<br />

der Qualitätsmanagement-Richtlinie<br />

des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 15.<br />

September 2015 sowie die seither erschienenen<br />

Ergänzungen. Das Werk bietet für jede Anforderung<br />

kurze Hinweise und Beispiele für die Umsetzung<br />

und verfolgt dabei den Anspruch, Denkanstöße<br />

für die Interpretation der Richtlinie zu<br />

geben. Dazu verweist es an zahlreichen Stellen<br />

auf Materialien, die helfen, einzelne Anforderungen<br />

und deren Konzeption und Umsetzung zu<br />

unterstützen. Damit erschließt es auf kompakte<br />

Art und Weise einen Zugang zu relevanten und<br />

meist öffentlich zugänglichen, weiterführenden<br />

Quellen. Das Buch ist damit geeignet für den Einstieg<br />

in das Qualitätsmanagement. Es hilft aber<br />

auch, die Terminologie der Qualitätsmanagement-Richtlinie<br />

für diejenigen zu übersetzen, die<br />

sich bisher eher an der Begriffswelt der DIN EN<br />

ISO 9001 orientiert haben.<br />

20 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


BÜCHER<br />

Pharmakologie<br />

Ein Lehrbuch für Pflegeassistenzund<br />

Sozialbetreuungsberufe<br />

Der Umgang mit Arzneimitteln erfordert von allen,<br />

die in der Pflege arbeiten, große Sorgfalt<br />

und hochaktuelles Wissen. Auch Pflegeassistenz<br />

und Pflegefachassistenz sind, gemäß ihren Berufsbefugnissen,<br />

an der Verabreichung beteiligt<br />

und tragen entsprechende Mitverantwortung.<br />

Dieses Lehrbuch zur Arzneimittellehre enthält<br />

in übersichtlicher und überschaubarer Form alle<br />

für diese Berufsgruppe relevanten Informationen<br />

über unterschiedliche Medikamente, deren Lagerung,<br />

Verabreichung sowie Wirkungen und<br />

Nebenwirkungen. Ein spezieller Teil ist zudem<br />

dem Thema Diabetes gewidmet. Gegliedert nach<br />

Ausbildungsjahren, ist der Band nicht nur Unterrichtshilfe,<br />

sondern auch wertvolles Nachschlagewerk<br />

im Berufsalltag. Dazu gibt es auch eine<br />

praktische Lern-App.<br />

Monika Kogler: Pharmakologie –<br />

Ein Lehrbuch für Pflegeassistenz- und<br />

Sozialbetreuungsberufe; Facultas Verlagsund<br />

Buchhandels AG; www.facultas.at;<br />

ISBN: 978-3-7089-2332-1<br />

zentrale Themen des Managements bekommen.<br />

Sie erhalten ein Verständnis darüber, wie Managementmoden<br />

entstehen, wie sie am Leben<br />

gehalten werden, wie sie vergehen und wie man<br />

sie für eigene Vorhaben nutzen kann. Eine spannende<br />

Lektüre für alle, die im Management oder<br />

in der Unternehmensberatung arbeiten, sowie für<br />

Coaches, Product Owners, Team Leads, Scrum<br />

Masters, fürsorgliche Vorgesetze, kratzbürstige<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, schlaue Chefinnen<br />

und Chefs sowie Menschen, die Organisationen<br />

verstehen möchten.<br />

Leitsymptombasierte<br />

Notfallmedizin<br />

Akut- und Notfälle präzise diagnostizieren<br />

und richtig behandeln. Ein Wissenskompendium<br />

und Praxishandbuch.<br />

Fotos: Verlage<br />

Der ganz formale Wahnsinn<br />

111 Einsichten in die Welt der Organisationen<br />

Weswegen verschwindet zwangsläufig die Begeisterung<br />

in Start-ups, wenn sie größer werden?<br />

Warum werden bei Entscheidungen weder<br />

alle möglichen Alternativen in Betracht gezogen<br />

noch alle Folgen der Entscheidung mitbedacht?<br />

Wie schaffen es Organisationen immer wieder,<br />

von Regeln abzuweichen, ohne dass es zur Anarchie<br />

kommt? Prof. Dr. Stefan Kühl (Professor für<br />

Soziologie an der Universität Bielefeld) beschreibt<br />

in seinem neuen Buch, wie es zu dem ganz formalen<br />

Wahnsinn in Organisationen kommt. In<br />

kleinen Kolumnen – von Agilität bis Zynismus<br />

– wirft er auf unterhaltsame Weise ungewohnte<br />

Blicke auf kleine und große Absonderlichkeiten<br />

von Organisationen. So entsteht ein Handbuch,<br />

in dem Leserinnen und Leser einen organisationswissenschaftlich<br />

informierten Überblick über<br />

Stefan Kühl: Der ganz formale Wahnsinn –<br />

111 Einsichten in die Welt der Organisationen;<br />

Verlag Franz Vahlen GmbH;<br />

www.vahlen.de;<br />

ISBN: 978-3-8006-6887-8<br />

Martin Dünser / Michaela Klinglmair:<br />

Leitsymptombasierte Notfallmedizin –<br />

Akut- und Notfälle präzise diagnostizieren<br />

und richtig behandeln. Ein Wissenskompendium<br />

und Praxishandbuch. Trauner Verlag;<br />

www.trauner.at; ISBN: 978-3-99113-324-7<br />

„Leitsymptombasierte Notfallmedizin“ ist Wissenskompendium<br />

und Praxishandbuch zugleich.<br />

Es orientiert sich – wie in der Praxis gefordert<br />

– am Leitsymptom des Patienten und spiegelt<br />

dabei den typischen Ablauf der Versorgung eines<br />

Akut- bzw. Notfallpatienten wider. Schnell und<br />

einfach zum Nachschlagen: Im ersten Teil werden<br />

alle wichtigen Sofortmaßnahmen zur Behandlung<br />

unmittelbar lebensbedrohlicher Zustände in Form<br />

von kompakten, übersichtlichen Algorithmen zusammengefasst.<br />

Teil 2 gibt zu allen wichtigen Leitsymptomen<br />

einen vollständigen Überblick über<br />

die möglichen Differentialdiagnosen. Der dritte Teil<br />

beinhaltet strukturiertes Expertenwissen aller wesentlichen<br />

Verdachtsdiagnosen inkl. Anleitungen<br />

zur diagnostischen und therapeutischen Akutversorgung<br />

von Patienten mit notfall- und akutmedizinischen<br />

sowie toxikologischen Erkrankungen.<br />

„Leitsymptombasierte Notfallmedizin“ ist ein perfektes<br />

Unterstützungsmanual für alle Mediziner,<br />

die Akut- und Notfallpatienten versorgen müssen,<br />

sowie für Pflege- und Assistenzberufe der Notaufnahme.<br />

Kompaktes Wissen auf einen Blick.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

21


BÜCHER<br />

Soziologie der<br />

Unternehmung<br />

Erfolgreiche Führung und Organisation<br />

von komplexen Systemen<br />

Wilhelm Berning betrachtet in seinem Handbuch<br />

die Beschäftigten als Individuen mit eigenem<br />

unterschiedlichem, wechselhaftem Verhalten.<br />

In diesem Verhalten steckt die Ursache<br />

für das Funktionieren oder Nicht-Funktionieren<br />

von Unternehmen. Das Buch beleuchtet das<br />

menschliche Miteinander und die damit verbundenen<br />

Probleme und zeigt Handlungsmöglichkeiten<br />

auf. Dabei spielt das Thema Führung<br />

eine herausgehobene Rolle. Anhand eines idealtypischen<br />

Unternehmens mit allen erstrebenswerten<br />

Management-, Führungs- und Unternehmenswerten<br />

werden Handlungsweisen für<br />

real-existierende Unternehmen abgeleitet. Dabei<br />

bezieht sich der Autor sowohl auf Luhmanns<br />

Überlegungen zur Systemtheorie als auch<br />

auf Überlegungen zur Complexity Leadership<br />

Theory und komplexen adaptiven Systemen.<br />

Gesprächs- und<br />

Verhandlungsführung<br />

20 Konfliktsimulationen für Beratung,<br />

Training und Coaching<br />

Das Buch von Matthias Schreblowski umfasst<br />

20 Konfliktsimulationen zur Gesprächs- und<br />

Verhandlungsführung für Beratung, Training,<br />

Coaching. Mit den Simulationen können grundlegende<br />

Fähigkeiten trainiert werden, wie z.B.<br />

aktives Zuhören, verständliches Formulieren,<br />

geschicktes Fragen oder das Steuern von Gesprächen<br />

und Verhandlungen.<br />

Die Simulationen können aber auch genutzt<br />

werden, um spezielle Fertigkeiten zu üben, etwa<br />

psychologisch günstig zu argumentieren, eine<br />

Wilhelm Berning: Soziologie der<br />

Unter nehmung – Eine systemische<br />

Analyse von Organisation und Führung;<br />

Schäffer-Poeschel Verlag;<br />

www.schaeffer-poeschel.de;<br />

ISBN: 978-3-7910-58232-0<br />

Matthias Schreblowski:<br />

Gesprächs- und Verhandlungsführung –<br />

20 Konfliktsimulationen für Beratung,<br />

Training und Coaching; Schäffer-Poeschel<br />

Verlag; www.schaeffer-poeschel.de;<br />

ISBN: 978-3-7910-5829-0<br />

Christian Lagger, Clemens Sedmak:<br />

Leadership ohne Blabla – Wahrnehmen,<br />

Zuhören, Entscheiden; Molden Verlag;<br />

www.styriabooks.at/molden;<br />

ISBN: 978-3-222-15109-5<br />

positive Gesprächsatmosphäre aufzubauen und<br />

zu erhalten, Teamverhandlungen vorzubereiten<br />

und zu führen oder Grundsätze des Harvard-<br />

Konzeptes anzuwenden. Kurz gesagt: Die Simulationen<br />

sind Übungsfelder. Was die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer in den Simulationen<br />

