Offizielle Gästezeitung »Albzeit 2024« • Schwäbische Alb
Die jährlich erscheinende Gästezeitung des Schwäbische Alb Tourismus bietet Reportagen über die Menschen, Natur, Kultur und Geschichte der Region sowie praktische Urlaubstipps. Zusätzlich informiert sie über aktuelle Veranstaltungen und Events. Der perfekte (Planungs-)Begleiter für deine #albzeit! ➜ Alle Infos für deinen Urlaub: www.schwaebischealb.de
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Dreiklang
oder mit dem Traktor aufs Feld“, blickt
Valerie zurück. Dennoch hat sie sich dazu
entschieden, Schäferin zu werden. Mit 16
Jahren hat sie die Ausbildung zur Tierwirtin
begonnen, zunächst, weil ihr nichts
anderes einfiel. Heute kann sie sich nichts
anderes mehr vorstellen.
Von der Freiheit
eines Wanderschäfers
Auch ihr Vater Josef ist vor fast 60 Jahren in
die Fußstapfen seiner Vorfahren getreten,
sein Vater war Schäfer, ebenso der Großvater
und der Urgoßvater. „Als ich dreizehneinhalb
war, haben mich Mutter und
Zwei Generationen, ein Beruf: Josef und Valerie Stegmayer.
Vater zum ersten Mal auf die Winterweide
geschickt“, blickt der 70-Jährige zurück.
Damals gab es noch Sonderregelungen für
Schäferskinder, deren Schulzeit auf 7,5 Jahre
verkürzt werden konnte. Hart war dieser
erste Winter für den Jungen dennoch.
Tagsüber allein auf einer Weide, nachts im
Wohnwagen, der Lohn bestand aus Kost
und Logis. Wenn es gut lief, gab es ein Stück
Schwarzwälder Kirschtorte am Nachmittag
und Eintopf am Abend, oft war es aber
nicht allzu üppig. Er musste essen, was ihm
die Bauersfamilien gaben, deren Wiesen
er beweidete. Trotzdem denkt Josef Stegmayer
wehmütig an diese Zeit zurück. Die
Freiheit und Unabhängigkeit, die ihm sein
Leben unterwegs mit seiner Herde bot. Als
jugendlicher Schäfer konnte er sich auch
öfters über Damenbesuch im Schäferwagen
freuen, berichtet er schmunzelnd. Er
war ein richtiger Wanderschäfer, der von
der Alb bis nach Karlsruhe oder in den
Schwarzwald zog. Mit Schreibkram hatte
er damals nichts zu schaffen, er war frei
wie seine Tiere. Und fand dabei außerdem
die große Liebe seines Lebens. „Ich war auf
der Winterweide“, erzählt er, ein Glitzern in
den hellblauen Augen, rund 35 Jahre liegt
das zurück. Auf der Weide nebenan ließ
sich die junge Schäferin Marliese nieder.
„Ich wusste nach einer Minute, dass ich
sie heiraten werde.“ Und es kam tatsächlich
so: Die beiden wurden ein Paar und
gründeten eine Familie. 1996, es war das
Geburtsjahr ihrer Tochter Valerie, kauften
sie einen Aussiedlerhof in Giengen. Vorbei
war damit die Zeit der Winterweide, ihre
Schafe sind seitdem von Weihnachten bis
Ostern im Stall. Das erleichtert die Arbeit,
aber für einen Schäfer vom alten Schlag
fehlt dennoch etwas im Jahresablauf.
Die Zeiten für Schäfer waren noch nie einfach,
aber Josef Stegmayer bedauert seine
Berufswahl nicht: „Ich mache das seit fast
60 Jahren, und es ist mir noch keinen Tag
langweilig geworden. Klar: Manche Tage
vergehen schnell wie im Flug, andere ziehen
sich in die Länge.“ Wenn es regnet, die
Nässe die Kleidung aufweicht und die Kälte
langsam bis in die Knochen kriecht, das
Wasser in den Stiefeln steht, sind es keine
schönen Tage. Wenn selbst die Schafe nur
noch schlecht gelaunt sind und meckern,
sehnt man sich nach dem trockenen Schäferwagen
oder einem Stall. Aber die meisten
Tage sind gut, sagt Josef Stegmayer.
Wenn er nach einem langen oder kurzen
Marsch die Weide erreicht, er sich dabei
auf seine Schippe lehnt und die Stunden
dahinziehen, „dann kann ich einfach meinen
Gedanken nachhängen.“ Fast jeden
Tag steht der 70-Jährige nach wie vor auf
der Weide, trotz künstlicher Hüfte sind ein
paar Stunden drin. „Ich mache das, so lange
es geht“, sagt er, es ist seine Bestimmung,
er will für seine Tiere und seine Tochter da
sein. Denn ohne Unterstützung wäre die
Arbeit für die junge Schäferin Valerie nicht
zu bewältigen.
Was bringt die Zukunft für die Schäferei? So
lange die Alb ihr typisches Gesicht mit Magerrasen,
Dorn- und Wacholderbüschen
beibehält, wird es weiterhin Schafe brauchen,
um sie zu pflegen und zu bewahren.
Allerdings gibt es einen Besucher, den jeder
Schäfer fürchtet: Immer mehr Wolfssichtungen
gibt es im Süden Deutschlands,
auch auf der Ostalb zogen schon
Tiere durch. „Wir werden lernen müssen,
mit ihm zu leben“, sagt Valerie Stegmayer,
„aber das wird mit Sicherheit nicht einfach
werden.“
Nächste Generation
steht in den Startlöchern
Und wie steht es um die Zukunft der Schäferei
Stegmayer? Inhaberin Valerie muss
derzeit etwas kürzertreten, aber das hat
einen durchaus schönen Grund: Sie wird
Mutter, erwartet ihr erstes Kind. Mehr und
mehr wölbt sich unter ihrem weiten Schäferhemd
der Babybauch, beim Berghochgehen
kommt sie schnell außer Puste. „Ich
kann nicht mehr so lange stehen und darf
auch nicht zu schwer heben“, erzählt sie,
aber ihre Augen strahlen dabei.
Elternzeit oder andere Annehmlichkeiten
gibt es für sie als selbstständige Schäferin
nicht, aber Familie und Freunde helfen
nach Kräften mit, um sie so gut wie möglich
zu entlasten. Auch der Vater des Kindes
wird künftig öfter auf Hof und Weide
anzutreffen sein, obwohl er als Elektriker
eigentlich einer ganz anderen Profession
nachgeht. Und wer weiß, vielleicht wird
die Familie Stegmayer auch noch in sechster
Generation als Schäfer über die Ostalb
ziehen.
Text: Anja Weiß
Fotos: Emil Schmid
Landschaftspflege auf der Albhochfläche – der perfekte Job für die Schafherde und ihre Chefin.
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