üben bzw. erlernen, hängt von den Lernzielen<br />

im Einzelfall ab.<br />

Die Simulationen sind u. a. einsetzbar in offenen<br />

Weiterbildungsveranstaltungen, bei internen<br />

Firmentrainings und Webinaren, in Seminaren<br />

an Fachhochschulen und Universitäten und in<br />

Einzelcoachings. Die Konflikte in den Simulationen<br />

sind vielfältig und unterschiedlich komplex.<br />

Sie reichen von internen Konflikten zwischen<br />

Vorgesetzten und Mitarbeitenden in Organisationen<br />

über Konflikte zwischen Marktpartnern bis<br />

hin zu einer politischen Verhandlung zwischen<br />

zwei Ländern.<br />

Leadership ohne Blabla<br />

Wahrnehmen, Zuhören, Entscheiden<br />

Dieses Leadership-Buch von Christian Lagger<br />

und Clemens Sedmak ist anders als andere<br />

Leadership-Bücher. Es enthält Anregungen für<br />

(selbst)kritisches Nachdenken statt vermeintlicher<br />

Erfolgsrezepte. Es vermittelt Führungserfahrungen<br />

statt Führungstechniken. Und es<br />

beschreibt ein mögliches Werte-Fundament<br />

von Führung und verzichtet dafür auf das gängige<br />

Postulat von Führungsregeln. Denn wer<br />

mit Menschen arbeitet, nimmt zuallererst wahr<br />

und hört aufmerksam zu, bevor er oder sie entscheidet.<br />

Führungskräfte ohne Blabla verfügen<br />

neben der fachlichen auch über kognitive und<br />

emotionale Intelligenz, verknüpfen Führung mit<br />

Selbstführung, sind mutig und vor allem demütig.<br />

Denn echtes Leadership ist kein Selbstverwirklichungsprogramm,<br />

sondern dient einer<br />

sinnvollen Sache.<br />

Fotos: Verlage<br />

22 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


FÜHRUNG VERSTEHEN<br />

Metakognition<br />

Dieses Thema ergibt sich aus einem Problem,<br />

das Führung ganz besonders betrifft.<br />

Wer heute führt, muss imstande sein, aus<br />

dem unaufhörlichen „Rauschen“, aus dem<br />

Organisationen letztlich bestehen, die relevanten<br />

Informationen zu gewinnen. Relevant<br />

heißt: Den Unterschied erkennen, der einen<br />

Unterschied macht. Und Rauschen, ein Begriff<br />

aus der Nachrichtentechnik, bezeichnet<br />

die Überfülle unspezifischer Signale, die den<br />

Empfänger entweder einlullen oder ihn in<br />

die mentale Erschöpfung treiben können.<br />

Um dieses Rauschen zu bewältigen oder gar<br />

zu meistern, braucht es die anspruchsvolle<br />

Fähigkeit, das eigene Denken zu regulieren:<br />

Metakognition oder überlegtes Denken.<br />

Dazu gehört zunächst einmal ein Wissen<br />

darüber, was man als Führungskraft aus<br />

der ständigen Signalflut tatsächlich auszuwählen<br />

hat, und wann und wie die gewonnenen<br />

Informationen am zweckmäßigsten<br />

einzusetzen sind. Hinzu kommt die Bereitschaft,<br />

über die eigenen Denkprozesse zu<br />

reflektieren. Wie komme ich in meiner Führungstätigkeit<br />

vorwiegend zu Erkenntnissen<br />

– rasch und mühelos, angestrengt und<br />

kontrolliert, spontan und intuitiv, abwartend<br />

und zweifelnd, mithilfe von Logik oder durch<br />

Daumenregeln? Metakognition ist eine Bewertungsinstanz.<br />

Mit ihr werden gewohnte<br />

Denkmuster offengelegt, auf ihre Wirksamkeit<br />

geprüft und – wenn sinnvoll – durch<br />

zweckmäßigere ersetzt.<br />

Oft liest oder hört man, unser Gehirn sei ein<br />

fehleranfälliges Organ, sonst gäbe es nicht<br />

so viele Sinnestäuschungen. Das Wort „Fehler“<br />

unterstellt, dass es eine objektiv wahre<br />

Welt gibt, die das Gehirn gefälligst präzise<br />

abzubilden hat. Das Gegenteil ist der Fall.<br />

Wir haben Landkarten und nicht die Landschaft<br />

im Kopf. Die Landkarten sollen uns<br />

einigermaßen verlässlich durch den Alltag<br />

lenken. Sie entstehen, indem wir die vielfältigen<br />

Eindrücke von der Welt durch unsere<br />

Erfahrungen, Einstellungen, Vorlieben, Werte<br />

und Glaubenssätze filtern. Durch diese Verengung<br />

unserer Kognition entgehen uns oft<br />

Bilder, die passender oder nützlicher gewesen<br />

wären als die tatsächlich erfahrenen.<br />

Das Erkannte ist nicht falsch, es ist verzerrt.<br />

Beispiele für solche kognitiven Verzerrungen<br />

gibt es zuhauf. So neigen wir zum Beispiel<br />

dazu, uns für eine höhere Zahl zu entscheiden,<br />

wenn wir zuvor bereits mit hohen Zahlen,<br />

auch in einem ganz anderen Kontext,<br />

konfrontiert waren. Wir beharren störrisch<br />

auf einer Annahme, obwohl neue Informationen<br />

dagegensprechen. Im ungeordneten<br />

Rauschen von Signalen erkennen wir Muster,<br />

die einer Überprüfung gar nicht standhalten.<br />

Wir glauben hartnäckig, den Zufall<br />

beeinflussen zu können, obwohl wir gerade<br />

eine Kette von negativen Ergebnissen zu<br />

verkraften hatten. Wir wählen aus mehreren<br />

Informationen jene aus, die unsere Erwartungen<br />

bestätigen – und so fort.<br />

Krönung der Metakognition ist die Fähigkeit<br />

des Entlernens, Leerwerdens oder Zurückspulens.<br />

„Man entdeckt keine neuen Weltteile,<br />

ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus<br />

den Augen zu verlieren“, schrieb André Gide.<br />

Und der Ökonom John Maynard Keynes ergänzt:<br />

„Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr<br />

in den neuen Gedanken als in der Befreiung<br />

von den alten.“ Statt von Gedanken sprechen<br />

wir heute von mentalen Modellen. Sie<br />

haben sich oft radikal überholt und beherrschen<br />

dennoch hartnäckig unser Denken. In<br />

drei Schritten können wir uns dieser mentalen<br />

Modelle entledigen und Platz für neues<br />

Denken schaffen.<br />

Erstens, sich mit Menschen zusammenzutun,<br />

die völlig konträr an Probleme herangehen<br />

und dafür Lösungen entwickeln.<br />

Dies zwingt zum Hinterfragen des eigenen<br />

Tuns. Im nächsten Schritt sich bestimmte<br />

gewohnte Denk- und Vorgehensweisen<br />

verbieten („Nein, so mache ich das ab sofort<br />

nicht mehr!“). Und anschließend altes<br />

Wissen entsorgen, indem alle Quellen dafür<br />

– persönliche Kontakte, Handbücher,<br />

Softwareprogramme, technische Hilfsmittel<br />

etc. – trockengelegt oder eliminiert werden.<br />

Wie schwierig, aber beileibe nicht unmöglich,<br />

Entlernen sein kann, zeigt das Beispiel<br />

Radfahren. Es gehört zum prozeduralen Wissen<br />

und bleibt uns an sich ein Leben lang<br />

erhalten. Durch Üben mit einem verrückten<br />

Fahrrad („Backwards Brain Bicycle“) – wenn<br />

ich nach links lenke, so steuert das Rad nach<br />

rechts und umgekehrt – gelingt es, das Gehirn<br />

auszutricksen und eine fest verwurzelte<br />

Fähigkeit zu entlernen.<br />

Foto: © privat<br />

AO. UNIV.-PROF. DR. HEINZ K. STAHL<br />

Forschungspartner<br />

des Zentrums für<br />

systemische<br />

Forschung und Beratung,<br />

Heidelberg<br />

info@hks-research.at<br />

www.hks-research.at<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

23


NEUES<br />

Foto: © BBraun<br />

Erster Pflegedienst Österreichs<br />

nach dem ICW-Wundsiegel zertifiziert<br />

Gabriele Schneider, Madeleine Gerber (beide ICW),<br />

Peter Kurz, Friedrich Thomasberger<br />

Das ICW-Wundsiegel ® ist ein Qualitätssiegel für spezialisierte<br />

Gesundheitseinrichtungen, die Patienten mit chronischen und<br />

schwer heilenden Wunden behandeln. Die mit dem ICW-Wundsiegel<br />

® zertifizierten Wundzentren müssen nachweisen, dass sie<br />

die strukturellen und fachlichen Anforderungen an die Behandlung<br />

und Versorgung erfüllen und über ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem<br />

verfügen.<br />

Die Anforderungen sind in Erhebungsbögen mit Qualitätskriterien<br />

zusammengefasst. Bei der Festlegung der Qualitätsindikatoren<br />

spielen Leitlinien eine wichtige Rolle. Bewertet werden u.a. die<br />

Führung des Wundzentrums, das unterstützende Netzwerk – z.B.<br />

Fachärzte und Diagnostikeinrichtungen – sowie der laufende Betrieb.<br />

Besonderes Augenmerk wird auch auf die kontinuierliche<br />

Verbesserung der Prozesse gelegt.<br />

Das WPM Wundzentrum Bad Pirawarth wurde Anfang des Jahres<br />

auditiert und erreichte in den insgesamt 44 Prüfkriterien auf Anhieb<br />

mehr als die für die Zertifizierung notwendigen Punkte. Auch<br />

wurden die Qualitätsziele beeindruckend übertroffen. So konnte<br />

z.B. eine NPS (Net Promotor Score) von 83 % erreicht werden<br />

(>80 = hervorragend). In weiterer Folge ist für Herbst 2<strong>02</strong>4 ein<br />

Überwachungsaudit geplant. Die Rezertifizierung findet dann wieder<br />

im Jahr 2<strong>02</strong>6 statt.<br />

Impressum nach § 24 MedienG: Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: Springer-Verlag GmbH, Prinz-Eugen-Straße 8-10, 1040 Wien; T: +43(0)1/330 24 15-0,<br />

F: +43(0)1/330 24 26, E: springer@springer.at, Web: www.gesundheitswirtschaft.at. Geschäftsführung: Dr. Alois Sillaber, Joachim Krieger, Juliane Ritt. Chefredakteur:<br />

Mag. Roland Schaffler, schaffler@iqm.at. Anzeigen: Michaela Pfeffinger, michaela.pfeffinger@springer.at. Druck: F&W Mediencenter GmbH, Kienberg. Grafik: Ad-Ventures,<br />

Graz. Auf die Hinzufügung der jeweiligen weiblichen Formulierungen wird bei geschlechtsspezifischen Hinweisen im Sinne der flüssigen Lesbarkeit und einer angemessenen<br />

Sprachqualität zum Teil verzichtet. Alle personalen Begriffe sind sinngemäß geschlechtsneutral zu lesen. Weitere Informationen und Offenlegung nach § 25<br />

MedienG: www.gesundheitswirtschaft.at „Impressum“. Datenschutzerklärung: www.gesundheitswirtschaft.at/datenschutzerklaerung<br />

24 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


NEUES<br />

IQM Mitgliedskrankenhäuser<br />

veröffentlichen Qualitätsergebnisse<br />

Unter dem Motto „konsequent transparent<br />

– medizinische Behandlungsqualität<br />

im Fokus“ veröffentlichten rund 500 IQM<br />

Mitgliedskrankenhäuser am 24.05.2<strong>02</strong>3<br />

ihre Qualitätsergebnisse für das Jahr 2<strong>02</strong>2.<br />

„Von Krankenhäusern wird zurecht die<br />

bestmögliche medizinische Versorgung erwartet.<br />

Mit der Initiative Qualitätsmedizin<br />

(IQM) wollen wir eine hochwertige Behandlungsqualität<br />

auch bei zunehmenden Patientenzahlen<br />

und trotz Fachkräftemangels<br />

sicherstellen und weiter verbessern – heute<br />

und in Zukunft“, sagt Axel Ekkernkamp,<br />

kommissarischer Vorsitzender von IQM,<br />

an deren Qualitätssicherungssystem sich<br />

inzwischen rund 500 Krankenhäuser in<br />

Deutschland und der Schweiz beteiligen.<br />

Um eine kontinuierliche Verbesserung von<br />

Prozessen zu erreichen, setzt die Initiative<br />

auf die transparente Veröffentlichung von<br />

nicht manipulierbaren, sogenannten Routinedaten.<br />

Für das Jahr 2<strong>02</strong>2 haben die<br />

Kliniken jetzt ihre Qualitätsdaten vorgelegt.<br />

Die Ergebnisse werden auf Grundlage<br />

der German Inpatient Quality Indicators<br />

(G-IQI) bzw. der Swiss Inpatient Quality<br />

Indicators (CH-IQI) berechnet. Sie ermöglichen<br />

einen Vergleich mit dem Bundesreferenzwert,<br />

jedoch ohne ein öffentliches<br />

Ranking der IQM Mitgliedskrankenhäuser.<br />

„Nach außen sind die IQM Ergebnisse<br />

dem Fachpublikum sowie der breiten Öffentlichkeit<br />

eine transparente und neutrale<br />

Informationshilfe in Bezug auf die Qualität<br />

der medizinischen Versorgung. Nach innen<br />

sind sie der Motor zur kontinuierlichen<br />

Verbesserung, beispielsweise durch Peer<br />

Reviews“, so Jörg Martin, 1. Direktor – öffentlich-rechtliche<br />

Trägergruppe.<br />

Für die teilnehmenden Krankenhäuser<br />

sind die Qualitätsergebnisse Aufgreifkriterien<br />

für die Durchführung von Peer Reviews.<br />

Das interdisziplinäre und auf kollegialen<br />

Austausch fokussierte Verfahren<br />

identifiziert Optimierungspotenziale bei<br />

der Behandlung im IQM Mitgliedskrankenhaus,<br />

die am Ende in einem Maßnahmenplan<br />

zur kontinuierlichen Verbesserung<br />

der medizinischen Behandlungsqualität<br />

festgehalten werden. Allein in den vergangenen<br />

6 Monaten konnten nach der<br />

Pandemie bereits wieder knapp 50 Peer<br />

Reviews durchgeführt werden. Mit diesen<br />

Bemühungen zeigen die Mitgliedskrankenhäuser,<br />

dass sie auch weiterhin am<br />

kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />

festhalten wollen und werden.<br />

Quelle, weitere Informationen sowie Gesamtergebnisse<br />

der IQM Mitgliedskrankenhäuser:<br />

www.initiative-qualitaetsmedizin.de<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

25


NEUES<br />

IGeL-Report 2<strong>02</strong>3<br />

Selbstzahlerleistungen in der Arztpraxis weiterhin<br />

fragwürdig − Patientinnen und Patienten müssen<br />

besser informiert werden<br />

negativ“, „negativ“ oder „unklar“ ab. Für<br />

den Nutzen gibt es meistens keine ausreichende<br />

Evidenz. Keine dieser Leistungen<br />

konnte mit „positiv“ bewertet werden, mit<br />

„tendenziell positiv“ schneiden lediglich 2<br />

Selbstzahlerleistungen ab.<br />

Der IGeL-Monitor hat zum vierten Mal<br />

Versicherte zu Individuellen Gesundheitsleistungen<br />

(IGeL) und zum Umgang damit<br />

in den ärztlichen Praxen befragt. Das<br />

Geschäft mit diesen Verkaufsangeboten<br />

läuft auf hohem Niveau. Zu den Top-Sellern<br />

gehören IGeL, die nachweislich mehr<br />

schaden als nützen. Patientenrechte werden<br />

oft nicht beachtet. Die gestiegene<br />

Nachfrage durch junge Patientinnen und<br />

Patienten gibt Anlass zur Sorge – viele<br />

wissen wenig über Nutzen und Schaden<br />

von IGeL.<br />

In einer repräsentativen Befragung hat<br />

der IGeL-Monitor für seinen IGeL-Report<br />

2<strong>02</strong>3 knapp 6.000 Versicherte im Alter von<br />

20 bis 69 Jahren befragt. Die Bekanntheit<br />

von IGeL ist unverändert groß: Fast 80<br />

Prozent der Befragten gaben an, Selbstzahlerleistungen<br />

zu kennen. Nur gut jeder<br />

Vierte (28 Prozent) weiß, dass es verbindliche<br />

Regeln beim Verkauf von IGeL in der<br />

Praxis gibt. Dazu gehört, dass Patientinnen<br />

und Patienten über den wahrscheinlichen<br />

Nutzen und mögliche Risiken oder<br />

Schäden durch die Leistung aufzuklären<br />

sind. Über den Nutzen wurden 78 Prozent<br />

informiert, über mögliche Schäden nur<br />

56 Prozent. Fast jeder Fünfte (18 Prozent)<br />

gibt sogar an, dass seine Behandlung mit<br />

einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL<br />

abhängig gemacht wird.<br />

Die Top 10 der am meisten verkauften<br />

Selbstzahlerleistungen sind im Vergleich<br />

zum IGeL-Report 2<strong>02</strong>0 nahezu unverändert:<br />

Ultraschalluntersuchungen der<br />

Eierstöcke und der Gebärmutter zur<br />

Krebsfrüherkennung sowie verschiedene<br />

Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen,<br />

zusätzlicher Abstrich zur Früherkennung<br />

von Gebärmutterhalskrebs,<br />

der PSA-Test zur Früherkennung von<br />

Prostatakrebs, zusätzliche Hautkrebsscreenings,<br />

zusätzliche Ultraschalluntersuchungen<br />

in der Schwangerschaft,<br />

Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung<br />

und Untersuchungen des Blutbilds.<br />

Ultraschall der Eierstöcke am<br />

meisten verkauft − obwohl der<br />

Schaden überwiegt<br />

Der Ultraschall zur Krebsfrüherkennung<br />

der Eierstöcke und der Gebärmutter wurde<br />

nach der Befragung am meisten verkauft.<br />

Die Leistung bewertet der IGeL-Monitor<br />

mit „negativ“ und „tendenziell negativ“.<br />

Denn bei dieser Untersuchung kann es<br />

häufig zu falsch-positiven Befunden und<br />

dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen<br />

und Eingriffen kommen, die erheblich<br />

schaden können. „Die oft jungen<br />

Frauen werden völlig unnötig in Angst und<br />

Schrecken versetzt. Die Untersuchung<br />

hat als Früherkennung keinen Nutzen; sie<br />

kann aber definitiv schaden und wird deshalb<br />

auch von den gynäkologischen Fachgesellschaften<br />

abgelehnt. Diese Leistung<br />

dürfte überhaupt nicht mehr angeboten<br />

werden, wenn man Patientensicherheit<br />

ernst nimmt“, sagte Stefan Gronemeyer,<br />

Vorstandsvorsitzender des Medizinischen<br />

Dienstes Bund.<br />

Die Gesamtbilanz der IGeL<br />

überzeugt nicht – die Evidenz<br />

ist meistens dünn<br />

Aber auch bei den anderen Selbstzahlerleistungen<br />

sind Zweifel angebracht. Das<br />

Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors<br />

bewertet seit über zehn Jahren evidenzbasiert<br />

den Nutzen und Schaden von Individuellen<br />

Gesundheitsleistungen und bereitet<br />

die Informationen für die Versicherten<br />

laienverständlich auf. Ziel ist es, den Patientinnen<br />

und Patienten eine wissensbasierte<br />

Entscheidungshilfe anzubieten.<br />

Der IGeL-Monitor hat 55 IGeL bewertet<br />

– 53 Leistungen schließen mit „tendenziell<br />

Bewertungen stehen im Einklang<br />

mit medizinischen Leitlinien<br />

Das Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors<br />

wertet bei der Analyse des Nutzenund<br />

Schadenpotenzials nicht nur wissenschaftliche<br />

Studien aus, sondern gleicht<br />

seine Ergebnisse auch mit internationalen<br />

Leitlinien ab. Leitlinien sind evidenzbasierte<br />

Empfehlungen zu medizinischen Maßnahmen,<br />

die von den Fachgesellschaften<br />

konsentiert werden und die Ärztinnen und<br />

Ärzte sowie Patientinnen und Patienten<br />

bei der Entscheidungsfindung unterstützen<br />

sollen. Der IGeL-Monitor hat seine Bewertungen<br />

zu den Top 10 der am meisten<br />

verkauften IGeL aktuell mit den Empfehlungen<br />

in den Leitlinien abgeglichen: Sie<br />

stehen damit in Einklang.<br />

Junge Patientinnen und Patienten<br />

besser informieren<br />

Die Bekanntheit von IGeL hat bei den jüngeren<br />

Patientinnen und Patienten deutlich<br />

zugenommen. Beim IGeL-Report 2<strong>02</strong>3<br />

gaben 73 Prozent der 20- bis 39-Jährigen<br />

an, IGeL zu kennen; 2<strong>02</strong>0 waren es 63<br />

Prozent. Jeder Zweite schätzte dabei die<br />

Leistungen als wichtig für den Erhalt der<br />

Gesundheit ein. Diese Altersgruppe ist<br />

auch bereit, dafür Geld auszugeben, und<br />

nutzt Pauschal- und Kombiangebote in<br />

den Praxen, bei denen mehrere Leistungen<br />

zu einem vergünstigten Paketpreis<br />

angeboten werden. Das ist eine deutliche<br />

Veränderung: Vor einigen Jahren<br />

wurden IGeL vor allem an Versicherte ab<br />

50 Jahren verkauft. Inzwischen werden<br />

die IGeL immer häufiger auch an jüngere<br />

Menschen verkauft. Das zeigt, dass es<br />

sehr wichtig ist, junge Menschen besser<br />

abzuholen und zielgruppengerecht zu informieren.<br />

Quelle: Medizinischer Dienst Bund,<br />

IGeL-Monitor, www.igel-monitor.de<br />

26 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


NEUES<br />

Die Simulationsfläche des Living Lab<br />

ergänzt mit Augmented Reality.<br />

Foto: © Ramon Lehmann<br />

Swiss Center for Design and Health<br />

Das Swiss Center for Design and Health<br />

(SCDH) in Nidau ist das jüngste nationale<br />

Technologiekompetenzzentrum. An der<br />

Schnittstelle von Design und Gesundheit<br />

entwickelt es Lösungen und Standards für<br />

aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen.<br />

Das Living Lab ist das Herzstück des als<br />

Public-Private-Partnership gegründeten<br />

nationalen Technologiekompetenzzentrums.<br />

An der Schnittstelle von Design und<br />

Gesundheit verbindet es interdisziplinäre<br />

Forschung und Privatwirtschaft mit dem<br />

Blick auf den Wissens- und Technologietransfer.<br />

Ziel des Zentrums sind die Entwicklung<br />

und Implementierung nachhaltiger<br />

Lösungen und Standards für aktuelle<br />

Herausforderungen im Gesundheitswesen.<br />

Hierzu gehören beispielsweise die<br />

steigenden Gesundheitskosten, der Fachkräftemangel<br />

und der Anpassungsdruck<br />

von Räumen und Architektur an physisches<br />

und psychisches Wohlbefinden<br />

oder gesteigerte ökologische Ansprüche.<br />

Pläne und Räume im Maßstab 1:1<br />

evaluieren und optimieren<br />

Das Living Lab als schweizweit größte Extended-Reality-Simulationsfläche<br />

und die<br />

Musterzimmer bieten eine Planungs- und<br />

Simulationsplattform. Auf der 560 Quadratmeter<br />

großen Fläche können Grundrisse<br />

komplexer Bauvorhaben im Maßstab 1:1<br />

projiziert, mit Leichtbauwänden und Mobiliar<br />

ergänzt und mit Augmented-Reality<br />

erlebbar gemacht werden. Auf weiteren<br />

300 Quadratmetern können Musterzimmer<br />

für Institutionen wie Krankenhäuser oder<br />

Pflegeeinrichtungen probeweise gestaltet<br />

und eingerichtet werden. Damit werden<br />

Materialen geprüft und Faktoren rund um<br />

Licht, Farbe, Akustik oder Haptik gemessen.<br />

Beide Simulationen ermöglichen es,<br />

in einer frühen Projektphase Fehler zu vermeiden<br />

und Prozesse zu optimieren. Die<br />

Beteiligten können in die Planung involviert<br />

werden. Das gibt beispielsweise bei Bauprojekten<br />

mehr Planungssicherheit und<br />

hilft Kosten zu sparen.<br />

Quelle: Gemeinsame Medienmitteilung<br />

des Kantons Bern und des<br />

Swiss Center for Design and Health.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

27


NEUES<br />

Ende der Pandemie: Eine offene, kritische und<br />

konstruktive „Nachbesprechung“ ist unverzichtbar<br />

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie.<br />

Die Pandemie ist das Brennglas, das Mängel<br />

im System überdeutlich zeigt. Oder –<br />

die Pandemie ist die größte Herausforderung<br />

für Land und Gesellschaft seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg. Diese und ähnliche<br />

Aussagen begleiten uns seit März 2<strong>02</strong>0<br />

und fordern eigentlich unabdingbar eine<br />

intensive Aufarbeitung des Umgangs mit<br />

dem Verlauf der letzten drei Jahre, sowohl<br />

mit dem medizinischen und virologischen<br />

Fortgang wie auch vor allem mit Nutzen<br />

und Schaden der diversen Maßnahmen.<br />

Umso erstaunlicher, wie unterschiedlich<br />

in den Ländern und Gesellschaften damit<br />

umgegangen worden ist. Von der expliziten<br />

Verweigerung, um nicht in einem<br />

Kampf um die Deutungshoheit zu landen,<br />

bis hin zu einer bereits während der Pandemie<br />

begonnenen Aufarbeitung ist alles<br />

zu beobachten. Und das mit allen bekannten<br />

Schwachpunkten wie der Evaluation<br />

durch Kommissionen und Projekte mit<br />

den gleichen Personen, die zuvor tragende<br />

Rollen in der Politikberatung während<br />

der Pandemie hatten. Oder auch die Verlagerung<br />

in Projekte, deren Ergebnisse bei<br />

Erscheinen vorhersagbar niemanden mehr<br />

interessieren und im politischen Tagesgeschäft<br />

untergehen.<br />

Gerade wegen der großen Einigkeit – über<br />

fast alle Interessengruppen hinweg – betreffend<br />

weitere Pandemien in der Zukunft<br />

erscheint die Aufarbeitung nicht nur wünschenswert,<br />

sondern geradezu unvermeidlich.<br />

Diese Situation und ihre Komplexität<br />

wurde sehr konzise in einem offenen<br />

Brief beschrieben, der mit 44 Erstunterzeichnern<br />

am 20. April 2<strong>02</strong>3 veröffentlicht<br />

wurde und seitdem für weitere Unterstützung<br />

durch Unterschriften im Internet zugänglich<br />

ist (pandemieaufarbeitung.net).<br />

Das Besondere an diesem Brief ist, dass<br />

er – sowohl durch die Erstunterzeichner<br />

wie auch durch die weiteren Unterstützer<br />

– in der Thematisierung über die übliche,<br />

beschränkte virologisch-medizinischen<br />

Perspektive hinausgeht und konsequent<br />

die gesamtgesellschaftliche Betrachtung<br />

einmahnt:<br />

„Eine offene, kritische und konstruktive<br />

‚Nachbesprechung‘ ist unverzichtbarer<br />

Teil eines jeden professionellen Krisenmanagements.<br />

Dabei ist neben dem objektiven<br />

Lernprozess auch die integrative<br />

Wirkung einer offenen Debatte auf die<br />

Zivilgesellschaft wesentlich. Hierzu gehört<br />

ein sachlicher Austausch unterschiedlicher<br />

Standpunkte als zentrales Merkmal<br />

einer demokratischen Diskussions- und<br />

Lösungskultur.“ Damit greift der Brief<br />

einen der zentralen Schwachpunkte der<br />

letzten drei Jahre auf: den Fokus auf den<br />

engen, nur auf die gesundheitlichen Gefahren<br />

und Lebensgefahr durch das Virus<br />

beschränkten vermeintlichen Nutzen der<br />

Maßnahmen zu legen. Bewertungen von<br />

Maßnahmen fußen immer auf der Abwägung<br />

zwischen Nutzen und Schaden unter<br />

Berücksichtigung der Kosten. Jahrzehnte<br />

der Entwicklung der HTA-Methodik haben<br />

dafür ein Fundament entwickelt, das genutzt<br />

werden sollte und muss.<br />

Quelle: Gerd Antes, ehemaliger Leiter<br />

des Deutschen Cochrane Zentrums,<br />

Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-<br />

Universität Freiburg, Editorial des HTA Austria<br />

Newsletters Mai 2<strong>02</strong>3. aihta.at<br />

Wege zur Entlastung<br />

der Pflege<br />

Immer mehr Menschen haben Anspruch auf Leistungen aus der<br />

sozialen Pflegeversicherung: Zwischen 2016 und 2<strong>02</strong>1 ist die Zahl<br />

der pflegebedürftigen Menschen von 3,1 Millionen auf 5 Millionen<br />

gestiegen. Voraussetzung für den Bezug von Pflegeleistungen<br />

ist die Pflegebegutachtung beim Medizinischen Dienst. Die<br />

Begutachtungszahlen des Medizinischen Dienstes sind von 1,8<br />

Millionen im Jahr 2016 auf 2,6 Millionen in 2<strong>02</strong>2 gestiegen − Tendenz<br />

weiter steigend. Durch den Fachkräftemangel stehen jedoch<br />

immer weniger Pflegefachkräfte für die Begutachtung zur Verfügung.<br />

Um die Pflegebegutachtung und damit die Versorgung<br />

der Pflegebedürftigen zeitnah gewährleisten zu können, ist eine<br />

Flexibilisierung der Begutachtungsformate notwendig, sodass in<br />

bestimmten Fällen neben der Begutachtung im Hausbesuch auch<br />

das strukturierte Telefoninterview und die Videobegutachtung eingesetzt<br />

werden können. Ein wichtiger Schritt, um die Versorgung<br />

im demografischen Wandel sicherzustellen.<br />

Zur Verabschiedung des Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung<br />

in der Pflege (PUEG) am 26. Mai erklärt Carola Engler,<br />

stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes<br />

Bund: „Der Medizinische Dienst Bund begrüßt ausdrücklich,<br />

dass mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz die<br />

Möglichkeit geschaffen wird, in bestimmten Fällen die Pflegebegutachtung<br />

mittels strukturierten Telefoninterviews zu ermöglichen.<br />

Dies ist ein wichtiger Schritt, um für die Versicherten auch<br />

in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels<br />

den zeitnahen Zugang zu Pflegeleistungen sicherstellen<br />

zu können.<br />

Quelle: Pressemitteilung Medizinischer Dienst Bund, www.md-bund.de<br />

28 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


NEUES<br />

Sektorenübergreifende Patientenbefragung:<br />

Ergebnisbericht 2<strong>02</strong>2<br />

EMA<br />

annual report 2<strong>02</strong>2<br />

Mit dem Bundes-Zielsteuerungsvertrag 2013 wurde die Erhebung der Zufriedenheit<br />

der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem beschlossen.<br />

Die regelmäßige Durchführung von sektorenübergreifenden Befragungen<br />

zur Patientensichtweise in Hinblick auf die Leistungen im Gesundheitswesen<br />

ist im laufenden Bundes-Zielsteuerungsvertrag verankert.<br />

Patientinnen und Patienten sind wichtige Informationsträger im Gesundheitswesen,<br />

da sie Stärken, Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten<br />

über Sektorengrenzen hinweg wahrnehmen und diese aus ihrer Sichtweise<br />

beurteilen. Die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden, bieten<br />

die Möglichkeit, konkrete Maßnahmen abzuleiten, die zu einer kontinuierlichen<br />

Optimierung des gesamten Versorgungsprozesses führen und damit<br />

dazu beitragen, die Qualität des österreichischen Gesundheitswesens<br />

weiter zu steigern.<br />

Schwerpunkt der von der GÖG in Kooperation mit Bund, Ländern und<br />

Sozialversicherung entwickelten Befragung ist die Erhebung der Patientensicht<br />

zu den Prozessen innerhalb der einzelnen Versorgungsbereiche<br />

sowie insbesondere zu den Abläufen zwischen dem ambulanten und dem<br />

stationären Gesundheitsversorgungsbereich.<br />

Methodischer Hintergrund<br />

Der Fragebogen, der bereits im Jahr 2015 zum Einsatz kam, wurde im<br />

Vorfeld der Befragung 2<strong>02</strong>2 teilweise sprachlich vereinfacht bzw. wurden<br />

Antwortoptionen geschärft. Weiters wurden zwei Fragen zum Thema CO-<br />

VID-19 ergänzt. Die Befragung 2<strong>02</strong>2 wurde wie im Jahr 2015 schriftlich<br />

durchgeführt, die Fragebogen wurden auf dem Postweg versandt. Die Patientinnen<br />

und Patienten konnten den Fragebogen entweder postalisch<br />

retournieren oder online ausfüllen. Insgesamt konnte bei 10.001 ausgesandten<br />

Fragebögen eine Stichprobe von 2.306 Patientinnen und Patienten<br />

erzielt werden, das entspricht einem Rücklauf von 23 Prozent.<br />

Ergebnisse<br />

Alle Ergebnisse sind im Ergebnisbericht (Download unter https://jasmin.<br />

goeg.at/id/eprint/2772) dargestellt und interpretiert. Die Mitbestimmung<br />

des Termins zur Aufnahme finden 60,2 % der Befragten für ausreichend.<br />

Die Einbeziehung in Entscheidungen über die eigene Behandlung findet<br />

bei 90,1 % Zustimmung. Die Verständlichkeit der Informationen wird von<br />

95,5 % der Befragten bestätigt, die Einbeziehung in Entscheidungen zur<br />

weiteren Behandlung zu 94,2 %. Die Zusammenarbeit der Gesundheitsdienstleister<br />

wird zu 87 % als gut eingeschätzt. Den Wunsch nach einer<br />

professionellen Ansprechperson für die Koordination der Behandlung bzw.<br />

Betreuung unterstreichen dennoch 80,7 %.<br />

Quelle: BMSGPK (2<strong>02</strong>3): Sektorenübergreifende Patientenbefragung. Ergebnisbericht<br />

2<strong>02</strong>2. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Wien<br />

EMA published its annual report 2<strong>02</strong>2 on May 15.<br />

The report provides an overview of the Agency’s<br />

activities to protect and promote public and<br />

animal health in the European Union (EU).<br />

The digital report outlines the most important<br />

highlights regarding the evaluation and monitoring<br />

of human and veterinary medicines and a selection<br />

of key figures. It also contains an interactive<br />

timeline of important milestones in 2<strong>02</strong>2, with<br />

advanced functionalities that allow readers to<br />

explore each topic in more depth by accessing<br />

additional documents, audio-visual materials and<br />

infographics.<br />

Ongoing and newly emerging public health emergencies<br />

remained a key focus area of EMA and its<br />

partners within the European medicines regulatory<br />

network in 2<strong>02</strong>2. Based on EMA’s scientific assessments,<br />

new vaccines and treatment options<br />

were added to the EU’s arsenal in the fight against<br />

COVID-19. When an outbreak of the mpox (monkeypox)<br />

virus brought an additional challenge to<br />

public health, the crisis preparedness tools established<br />

in the context of the Agency’s extended<br />

mandate were put to use, ensuring a coordinated<br />

EU response. The report includes an overview of<br />

EMA’s recommendations on vaccines and treatments<br />

for COVID-19 and for mpox. In addition, it<br />

highlights the Agency’s activities carried out to implement<br />

the EU regulation reinforcing EMA’s role in<br />

crisis preparedness and management for medicinal<br />

products and medical devices.<br />

EMA’s annual report also draws attention to other<br />

major achievements of the Agency, high-impact<br />

activities and challenges in 2<strong>02</strong>2. These include<br />

the implementation of the Clinical Trials Regulation,<br />

which entered into application in January 2<strong>02</strong>2, as<br />

well as the successful launches of the Clinical Trials<br />

Information System (CTIS) and the Accelerating<br />

Clinical Trials in the EU (ACT EU) initiative, which<br />

are remodelling the way clinical trials in Europe<br />

are initiated, designed and run. Additionally, the<br />

report presents EMA’s initiatives aimed at driving<br />

transformation in regulatory decision-making by<br />

building capability and capacity in the analysis<br />

and use of data and real-world evidence.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

29


NEUES<br />

Foto: © EKH/Hude<br />

Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt<br />

als europäisches Wundzentrum zertifiziert<br />

Das Team des Wundzentrums<br />

Als erstes Krankenhaus in Österreich und erst dritte Klinik in Europa<br />

ist das Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt jetzt auch ein<br />

zertifiziertes Wundzentrum der „European Wound Management<br />

Association (EWMA)“. Bei der Behandlung von Patienten mit<br />

chronischen Wunden werden die Erfahrung der Beteiligten und<br />

die wissenschaftlichen Erkenntnisse der modernen Wundversorgung<br />

intensiv genutzt.<br />

Die Anerkennung ist eine Bestätigung der hohen Versorgungsqualität<br />

von akuten und chronischen Wunden und gleichzeitig eine<br />

Verpflichtung zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität,<br />

stets nach den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese<br />

Zertifizierung unterliegt regelmäßigen Kontrollen, welche alle<br />

drei Jahre durchgeführt werden und so dazu beitragen, die Qualität<br />

immer auf höchstem Niveau zu halten.<br />

Geleitet wird das frisch zertifizierte Wundzentrum von Jurij<br />

Gorjanc, Leiter der Allgemeinchirurgie am Elisabethinen-Krankenhaus<br />

Klagenfurt. Der Präsident der Europäischen Wundgesellschaft<br />

EWMA, Sebastian Probst, persönlich überbrachte dem interdisziplinären<br />

Team mit zertifizierten Wundmanagern der Pflege<br />

seine Glückwünsche zur erfolgreichen Zertifizierung. „Die Wundversorgung<br />

ist ein gemeinsames Anliegen vieler Disziplinen. Dank<br />

des multidisziplinären Ansatzes werden alle Aspekte der Wundbehandlung<br />

in einen umfassenden Behandlungsplan eingebunden,<br />

die dann dem Patienten und dem gesamten Gesundheitssystem<br />

zugute kommen.“<br />

Ganzheitliche Behandlung<br />

Bereits seit Jahren befasst sich das interdisziplinäre Team der<br />

Wundambulanz um Christiane Dreschl intensiv mit chronischen<br />

Wunden und hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit fachgerechter<br />

Versorgung und den richtigen Therapiemaßnahmen den Heilungsprozess<br />

optimal in Gang zu setzen.<br />

Diese ganzheitliche Behandlung erfolgt im Wundzentrum fächerübergreifend.<br />

Dazu zählt auch eine umfassende Aufklärung der<br />

Erkrankten und begleitende Beratung bei sozialmedizinischen<br />

Fragen. Dabei garantiert die Zusammenarbeit mit Partnern und<br />

Organisationen der Hauskrankenpflege außerhalb des Krankenhauses<br />

eine umfassende und maßgeschneiderte Therapie.<br />

Quelle: Pressemitteilung A.ö. Krankenhaus der Elisabethinen Klagenfurt GmbH<br />

30 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


NEUES<br />

Aktionsbündnis Patientensicherheit<br />

stärkt Sicherheit in der medizinischen<br />

Behandlung<br />

Am 16. Februar 2<strong>02</strong>3 titelt die BILD-Zeitung: „Neue Schock-Zahlen aus Arztpraxen,<br />

Kliniken, Pflegeheimen. Jeden Tag 300 Mal Medizin-Pfusch“. Vorweg dazu: Wie hoch<br />

die Zahlen wirklich sind, ist in Deutschland nicht bekannt. Ob es wirklich 100.000<br />

Behandlungsfehler im Jahr in Deutschland sind, bleibt offen. Sicher ist, dass da, wo<br />

Menschen arbeiten, Fehler passieren. „Wir finden es gut, auf das Thema aufmerksam<br />

zu machen, allerdings wollen wir nicht skandalisieren“, betont Ruth Hecker, Vorsitzende<br />

des Aktionsbündnis Patientensicherheit.<br />

„Warum wir nicht skandalisieren wollen? Im Gesundheitswesen arbeiten Menschen<br />

und Menschen machen Fehler und meistens liegen diese Fehler nicht in der Fachlichkeit<br />

des medizinischen Personals, sondern in der Organisation, im Prozess selbst.<br />

Medizinische Behandlungsprozesse sind sehr komplex. Es gilt, diese Fehler zu analysieren<br />

und die fehlerbeeinflussenden Faktoren abzustellen, damit sich die Fehler<br />

nicht wiederholen und wiederholt zu Patientenschäden führen!“, sagt Hecker.<br />

Die Unbekannte in den Behandlungsfehler-Zahlen liegt in der sogenannten Haftungslücke<br />

(litigation gap) begründet (Schrappe, APS-Weißbuch Patientensicherheit,<br />

2018). Es gibt eine Lücke zwischen den passierten Vorfällen und den gemeldeten Ereignissen.<br />

Laut dem APS-Weißbuch Patientensicherheit (S. 331) liegen die folgenden<br />

Zahlen vor:<br />

■ 20 Millionen Krankenhauspatienten im Jahr.<br />

■ Unerwünschte Ereignisse (UE): zwischen 5 % und 10 %<br />

(ein bis zwei Millionen Menschen).<br />

■ Vermeidbare UE: zwischen 2 % und 4 % (400.000 – 800.000).<br />

■ Behandlungsfehler bei 1 % (200.000 Ereignisse).<br />

■ Vermeidbare Mortalität bei 0,1 % (20.000 Patienten).<br />

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) fördert aktiv Sicherheitskultur. Es<br />

entwickelt Maßnahmen, um Fehler zu vermeiden, und befördert mit Projekten die<br />

aktive Nutzung von Methoden und Instrumenten, damit im ganzen Gesundheitssystem<br />

präventiv agiert und mögliche Fehler vermieden werden können. Mit seinem<br />

Netzwerk aus allen Bereichen des Gesundheitswesens stärkt das APS Patientensicherheit.<br />

Um insbesondere die Vorkommnisse mit hohem Schadenspotenzial zu vermeiden,<br />

hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit die sogenannte SEVer-Liste herausgegeben:<br />

https://www.aps-ev.de/wp-content/uploads/2<strong>02</strong>1/09/SEVer-Liste_APS.pdf –<br />

„Schwerwiegende Ereignisse, die wir sicher Verhindern wollen“ (SEVer-Liste). Das<br />

Ziel der Liste: dass die Einrichtungen des Gesundheitswesens ihre Anstrengungen<br />

nochmals erhöhen, die gelisteten Vorkommnisse mittels geeigneter Maßnahmen sicher<br />

zu verhindern.<br />

Wichtig ist generell zu wissen: Mehr als ein Drittel aller unerwünschten Ereignisse<br />

während der medizinischen Behandlung ist vermeidbar. Dazu gibt es geeignete und<br />

gezielte Maßnahmen und Methoden. Null Fehler sind allerdings niemals möglich.<br />

Alle Informationen über das Aktionsbündnis Patientensicherheit: www.aps-ev.de<br />

Klima und<br />

Gesundheit<br />

auf dem EbM-<br />

Kongress 2<strong>02</strong>3<br />

Die neu gewählte Vorsitzende des<br />

EbM-Netzwerks, Michaela Eikermann,<br />

sieht das Netzwerk als kompetenten<br />

Akteur und Partner für<br />

Klimaschutz-Interventionen im Gesundheitsbereich.<br />

Jetzt sei es an<br />

der Zeit zu handeln – auch für das<br />

EbM-Netzwerk, wobei auch die bestehenden<br />

Kompetenzen der Netzwerkmitglieder<br />

eingebracht werden<br />

können.<br />

Der Jahreskongress des EbM-Netzwerks<br />

bot viele spannende Einsichten<br />

dazu, wie Klima auf Gesundheit<br />

wirkt, aber auch umgekehrt das<br />

Gesundheitswesen das Klima beeinflusst.<br />

Beide Themen müssen<br />

dringend gemeinsam angegangen<br />

werden, so Michaela Eikermann in<br />

der Schlussdebatte.<br />

Wie viel klimabedingte Übersterblichkeit<br />

in Deutschland lassen Modellrechnungen<br />

für 2030 befürchten?<br />

Wo im Gesundheitswesen<br />

können wir schädliche Umweltwirkungen<br />

am ehesten vermeiden? Und<br />

wie valide können oder müssen die<br />

Daten sein, bevor man mit dem Handeln<br />

beginnt? Diese und ähnliche<br />

Fragen wurden auf der 24. Jahrestagung<br />

des Netzwerks Evidenzbasierte<br />

Medizin in Potsdam vom 22. bis<br />

24. März diskutiert. Das Netzwerk<br />

wurde im Jahr 2000 gegründet, um<br />

Konzepte und Methoden einer evidenzbasierten<br />

und patientenorientierten<br />

Medizin in Praxis, Lehre und<br />

Forschung zu verbreiten und weiter<br />

zu entwickeln, und hat heute ca.<br />

1.000 Mitglieder.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.ebm-netzwerk.de<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

31


DNGK<br />

Gesundheitskompetenz -<br />

forschung mit Blick auf die<br />

professionelle Pflege<br />

Dass die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland, also die Fähigkeit,<br />

Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden 1 , nach<br />

wie vor gering ist, zeigen die Berichte der HLS-GER-Studien 2 , ebenso die zeitlichen<br />

Trends 3 . Diese seit Jahren bekannte Situation sollte insbesondere die Akteure des<br />

Gesundheitswesens auffordern, Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen den Zugang zu<br />

Gesundheitsinformationen zu erleichtern, ihr Verständnis und ihre Fähigkeit<br />

zur Beurteilung zu fördern und sie somit in der Anwendung<br />

gesundheitsrelevanter Informationen zu unterstützen.<br />

Nadine Fischbock, Friederike Guenther, Johannes Stephan<br />

H<br />

ierfür werden inzwischen gesundheitskompetenzfördernde<br />

Organisationen gefordert 4 , in<br />

denen auf allen Ebenen des Managements<br />

und der Versorgung das Thema Gesundheitskompetenz<br />

der Nutzerinnen und Nutzer<br />

eine wichtige Rolle spielen sollte. Als<br />

Personen, die im direkten Kontakt zu den<br />

Erkrankten und deren An- und Zugehörigen<br />

stehen, sind in der direkten Umsetzung<br />

explizit Angehörige der Gesundheitsprofessionen<br />

gefragt 5, 6 .<br />

Aufgrund des breiten Wirkungsspektrums<br />

(über die gesamte Lebensspanne, von<br />

ambulant bis stationär, von Akut- über<br />

Kurzzeit- bis Langzeitpflege), der häufigen<br />

Kontaktfrequenzen und der hohen<br />

Interaktionsarbeit 7 sind besonders Angehörige<br />

der Pflegeberufe prädestiniert,<br />

die individuelle Gesundheitskompetenz<br />

ihrer Patientinnen und Patienten explizit<br />

zu stärken und zu fördern. Zudem erlernen<br />

Pflegefachpersonen in ihrer Ausbildung<br />

Aspekte der Gesundheitskompetenz wie<br />

präventive, rehabilitative und gesundheitsfördernde<br />

Beratungs- und Schulungsfähigkeiten<br />

8 . Es ist daher davon auszugehen,<br />

dass Maßnahmen zur Förderung und<br />

Stärkung der Gesundheitskompetenz von<br />

Pflegefachkräften nicht explizit benannt,<br />

aber dennoch implizit im Alltag umgesetzt<br />

werden. Dies belegen auch erste wissenschaftliche<br />

Analysen 9, 10, 11, 12 .<br />

In einer weiteren Studie wird derzeit der<br />

Interaktionskontakt zwischen Pflegefachpersonen<br />

und Patienten in der akutstationären<br />

Versorgung im Hinblick auf die<br />

(implizite) Unterstützung zur Förderung<br />

und Stärkung der Gesundheitskompetenz<br />

untersucht 13 . Die Ergebnisse zeigen auch<br />

hier, dass Gesundheitskompetenzförderung<br />

im akutstationären Sektor durchaus<br />

geleistet wird. Bei der Analyse der Daten<br />

des Interaktionskontaktes anhand der Dimensionen<br />

der Gesundheitskompetenz<br />

nach Sørensen 1 liegt der Schwerpunkt<br />

der Stärkung und Förderung der Gesundheitskompetenz<br />

auf den Dimensionen Zugang<br />

und Verstehen. Pflegefachpersonen<br />

sind für Patientinnen und Patienten ein<br />

wichtiger Zugang zu Gesundheitswissen<br />

– die Praxis zeigt jedoch, dass eine explizite<br />

Vermittlung von Gesundheitswissen<br />

und gesundheitsrelevanten Informationen<br />

durch Pflegefachpersonen an Patienten<br />

nicht selbstverständlich ist. Erklärungen<br />

und Erläuterungen zu bestimmten Sachverhalten<br />

werden beispielsweise oft erst<br />

durch aktives Nachfragen seitens der<br />

Patienten gegeben. Durchgängig zu beobachten<br />

ist jedoch, dass, – wenn Pflegefachpersonen<br />

Gesundheitswissen und -informationen<br />

vermitteln, – sie dies stets in<br />

einer patientenorientierten und verständ-<br />

32 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


DNGK<br />

Eine Möglichkeit der Adaption der Gesundheitskompetenzförderung<br />

könnte<br />

unter anderem über den Pflegeprozess<br />

erfolgen – ein Prozess, der zu den Kernaufgaben<br />

professioneller Pflege zählt und<br />

sich in allen Sektoren der Pflege wiederfindet.<br />

Das Pflegeberufegesetz 8 definiert<br />

die Gestaltung, Organisation und Steuerung<br />

des Pflegeprozesses als vorbehaltene<br />

Tätigkeit von Pflegefachpersonen und<br />

kann als Denk- und Problemlösungsstrategie<br />

bezeichnet werden, in der Pflegefachpersonen<br />

zielgerichtet, strukturiert<br />

und partizipativ arbeiten. Als mehrschrittiger<br />

Prozess dient der Pflegeprozess zunächst<br />

der Informationssammlung, der Erhebung<br />

und Feststellung des individuellen<br />

Pflegebedarfs (Ressourcen und Probleme)<br />

sowie der Festlegung der Pflegeziele, die<br />

anhand der geplanten und durchzuführenden<br />

Pflegemaßnahmen erreicht werden<br />

können. Der letzte Prozessschritt gilt der<br />

Evaluation. Hier werden die durchgeführten<br />

Maßnahmen entsprechend ihrem Zielerreichungsgrad<br />

überprüft und ggf. der<br />

neuen Situation angepasst. Der Pflegeprozess<br />

hat je nach Modell zwischen vier<br />

und sechs Prozessschritte, wobei sich vier<br />

Kernschritte (Assessment, Planung, Intervention,<br />

Evaluation) in allen Modellen wiederfinden.<br />

Wenn es gelänge, das Konzept der Gesundheitskompetenz<br />

mit den gesundheitskompetenzfördernden<br />

Interventionen<br />

und Maßnahmen in den Pflegeprozess zu<br />

integrieren, wäre dies ein großer Schritt<br />

zur expliziten Förderung und Stärkung der<br />

Gesundheitskompetenz durch Pflegefachpersonen.<br />

Fazit<br />

lichen Sprache vollziehen. Deutlich wird,<br />

dass die implizite Unterstützung in der Gesundheitskompetenzförderung<br />

stark vom<br />

individuellen beruflichen Selbstverständnis<br />

jeder einzelnen Pflegefachperson abhängt.<br />

Es wäre daher notwendig, Prozesse und<br />

Strukturen zu etablieren, die über das persönliche<br />

Selbstverständnis hinaus Maßnahmen<br />

zur Förderung und Stärkung der<br />

Gesundheitskompetenz mit fassen. Eine<br />

erste, förderliche Maßnahme wäre hier<br />

etwa eine Sensibilisierung der Pflegefachpersonen<br />

hinsichtlich der positiven Wirkung,<br />

die Erläuterungen und Erklärungen<br />

im direkten Handeln für Erkrankte haben 13 .<br />

Um von einer impliziten zu einer expliziten<br />

Umsetzung zu gelangen, sollten – mit<br />

dem Blick auf Adaptionsmöglichkeiten des<br />

Konzepts der Gesundheitskompetenz – die<br />

Prozesse und Strukturen der verschiedenen<br />

Versorgungssektoren (ambulant, akutstationär,<br />

Langzeit- und Kurzzeitpflege) geprüft<br />

werden. Denn die derzeitigen Herausforderungen,<br />

wie der Fachkräftemangel bei<br />

gleichzeitig steigender Anzahl an Pflegebedürftigen<br />

14 , lassen es nicht zu, ein neues,<br />

zusätzliches Konzept einzuführen.<br />

Richtig und wichtig ist, dass die Bemühungen<br />

dahin gehen, dass Studien pflegesektorenspezifisch<br />

(ambulant, stationär,<br />

u.a.) angelegt sind. Nur so kann es gelingen,<br />

Strukturen und Prozesse sowie Bedarfe<br />

und Ressourcen zielgruppengenau<br />

zu analysieren und Maßnahmen und Interventionen<br />

abzuleiten. Eine erfolgreiche<br />

Umsetzung des Konzepts der Gesundheitskompetenz<br />

bedingt, neben dem Zusammenspiel<br />

zwischen Pflegepraxis, -management,<br />

-pädagogik und -wissenschaft,<br />

vor allem auch die Anpassung struktureller<br />

Rahmenbedingungen sowie die Bereitstellung<br />

von Ressourcen in der Praxis.<br />

Welche expliziten gesundheitskompetenzfördernden<br />

Interventionen in den unterschiedlichen<br />

Bereichen der professionellen<br />

Pflege umsetzbar sind, ist partizipativ<br />

mit Pflegefachpersonen und Leistungsempfangenden<br />

zu entwickeln. Denn die<br />

Profittragenden sind in erster Linie nicht<br />

die Pflegefachpersonen, sondern die Patienten,<br />

Klienten, Bewohner und deren Anund<br />

Zugehörige.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

33


DNGK<br />

Implikationen für den Bereich<br />

der professionellen Pflege<br />

■ Für die Pflegepraxis: Die implizite<br />

Umsetzung des Konzepts der Gesundheitskompetenz<br />

ist in der Pflege vorhanden.<br />

Es gilt, diese durch Adaption<br />

an vorhandene Strukturen und Prozesse<br />

der unterschiedlichen Sektoren in<br />

explizites gesundheitskompetenzförderndes<br />

Handeln zu entwickeln.<br />

■ Für die Pflegepädagogik: Das Konzept<br />

der Gesundheitskompetenz ist sowohl<br />

in der grundständigen Ausbildung als<br />

auch in der Fort- und Weiterbildung zu<br />

verankern. Auch die Curricula der Pflegestudiengänge<br />

sollten diesbezüglich<br />

Einheiten integrieren. Nur so können<br />

Pflegefachpersonen auf allen Ebenen<br />

ihre Fähigkeiten und Kompetenzen im<br />

Hinblick auf explizite gesundheitskompetenzfördernde<br />

Aspekte, Maßnahmen<br />

und Interventionen für die Pflegepraxis<br />

umsetzen.<br />

■ Für das Pflegemanagement: Die Aufgabe<br />

des Pflegemanagements besteht<br />

– neben der Stützung der Aufnahme<br />

von Fortbildungseinheiten zum Konzept<br />

der Gesundheitskompetenz – in der Gestaltung<br />

der förderlichen Strukturen und<br />

Prozesse zur Förderung und Stärkung<br />

von Gesundheitskompetenz im Verantwortungsbereich.<br />

Hierzu zählt neben<br />

der Adaption und Implementierung von<br />

Maßnahmen und Interventionen an bestehenden<br />

pflegerischen Prozessen<br />

auch die reflektierte Haltung hinsichtlich<br />

der Pflegeorganisationssysteme.<br />

■ Für die Pflegewissenschaft: Forschende<br />

können die Einflüsse, die auf<br />

die Etablierung des Konzepts der Gesundheitskompetenz<br />

im Bereich der<br />

professionellen Pflege einwirken, spezifisch<br />

auf die Wirksamkeit hin untersuchen.<br />

Gerade dieser Bereich ist von<br />

Bedeutung, da wissenschaftliche Studienergebnisse<br />

zur Argumentation und<br />

Begründungen für die Implementierung<br />

des Konzepts der Gesundheitskompetenz<br />

elementar sind.<br />

Literatur<br />

1 Sørensen, K., Van den Broucke, S., Fullam, J., Doyle, G., Pelikan,<br />

J., Slonska, Z., Brand, H., & (HLS-EU) Consortium Health Literacy<br />

Project European. (2012). Health literacy and public health: A<br />

systematic review and integration of definitions and models. BMC<br />

Public Health, 12(1), 80. https://doi.org/10.1186/1471-2458-12-80<br />

2 Schaeffer, D., Berens, E.-M., Gille, S., Griese, L., Klinger,<br />

J., de Sombre, S., Vogt, D., & Hurrelmann, K. (2<strong>02</strong>1).<br />

Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor<br />

und während der Corona Pandemie: Ergebnisse des HLS-GER<br />

2 (S. 5180909 bytes) [Application/pdf]. Universität Bielefeld,<br />

Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung.<br />

https://doi.org/10.4119/UNIBI/2950305<br />

3 Hurrelmann, K., Klinger, J., & Schaeffer, D. (2<strong>02</strong>0).<br />

Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland:<br />

Vergleich der Erhebungen 2014 und 2<strong>02</strong>0 (S. 635185 bytes)<br />

[Application/pdf]. Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum<br />

für Gesundheitskompetenzforschung. https://doi.org/10.4119/<br />

UNIBI/2950303<br />

4 Brach, C., Keller, D., University of California, San Francisco<br />

School of Medicine, Hernandez, L., Institute of Medicine, Baur,<br />

C., Centers for Disease Control and Prevention, Parker, R., Emory<br />

University School of Medicine, Dreyer, B., New York University<br />

School of Medicine, Schyve, P., The Joint Commission, Lemerise,<br />

A. J., Institute of Medicine, Schillinger, D., University of California<br />

San Francisco School of Medicine, & Agency for Healthcare<br />

Research and Quality. (2012). Ten Attributes of Health Literate<br />

Health Care Organizations. NAM Perspectives, <strong>02</strong>(6). https://doi.<br />

org/10.31478/201206a<br />

5 Parker, R. (2009). Measuring Health Literacy: What? So What? Now<br />

What? In Measures of Health Literacy: Workshop Summary. National<br />

Academies Press (US). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/<br />

NBK45386/<br />

6 Weiland, R., & Büscher, A. (2<strong>02</strong>2). Förderung von<br />

Gesundheitskompetenz als Aufgabe der Gesundheitsprofessionen?:<br />

Eine qualitative Untersuchung. Prävention und<br />

Gesundheitsförderung, 17(3), 344–348. https://doi.org/10.1007/<br />

s11553-<strong>02</strong>1-00874-5<br />

7 Bauknecht, J., & Wesselborg, B. (2<strong>02</strong>2). Psychische Erschöpfung<br />

in sozialen Interaktionsberufen von 2006 bis 2018: Ein Vergleich<br />

der Bereiche Pflege, frühkindliche Bildung, Schule, Soziale Arbeit<br />

und Polizei. Prävention und Gesundheitsförderung, 17(3), 328–335.<br />

https://doi.org/10.1007/s11553-<strong>02</strong>1-00879-0<br />

8 Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz—PflBG). (2017).<br />

https://www.gesetze-im-internet.de/pflbg/PflBG.pdf (letzter Zugriff<br />

am 13.04.2<strong>02</strong>3)<br />

9 Messer, M., & Murau, T. (2<strong>02</strong>2). Förderung organisationaler<br />

Gesundheitskompetenz aus Sicht von Pflegefachpersonen.<br />

Ergebnisse einer qualitativen Studie. Prävention und<br />

Gesundheitsförderung. https://doi.org/10.1007/s11553-<strong>02</strong>2-00993-7<br />

10 Rathmann, K., Lutz, J., Salewski, L., Dadaczynski, K., &<br />

Spatzier, D. (2<strong>02</strong>2). Tools zur Förderung der organisationalen<br />

Gesundheitskompetenz in Krankenhaus, Pflege und<br />

Eingliederungshilfe: Eine systematische Übersicht. https://www.<br />

monitor-versorgungsforschung.de/wp-content/uploads/2<strong>02</strong>3/01/<br />

MVF_01-22_Rathmann.pdf<br />

11 Stephan, J. (2<strong>02</strong>2). Maßnahmen zur Förderung der<br />

Gesundheitskompetenz von Pflegekräften in Deutschland. Eine<br />

empirisch-qualitative Exploration. https://doi.org/10.13140/<br />

RG.2.2.26390.83528<br />

12 Vogt, D., & Schaeffer, D. (2<strong>02</strong>2). Gesundheitskompetente<br />

Organisationen. Erster Teilbericht – Bestandsaufnahme vorliegender<br />

Konzepte und Basis-Materialsammlung. Bielefeld: Interdisziplinäres<br />

Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK), Universität<br />

Bielefeld.<br />

13 Fischbock, N. (in Erscheinung, 2<strong>02</strong>3). Arbeitstitel:<br />

Gesundheitskompetenz und Pflege – eine Analyse der<br />

organisationalen und professionsbezogenen Förderung von<br />

Gesundheitskompetenz in der akutstationären Versorgung. https://<br />

www.mhh.de/institut-fuer-epidemiologie/promotionsprogrammcheg/stipendiatinnen/nadine-fischbock<br />

(letzter Zugriff am<br />

14.04.2<strong>02</strong>3)<br />

14 Statista GmbH, R., & Radtke, R. (2<strong>02</strong>2). Fachkräftemangel—<br />

Bedarf an Pflegekräften in Deutschland bis 2035. Statista. https://<br />

de.statista.com/statistik/daten/studie/172651/umfrage/bedarf-anpflegekraeften-2<strong>02</strong>5/,<br />

(letzter Zugriff am 13.04.2<strong>02</strong>3)<br />

NADINE FISCHBOCK<br />

Dipl. Pflegewirtin, Krankenschwester<br />

und Doktorandin im<br />

Promotionsprogramm „Chronische<br />

Erkrankungen und Gesundheitskompetenz<br />

(ChEG)“ am Institut für<br />

Epidemiologie, Sozialmedizin und<br />

Gesundheitssystemforschung der<br />

Medizinischen Hochschule Hannover,<br />

gefördert durch die Robert<br />

Bosch Stiftung.<br />

Korrespondierende Autorin:<br />

fischbock.nadine@mh-hannover.de<br />

FRIEDERIKE GUENTHER<br />

Gesundheits- und Krankenpflegerin,<br />

Pflegewissenschaftlerin<br />

(BSc); Masterstudentin Barrierefreie<br />

Kommunikation (MA) an der<br />

Stiftung Universität Hildesheim,<br />

Masterstudentin Public Health<br />

(MScPH) an der Medizinischen<br />

Hochschule Hannover, ist tätig<br />

als studentische Hilfskraft an der<br />

Forschungsstelle Leichte Sprache<br />

an der Stiftung Universität<br />

Hildesheim.<br />

JOHANNES STEPHAN<br />

Fachgesundheits- und Krankenpfleger<br />

für Psychiatrie, Praxisanleiter,<br />

Pflegewissenschaftler<br />

(BScN), Pflegepädagoge (MSc),<br />

Public Health (MScPH); ist als<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

und Doktorand am Lehrstuhl<br />

für Soziale Determinanten der<br />

Gesundheit, Fakultät für Sportund<br />

Gesundheitswissenschaften<br />

der Technische Universität<br />

München tätig.<br />

34 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


SAMEDI<br />

Mit E-Health<br />

interdisziplinär<br />

erfolgreich<br />

Wie die Ordination der Zukunft Gestalt annimmt:<br />

Österreichs Ärztinnen und Ärzte sind mit den Primärversorgungseinheiten<br />

(PVE) auf dem Weg ins<br />

Primary Health Care-Zeitalter. Umfangreiche E-Health-<br />

Lösungen unterstützen sie dabei nachhaltig.<br />

D<br />

ie landesweite Errichtung interdisziplinärer<br />

Primärversorgungseinheiten<br />

(PVE) verlagert<br />

die Versorgung zum Point of Care und<br />

bietet der österreichischen Bevölkerung<br />

eine umfassende medizinische Grundversorgung<br />

mit niedrigschwelligem Zugang.<br />

So wird eine hohe Versorgungsqualität gewährleistet,<br />

während die Spitalsambulanzen<br />

entlastet werden. Heuer gibt es bereits<br />

40 aktive PVE, bis 2<strong>02</strong>5 soll ihre Anzahl<br />

nach Angaben des Gesundheitsministeriums<br />

verdreifacht werden. E-Health<br />

unterstützt die Ziele der österreichischen<br />

Gesundheitsreform und verstärkt die Effekte<br />

noch:<br />

Interdisziplinäre<br />

Behandlungskoordination<br />

Der breite Versorgungsauftrag der PVE<br />

lässt sich nur in einem multiprofessionellen<br />

Team abbilden, wodurch die Komplexität<br />

der Termin- und Ressourcensteuerung<br />

zunimmt. Erst die automatisierten Praxisabläufe<br />

aus dem zentralen Terminkalender<br />

heraus gesteuert mit Echtzeitabgleich in<br />

der Verfügbarkeit und die Einbeziehung<br />

der Patienten von Beginn an schaffen wieder<br />

die selbstbestimmte Zeit und Freiräume,<br />

die gerade die Ärzte in der Primärversorgung<br />

für ihre Patienten benötigen. So<br />

setzen PVE Standards, die dem Anspruch<br />

einer modernen und zukunftsweisenden<br />

Gesundheitsversorgung gerecht werden.<br />

Patientenservice<br />

auf neuem Niveau<br />

Patienten nehmen zunehmend eine aktiv<br />

gestaltende Rolle im Behandlungsprozess<br />

ein: Die beginnt bei der selbstbestimmten<br />

Terminvereinbarung online oder über eine<br />

digitale Telefonassistenz. Chatbots und<br />

Videosprechstunden lösen niedrigschwellige<br />

Anliegen schnell und direkt – auch am<br />

Abend und an den Wochenenden. Automatisierte<br />

Benachrichtigungen erinnern<br />

Patienten an Termine und Online-Patientenformulare<br />

(etwa zur Anamnese) bereiten<br />

Termine optimal vor.<br />

Fachliche Expertise und Kapazitäten<br />

überregional nutzen<br />

In Ergänzung zur Primärversorgung<br />

schaffen telemedizinische Lösungen eine<br />

überregionale Verfügbarkeit von fachlicher<br />

Expertise und Versorgungskapazitäten<br />

gleichermaßen. Telekonsile und asynchrone<br />

Befundungen herausfordernder<br />

Fälle steigern die Behandlungsqualität<br />

durch schnelle Experteneinschätzungen,<br />

während Videosprechstunden ein ortsunabhängiges<br />

Versorgungsangebot für Patienten<br />

schaffen und Anfahrtszeit sowie<br />

-kosten sparen.<br />

Fazit und Ausblick<br />

E-Health bringt die Versorgung näher<br />

zum Point of Care und trägt damit ebenso<br />

wie die Einrichtung der PVE zu einer qualitativ<br />

hochwertigen, wohnortnahen medizinischen<br />

Grundversorgung bei. Auch die<br />

Entlastung der Spitäler wird durch niedrigschwellige,<br />

hybride Versorgungsangebote<br />

unterstützt. Diese Entwicklung setzt<br />

sich fort: In Zukunft wird eine valide Diagnose<br />

durch Verknüpfung von Smart Medical<br />

Devices und medizinischer Software<br />

ohne Anwesenheit eines Arztes möglich<br />

sein. Der Arzt gewinnt dadurch wertvolle<br />

Zeit, um sich persönlich um die tatsächlich<br />

notwendigen Fälle kümmern zu<br />

können. Das wird dann nicht nur die Spitalsambulanzen<br />

entlasten, sondern auch<br />

zu weniger Krankenhausaufenthalten führen,<br />

weil Diagnose und<br />

Behandlung einen qualitativen<br />

Sprung machen<br />

werden und Therapien<br />

nahtlos und zielgerichtet<br />

an die Befundung durch<br />

den Arzt anschließen.<br />

Jetzt mehr<br />

erfahren:<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

35


AIHTA<br />

Früherkennung und Versorgung<br />

peripartaler psychischer<br />

Erkrankungen in Österreich<br />

Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat internationale Versorgungsmodelle<br />

und -pfade sowie die Situation in Österreich in Bezug auf peripartale psychische<br />

Gesundheit analysiert. Die beiden Berichte sind Teil eines vom Österreichischen Fonds zur Förderung<br />

der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierten Projektes zur Verbesserung der<br />

peripartalen psychischen Gesundheit in Tirol, das von der Medizinischen Universität Innsbruck<br />

geleitet wird. Ein integriertes Gesamtkonzept für Prävention,<br />

Früherkennung und Behandlung wird dringend angeraten –<br />

die österreichische Angebotsstruktur weicht nämlich erheblich<br />

von den internationalen Empfehlungen ab.<br />

P<br />

sychische Erkrankungen von Eltern<br />

sind eine häufige und schwerwiegende<br />

Komplikation in der peripartalen<br />

Phase, also der Zeit während der Schwangerschaft<br />

und im ersten Jahr nach der Geburt. Trotz der unmittelbaren<br />

und langfristigen potenziell schwerwiegenden<br />

Auswirkungen auf Mutter, Vater und insbesondere<br />

das Kind, die von Verhaltensproblemen<br />

bis zu einem erhöhten Suizidrisiko reichen und mit<br />

großen Belastungen im Gesundheits-, Sozial- und<br />

Bildungssystem einhergehen, gibt es in Österreich<br />

bisher weder eine nationale Strategie noch ein nationales<br />

Versorgungsmodell für peripartale psychische<br />

Gesundheit.<br />

Das AIHTA analysierte sechs Dokumente aus<br />

UK, Irland, Kanada und Australien, die von multiprofessionellen<br />

Arbeitsgruppen, Expertinnen und<br />

Experten sowie Betroffenen erstellt wurden. Alle<br />

Dokumente enthielten Informationen zu verschiedenen<br />

Aspekten der Versorgung, einschließlich<br />

Primärprävention, Früherkennung, Diagnostik,<br />

Überweisung und Behandlung. Die Analyse zeigte,<br />

dass für integrierte Versorgungsmodelle, in<br />

denen verschiedene Leistungserbringer und Berufsgruppen<br />

über den ganzen Behandlungs- und<br />

Betreuungsprozess kontinuierlich und strukturiert<br />

zusammenarbeiten, klar definierte Pfade und abgestufte<br />

Betreuungskonzepte für die Organisation<br />

der peripartalen psychischen Versorgung und die<br />

Bereitstellung von Leistungen notwendig sind. Im<br />

Rahmen der Primärprävention sollten werdende<br />

Eltern über psychische Gesundheit im Allgemeinen<br />

und mögliche psychische Probleme während der<br />

Schwangerschaft und nach der Geburt aufgeklärt<br />

werden. Für Frauen mit bereits bestehenden oder<br />

früheren psychischen Problemen oder einem erhöhten<br />

Risiko für psychische Erkrankungen wird<br />

auch eine Beratung vor Eintritt der Schwangerschaft<br />

empfohlen. In allen Dokumenten wird die<br />

frühzeitige Identifizierung von Menschen mit peripartalen<br />

psychischen Erkrankungen als essenziell<br />

ausgewiesen. Ein Screening von Müttern auf diese<br />

Erkrankungen wird einhellig empfohlen – dieses ist<br />

jedoch im „Mutter-Kind-Pass“ bisher nicht routinemäßig<br />

vorgesehen.<br />

Die Bestandsaufnahme zum vorhandenen Präventions-,<br />

Früherkennungs- und Versorgungsangebot<br />

in Österreich zeigte überdies, dass Inhalt und Kapazität<br />

der Angebote höchst unterschiedlich sind und<br />

keine nationalen Qualitätsstandards und Leitlinien<br />

zu Versorgungspfaden existieren. Eine stärkere<br />

Koordination und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen<br />

Sektoren – wie Gesundheits- und Sozialsektor<br />

– ist österreichweit für die Implementierung<br />

und Umsetzung von peripartalen psychischen<br />

Versorgungsmodellen notwendig. Neben einer<br />

nationalen Strategie und der Definition von Verantwortlichkeiten<br />

empfiehlt das AIHTA eine nationale<br />

Leitlinie zur Bestimmung von Versorgungspfaden<br />

und, dass Daten des nationalen Geburtsregisters<br />

mit jenen zur psychischen Gesundheit erweitert<br />

werden, die auch der Forschung zur Verfügung<br />

stehen. Auf dieser Basis sollen mit Fachkräften aus<br />

allen involvierten Berufen und betroffenen Eltern in<br />

Tirol Verbesserungsansätze priorisiert und wissenschaftlich<br />

begleitet umgesetzt werden.<br />

Originalpublikation:<br />

• Zechmeister-Koss, I. (2<strong>02</strong>3): Prävention und<br />

Versorgung peripartaler psychischer Erkrankungen<br />

in Österreich: Eine Bestandsaufnahme<br />

bestehender Präventions-, Früherkennungs-<br />

und Versorgungsstrukturen mit spezifischem<br />

Fokus auf Tirol. HTA-Projektbericht 151.<br />

https://eprints.aihta.at/1437/.<br />

• Reinsperger, I. und Paul, J. (2<strong>02</strong>2): Modelle<br />

zur Prävention und Versorgung peripartaler<br />

psychischer Erkrankungen. HTA-Projektbericht<br />

148. https://eprints.aihta.at/1420/.<br />

Kontakt:<br />

Ozren Sehic, M.A.<br />

ozren.sehic@aihta.at<br />

36 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


NÖ LANDESGESUNDHEITSAGENTUR<br />

Sichere Patientenidentifikation an der Schnittstelle<br />

PBZ und Klinikum in Niederösterreich (NÖ) – Teil II<br />

Die NÖ Landesgesundheitsagentur sorgt mit<br />

einer Maßnahme des klinischen Risikomanagements<br />

für sichere Patientenidentifikation an<br />

der sensiblen Schnittstelle zwischen Pflege-,<br />

Betreuungs- und Förderzentren (PBZ, PFZ)<br />

sowie den niederösterreichischen Universitätsund<br />

Landeskliniken. Den Risiken der Patientenverwechslung,<br />

die sich beim Transport<br />

zwischen den Gesundheitseinrichtungen<br />

ergeben, soll dadurch<br />

präventiv<br />

entgegengewirkt<br />

werden.<br />

T<br />

äglich werden Bewohnerinnen und Bewohner aus den<br />

NÖ PBZ und PFZ in die NÖ Kliniken gebracht – zur<br />

akuten oder geplanten Versorgung in den Ambulanzen<br />

oder zur stationären Aufnahme auf einer der Fachabteilungen.<br />

In der sektorenübergreifenden Versorgung mit ihrer Vielzahl an<br />

Schnittstellen und Akteuren steigt das Risiko einer Patientenverwechslung.<br />

Eine solche Verwechslung kann schwerwiegende<br />

Folgen haben. Verschärft wird die Situation dadurch, dass Bewohner<br />

bzw. Gäste der PBZ/PFZ aufgrund ihres Allgemeinzustandes<br />

nicht immer in der Lage sind, sich selbst zu identifizieren.<br />

Es war also das Ziel, eine verlässliche Patientenidentifikation als<br />

Voraussetzung einer sicheren Patientenversorgung an der Schnittstelle<br />

PBZ/PFZ und Klinikum zu etablieren (siehe auch Qualitas<br />

Ausgabe <strong>02</strong>/22). Im Falle eines Transports in die Klinikambulanz<br />

findet die Identifikation der Bewohner mittels Anlegen eines farblich<br />

vom Klinikstandard abweichenden Identifikationsarmbands<br />

im PBZ statt.<br />

Ausrollung Thermenregion<br />

Diese Maßnahme wurde durch das Department Beschwerdemanagement,<br />

Patientensicherheit der NÖ LGA initiiert und gemeinsam<br />

mit Expertinnen und Experten der Langzeitpflege und<br />

Kliniken erarbeitet. In ausgewählten Kliniken und PBZ-Standorten<br />

wurde das Ergebnis getestet und nach einem durchgehend positiven<br />

Feedback 2<strong>02</strong>2 auf die gesamte Thermenregion (5 Kliniken,<br />

14 PBZ/PFZ) erweitert.<br />

Die beiden Kernfragen der Evaluierung „Unterstützt Sie das ID-<br />

Band bei der Identifikation der Patienten und Bewohner?“ und<br />

„Wie bewerten Sie den Einsatz des ID-Bandes im Hinblick auf die<br />

Sicherheit der Patienten und Bewohner?“ wurden von den Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern der PBZ/PFZ und Kliniken mit großer<br />

Mehrheit äußerst positiv bewertet.<br />

Basierend auf den Evaluierungsergebnissen wurden sowohl der<br />

Prozess als auch die dazugehörigen Dokumente adaptiert. Insbesondere<br />

wurden auch die Rettungsdienste, als wichtige Schnittstelle<br />

im Transportprozess, verstärkt über die implementierte<br />

Maßnahme informiert.<br />

Ausrollung auf ganz NÖ ab Juni 2<strong>02</strong>3<br />

Durch den Erfolg der Pilotphase bestärkt, wurde der Beschluss<br />

gefasst, diesen Prozess ab dem 1. Juni 2<strong>02</strong>3 auf alle Gesundheitseinrichtungen<br />

der NÖ LGA auszuweiten. Ab diesem Zeitpunkt<br />

wird das magenta-farbige Identifikationsarmband in ganz<br />

NÖ im Einsatz sein, um Mitarbeiter dabei zu unterstützen, Patienten-<br />

und Bewohnerverwechslungen effektiv vorzubeugen.<br />

Kontakt:<br />

Department Beschwerdemanagement, Patientensicherheit<br />

Abteilung Strategie und Qualität Medizin,<br />

Direktion Medizin und Pflege<br />

sqm@noe-lga.at<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

37


GGZ<br />

Das Grazer Gesundheitsmodell –<br />

Vernetzungsangebote der Geriatrischen<br />

Gesundheitszentren der Stadt Graz<br />

Der demografische Wandel schreitet schnell und unaufhaltsam voran und<br />

wirkt sich dabei auf viele Gesellschaftsbereiche aus. Besonders stark<br />

betroffen davon ist die Pflege, insbesondere die Altenpflege.<br />

Verena Matz<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Zukünftige Herausforderungen<br />

in der Versorgung älterer<br />

Menschen<br />

Die immer größer werdende Anzahl an älteren und<br />

pflegebedürftigen Menschen wird in den nächsten<br />

Jahren weiterhin anwachsen. Im Jahr 2030 werden<br />

bereits 23,2 % der Österreicherinnen und Österreicher<br />

65 Jahre und älter sein 1 , die Anzahl der über<br />

85-Jährigen wird sich mehr als verdoppeln. Diese<br />

oft chronisch kranken Menschen sind auf eine professionelle<br />

Pflege durch hochqualifizierte Pflegefachkräfte<br />

angewiesen. Doch gerade an diesen fehlt<br />

es zusehends. Prognosen zufolge wird es bis zum<br />

Jahr 2030 in Österreich an bis zu 76.000 Pflegekräften<br />

mangeln. 42.000 Stellen müssen aufgrund<br />

von Pensionierungen nachbesetzt werden, 34.000<br />

Pflegepersonen werden zusätzlich benötigt, 21.000<br />

davon im Langzeitbereich 2 . Der aktuell überdimensionale<br />

Ausbau von stationären Betreuungsplätzen<br />

verstärkt den bereits vorhandenen Pflegekräftemangel<br />

zusätzlich und widerspricht auch den Ansprüchen<br />

von pflegebedürftigen Personen. Diese<br />

Menschen wünschen sich vermehrt, möglichst lange<br />

selbstständig und vor allem selbstbestimmt im<br />

gewohnten Umfeld – dem eigenen Zuhause – leben<br />

zu können 3, 4, 5 . Die notwendige niederschwellige<br />

Versorgung kann jedoch meist aufgrund fehlender<br />

Strukturen (z.B. Pflegefachkräfte, Finanzierung)<br />

nicht in Anspruch genommen werden. Durch die<br />

Vielfalt der Anbieter im geriatrischen Bereich<br />

wird es für ältere Personen außerdem zusehends<br />

schwieriger, sich im fragmentierten österreichischen<br />

Gesundheitssystem zurechtzufinden. Vor allem<br />

geriatrische Patientinnen und Patienten benötigen<br />

ein breites Spektrum an Leistungen, welche in<br />

der Regel nicht von einem Anbieter erbracht werden<br />

und daher einer Koordination bedürfen.<br />

Selbstständiges Leben –<br />

gesunde Lebensjahre schenken<br />

Möglichst lange und selbstständig zu Hause leben<br />

und dabei den gewohnten Lebensstil aufrechterhalten<br />

– das ist der Wunsch der älteren Generation.<br />

Die steigende Lebenserwartung und die Versorgung<br />

der immer älter werdenden Bevölkerung<br />

erfordern es, Maßnahmen zur Förderung eines<br />

gesunden und aktiven Alterns zu ergreifen. Aktuelle<br />

Statistiken zeigen, dass Österreicherinnen und<br />

Österreicher bei gesunden Lebensjahren im europäischen<br />

Vergleich unter dem Durchschnitt liegen.<br />

So verbringen in Österreich Frauen rund 59,3 Jahre<br />

und Männer 58,2 Jahre in Gesundheit. Demgegenüber<br />

liegt Schweden bei der Erwartung gesunder<br />

Lebensjahre sowohl bei den Frauen (72,7 Jahre) als<br />

auch bei den Männern (72,8 Jahre) an der Spitze 6 .<br />

Auch leben Frauen und Männer in Schweden – im<br />

Vergleich zu Österreich – ab 65 Jahren rund acht<br />

(Frauen) bzw. sieben (Männer) Jahre länger 7 . Um<br />

auch in Österreich diese hohe Anzahl an gesunden<br />

Lebensjahren und ein aktives Altern zu erreichen,<br />

bedarf es eines Paradigmenwechsels hin zu einem<br />

niederschwelligen Versorgungssystem mit dem Fokus<br />

auf Gesundheit und Gesunderhaltung.<br />

Integrierte Versorgung alter<br />

Menschen: erfolgreicher<br />

personenzentrierter Ansatz<br />

Mit zunehmendem Alter steigt die Anfälligkeit für<br />

Erkrankungen bzw. Multimorbidität. Diese oftmals<br />

chronischen Krankheiten bedürfen der Vernetzung<br />

aller betreffenden Leistungsträger in der jeweiligen<br />

Versorgung. Den Mittelpunkt dieses optimierten Behandlungsprozesses<br />

bildet neben der Einbindung<br />

der Patientinnen und Patienten auch die Berücksichtigung<br />

der individuellen Bedürfnisse. Oftmals<br />

sind bei Erkrankungen und Einschränkungen im<br />

Alter punktuelle, akut versorgende und pflegende<br />

sowie rehabilitative Maßnahmen ausreichend. Der<br />

Fokus auf Prävention und Erhalt der Unabhängigkeit<br />

sowie Pflege, die auf die gesamte Bandbreite<br />

der Bedürfnisse eines Menschen abgestimmt ist,<br />

anstatt der Fokus auf einzelne Krankheiten stellen<br />

den Schlüssel einer erfolgreichen integrierten Versorgung<br />

dar 8 . (s. Abb. 1)<br />

Das Grazer Gesundheitsmodell<br />

Das Grazer Gesundheitsmodell stellt den Menschen<br />

mit all seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt und<br />

38 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


ietet ein bedarfsgerechtes abgestuftes Angebot<br />

aus Beratung, Information, Versorgung, Steuerung,<br />

(Nach-)Behandlung sowie Betreuung am Best Point<br />

of Care zur Verbesserung der Lebensqualität. Das<br />

Versorgungsangebot reicht hier von niederschwelligen<br />

Angeboten (z.B. Tageszentren) bis hin zu<br />

stationären Einrichtungen wie Akutgeriatrie/Remobilisation,<br />

wobei die Vernetzung und Abstimmung<br />

weiterer Gesundheitsdiensteanbieter essenzieller<br />

Bestandteil ist. Im Rahmen dieser vernetzten Kooperation,<br />

bei gleichzeitigem Fokus und Einbindung<br />

des zu versorgenden älteren Menschen, kann eine<br />

optimierte Betreuung und bedarfsgerechte Versorgung<br />

gelingen. (s. Abb. 2)<br />

Abbildung 1: Integrierte Versorgung alter Menschen: erfolgreicher personenzentrierter Ansatz 9 .<br />

Vorteile des Grazer<br />

Gesundheitsmodells<br />

FÜR BETREUUNGSBEDÜRFTIGE<br />

ÄLTERE PERSONEN:<br />

■ Personenzentrierte Betreuung und<br />

Versorgung sowie Abstimmung der Angebote<br />

(Betreuung, Pflege, medizinische Versorgung)<br />

auf die jeweiligen Bedürfnisse des älteren<br />

Menschen.<br />

■ Miteinbeziehung der betreuungsbedürftigen<br />

Person in die Gestaltung des persönlichen<br />

Betreuungs- und Pflegeangebotes.<br />

■ Lenkung zum Best Point of Care zur<br />

Reduktion der Fehlversorgung.<br />

FÜR DIE GESELLSCHAFT:<br />

■ Innovativer Ausbau des niederschwelligen<br />

Versorgungsangebotes, um bestehende<br />

Lücken zu schließen.<br />

■ Prävention von Krankheit und<br />

Pflegebedürftigkeit.<br />

■ Aufbau von wohnortnahen Betreuungsund<br />

Pflegeangeboten.<br />

■ Erweiterung und Attraktivierung der<br />

Arbeitsmöglichkeiten in der Pflege.<br />

FÜR DIE GESUNDHEITSÖKONOMISCHE<br />

ENTWICKLUNG:<br />

■ Geringere Inanspruchnahme stationärer<br />

Versorgung bzw. Verringerung von Krankenhausaufenthalten<br />

und Aufrecht erhaltung der<br />

Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems trotz<br />

fortschreitender Alterung der Bevölkerung.<br />

■ Schonung der Gesamtkosten im Gesundheitswesen<br />

durch Dämpfung der Kosten<br />

im Pflegewesen und zielgerichtete<br />

Betreuung und Versorgung.<br />

Literatur<br />

1 Statistik Austria. (2<strong>02</strong>0). Bevölkerungsprognose<br />

2<strong>02</strong>0. Verfügbar unter: https://www.statistik.at/<br />

web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/<br />

bevoelkerung/demographische_prognosen/<br />

bevoelkerungsprognosen/<strong>02</strong>7308.html [18.08.2<strong>02</strong>1].<br />

2 Rappold, E. & Juraszovich, B. (2019). Pflegepersonal-<br />

Bedarfsprognose für Österreich. (Bundesministerium für<br />

Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz,<br />

Hrsg.). Wien.<br />

3 Jacobs, K., Kuhlmey, A., Greß, S. & Schwinger, A.<br />

(2015). Pflege-Report 2015 „Pflege zwischen Heim und<br />

Häuslichkeit“. Stuttgart: Schattauer.<br />

4 Franken, G. (2017). Wohnen im Alter. Wohnpräferenzen<br />

von Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Witten:<br />

Private Universität Witten/Herdecke GmbH.<br />

5 Kolland, F., Rohner, R., Hopf, S. & Gallistl, V. (2018).<br />

Wohnmonitor Alter 2018: Wohnbedürfnisse und<br />

Wohnvorstellungen im Dritten und Vierten Lebensalter in<br />

Österreich. Wien: Studien Verlag.<br />

6 Eurostat. (2<strong>02</strong>3). Healthy life years statistics. Verfügbar<br />

unter: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/<br />

index.php?title=Healthy_life_years_statistics#Healthy_<br />

life_years_at_birth [18.04.2<strong>02</strong>3].<br />

Abbildung 2: Das Grazer Gesundheitsmodell.<br />

7 Eurostat. (2<strong>02</strong>2). Gesunde Lebensjahre im Alter von 65<br />

Jahren. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/eurostat/<br />

databrowser/view/tepsr_sp320/default/table?lang=de<br />

[18.04.2<strong>02</strong>3].<br />

8 Oliver, D., Foot, C. & Humphries, R. (2014). Making our<br />

health and care systems fit for an ageing population.<br />

London: The King's Fund.<br />

9 Hartinger, G. in Anlehnung an Oliver, D., Foot, C. &<br />

Humphries, R. (2014). Making our health and care<br />

systems fit for an ageing population. London: The<br />

King's Fund.<br />

Foto: © Foto Furgler<br />

Autorin:<br />

Verena Matz, BA MA<br />

Strategische und<br />

operative Planung<br />

Geriatrische<br />

Gesund heitszentren<br />

der Stadt Graz<br />

verena.matz<br />

@stadt.graz.at<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

39


AKKREDITIERUNG<br />

Rückführbare Diagnostik = Qualität<br />

Labor-Akkreditierung nach ISO 15189<br />

Stellen Sie sich vor, Sie steigen in Ihr Auto und fahren einfach<br />

los, vorher angurten und natürlich starten. Machen Sie sich<br />

jemals Gedanken, ob Ihr Motor auch wirklich gut geschmiert<br />

ist? Ob die Kühlflüssigkeit korrekt umläuft? Ob Ihre Abgaswerte<br />

den Normen entsprechen? Höchstens, wenn Sie durch ein<br />

Lamperl aufgefordert werden, Ölstand etc. zu kontrollieren.<br />

Die „Qualitätssicherung“ für Ihr Autofahren erledigt „irgendjemand“<br />

im Hintergrund. Nachvollziehbar sind das der Autohersteller,<br />

die Zulieferer, die kontrolliert werden und enge<br />

Qualitäts korsette zu erfüllen haben, die Werkstatt Ihres Vertrauens,<br />

in der Wartungen, Kontrollen, Messungen (mit hoffentlich<br />

kalibriertem Prüfmittel) etc. durchgeführt werden, die Tankstelle,<br />

an der Sie kontrollierten Treibstoff kaufen, und so weiter.<br />

Milo Halabi<br />

A<br />

uch in der Medizin und vor allem<br />

in der medizinischen Labor-<br />

Diagnostik (medizinisch-chemisches<br />

Labor, Mikrobiologie, Pathologie,<br />

Genetik) muss sichergestellt sein, dass ein<br />

Befundergebnis mit höchster Sicherheit<br />

richtig ist, da dieses Ergebnis Grundlage<br />

einer therapeutischen Entscheidung sein<br />

kann. Die klinischen Kollegen verlassen<br />

sich naturgemäß auf die Ergebnisse, sie<br />

können die „Black Box Labor“ im stressigen<br />

Alltag auch nicht mehr hinterfragen.<br />

Diesen Ansatz des vollkommenen Vertrauens<br />

kann ein seriös arbeitendes medizinisches<br />

Labor nur dann bieten, wenn<br />

es qualitätsgesichert arbeitet, also alle<br />

Prozesse, alle Ergebnisse in hohem Maße<br />

standardisiert sind, nachvollziehbar gemacht<br />

werden und rückverfolgbar sind.<br />

Und jetzt stellen Sie sich nochmals die<br />

Sache mit dem Auto vor: Sie haben eine<br />

Panne oder gar einen Unfall, aus irgendeinem<br />

Grund steht auch die Haftung von<br />

Werkstatt oder Hersteller zur Diskussion,<br />

Daten müssen ausgewertet werden, Sie<br />

bestehen auf Wartungsprotokollen oder<br />

auch auf Lieferkettenrückverfolgung. Das<br />

alles bekommen Sie auch, weil die Industrie<br />

längst begriffen hat, dass nur ein „klar<br />

definierter Eiskanal“ den Viererbob ins Ziel<br />

bringt, um wieder ein Bild zu strapazieren.<br />

Klare Prozesse, klare Standards, die wenig<br />

Abweichung erlauben, Kontrollstellen,<br />

an denen geprüft wird etc.<br />

Und schließlich wieder das medizinische<br />

Labor: Auch hier muss alles nachvollziehbar,<br />

rückverfolgbar, aufrollbar sein,<br />

damit bei Unklarheiten nicht erst die Frage<br />

nach der Verantwortung im Labor gestellt<br />

werden muss und man vielleicht so<br />

draufkommt, dass irgendein Prozess nicht<br />

funktioniert hat.<br />

Zertifizierung und<br />

Akkreditierung<br />

Viele Labors sind daher nach ISO 9000<br />

zertifiziert, wenige nach der ISO 15189 akkreditiert.<br />

Der Unterschied? Bei einer Zertifizierung<br />

überprüft eine zugelassene Stelle<br />

(Zertifizierungsstelle), ob eine Einrichtung<br />

(in diesem Fall das Labor) einer konkreten<br />

Norm (der ISO 9000) entspricht, wobei<br />

neben den üblichen QM-Themen wie Fehlermanagement,<br />

Beschwerdemanagement<br />

etc. vor allem die Prozesse im Fokus stehen,<br />

egal worum es letztlich geht.<br />

40 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


AKKREDITIERUNG<br />

Bei einer Akkreditierung nach ISO 15189<br />

wird ein Labor ebenfalls „begutachtet“<br />

(= auditiert), allerdings direkt von einer<br />

staatlichen Einrichtung, der Akkreditierung<br />

Austria (die auch die Zertifizierungsstellen<br />

zulässt). Das geschieht mithilfe von Sachverständigen,<br />

die eigens geschult werden<br />

für die jeweiligen Fachgebiete. Denn<br />

bei einer Akkreditierung werden nicht<br />

nur die QM-Themen der ISO 9000 abgefragt,<br />

sondern steht auch die fachliche<br />

Kompetenz auf dem Prüfstand. Personalqualifikationen,<br />

Einschulungsprozesse,<br />

Fortbildungsaktivitäten, räumliche Umgebungsbedingungen,<br />

Reagenzien- und<br />

Gerätemanagement, Implementierung von<br />

Untersuchungsmethoden, Verifizierung<br />

und Validierung von Methoden, Ringversuche<br />

sind natürlich obligat und ebenso<br />

der Freigabeprozess von Befundergebnissen.<br />

Immer im Vordergrund steht die Konformität<br />

mit den Anforderungen der ISO<br />

15189, also die Frage, ob der Prozess in<br />

dem jeweiligen Labor den Anforderungen<br />

der Norm entspricht oder nicht. Nichtentsprechung<br />

bedeutet „Non-Konformität“,<br />

was wiederum bedeutet, dass das Labor<br />

diese kompensieren muss mit Maßnahmen<br />

oder Änderungen von Prozessen.<br />

ISO 15189-Konformität<br />

in der Praxis<br />

Nehmen wir als praktisches Beispiel<br />

das leidige Thema „Corona“ her. Eine<br />

Behörde oder ein Patient hinterfragt ein<br />

Ergebnis selten – höchstens, wenn es<br />

Ungereimtheiten gibt. Das Labor muss<br />

einen klaren Prozess für diese Analyse<br />

fahren, damit jeder Schritt im System<br />

qualitätsgesichert ist. Beginnen wir mit<br />

dem PCR-Kit. Dieser muss von einem<br />

Hersteller stammen, der das Produkt als<br />

IVD-CE auf den Markt gebracht hat. Das<br />

Labor muss in so einem Fall nur intern<br />

anhand von bekannten Proben vor der<br />

Erstverwendung prüfen, ob der Kit auch<br />

hält, was er verspricht (= Verifizierung).<br />

Ist der Kit z.B. ein sogenannter RUO (research<br />

use only), dann muss das Labor<br />

sogar eine umfängliche Leistungskennzahlerhebung<br />

durchführen (=Validierung),<br />

um zu beweisen, dass der Kit den Anforderungen<br />

in Bezug auf z.B. Spezifität,<br />

Sensitivität etc. entspricht. Das kann mitunter<br />

komplex werden. Das „bloße“ Verwenden<br />

eines kommerziellen Kits vom<br />

Stand weg ist in einem akkreditierten Labor<br />

nicht zulässig.<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23<br />

41


AKKREDITIERUNG<br />

Der Kit muss natürlich bis zur Verwendung<br />

(für den vom Hersteller festgelegten<br />

Zweck, z.B. Nachweis von SARS-CoV-2<br />

aus Nasen-Rachenabstrichen, was bedeutet,<br />

dass ein Abstrich z.B. aus einer<br />

anderen Stelle nicht mehr in der Zweckbestimmung<br />

liegt und eigentlich vom Labor<br />

validiert werden muss) so gelagert<br />

werden, wie das der Hersteller vorgibt.<br />

Bei Kühlschranklagerung muss natürlich<br />

gewährleistet sein, dass die Kühlschranktemperatur<br />

stimmt, dass also 5° C tatsächlich<br />

5° C sind. Das wiederum lässt<br />

sich nur mit einer regelmäßigen (üblicherweise<br />

einmal jährlichen) Kalibrierung<br />

feststellen. Die Kühlschrank-Temperatur<br />

muss gegen eine Referenz gemessen<br />

werden, diese Referenz, meist ein kalibriertes<br />

(früher: geeichtes) Thermometer,<br />

muss von einer ebenfalls akkreditierten<br />

Kalibrierstelle kalibriert worden sein. Damit<br />

die Zeit zwischen zwei Kalibrierungen<br />

nicht ungenutzt verstreicht, muss der<br />

Kühlschrank noch dazu täglich überwacht<br />

(und dokumentiert) werden, denn<br />

es könnte ja ein Ausfall eines Thermostats<br />

wieder eine neue Situation schaffen.<br />

Bis hierher ist alles qualitätskontrolliert.<br />

Jetzt wird der Kit verwendet, das Probenmaterial<br />

stimmt. Jetzt möchte das Labor,<br />

aus Kostengründen, Proben poolen. Pool<br />

en bedeutet, dass definierte Aliquots aus<br />

mehreren Proben in ein Probengefäß zusammengeführt<br />

werden und als „eine Probe“<br />

behandelt werden. Wenn die Gesamtprobe<br />

negativ ist, ist davon auszugehen,<br />

dass alle darin aliquotierten Proben es<br />

auch sind. Ist die Pool-Probe „positiv“, ist<br />

also Virus-RNA nachweisbar, müssen alle<br />

Originalproben einzeln wiederholt werden,<br />

damit man die positive Probe der Originalprobe<br />

zuordnen kann. Nur: Diese Abänderung<br />

der Zweckbestimmung durch das<br />

Labor muss natürlich validiert werden, es<br />

muss ein Validierungsbericht vorliegen,<br />

aus dem letztlich hervorgeht, dass unter<br />

qualitätsgesicherten Gegebenheiten in<br />

einer Serie von Analysen bestätigt wurde,<br />

dass die Vorgangsweise zu den gleichen<br />

Ergebnissen führt, wie wenn die ursprüngliche<br />

Zweckbestimmung eingehalten worden<br />

wäre. Auch hier also: Das Poolen vom<br />

Fleck weg als Maßnahme des Labors ist<br />

im akkreditierten Rahmen nicht zulässig.<br />

So eine PCR muss von qualifiziertem Personal<br />

durchgeführt werden, das zu diesem<br />

Zweck eingeschult und befugt ist,<br />

bei einem Audit würde dies auch überprüft<br />

werden. Nach einem Lauf müssen<br />

alle Kit-immanenten Freigabekriterien<br />

überprüft und dokumentiert werden, erst<br />

dann darf ein Befund freigegeben werden.<br />

Auch die Befundfreigabe ist im akkreditierten<br />

Setting genau zu definieren.<br />

Im Zuge der Umsetzung der In vitro-Diagnostika-Richtlinie<br />

der EU aus 2017 ergibt<br />

sich zusätzlich ein Aspekt, der zu<br />

einer gewissen Unruhe unter den Labors<br />

in Österreich geführt hat. Wendet sich die<br />

IVD-R zwar überwiegend an den Hersteller<br />

eines IVD-Produktes, so gibt es einen<br />

Passus, der sich auch an die Labors<br />

selbst wendet, in dem festgelegt wird,<br />

dass, wenn ein Labor von der Zweckbestimmung<br />

abweicht, eine Validierung mit<br />

einem geeigneten QM-System durchzuführen<br />

ist; analog der ISO 15189, die hier<br />

implizit erwähnt ist. Mit anderen Worten:<br />

Ideal wäre es, wenn man ein QM-System<br />

nach ISO 15189 betreibt, denn dann kann<br />

man bei einer konkreten Abweichung von<br />

der Zweckbestimmung (was durchaus<br />

immer wieder gemacht wird und sogar oft<br />

nötig ist) unter dem Schirm der ISO 15189<br />

beruhigt validieren.<br />

Akkreditierung:<br />

selten aber sinnvoll<br />

Aus diesem Grund streben einige medizinische<br />

Labors in Österreich (derzeit<br />

sind es nur wenige, die akkreditiert sind)<br />

eine Akkreditierung an, die in Österreich<br />

grundsätzlich für medizinische Labors<br />

nicht verpflichtend ist, anders als in vielen<br />

anderen europäischen Staaten. Vorteil<br />

einer breiten Akkreditierung unter den Labors<br />

wäre ein gewisses Maß an Standardisierung<br />

in den Methoden und letztlich<br />

eine externe Bestätigung für die Labors,<br />

dass Kunden (Zuweiser, Patienten) in die<br />

Analyseergebnisse höchstes Vertrauen<br />

haben können – ein AMA-Gütesiegel für<br />

medizinische Labors gewissermaßen.<br />

Der Aufwand, zu einer Akkreditierung zu<br />

kommen, ist nicht gering – sowohl was<br />

die Kosten für die Akkreditierung selbst<br />

betrifft als auch die internen Kosten. Aber<br />

letztlich – und ich kann das aus mittlerweile<br />

14 Jahren Akkreditierungserfahrung<br />

sagen – zahlt es sich aus: Denn irgendwann<br />

gibt es nur mehr qualitätsgesicherte<br />

Prozesse, die zwar Fehler nicht verhindern<br />

können, aber die Fehleraufarbeitung<br />

derart gestalten, dass gesichert ist, dass<br />

man versucht, strukturiert aus Fehlern zu<br />

lernen und so den Kreislauf der Qualitätssicherung<br />

aufrecht zu erhalten.<br />

DR. MILO HALABI<br />

Facharzt für klinische Pathologie und Molekularpathologie<br />

Vinzenz Pathologieverbund GmbH<br />

Standortleiter Institut f. Pathologie Ried<br />

Mitglied der Geschäftsleitung, Prokurist<br />

Foto: © RSF ®<br />

Institutsanschrift:<br />

Institut für klinische Pathologie, Mikrobiologie und molekulare Diagnostik<br />

Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried<br />

4910 Ried, Schlossberg 1<br />

milo.halabi@pathologieverbund.at<br />

42 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


Digitale Arzt-Patienten-<br />

Kommunikation<br />

Von der Erfassung der Anamnesedaten zu Hause,<br />

über die Aufnahme bis zur Aufklärung<br />

Patient*innen erfassen die Anamnesedaten<br />

zu Hause – losgelöst von Ort und Zeit.<br />

Kundeneigene Dokumente werden<br />

bereits bei der Aufnahme digital<br />

ausgefüllt und unterschrieben.<br />

Die Ärzt*in klärt ihre Patient*in<br />

über den bevorstehenden Eingriff auf.<br />

Die erfassten Anamnesedaten werden<br />

strukturiert weiterge geben und stellen<br />

eine bedarfsgerechte Versorgung sicher.<br />

Mehr Informationen unter<br />

www.thieme-compliance.de


SELTEN SO GEDACHT<br />

Das Spiel<br />

mit der Wahrheit<br />

ist auch immer<br />

ein Spiel<br />

mit dem Leben.<br />

Franz Kafka (1883 – 1924)<br />

44<br />

<strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


Klimawandel,<br />

Gesundheit und<br />

Resilienz<br />

Klimawandel, Gesundheit<br />

und Resilienz<br />

Fachsymposium – Save the Date<br />

21. bis 22. Fachsymposium September 2<strong>02</strong>3, - Save Villach, the Date Österreich<br />

21. bis 22. September 2<strong>02</strong>3<br />

Information: Expert:innen aus Lehre, Villach, Forschung Österreich und Praxis präsentieren die neuesten<br />

Erkenntnisse im Bereich Gesundheit und Klima.<br />

Information: Expert:innen aus Lehre, Forschung und Praxis präsentieren die neuesten<br />

Ideenaustausch: Erkenntnisse im Forschende Bereich Gesundheit Lehrende und Klima teilen ihre Ideen, Erfahrungen und Visionen<br />

für den Umgang mit dem Klimawandel und machen sie der Praxis zugänglich.<br />

Ideenaustausch: Forschende und Lehrende teilen ihre Ideen, Erfahrungen und Visionen<br />

Vernetzung: Key Player aus dem Gesundheitswesen, der Wissenschaft und Wirtschaft<br />

für den Umgang mit dem Klimawandel und machen sie der Praxis zugänglich<br />

vernetzen sich, um Best Practices im Bereich der Ökologie, Gesundheit und Resilienz<br />

auszutauschen und Synergien zu bilden.<br />

Vernetzung: Key Player aus dem Gesundheitswesen, der Wissenschaft und Wirtschaft<br />

vernetzen sich, um Best Weitere Practices Informationen im Bereich der und Ökologie, Anmeldung: Gesundheit und Resilienz<br />

auszutauschen https://blog.fh-kaernten.at/kligs/fachsymposium-call-for-papers/<br />

und Synergien zu bilden.<br />

Weitere Informationen und Anmeldung:<br />

https://blog.fh-kaernten.at/kligs/fachsymposium-call-for-papers/<br />

Jetzt anmelden!<br />

Jetzt anmelden!


COCHRANE<br />

Fehl- und Überversorgung in der<br />

Gesundheits- und Krankenpflege?<br />

Die Initiative „Gemeinsam gut entscheiden“ sensibilisiert seit 2017 zum Thema Über- und Fehlversorgung<br />

im Gesundheitswesen. Bisher standen medizinische Themen im Fokus. Nun kommt eine neue Liste mit<br />

der Ausrichtung auf die Gesundheits- und Krankenpflege hinzu. „Gemeinsam gut entscheiden“ ist eine<br />

Kooperation von Cochrane Österreich an der Universität für Weiterbildung Krems und dem Institut für<br />

Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung an der Medizinischen Universität Graz. Die<br />

Kampagne ist Teil der internationalen Initiative Choosing Wisely. Ziel ist, das Bewusstsein für gesundheitsbezogene<br />

Maßnahmen zu schärfen,<br />

die wenig oder keinen Nutzen<br />

haben.<br />

Pflegerelevante Choosing<br />

Wisely-Empfehlungen<br />

Die Gesundheits- und Krankenpflege<br />

ist seit Jahren mit Personalengpässen<br />

und damit verbundenen Leistungs- und<br />

Qualitätseinbußen sowohl national als<br />

auch international konfrontiert. Vor diesem<br />

Hintergrund gilt es umso mehr, die<br />

Arbeitszeit der Pflegenden angemessen<br />

zu nützen und in effektive und nachhaltige<br />

Maßnahmen zu investieren, denn mehr<br />

Pflege bedeutet nicht zwingend bessere<br />

Pflege. Im internationalen Kontext finden<br />

sich mehr als 60 Empfehlungen aus der<br />

Gesundheits- und Krankenpflege verschiedener<br />

nationaler Choosing Wisely-<br />

Initiativen. Diese richten sich weniger<br />

nach medizinischen Fachrichtungen,<br />

sondern fokussieren auf Settings, Alter<br />

der Zielgruppe oder auch bestimmte Phänomene<br />

wie z.B. Schmerz.<br />

Vorgehensweise<br />

Zur Entwicklung der Top-5-Liste wurden<br />

bereits vorhandene internationale Empfehlungen<br />

für die allgemeine Gesundheits-<br />

und Krankenpflege von Experten<br />

und erfahrenen Pflegenden in mehreren<br />

Delphi-Prozessen priorisiert. Der Österreichische<br />

Gesundheits- und Krankenpflegeverband<br />

übernahm dabei die initiale<br />

Abstimmung mit den Experten. Die<br />

Evidenz zu den ausgewählten Empfehlungen<br />

wurde durch die universitären Partner<br />

in Graz und Krems überprüft.<br />

Top-5-Empfehlungen:<br />

Gesundheits- und Krankenpflege<br />

■ Wecke ältere Menschen nachts nicht<br />

für routinemäßige Pflegehandlungen,<br />

solange es weder ihr Gesundheitszustand<br />

noch ihr Pflegebedarf zwingend<br />

verlangen.<br />

■ Vermeide bewegungseinschränkende<br />

Maßnahmen bei älteren Menschen.<br />

■ Lass ältere Erwachsene während ihres<br />

Krankenhausaufenthalts nicht im Bett<br />

liegen oder nur auf einem Stuhl sitzen<br />

und fordere ältere Menschen während<br />

eines Krankenhausaufenthalts nicht zur<br />

Bettruhe auf, es sei denn, dies ist medizinisch<br />

angezeigt.<br />

■ Verzichte bei der Pflege von an Demenz<br />

Erkrankten, die Verhaltensauffälligkeiten<br />

und psychische Symptome<br />

zeigen, auf körperliche oder chemische<br />

Zwangsmaßnahmen, es sei denn, es<br />

handelt sich um einen Notfall.<br />

■ Gehe bei älteren Erwachsenen nicht<br />

von einer Demenzdiagnose aus, wenn<br />

sich diese mit einem veränderten mentalen<br />

Status und/oder Verwirrungssymptomen<br />

vorstellen, ohne ein kurzes,<br />

sensitives und validiertes Beurteilungsinstrument<br />

zu verwenden, um ein Delirium<br />

oder ein der Demenz überlagertes<br />

Delirium festzustellen.<br />

Weitere Informationen und die Hintergründe<br />

der Empfehlungen für Gesundheitsdienstleister,<br />

Patienten bzw. deren<br />

An-/Zugehörige sind ab Juni 2<strong>02</strong>3 auf der<br />

Website www.gemeinsam-gut-entscheiden.at<br />

verfügbar. Dort kann auch die Broschüre<br />

kostenfrei bezogen werden.<br />

Autoren und Kontakt:<br />

Martin Fangmeyer, BScN, MScN<br />

Dr. in Brigitte Piso, MPH<br />

Department für Evidenzbasierte Medizin und<br />

Evaluation – Cochrane Zentrum Österreich<br />

martin.fangmeyer@donau-uni.ac.at<br />

www.gemeinsam-gut-entscheiden.at<br />

#cochraneAT<br />

46 <strong>QUALITAS</strong> • <strong>02</strong>/23


INTEGRI 2<strong>02</strong>4<br />

Einreichstart<br />

für Ihre<br />

Initiative:<br />

September<br />

2<strong>02</strong>3!<br />

Fotorechte: Werner Redl | Bildinhalt: Die „INTEGRI Glasskulptur” des Künstlers Robert Comploj, Glashütte Comploj, https://www.studiocomploj.com<br />

Der INTEGRI, Österreichischer Preis für Integrierte Versorgung,<br />

wird 2<strong>02</strong>4 zum nunmehr sechsten Mal vergeben. Im September<br />

2<strong>02</strong>3 startet die Einreichphase - reichen Sie Ihre Initiative ein!<br />

Eine unabhängige Expertenjury wird erneut Organisationen<br />

und Personen auszeichnen, die den veränderten Anforderungen<br />

an ein funktionierendes Versorgungssystem mittels innovativer<br />

Modelle der Integrierten Versorgung begegnen.<br />

Die INTEGRI-Preisverleihung wird im Rahmen des<br />

Gesundheitswirtschaftskongresses 2<strong>02</strong>4 in Wien stattfinden.<br />

www.integri.at


FÜHRUNGSLABOR 2<strong>02</strong>3<br />

Ärztliche Führungskräfte von morgen treffen Profis von heute.<br />

EXKLUSIVSEMINAR DES WEITMOSER KREISES<br />

Vom 14. bis 16. September 2<strong>02</strong>3 in St. Florian/OÖ<br />

INFORMATION & ANMELDUNG: www.weitmoser-kreis.at<br />

INTEGRI

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